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KulTouren S
Mit „historischem“ Requisit freut sich Iris Limbarth, langjährige Leiterin des jugend-club-theaters und des Jungen Staatsmusicals, über die Auszeichnung mit dem Deutschen Musical-Preis 2022.
„Be crazy and be fast!“
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Deutscher Musical-Preis zum Jubiläum des Jugend-Club-Theaters – Hessisches Staatsmusical
GratulARTion! Kaum sind 5 Jahre engagierten Kulturschaffens vorbei, gibt es in Hamburg den Deutschen Musical-Preis. Dieser Sonderpreis wurde neben Auszeichnungen in 14 Kategorien vergeben für außergewöhnliche Kontinuität und Nachhaltigkeit der Nachwuchsförderung im eigenen Haus. Der legendäre Intendant Claus Leininger hatte zur Spielzeit 1987/88 mit dem leitenden Schauspieldramaturgen Dr. Winrich Schlicht das „jugend-club-theater“ gegründet. Ambitionierter Bühnennachwuchs kam unter Leitung von Schauspieler Frank Schuster auf die Bretter. Erst Intendant Uwe Eric Laufenberg verfügte die Umbenennung in „Junges Staatsmusical“. Der Dauerbrenner ist eine sichere Bank. „Be crazy and be fast!“ Aus dem Ausruf der Bühnenlegende Jerome Savary, 199 zur Premiere seines Werks „Zazou und die Swing Boys“ aus Paris angereist, wurde die Devise der Talentschmiede. Seit 2000 leitet die ausgebildete Tänzerin Iris Limbarth die allseits beliebte Institution, war als echtes Eigengewächs schon 1990 beim zweiten Stück „Lysistrate“, dunkelhaarig mit Reinhard Friese und Percy Brauch, als Titelfigur dabei. Das Erfolgsmodell brachte Größen hervor wie Britta Hammelstein, Jasna Fritzi Bauer und Tobias Bode, Benjamin Rufin, Marc Schöttner oder HR-Moderator Klaus Krückemeier, auch für eigenes Radio-Theater bekannt. Jede Menge Talente werden an renommierten Schauspielschulen angenommen von Folkwangschule bis Ernst Busch in Berlin. TV-Sender fragen an. In Musicals von „Mamma Mia“ bis „Kein Pardon“, auch in Produktionen der Staatstheater Darmstadt und Wiesbaden sind frühere Mitglieder mit von der Partie. Mit „Was heißt`n hier Liebe?“, dem Kultstück der „Roten Grütze Berlin“, fing alles an. Diplom-Designerin Elke Pflugradt, Reinhard Friese (heute Intendant in Hof), Diana Stein, Gerard Naziri (heute Videokünstler) sowie Percy Brauch spielten im Kleinen Haus und das Publikum saß mit auf der Bühne. Ein Jahr Probezeit, im Januar 1989 war Premiere, Aufführungen an Schulen der Region folgten. 2015 war für Regie & Choreografie ihr Stück „Super Hero“ nominiert, 2022 gab es jetzt den Deutschen Musical-Preis für Iris Limbarth.
https://iris-limbarth.de
Text und Foto: Gesine Werner
Nach der Generalprobe freut sich das Ensemble auf die „Mignon“-Premiere: Mary Lou Sullivan-Delcroix, Ute Körner, Veronika List, Uta Müller, Erik Struß, Lucie Melville, Ingrid Ujj-Conrad, Barbara Menges und Sebastian Kroll (von links).
Die Sehnsucht der Mignon
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Inspiriertes Programm im Hinterhof-Palazzo
Der Hinterhof-Palazzo kommt aus dem Feiern nicht raus. Die 198 gegründete „Werkstatt für Gesang, Spiel und Sprache“ steuert auf das Jubiläum des 40jährigen Wirkens zu. Eine ausgefeilte Doppel-Hommage an Pauline Viardot - Sängerin, Komponistin, Pädagogin, Salonnière und Freundin von George Sand und Turgenjew - ist geplant mit Texten, Tönen, Tanz. In den Westend-Kulturtagen lud Sopranistin Mary Lou Sullivan-Delcroix, als wichtige Zeitzeugin in das oral history-Projekt des Stadtarchiv-Fördervereins eingebunden, zu „Mignon und die Sehnsucht“ in ihr Domizil ein. Goethes „Wilhelm Meister“ kauft „das wunderbare Kind“ Mignon von Gauklern frei, will sie „an Kindes Statt seinem Herzen einverleiben“. „Mignon“ begleitet die Sopranistin mit dem Faible für Historie seit ihrem Studium in Boston. Sie gastierte mit Mignon-Liedern in London mit Alistair Cameron. „Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn?“ ist ein geflügeltes Wort. „Nur wer die Sehnsucht kennt, weiß, was ich leide“ wird gern zitiert. Komponistinnen wie Helene Liebmann und Josephine Lang, sogar Annette Droste-Hülshoff („Wer nie sein Brot mit Tränen aß“) und Kollegen wie Beethoven, Liszt, Schubert, Schumann, Tschaikowsky und Hugo Wolf vertonten die Gedichte. In Polen ist Stanislaw Moniuszkos „Wezwanie do Neapolu“ bekannt. Dem kürzlich verstorbenen Ausnahmeschauspieler und Regisseur Michael Delcroix war der exquisite Abend, der unbedingt wiederholt werden sollte, gewidmet. Das Publikum „stand auf den Stühlen“ und feierte die feinfühlig begleitende Pianistin Ute Körner. Veronika List, Uta Müller, Erik Struß, Lucie Melville, Ingrid Ujj-Conrad, Barbara Menges und Ortwin Trapp berührten als seelenvolle Goldkehlchen. Schauspieler Sebastian Kroll („Exekutor 14“) empfahl sich mit ausdruckstarker Lesung. Um „Frauenzauber und die Kraft der Stimme“ geht es am 25. und 26. Februar 202. Chansons und Musicalsongs huldigen Barbra Streisand, Julie Andrews, Audrey Hepburn und Hildegard Knef. Konzertpianist Wolfgang Stifter begleitet Ute Hilgenberg, Romina Lehmann, Mia Bieker & Claudia Muhl. Regie führt Christine Brieger. info@hinterhof-palazzo.de.
Text und Foto: Gesine Werner
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Die symbolische Schlüsselübergabe im künftigen LEIZA, Leibniz-Zentrum für Archäologie, zelebrierten Oberbürgermeister Michael Ebling und Generaldirektorin Prof. Dr. Alexandra W. Busch als Hausherrin mit Finanz- und Bauministerin Doris Ahnen (von links) im „wunderschönen Bau“.
Neuer Bau und neuer Name
Schlüsselübergabe beim Römisch-Germanischen Zentralmuseum, dem künftigen LEIZA
Neuer Bau und neuer Name - beides „nicht von der Stange“. Seit 170 Jahren im Kurfürstlichen Schloss zu Mainz angesiedelt, geht das Römisch-Germanische Zentralmuseum, Leibniz-Forschungszentrum für Archäologie (RGZM) forschen Schrittes in Richtung Zukunft. Mit 80 Gründungspfählen und 60 Millionen Euro Baukosten - 16,6 Millionen Euro vom Bund, 11 Millionen Euro stemmt die Stadt Mainz, der „Rest“ kommt vom Land - ist es keine Baustelle wie jede andere.
Erster Spatenstich September 2015, Grundsteinlegung Mai 2017, Richtfest August 2017. Nach sieben Jahren Bauzeit wurde der symbolische Riesenschlüssel von Finanz- und Bauministerin Doris Ahnen („ein wunderschöner Bau“) und LBB-Geschäftsführer Holger Basten („markant und zurückhaltend funktional“) an RGZMGeneraldirektorin Prof. Dr. Alexandra W. Busch feierlich überreicht.
Die Hausherrin freute sich mit Wissenschaftsminister Clemens Hoch und Oberbürgermeister Michael Ebling („Meilenstein für die Stadt“) über den „Beginn einer neuen Ära“ und den „Dialog mit der Bevölkerung“. Das künftige LEIZA, Leibniz-Zentrum für Archäologie, bietet Raum zum Forschen, Verweilen, Entdecken auf drei Kontinenten. Der neue Name spiegelt die Bandbreite mehrerer Forschungsstandorte, Speziallaboratorien und Museen.
Bis zur LEIZA-Eröffnung im März 202 ziehen 220.000 Objekte um. 202 ist die „Neue Haltestelle Stadtpark“ als „Kunst am Bau“ geplant. Das neue „Ludwig Lindenschmit-Forum“ braucht jedoch eine klimataugliche Lösung. Das mit Betonplatten versiegelte Areal bietet „Baustellen-Optik“. Das Landesgrundstück soll partiell mit dem Gebäude der früheren Neutorschule an die Stadt rückübertragen werden. Mobile Grünelemente und versenkbare Wasserspiele wären klimafreundliche Optionen für den Platz. Die „Plattenwüste“ macht die stellvertretende Altstadt-Ortsvorsteherin Renate Ammann „überhaupt nicht glücklich“.
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Text und Foto: Gesine Werner
Gabriel Sala, als ewig junger „Don Tango“ bekannt, blickt als Zeitzeuge hinter die Kulissen seiner langjährigen Tanz-Karriere. Am 2. Dezember lädt Gabriel Sala wieder zum „Salon Tango“ ins Prunkfoyer des Musentempels. Foto: Gesine Werner
Schatztruhe gelebter Geschichte(n)
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Ein Wiesbaden-Buch mit Erinnerungen von Bekannten & weniger Bekannten
Erinnerung – sprich! Rechtzeitig vor Weihnachten gibt der Verein zur Förderung des Stadtarchivs Wiesbaden e.V. im ortsansässigen Verlag Edition 6065 ein mit vielen Fotos angereichertes Buch heraus. Das mehrjährige oral history-Projekt baut auf die „Balance des Vertrautmachens und Fremdlassens“.
Die Generationen verbindende Schatztruhe persönlicher Erinnerungen ist gelebte Historie über ein rundes Jahrhundert und blickt hinter viele Kulissen. Internationale Brückenschläge und Sparten verbindende Bezüge werden offeriert. Überraschende Querverbindungen tauchen immer wieder auf.
„Gesine Werner hat 50 Wiesbadenerinnen und Wiesbadener interviewt und 42 Texte verfasst, in denen sie die Zeitzeuginnen und Zeitzeugen in der ihr eigenen lebendigen Art porträtiert“, ist auf dem Umschlag zu lesen. Begegnungen mit Bekannten und weniger Bekannten, die vertrauensvoll ihr Herz öffnen und „frei von der Leber weg“ erzählen. 22 Frauen & 28 Männer kommen in ihrem individuellen Zungenschlag zu Wort. Einzelpersonen, Paare, Familien spiegeln den Alltag und besondere Situationen. „Eingeborene“ und „Hargeloffene“ blättern Stadt-Historie als persönliche Geschichte auf.
Der Bogen ist weit gespannt: Kunst & Kultur, Gastronomie & Medizin, Kirche & Fassenacht, Literatur, Pädagogik, Politik & Sport sind vertreten. Wiesbadens Ehrenbürgerin Christa Moering, „Don Tango“ Gabriel Sala, die Velvets, Hinterhof-PalazzoChefin Mary Lou Sullivan-Delcroix, CCW-Gartenzwerg Suresh Soni & CCW-Gummibärchen Hannelore Soni, Fluxus-Legende Ben Patterson, „Vater des Lichts“ Werner Bardenhewer, Miriam Schmetterling, Dr. Enno von Rintelen, Zygmunt Apostol, Eike Wilm Schulte und GMD Siegfried Köhler erzählen.
„Erst die Lektüre vollendet das Werk“. Ingeborg Bachmanns Erkenntnis empfiehlt das Buch allen Interessierten.
Text: Sabeth Sager
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Wer am „toten Punkt“ ankommt, macht unverhoffte Bekanntschaften, wie Hanns Jörg Krumpholz, Coco Brell, David Rothe, Paul Schletter und Franziska Geyer (von links) in der Wartburg zeigen.
Von der Sackgassenhaftigkeit des Lebens
Projekt „Der tote Punkt“ wird in der Wartburg uraufgeführt
Wie schön, und so gar kein „toter Punkt“. Es war ein genüssliches Wiedersehen mit zwei Publikumslieblingen der Ära Beilharz. Die Schauspielprofis Franziska Geyer und Hanns Jörg Krumpholz hatten in den diversen Spielstätten des Musentempels Furore gemacht. Jetzt freuten sich Eingeweihte in der ausverkauften Wartburg über eindrückliche Figurenzeichnung, gemeinsam mit dem jugendlichen Publikum, das anhaltend applaudierte.
Für ihr „Werk.Statt.Stück“ auf der Probebühne der Wartburg bekamen die „Theatermacher:innen“ Sebastian Faber, Coco Brell & Paul Schletter ein Projektstipendium der Internationalen Maifestspiele 2022: „Ans Licht“ war die Devise.
Ebenso wie Paul Schletter mit dem Leonardo-SchulAward ausgezeichnet, brachte Sebastian Faber jetzt sein neues Stück „Der tote Punkt“ auf die leergeräumte Bühne der Wartburg (Marie Rost), die sich zum Fluchtpunkt verengt.
Schlechte Wegführung. Die namenlosen Eins (Coco Brell) und Zwei (Paul Schletter) als ratloses Pärchen in Joggingklamotten mit Rucksack „sind da, wo er uns hingeschickt hat. Hier stehen wir und können nicht weiter“. Abraham (H.J. Krumpholz) ist auch keine Hilfe: „Wenn ich atme, atme ich“ ist sein Credo, die angedeutete Yogahaltung behält er bei. Franziska Geyers „Denkerin“ ist das Kabinettstückchen einer Existenzphilosophin, die am „toten Punkt“ wie vor einem Abgrund stoppt und als „geistige Hebamme“ laienhaftes Therapiegebaren zeigt. David Rothe gibt als Siegfried den hübsch frühreifen Terminjunkie von der Firma Schlau &Wichtig mit einem Hauch Paranoia und Ausrastern á la Rumpelstilzchen.
„Menschliche Geworfenheit“ in der „Sackgassenhaftigkeit des Lebens“ eben. Beckett meets Buddhismus, Warten auf Godot im Modus von Verschwörungsmythen.
Ein prima Fall für „extra-3“ wie die Brücke ins Nichts oder das Fahrradparkhaus ohne Tür.
Text und Foto: Gesine Werner
Im Prunkfoyer berührten Schauspieler Uwe Kraus und Pianist Tim Hawken mit ihrer fein austarierten Lesung von Joseph RothErzählungen das gebannt lauschende Publikum.
Lesekultur mit Suchtpotential
Schauspieler Uwe Kraus und Pianist Tim Hawken brillieren im Foyer
„So steht es geschrieben“ war der Titel eines Kleinods, das als berührende Lesung von Joseph Roth-Erzählungen wie „Barbara“ und „Karriere“ mit Klavierbegleitung das Publikum in den Bann zog. „Auf der Straße ging der Abend herum und leuchtete mit einem Stern zum Fenster hinein.“
Ungemein vielseitig bespielt Schauspieler-Regisseur Uwe Kraus-Fu viele Bühnen. Derzeit geht sein Dorflehrer Mendel Singer als Titelfigur in Henriette Hörnigks eindrücklicher Roth-Inszenierung „Hiob“ ebenso wie sein geblendeter Gloucester in „König Lear“ tief unter die Haut.
„So schwammen die Jahre im Dunst der schmutzigen Wäsche.“ Pathos liegt ihm fern, ausdruckstarke Stimme und Gestik genügen. „Inzwischen aber taumelte Barbara, unverstanden und verständnislos, hinüber in die Ewigkeit“ Musikalisch feinfühlig begleitete Pianist Tim Hawkens, der die vom Publikum gebannt verfolgte Lesung mit ausgewählten „Ländlichen Tänzen“ von Alexander Zemlinsky auf das Feinste abrundete. Der exquisite Opernkorrepetitor und Tenor aus dem südenglischen Reading ist die perfekte Ergänzung. Wie bei früheren Erfolgs-Projekten wie „Der Zitronentisch“ von Julian Barnes heimste das eingespielte Duo tüchtigen Applaus ein. Seit 15 Jahren ist Uwe Kraus mit diversen Projekten die „Pflege der Lesekultur“ ein Anliegen. Die Palette reichte schon von der „Traumnovelle“ über „Studio Meins“ und Thomas Manns „Wälsungenblut“ zum „Ring des Nibelungen“ von Intendant Uwe Erik Laufenberg bis zu Sam Shepards „Stimmen“, ein exquisites Projekt mit Schlagwerker Edzard Locher. Zum Weihnachtskammerkonzert, das heuer mit Blechblasmusik von Roland Vanecek & Friends ziemlich „alpenländisch gefärbt“ daherkommt, bittet Uwe Kraus am 10. Dezember sowie am 11. und am 18. Dezember ins Foyer.