MENSCHEN IM PORTRAIT
DR. JOSEF DUREGGER
„Haben wir Wohlstandskinder den Kompass verloren?“ Er hat viele Jahr lang unterrichtet, war Direktor, Schulführungskraft und Schulinspektor. Zahlreiche richtungsweisende Reformen und Entwicklungen tragen seine Handschrift: Josef Duregger, 72 aus Gais. Man kann ihn durchaus auch als Dichter und Denker bezeichnen. Denn seit seiner Pensionierung hat sich Duregger der Literatur und Kultur verschrieben. Er schreibt Bücher und leistet ehrenamtliche Kulturarbeit, besonders für seinen Heimatort Gais. Vor allem ist Duregger aber auch ein kritischer und mahnender Zeitgeist. Im Interview spricht er über Coronaleugner, die sozialen Medien, Bildung, Kultur und Religion. Herr Duregger, in verschiedenen Leserbriefen gehen Sie mit Coronaleugnern, Testverweigerern und Virusverharmlosern schwer ins Gericht. Vergiften diese Personen das friedliche Zusammenleben oder sind es einfach nur Spinner? Josef Duregger: Ich bin grundsätzlich kein Leserbriefschreiber, aber gemeinsam mit einigen Schulkollegen habe ich mich in letzter Zeit einige Male zum Thema Corona geäußert und meine/unsere Meinung offen zum Ausdruck gebracht, weil man oft den Eindruck hat, dass der öffentliche Diskurs von Menschen bestimmt wird, die sich möglichst laut und extrem äußern. Diese CoronaPandemie hat uns seit einem guten Jahr im Würgegriff und stellt uns wirtschaftlich, sozial, kulturell und menschlich vor eine harte Probe. Jeder Leserbriefschreiber hat als Mensch meinen vollen Respekt, aber die öffentliche Meinung darf man nicht nur Randgruppen überlassen. Ich erlaube mir, immer dort Widerspruch anzumelden, wo ich die Meinungsvielfalt, Toleranz und den Respekt vor der menschlichen Würde in Gefahr sehe. Dabei möchte ich klarstellen, dass ich die sozialen Medien im Unterschied zu machen Experten nicht nur als Segen für unser demokratisches Zusammenleben in Frieden und Freiheit sehe, sondern sehr wohl auch als Gefahr. Wer hinter die Kulissen geschaut hat (wie z.B. der Autor Christopher Wyle in seinem Buch Mindf*ck nachzulesen), der hat anhand von Fakten aufgezeigt, wie es gerade über die sozialen Medien möglich sein kann, Wahlen in gefestigten Demokratien zu gefährden oder gar zu manipulieren. Das sagt alles über die Möglichkeiten der sogenannten sozialen Medien. Die Zivilgesellschaft in unseren westlichen Demokratien ist gut beraten, gewisse Auswüchse als solche zu erkennen und alles zu unternehmen, dass diesem Treiben Grenzen gesetzt werden. Das friedliche Zusammenleben
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PZ 13 | 1. J U L I 2021
1949 in Prettau geboren, studiert Josef Duregger Moderne Sprachen in Padua und unterrichtet 15 Jahre lang Literarische Fächer an der Mittelschule Dr. Josef Röd in Bruneck. In dieser Zeit widmet er sich vor allem der Integration von Schülern/innen mit besonderen Bedürfnissen und beschäftigt sich intensiv mit der Reformpädagogik. Von 1992 bis 2004 leitet Duregger als Direktor und Schulführungskraft mehrere Mittelschulen und Schulsprengel des Landes und setzt - unter Ausschöpfung der mit Gesetz eingeführten Schulautonomie - Zeichen in der innovativen pädagogischen Schulführung. Von 2004 bis 2010 erhält Duregger einen Inspektionsauftrag am deutschen Schulamt zur Betreuung des sprachlich expressiven Bereichs. Als Spracheninspektor entwickelt er u.a. landesweite Projekte zur Förderung der Muttersprache, koordiniert die Einführung von Englisch in der Grundschule und leitet die Entwicklung der neuen Rahmenrichtlinien im Sprachbereich für alle Schulstufen. 2013 wird ihm für seine jahrzehntelange ehrenamtliche Kulturarbeit und für seine Tätigkeit im Bildungsbereich die Tiroler Verdienstmadaille verliehen.
in Gruppen, Dörfern, Gemeinden, Ländern ist getragen vom Dialog, von Meinungsvielfalt, von einer lebendigen Streitkultur, und vom Bemühen, einen Grundkonsens in lebenswichtigen Belangen zu erreichen. Immer dort, wo das unmöglich gemacht wird, ist unsere Demokratie in Gefahr. Ab und zu habe ich den Eindruck, dass wir als Wohlstandskinder den Kompass verloren haben und die christlich-sozialen Grundwerte auf unserem Weg nach und nach aufgegeben ha-
Neben der Herausgabe einer umfassenden Publikation zum Ahrntaler Dialekt und verschiedener Beiträge für Gemeinschaftswerke, beteiligt sich Duregger federführend an der Gründung des Arbeitskreises Kulturweg Gais und mehrere Jahre an den damit verbundenen kulturellen Aktionen. 2011 publiziert er einen ersten Gedichtband, 2013 einen Bildband zur Jagd. In den folgenden Jahren folgen ein weiterer Gedichtband und ein Buch über den // Vinschgau.
ben. Werte wie Toleranz, Hilfsbereitschaft, Respekt und die Menschlichkeit - was sind sie uns noch wert? Wir entwickeln uns zu rücksichtslosen Individualisten. Wie soll man Ihrer Meinung nach solchen Personen begegnen? Nicht indem man sie verteufelt, ihre Sprache und ihre Verschwörungstheorien ins Gegenteil verkehrt und sie an den Pranger stellt, sondern indem man ganz klar, sachlich und