6 minute read

Wiesbadener Fototage S

„Fototage“-Gründer Reinhard Berg (re) übergibt an seinen Nachfolger Jürgen Strasser, der ab jetzt das Festival leitet.

Wiesbadener Fototage 2022

Advertisement

Neue Ideen in unruhigen Zeiten

Nach 20 Jahren übergibt Reinhard Berg die von ihm gegründeten „Wiesbadener Fototage“ an Jürgen Strasser, der die 12. Ausgabe des Festivals unter das Motto „Unruhige Zeiten“ stellt. Vom 13. bis 28. August 2022 werden an sechs Ausstellungsorten der Stadt 37 nationale und internationale Künstlerinnen und Künstler präsentiert. Das Magazin WIESBADENER*IN traf die beiden Fotografen zum Gespräch.

Wie seid ihr beiden in Kontakt gekommen?

Jürgen Strasser (JS): Ich wohnte in Wiesbaden und hatte jahrelang bei einer Frankfurter Werbeagentur gearbeitet, bis ich 201 beschlossen habe, mich ganz der Fotografie ganz zu widmen. In meiner Arbeit bin ich eigentlich ein Dokumentarfotograf mit einem konzeptionellkünstlerischen Ansatz. 201 habe ich dann meinen zweiten Wohnsitz in Worpswede eingerichtet. Schnell habe ich gemerkt, dass man hier

Foto: © Uta Schmitz-Esser, Köln, aus der Serie „Verheizte Heimat – Unruhige Zeiten im Revier“

etwas initiieren sollte. Ich habe einen befreundeten Fotograf kontaktiert und ihm als Beispiel die „Wiesbadener Fototage“ genannt, die ja auch klein angefangen haben und dann immer weiter wuchsen. Ich hatte sie bereits mehrmals besucht und 2019 sogar als Aussteller teilgenommen. Als ich meinen Kollegen nach zwei Jahren von dem Ausstellungsprojekt in Worpswede überzeugen konnte, habe ich Reinhard Berg aufgesucht und ihn nach Details gefragt. Zum Glück war er sehr offen, denn normalerweise redet man nicht ohne weiteres über Budget und Kontakte.

In Worpswede ist dann unter deiner Leitung die »RAW Phototriennale Worpswede« entstanden…

JS: Die Idee war, klein anzufangen und zu wachsen, doch es ging gleich ziemlich groß los. Uns ging es um die Lust am Bilderschauen, das war unser Motto. Vom Bild zum Text und nicht umgekehrt. Wir haben uns dann für einen dreijährigen Rhythmus entschieden, damit genug Zeit für Planungen bleibt. Zum Glück, denn nur deshalb konnte ich das Angebot, die „Wiesbadener Fototage“ zu leiten, annehmen.

Reinhard Berg (RB): Wir haben bei den „Wiesbadener Fototagen“ mit einem jährlichen Rhythmus begonnen, sie dann als Biennale weitergeführt, weil es sonst zu viel Arbeit war. 2007 hatten wir 22 Ausstellungsorte, das muss man sich mal vorstellen! Das war aber auf der anderen Seite notwendig, um bekannt zu werden und Synergien zu schaffen,

ORTE DER HAUPTAUSSTELLUNGEN

Aktives Museum Spiegelgasse

Spiegelgasse 11, 65183 Wiesbaden www.am-spiegelgasse.de

Frauenmuseum Wiesbaden

Wörthstraße 5, 65185 Wiesbaden www.frauenmuseum-wiesbaden.de

Kunsthaus Wiesbaden

Schulberg 10, 65183 Wiesbaden www.wiesbaden.de/kunsthaus

Kunstverein Bellevuesaal

Wilhemstraße 32, 65183 Wiesbaden www.kunstverein-bellevue-saal.de

Rubrecht Contemporary

Büdingenstraße 4–6, 65183 Wiesbaden www.rubrecht-contemporary.com

Sam Stadtmuseum am Markt

Marktplatz, 65183 Wiesbaden www.wiesbaden.de/stadtmuseum

Kernöffnungszeiten für alle Häuser:

Freitag, Samstag, Sonntag von 11 – 17 Uhr

Der Eintritt in die Ausstellungen ist frei! Jetzt sind die „Wiesbadener Fototage“ für dich ein abgeschlossenes Kapitel…

RB: Als ich 2002 die „Wiesbadener Fototage“ gegründet habe, hat gerade das große Fotofestival in Herten aufgehört, weil die finanzielle Unterstützung wegbrach. Und so gab es damals gar nichts mehr in Deutschland, und das war meine Motivation, das Festival ins Leben zu rufen.

Im Laufe der Zeit ist es mir dann einfach zu viel geworden. In den 20 Jahren haben wir ja insgesamt 500 Fotografen nach Wiesbaden geholt, und irgendwann konnte ich mich nicht mehr an alle Namen erinnern.

Für mich gab es die Alternative: entweder das Festival ganz beenden oder es weitergeben. Dass Jürgen Strasser ziemlich ähnliche Ansichten hat –er kommt vom Bild und nicht vom Text, also fotografisch und nicht akademisch - war ein wichtiger Grund, sie an ihn zu übergeben. Und nun hat er die Gelegenheit, neue Ideen in die „Wiesbadener Fototage“ einzubringen.

Welche neuen Ideen werden bei den „12. Wiesbadener Fototagen“ umgesetzt?

Foto: © Dennis Henning, Hamburg, aus der Serie „Hochaufgelöst“

JS: Das Haus ist ja gebaut, das Format steht und wird von uns so weitergeführt, d.h. die „Wiesbadener Fototage“ sind nimmer noch in dieser Größe fast das einzige Fotofestival in Deutschland, auf das man sich bewerben kann. Wir bleiben bei dem bewährten Dreiklang aus Ausstellungen als zentraler Bestandteil des Festivals plus ein attraktives Rahmenprogramm plus die beiden Förderpreise – nämlich den Preis der Jury und den Publikumspreis. So wollen wir den Dialog mit dem Publikum fördern.

Meine Aufgabe besteht darin – um im Bild zu bleiben –, den Dachboden auszubauen. Ich habe das Gefühl – und durch meine Kontakte hat sich das bestätigt-, dass sich die „Wiesbadener Fototage“ unter Wert verkauft haben. Ich glaube, für Reinhard und das Team war es wichtig, tolle Ausstellungen zu haben und dafür zu sorgen, dass es läuft. Und ich habe mir gedacht, dass sich die „Wiesbadener Fototage“ ruhig verbreitern könnten. Sie müssen mehr beachtet werden, denn der künstlerische Wert war und ist ja da.

Ich versuche, die Kommunikation auszubauen und das Festival deutlich überregional zu positionieren, verstärkt die sozialen Medien einzusetzen und es vom Design her aufzufrischen, was man auf der Website bereits erkennen kann. Da ist meines Erachtens Potential nach oben, denn die Qualität der Ausstellungen war schon immer gut. Da setze ich zurzeit den Schwerpunkt.

Gibt s neue Ausstellungsorte?

JS: Diesmal ist neu der KunstvereinBellevuesaal dabei, das Stadtmuseum am Markt, die Galerie Ruprecht Contemporary und das Aktive Museum Spiegelgasse, das in Vergangenheit ja schon mal mitgemacht hat. Weggefallen ist die Sparkassenstiftung, die bisher auch die beiden Förderpreise finanziert haben. Das hat nun das Unternehmen Oschatz Visuelle Medien aus Niedernhausen übernommen, was uns sehr freut.

Was hat es mit dem angekündigten Foto/Buch/Salon auf sich?

JS: Es gab bis vor zwei Jahren ein Fotobuchfestival in Kassel und es gibt seit vielen Jahren den Fotobook Dummy Award. Dort konnte man ein unveröffentlichtes Fotobuch einsenden. Unter den weltweiten Einsendungen wird eine Shortlist mit etwa 50 Büchern erstellt, aus denen dann die Preisträger ermittelt wurden und die dann anschließend auf Tournee gehen. Und wir präsentieren die Bücher der Shortlist 2022 im Kunsthaus.

Und noch etwas Neues: Die Deutsche Gesellschaft für Photographie schreibt einen Nachwuchspreis aus, den Otto-Steinert-Preis. Der Preisträger wurde vor einigen Monaten ermittelt. Die Preisverleihung selbst findet während des Festivals statt, was sicherlich noch zusätzliche Aufmerksamkeit auf das Festival lenkt. Das sind Kontakte, die ich einbringen kann. Für den Sonntag nach der Eröffnung planen wir ein Format unter dem Motto „Meet the Artist“, wo Besucher zu bestimmten Zeit mit den teilnehmenden Fotografen ins Gespräch kommen können.

Wie war die Beteiligung bei der diesjährigen Ausschreibung?

JS: Ich war überrascht wie viele ausländische und namhafte FotografInnen sich beworben haben. Sicherlich gab es einen Stau wegen Corona, die Fotografen hatten in den letzten 2 Jahren kaum Möglichkeiten, an solchen Veranstaltungen teilzunehmen. Bei der Auswahl blieben wir offen. Die Bildsprache ist wichtig, aber nicht entscheidend, es muss zum Thema passen, aber stilistisch machen wir keine Einschränkungen RB: Eine weitere Neuerung, die mich sehr freut, ist die Tatsache, dass nun durch den Kulturfonds Frankfurt RheinMain die einzelnen Fotografen finanziell unterstützt werden. Wir hatten wegen des knappen Etats nie die Möglichkeit gehabt, den Teilnehmern ein Honorar zu zahlen. Ausnahmen konnten wir nur bei den Fotografen des Länderschwerpunktes machen. Da hatte ich immer ein schlechtes Gewissen, aber es war finanziell nicht möglich.

Wie positionieren sich die „Wiesbadener Fototage“ neben den anderen Festivals im Rhein-MainGebiet?

JS: Wichtig ist, dass man sich mit Frankfurt und Darmstadt geeinigt hat, dass alle drei auf einen Triennale-Rhythmus umschalten und es nun jedes Jahr in einer der drei Städte ein Fotofestival mit eigenem Format gibt.

RB: Das haben wir noch initiiert, ein Konzept, das von dem damaligen Chef des Kulturfonds Dr. Müller

Foto: © Andreas Rost, Berlin, aus der Serie „A Forlorn Hope“ entwickelt und mit umgesetzt wurde. JS: Und vielleicht können die drei Veranstalter auch mal etwas Gemeinsames machen. Meine Idee ist, eine Dachmarke zu entwickeln, und wenn es nur einen Broschüre ist, in der sich alle drei Festivals vorstellen. Aber das ist noch Zukunftsmusik, jetzt geht es erst einmal darum, die 12. „Wiesbadener Fototage“ durchzuführen. Wir haben tolle Bilder, wir haben schöne Orte, wir werden sie gewohnt gut präsentieren, und das wird 14 Tage lang ein großartiger Event werden.

Webseite: www.wiesbadener-fototage.de Facebook @fototagewiesbaden Instagram #wifo2022

This article is from: