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Tanz auf dem Eis S
Die Schwerkraft hat ausgedient. Die Augen können es kaum glauben: „Skid“ zieht als hypnotischer Tanz auf halsbrecherischer Rampe in den Bann. Das Hessische Staatsballett in Höchstform.
Faszination auf steiler Schräge und auf dem Eis
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Das Hessische Staatsballet bietet als Zwei-Städte-Kompanie hochkarätige Tanzkunst – auch auf halsbrechericher Rampe
Faszination mit Suchtpotenzial. Mucksmäuschenstille im Großen Haus des Wiesbadener Staatstheaters. Die barocke Pracht der Bühneneinrahmung erscheint tiefschwarz. Das Tuch fällt, gibt den Blick frei auf 100 Quadratmeter weiße Schräge. Die „Bühne“ von Jim Hodges & Carlos Marques da Cruz ist eine 35 Grad steile Rampe bis in den Orchestergraben hinunter.
Alles total schräg hier. Vom ersten Augen-Blick an zieht ein Faszinosum, von ausgefeiltem Licht- und Schattendesign illuminiert (Joakim Brink) mit suggestiver Kraft hypnotisch in den Bann. Das Publikum sitzt auf der Stuhlkante und atmet kaum.
Der Doppelabend „V/ertigo“ mit Choreografien von Damien Jalet und den Geschwistern Imre & Marne van Opstal startet mit dem grandiosen Spektakel „Skid“, das einen Teil des japanischen Rituals „Onbashira“ der “heiligen Holzsäulen“ zitiert. Akrobatische Tanzkunst vom Feinsten.
Einzeln, zu zweit oder im Pulk stemmen sie sich in rutschfester Montur (Jean-Paul Lespagnard) der Erdanziehungskraft in stetem Fluss entgegen. Sie marschieren aufrecht und rutschen, kreiseln, klettern hoch und schleudern runter, stürmen einen alpinen Gipfel, trotzen dem Sturm, kleben wie Tropfen an der Steilwand. Die Poesie des Widerstands. Hoch hinauf und sich fallen lassen. Einmal ansehen ist zu wenig. Einzigartig. Furios.
Der zweite Teil des Abends „I`m afraid to forget your smile“ als berührende Choreografie der Geschwister van Opstal kommt zum a capella-Gesang des “V/ertigo“-Kammerchores (Schiersteiner Kantorei, Bachchor & Co.) mit Choralmusik von Arvo Pärt und Kollegen leise daher. Leben und Tod, Sein und Vergehen. Faust-Preisträger Ramon John und das fünfköpfige Ensemble fesseln mit prägnanten Körperbilder bis zu einer Pièta. Lautstarker Beifall.
Ballettdirektor Bruno Heynderickx, international erfahren und bestens vernetzt, setzt auch im Team mit Mousonturm-Chefin Anna Wagner auf Hochkaräter. Zum beliebten Dauerbrenner entwickelt sich das Tanzfestival Rhein-Main. Vom Kulturfonds Frankfurt-Rhein-Main „im siebten Jahr“ als phantasiereiches Projekt unter dem Motto „re:shape“ mit Überzeugung gefördert, wie Fonds-Geschäftsführerin Karin Wolff zur Eröffnung in der Darmstädter Eissporthalle betonte.
Die athletische Kufen-Compagnie „Le Patin Libre“ („der freie Eisschuh“), 14 Personen starke Eistanz-Crew aus Kanada, brachte mit „Murmuration“ die ausgefeilte Choreografie des StarenFluges aufs Eis. Phantastisch, wie der Tanzschwarm schwebt, EishockeyAssoziationen weckt, Kampfparteien bildet, ein Mitglied mobbt und wieder integriert, Militärparaden imitiert. Pirouetten, Pas de deux und Sprünge inklusive. Magische Virtuosität.
„10 Jahre Tanztag Rhein-Main“ - ein Jubiläum wurde zelebriert. Die ivorische Choreografin Nadia Beugré ist die Spotlight-Künstlerin, die mit ihrem rasanten Tanzstück „Entre deux“ (ein „Schwesterwerk“ zu Mozarts „Don Giovanni“) den Verführer-Mythos ohne eurozentrischen Blick energiegeladen gegen den Strich bürstet.
Achtung Tango-Fans: Gabriel Sala bittet mit La Chan Chan Quinteto & Nacha Daraio am 2. Dezember zum Salón TANGO ins Prunkfoyer. Zuschauen & Tanzbein Schwingen erbeten.
Text und Fotos: Gesine Werner
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