www.claudia-wild.de: Zaugg__Der_erste_Schweizer_Aussenminister__[Druck-PDF]/18.08.2021/Seite 173
Teil 4 Unter Bismarcks Druck (1887–1890)
1887 war das Jahr der endgültigen Konsolidierung, in dem Droz sich im Amt als Aussenminister auf längere Zeit installierte. Zugleich begannen die aussenpolitischen Schwierigkeiten überhandzunehmen. Das französisch-deutsche Verhältnis hatte sich nach einer kurzen Entspannung wieder eingetrübt. Ein französisch-russisches Bündnis drohte eine Zeit lang, Deutschland in einen Zweifrontenkrieg zu verwickeln, eine Aussicht, die Bismarck mit Österreich und Italien in Verhandlungen treten liess. Der Konflikt zwang Droz zu Abklärungen, wie die Neutralität Nordsavoyens im Kriegsfall gesichert werden könnte. Seit dem Wiener Kongress 1815 hatte die Schweiz die Auflage, die Neutralität jenes Territoriums zwischen der Schweiz, Italien und Frankreich zu gewährleisten. Die allgemeine Schutzzollpolitik trug auch nicht zur Beruhigung der Lage bei. Für Spannungen mit Deutschland sorgte aber vor allem die Frage der politischen Flüchtlinge. Gegenüber den Sozialisten vertrat Bismarck in den 1880er-Jahren eine immer repressivere Haltung. Die Schweiz hatte sich zu einem wichtigen Exilland entwickelt, aber auch zu einem Ort, von dem aus politische Flüchtlinge ihre Agitation gegen Deutschland weiterführten. Besonders gefordert war Droz 1889 in der Wohlgemuth-Affäre. Der kaiserliche Polizeibeamte August Wohlgemuth versuchte, in der Schweiz Spitzel gegen Sozialistenkreise anzuwerben, war jedoch im aargauischen Rheinfelden als verdeckter Ermittler verhaftet worden. Die Affäre um den deutschen Agent Provocateur führte zu einer heftigen Reaktion Bismarcks, die Droz im Austausch mit seinem europäischen Gesandtennetzwerk beantworten musste. Zwar hatte Droz Verständnis für die Lage der Flüchtlinge, vertrat aber im Unterschied zu seinem ebenfalls radikalen Bundesratskollegen Ruchonnet eine entschiedenere Haltung gegenüber der politischen Agitation. Auch Ruchonnet drängte jedoch 1889 auf die Einsetzung eines ständigen Bundesanwalts, um die Überwachung von Anarchisten und mithin das Verhältnis mit Deutschland zu verbessern.