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TITELTHEMA
INSTALLATION ZUM GEDENKEN „GRENZE 1920-2020 CONFINE“ IN WINNEBACH Die Grenze
auf der Straße, im Tal und in den Köpfen
„Totgesagte leben länger“. Es klingt banal und auch nicht wirklich erfreulich. Doch irgendwie trifft es den Nagel auf den Kopf, sollte ich das befremdliche Gefühl beschreiben, das mich beschlich, als ich jüngst in Winnebach der 100 Jahre Grenzziehung gedenken sollte. Anlass war die offizielle Vorstellung der Installation „Grenze 1920-2020 Confine“ am verwaisten Gebäude der italienischen Finanzwache. Gerne hätte ich von der verschwundenen, der überwundenen Grenze mitten durch das Pustertal berichtet. „Doch Totgesagte leben eben länger“ und die Grenze ist noch da!
„Leider“ ist man spontan versucht zu sagen. Oder doch eher: „Zum Glück!“? Schließlich engen Grenzen nicht nur ein – den mondänen Weltenbürger, den überzeugten Europäer, den multikulti Phantasten und den grenzenlos Reisenden. Grenzen schützen auch – das Eigene im Kopf und im Grundbuch, schützen vor Angriffen und Überfremdung, vor den Anderen und ihren Problemen und neuerdings auch vor Viren und Seuchen. COVID-19 ist das jüngste Beispiel dafür, die sogenannte Flüchtlingswelle im Sommer 2015 ein weiteres. Schnell waren die Schlagbäume wieder da, flankiert von bewaffneten Grenzschützern hier wie dort. Daran erinnerten die Initiatoren der Installation „Grenzen 1920-2020 Confine“ bei deren offiziellen Vorstellung Anfang Juli in Winnebach. „Diese Grenze wäre beinah schon aus unserem Bewusstsein verschwunden, hätte nicht eine weltweite Pandemie diese in Die viel beachtete und jünst eröffnete Installation „Grenze 1920-2020 Confine“ in Winnebach. den letzten Monaten wieder stark sichtbar werden lassen. Auf einmal war alles anders als davor“, stellte der Sillianer Bürgermeister Hermann Mitteregger fest. „Die strengen Kontrollen und eine stark beeinträchtigte Bewegungsfreiheit waren wieder Alltag hier an der Grenze. All das, woran wir uns die letzten Jahrzehnte gewöhnt hatten und was uns selbstverständlich schien, war von einem Tag auf den anderen vorbei.“ Deshalb wäre es gerade an der Grenze eine Verpflichtung aus der Geschichte zu lernen, beteuerte Bürgermeisterin Rosmarie Burgmann aus Innichen: „Diese Ausstellung soll mahnen, uns verstärkt einzusetzen für ein gemeinsames und freies Europa ohne Gren„Grenze 1920-2020 Confine“: Offizielle Vorstellung der Installation in Winnebach mit Ideator zen. Die Coronakrise und auch schon die Prof. Kuno Prey von der Uni Bozen, mit der Bürgermeisterin von Innichen Rosmarie Burgmann Flüchtlingskrise vor fünf Jahren haben uns und ihrem Amtskollegen aus Sillian Hermann Mitteregger (von links). Im Bildhintergrund die drei Gestaltungselemente der Ausstellung: eine Litfaßsäule mit Informationen und Bildern zur 100-jährigen Geschichte der Grenze, eine Tafel mit typischen Wortwendungen der damaligen Grenzbeamten und gezeigt, wie schnell Grenzen wieder wachsen. Dem gilt es entgegenzutreten. Das darf die farbig gestalteten Fensteröffnungen am verwaisten Grenzgebäude. nicht passieren!“
„Cos’ha da dichiarare?“– „Quante banane e cioccolata?“: Einst gefürchtete Fragen der italienischen Grenzhüter beim Passieren der Grenze, nunmehr Teil einer Installation, die an 100 Jahre Grenzziehung erinnern will.
Eine Staatsgrenze mitten durchs Pustertal und Innichen ein Grenzdorf: Josef Passler, Bürgermeister in Innichen von 1985 bis 2010, an der Litfaßsäule mit bebilderten Informationen zu 100 Jahre Grenze in Winnebach
Grenzgänger: Der aus Innichen stammende Gründer der Fakultät für Design und Künste an der Freien Universität Bozen zeichnet für die Gestaltung und Umsetzung der Ausstellung verantwortlich.
HARTNÄCKIGE GRENZE
Schön gesagt und gewiss auch gut gemeint. Doch Grenzen können hartnäckig und tückisch sein. Das zeigte die Installation der Fakultät für Design und Künste an der Freien Universität Bozen, schon bevor sie offiziell vorgestellt war. Ihr auffälligster Teil, eine Farbkomposition von grün-weiß-ro ten und rot-weiß-roten Farbfeldern in den Fensteröffnungen des verlotterten Gebäudes der Grenzwache erregte die Gemüter. So mancher sah schon Gefahren aufziehen und ging in Verteidigungsstellung über. Dabei ist eigentlich alles harmlos. „Eine verspielte Anordnung von Farbflächen, die auf die italienische und die österreichische Nationalflagge einerseits und auf das Ineinanderfließen beider andererseits verweist“, erklärte Prof. Kuno Prey, der zusammen mit seinen Kolleginnen Irene Nitz und Waltraud Kofler Engl die Ausstellung kreiert und gestaltet hatte. Prey, der Gründer der Fakultät für Design und Künste an der Uni Bozen, stammt aus Innichen, ist also mit der Grenze und ihren Eigenheiten bestens vertraut. „Die Anordnung der Farbfelder am verwaisten Grenzgebäude symbolisiert die Aufweichung und die heute wieder ungehinderte Passierbarkeit der Grenze zwischen beiden Staaten“, so Prey weiter.
Warten auf Erklärung: Interessierte, Behördenvertreter und Medienleute finden sich vor dem „dekorierten“ Gebäude der italienischen Grenzwache zur Ausstellungseröffnung ein.
IRRITIERENDES FARBSPIEL
Doch allein schon dieses Farbspiel irritiert. Schließlich ist eine Grenze keine Spielwiese. Und dann sind da noch andere Barrieren – nicht nur auf Behörden- Amtswegen, wie Bürgermeister Mitteregger beklagte. Selbst ein gemeindeübergreifender Katastrophenschutz etwa bei Hochwasser stößt hier an der Grenze schnell an seine Grenzen. Die Erste Bürgerin von Innichen ihrerseits bemängelte das äußere Erscheinungsbild des Grenzübergangs: „Als noch die Grenzbalken auf- und niedergingen, war das hier ein blühender Bereich. Heute ist es zwar immer noch das Eingangsportal nach Südtirol, aber gewiss kein ansprechendes“, bedauerte Burgmann. Die Gebäude verlottern zusehends, eine Neugestaltung scheitert bisher an den komplizierten Besitzverhältnissen. Grenze bleibt eben Grenze.
Und noch etwas machte die Ausstellungseröffnung „Grenze 1920-2020 Confine“ bewusst. Mit der vor 100 Jahren willkürlich mitten durch das Pustertal gezogenen Staatsgrenze kam auch eine neue Sprachgrenze – formell zumindest. Und so wurde die Präsentation besagter Ausstellung (die aus logistischen Gründen auf österreichischem Staatsgebiet vonstattenging und sich – abgesehen von einer Handvoll italienischer Grenzhüter in Uniform – hauptsächlich an deutschsprachige Teilnehmer richtete) zu einem guten Teil in italienischer Sprache abgewickelt. Ansprachen und Erklärungen auf Deutsch wurden übersetzt, jene auf Italienisch verstanden sich offensichtlich von selbst. An der Grenze – und scheint sie noch so tot – kann selbst nach 100 Jahren ein Kniefall (oder nennen wir‘s eine Geste der Höflichkeit?) nicht schaden. // ta >>
DER ZEITZEUGE JOHANN STRASSER ERZÄHLT
„DER NIEDERGANG KAM MIT DER GRENZÖFFNUNG“
Es ist, wie es ist. Und vor allem ist es vorbei – seit über 20 Jahren. Vier Jahrzehnte lebte der nunmehr 77-jährige Johann Strasser mit und vor allem von der Grenze. „Kein schlechtes Leben“, wie er selbst im Rückblick feststellt. Doch mit der Grenzöffnung kam der Niedergang.
„Meine erste Arbeit fand ich beim Automobilclub“, erinnert sich Strasser. „Anfang der 1960er Jahre hatten wir dort ordentlich zu tun: Am wichtigsten war der Geldwechsel, am aufwendigsten das Ausstellen des so genannten „Trittico“. Das war eine Art Passagierschein in dreifacher Ausführung, die jedes Auto beim Grenzübertritt mitzuführen hatte. So sollte verhindert werden, dass Autos aus dem Ausland illegal in Italien bleiben, sprich dort verkauft werden. Später, als die Ölkrise durchs Land zog, mussten wir im ACI-Gebäude zusätzlich Benzingutscheine ausgeben.“ Der Schalter im ACI-Gebäude musste rund um die Uhr besetzt sein, folglich hatten die Angestellten auch immer wieder Nachtdienste zu versehen. „Dafür hatten wir im hinteren Teil des Gebäudes eine notdürftige Schlafgelegenheit. Wenn Autofahrer nachts den Schalter aufsuchten, mussten wir halt aufstehen. Unmittelbar unter dem Schlafraum führte die Drau vorbei. Eines Nachts fiel mir ein eigenartiges Poltern und Rumpeln auf, das offensichtlich vom Bach herrührte. Dieses sonderbare Geräusch wiederholte sich in den folgenden Nächten meist zur selben Stunde. Schließlich stieg ich zum Bach hinunter und sah verwundert, wie dort ein Weinfass an mir vorbeischwamm. Sofort war mir klar, was sich hier zutrug: Hier wurde auf einfallsreiche Weise Wein über die Grenze geschmuggelt. Vor der Grenze in die Drau geschoben, transportierte diese den Wein unbemerkt, risiko- und zollfrei über die Grenze. Für uns war es ein Geschenk des Himmels! Bei der nächstbesten Bachbiegung fischten wir das 50-Liter-Fass aus dem Wasser und versteckten es notdürftig. Tags darauf brachten wir es nach Lienz und verkauften es dort um gutes Geld. Dieses Geschäft wiederholte sich über längere Zeit.“ Erst viel später, so erzählt Johann Strasser verschmitzt, habe ihm sein Onkel aus Arnbach einmal unter dem Siegel der Verschwiegenheit geklagt, dass sein langbewährter Weintransport über die nächtliche Drau urplötzlich ins Leere laufe. Auf unerklärliche Weise würden die Weinfäss
Der einzige noch lebende Händler an der Grenze. Fast 40 Jahre lang führte Johann Strasser in Winnebach ein einträgliches Lebensmittel- und Gemischtwarengeschäft.
chen, die er in Südtirol ins Wasser legte, in Osttirol nicht mehr ankommen.
BLÜHENDES GESCHÄFT
Der geschäftstüchtige ACI-Mitarbeiter beobachtete aber noch mehr: „Ich sah, wie viele Osttiroler im benachbarten Geschäft einkauften, und ich begann die Weinflaschen zu zählen, die über den Ladentisch gingen. Schnell konnte ich mir ausrechnen, dass mit diesem Geschäft wenigstens das Dreifache von dem zu verdienen war, was mir meine Arbeit am ACI-Schalter einbrachte. Als Jakob Paulitsch in Innichen dann das Hotel Rehbock baute und sein Geschäft 1962 verkaufte, griff ich zu.“ Dieses Geschäft sollte sich lohnen. Über drei Jahrzehnte lang blühte der Handel an der Grenze. „Damals gab es hier drei Geschäfte. Gefragt waren in erster Linie Lebensmittel, allem voran Wein – hauptsächlich Vernatsch und Kalterersee, ausschließlich in Flaschen mit Kronenverschluss, wobei sich die Doppelliterflaschen am besten verkauften. Ein Renner waren auch Äpfel. Bis zu 4000 kg verkaufte ich davon pro Woche. Zweimal wöchentlich fuhr ich nach Sigmundskron, um dort die frische Ware zu holen. Hinter der Grenze gab es damals einfach weniger zu kaufen und vor allem keine italienischen Delikatessen wie Nudeln, Mortadella oder Gorgonzola. Ich erinnere mich noch, dass ich an einem einzigen Stegener-Markt-Tag einmal neun Mortadella zu je 10 kg und 1500 kg Äpfel verkaufen konnte.“ Gehandelt wurde aber beispielsweise auch mit günstigen Plastikspielwaren wie Traktoren oder großen Puppen.
MENSCHLICHE BEZIEHUNGEN
An eine Episode aus den gefürchteten Bombenjahren erinnert sich der ehema lige Händler noch besonders gern. 1964 erging ein Erlass, dass österreichische Staatsbürger nur mehr mit einem Visum die Grenze passieren können. Für die drei Winnebacher Geschäfte hinter der Grenze eine Katastrophe! „Wir mussten uns also arrangieren, eine Lösung vor Ort suchen“, schmunzelt Strasser. „Wir schlossen mit den Grenzbeamten, den italienischen wie den österreichischen, ein familiäres, friedliches Übereinkommen: Die Grenzkontrolle wurde einfach 200 Meter hinter die Grenze, also hinter unsere Geschäfte, verlegt. So konnten unsere Osttiroler Kunden weiterhin bei uns ohne Visum einkaufen – vorausgesetzt sie kamen zu Fuß und sie hielten sich nicht länger, als unbedingt nötig, auf italienischem Staatsgebiet auf. Als Gegenleistung konnten die Grenzbeamten bei uns den Kaffee gratis genießen.“ Über sechs Monate hätte diese Grenzverschiebung Bestand gehabt, erzählt der einzige noch Lebende der Geschäftsleute von damals. In den 1990er Jahren kam dann der Niedergang. Der EU-Beitritt Österreichs 1995 und die Grenzöffnung 1998 machten den Grenzhandel uninteressant und unrentabel. Noch im gleichen Jahr verkaufte Johann Strasser sein einst blühendes Geschäft und zog sich als Hotelier ins Innichner Hinterland zurück. // ta
WIE ZWISCHEN WINNEBACH UND ARNBACH EINE GRENZE WUCHS
Anfang des Jahres 1919 wurde die italienisch-österreichische Staatsgrenze noch an der Wasserscheide am Toblacher Feld festgelegt. Das entsprach der Forderung Italiens nach dem gesamten Einzugsgebiet der Etsch, so wie es schon im Londoner Geheimvertrag 1915 zugesichert worden war. Im Februar 1919 legte der italienische Außenminister dann ein Memorandum vor, das sich auf die Thesen Tolomeis stützte und eine Verlegung der Grenze von der Toblacher Wasserscheide 14 km gegen Osten hin verlangte, in das Gebiet zwischen Winnebach und Arnbach. Dabei berief man sich auf die militär-strategische Überlegung, die den Italienern den Durchzug über den Kreuzberg und somit auch das Pustertal eröffnen sollte. Obwohl sich die österreichischen Verhandlungspartner, aber auch die italienischen Sozialisten, entschieden dagegen zur Wehr setzten, wurde am 29. Mai 1919 die Angliederung der Gemeinden Innichen, Sexten, Innichberg, Vierschach und Winnebach besiegelt. Umgesetzt wurde die Grenzverschiebung vom Toblacher Feld nach Win
nebach dann im September 1919. Das alles wurde von der einheimischen Bevölkerung zunächst mit einem gewissen Gleichmut zur Kenntnis genommen. Die Friedenskonferenz war noch nicht abgeschlossen und man hoffte, dass die nun bestehende Grenze, die von Carabinieriposten nicht streng bewacht und völlig durchlässig war, bald wieder verschwinden werde. Zudem konnte man der Grenzverschiebung aus menschlich verständlichen Gründen sogar etwas Gutes abgewinnen: Im italienisch verwalteten Toblach war die Bevölkerung nämlich bereits mit Lebensmitteln gut versorgt, östlich der Grenze herrschte hingegen noch arge Hungersnot. Die ausgehungerten und kriegsmüden Menschen hatte nur den Wunsch, endlich wieder genug essen zu können. Die neuen Herren im Lande wussten diese Not für ihre Sache zu nutzen: Gleich nach der Grenzverschiebung trafen am Bahnhof von Innichen einige Waggone Lebensmittel ein.
Mit dem Gesetz Nr. 1322 vom 26. September 1920 wurden die Vereinbarungen von St. Germain italienisches Recht und die Grenze zwi schen Winnebach und Arnbach eine schmerzlich spürbare Realität. Sie zerschnitt ein landschaftlich durchgehendes Tal, trennte den östlichen Teil Tirols von Südund Nordtirol, missachtete kirchliche Zuständigkeiten, zerriss Bezirke, Gemeinden, Familien, landwirtschaftliche Besitztümer, unterband Wegverbindungen, Pilgerwege, den Warenverkehr, kulturelle, religiöse, wirt schaftliche und touristische Aktivitäten. Erhielten die Arnbacher und Winnebacher anfangs noch Grenzscheine, die zu jederzeitigen Grenzübertritten berechtigten, so brachten die italienischen Finanzer, die Anfang des Jahres 1920 den Carabinieriposten an der Grenze abgelöst hatten, einen anderen Wind. Wiederholte Klagen über deren selbstherrliches, ja sogar flegelhaftes Benehmen änderten nichts. Und mit der Machtübernahme der Faschisten zwei Jahre später sollte der Grenzwind noch um ein Vielfaches schärfer und schikanöser werden. In der Folge entstanden Grenz- und Zollstationen, Schlagbäume und ein System an Kasernen, Bunkern und Sperren. Zudem begann die gezielte Zuwanderung italienischer Grenzund Finanzbeamter, Eisenbahner und An// ta
Voller Geschmack.
Volle Erfrischung.
Ein „Denk-mal-nach“ für eilige Grenzüberquerer: Pünktlich zum Beginn der Sommersaison, die hoffentlich eine wird, erinnert eine Installation an die 100-jährige Grenze zwischen Italien und Österreich. gehöriger des Militärs samt Familien.
Erhältlich im ausgewählten Fachgrosshandel und Einzelhandel. www.krombacher.de info@krombacher.it
NACHRUF FÜR ALOIS EBNER Ein Opfer politisierter Justiz
In der Nacht vom 17. auf den 18. Juli 2020 ist Alois Ebner, einer der in einem unrühmlichen Prozess verurteilten „Pfunderer Buam“, für immer von uns gegangen. Ebner hatte in seiner Jugend Schweres erleben müssen. Ein Nachruf.
Unter dem Titel „Justiz in Südtirol“ (siehe Foto) veröffentlichte die österreichische „Liga für Menschenrechte“ im Jahre 1958 eine Broschüre, in welcher das Vorgehen der italienischen Justiz gegen die Pfunderer Burschen eingehend untersucht und dargestellt wurde. Auf dem Umschlagbild ist der junge Pfunderer Alois Ebner zu sehen. In der Nacht des 15. August 1956 waren sieben junge Bauernburschen in Pfunders vor einer Arbeiterkantine in eine Rauferei mit zwei italienischen Finanzern geraten, mit denen zusammen sie vorher ausgiebig in der Kantine gezecht hatten. Einer der Fi nanzer, Raimondo Falqui, hatte Reißaus genommen, war schwer alkoholisiert davongerannt und in der Dunkelheit von einer steinernen Brücke ohne Geländer drei Meter tief in den ausgetrockneten Roanerbach gestürzt. Bei seinem Sturz hatte sich Falqui einen sofort tödlichen Schädelbruch zugezogen. Die spätere Untersuchung ergab, dass Falqui 1,7 Promille Alkohol im Blut gehabt hatte, also schwer betrunken gewesen war. Die vor der Kantine Zurückgebliebenen hatten Falquis Sturz nicht mitbekommen und gingen ebenso wie dessen Kollege nach Hause zu dem jeweiligen Bauernhof, auf dem sie arbeiteten. Am nächsten Tag wurden die Bauernburschen als „Mörder“ verhaftet. Bereits am 17. August 1956 meldete die Bo
zener italienische Tageszeitung „Alto
Adige“ auf ihrer Titelseite, dass es sich um Mord gehandelt habe. Der Finanzer sei angegriffen und umgebracht worden („aggredito ed ucciso“). Am 23. August 1956 schrieb die Zeitung:
„Die Missetat hat ohne Zweifel ihre Ursache in dem ungesunden Geist der anti
italienischen Gehässigkeit“. Und am 31. August verkündete das Blatt: „Die Südti
roler Volkspartei trägt die moralische Schuld am Mord des Finanzwächters von Pfunders.“
In Rom gab das „Giornale d’Italia“, das Zeichen zur Hetzjagd: Es sei Mord gewesen und zwar ein „politischer Mord ... Die Gründe sind ... zweifellos in demKlima des Hasses
zu suchen, den die Vertreter einer Partei
seit Jahren säen ...“ Gemeint war damit die „Südtiroler Volkspartei. Die Ermittlungen wurden so geführt, dass sie eine Mordanklage rechtfertigen sollten. Die These der Vernehmenden und später des Gerichtes lautete, dass Falqui zu Tode geprügelt und dann in das Bachbett geworfen worden sei. Der Prozess gegen die Pfunderer Burschen begann am 8. Juli 1957 und fand vor dem Schwurgericht in Bozen statt. Den Angeklagten half es gar nichts, dass sie aussagten, bei den Verhören geschlagen und zu ihren „Geständnissen“ erpresst worden zu sein. Die Verhandlung wurde nur in italienischer Sprache geführt. Die Angeklagten konnten weder den Aussagen der Zeugen, noch der Beweisführung der Ankläger folgen. Der Staatsanwalt behauptete, die Angeklag ten hätten den Finanziere Falqui geradezu „gelyncht“ und der Vertreter der Privatanklage nannte die Angeklagten „Hyänen“, „Bestien“, „hündische Meute“, „halbe Kannibalen, Wegelagerer und Mörder.“. („L’Adige“, Trient, vom 13. Juli 1957) Wichtige Entlastungszeugen wurden nicht angehört. Am „Tatort“ war keine Spuren- und Beweissicherung und vorgenommen worden. Mit der Aufklärung des Geschehens wurde war keine Morduntersuchungskommission mit Spezialisten eingeschaltet worden. In dem Verfahren blieb ein entlastendes
Gutachten des Gerichtsmediziners Pro
fessor Aldo Franchini von der Universität Padua unberücksichtigt, der festgestellt hatte, dass Falchi’s Schädelbruch mutmaßlich durch den Sturz in das Bachbett verursacht worden sei. Alle Angeklagten wurden am 16. Juli 1957 zu hohen Strafen verurteilt, Alois Ebner zu
nächst zu 24 Jahren Kerker und in zweiter Instanz zu lebenslanger Haft. Der italienische Justizminister Guido Gonella nannte das Urteil „würdig der vornehmsten Traditionen der italienischen Justiz“. Am 1. April 1958 veröffentlichten die „Dolomiten“ eine Entschließung der „Südtiroler Volkspartei“ (SVP), in welcher es hieß: „es wurde Rache geübt, die zur Beschaffenheit der Tat und den offenbaren Absichten der Täter in keinem Verhältnis steht und an die dunkelsten Zeiten unmenschlicher Strafjustiz erinnert.“ Das Urteil rief in ganz Tirol Entsetzen hervor. Am 1. April 1958 ruhten in ganz Nordtirol von 10 Uhr bis 10.05 Uhr alle Arbeiten zu einem Gedenken an die unglücklichen Pfunderer Burschen. Landeshauptmann Dr. Tschiggfrey, erklärte während dieser Gedenkminuten über den Rundfunk: „Das Tiroler Volk denkt, von tiefstem Leid erfasst, an jene sechs jungen Bauernsöhne eines entlegenen Südtiroler Bergdorfes, deren Leben durch einen Richterspruch ganz oder teilweise vernichtet wird.“ Europaweit hatte die Kritik an dieser politisch geprägten Justiz zugenommen. In einem Gutachten hatte 1958 der international renommierte Kriminologe Prof. Dr. Armand Mergen, Universitätsprofessor für Kriminologie an der Universität Mainz, schwerste Unterlassungen der Erhebungsbehörden und des Gerichtes festgestellt und war zu dem Schluss gekommen, dass die Schuld der Verurteilten keineswegs bewiesen worden war. Das Ministerkomitee des Europarates empfahl 1963 eine Begnadigung. Die römische Regierung benützte nun schrittweise diesen Ausweg aus dem Dilemma, in welches sich Italien selbst durch dieses Verfahren gebracht hatte. Der letzte Begnadigte, Alois Ebner, kehrte Weihnachten 1966 heim. Er hatte 10 Jahre in ungerechtfertigter Haft verbracht. Er ruhe in Frieden! // Roland Lang Obmann des Südtiroler Heimatbundes
NOI-TECHPARK IN BRUNECK DER (UN)ERWARTETE ROLLENTAUSCH...
Es sind bald drei Jahre her, seitdem auf dem Areal des Autobahnhofs in Bruneck vor versammelter Prominenz aus Politik, Industrie und Bildung der verbale Startschuss zum Projekt NOI-Techpark gegeben wurde. Südtirols Regierungspräsident, Dr. mag. iur. Arno Kompatscher, erhob damals gegenüber dem mit der Durchführung beauftragten Unternehmen, dem BLS (Business Location Südtirol) die Forderung, das Vorhaben innerhalb 2021 samt allem für dessen Funktion erforderlichen Drum und Dran fertigzustellen. Der Direktor des BLS, Dr. Ulrich Stofner, hakte die Worte des Regierungschefs mit dem Merkel-Satz ab: „Wir schaffen das!“ (Bild 1a) Stofners Versicherung scheint aus heutiger Sicht in Gefahr zu sein. Einmal, weil der durch die Corona-Pandemie bedingte Baustopp den Arbeitsbeginn verzögert hat, zum anderen, weil der seitens der Wettbewerbsbehörde erfolgte Zuschlag der Baumeisterarbeiten an die Firma Unionbau (Sand i. Taufers) vom Veraltungsgericht jüngst aufgehoben wurde. Das Gericht sprach den Auftrag im Rekurswege der Firma Paul Gasser (St. Lorenzen) zu, deren Angebot von der Wettbewerbsbehörde ursprünglich an zweiter Stelle gereiht worden war (Prot. 13.3.2020). Dem Urteilsspruch folgte prompt die Einstellung der Bauarbeiten vor Ort (Bild 1b). Derweil hat die Unionbau angekündigt, das Bozner Urteil vor dem Staatsrat in Rom anfechten
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zu wollen. Demgegenüber ficht die Provinz BZ/BLS als Bauherr das Urteil nicht an. Dafür hat sie zumindest einen guten Grund: das um eine Million günstigere Angebot der Firma Gasser gegenüber dem der Unionbau (12,9 gegen 13,9 Millionen Euro). Firmenchef Paul Gasser (Bild 1c) ließ indes wissen, dass er gleich nach Unterzeichnung des Vertrags mit den Bauarbeiten beginnen werde. Er zeigte sich drüber hin zuversichtlich, das Planziel trotz der Verzögerung, die keineswegs seiner Firma anzulasten sei, termingerecht erfüllen zu können. // wp
Hoch oben, hoch motiviert, voll konzentriert, beispielhaft gesichert! Der junge Mann packt eifrig zu. Man sieht’s: Er mag den Job. Aus der Froschperspektive betrachtet, stemmt der da oben die Anfangslast eines werdenden Baumeisters! Lang is‘ die Leitung hin zum Leitstand. Doch, wer durchhält, kommt dort auch an – der gewinnt die Oberhand über andere und sich selbst. Der Junge, es schaut ganz danach aus, ist einer von denen. // wp
RADWEGE
Der Sommer-Urlauberverkehr, welcher im Pustertal auch vom Radfahren geprägt ist, hat zwar später als erwartet seinen Lauf genommen, doch seit Julibeginn wurde der Radtourismus wenigstens dort angekurbelt, wo die Wege auch befahrbar sind. Und das sind bei Gott immer noch nicht alle! Selbst die so wichtige Route von Bruneck ins Hochpustertal wurde mit bürgermeisterlicher Verordnung vom 19. Mai 2020 wegen Felssturzgefahr für jeglichen Verkehr ab der Feuerwehrbrücke in der Rienzschlucht, 500 Meter östlich der Tuchfabrik Moessmer, für jeglichen Verkehr gesperrt. Am ersten Tunnel wurde zur Sicherheit ein per Hängeschloss versperrtes Gittertor angebracht (Bild 2a). Dr. Karl Erlacher meinte in seiner Eigenschaft als Frakti
Unter Zuhilfenahme der Mitarbeiter des Weißen Kreuzes ließ der HGV während der letzten Wochen, ab Ende Juni bis Mitte Juli, provinzweit die Mitarbeiter des Hotel- und Gastgewerbes einem CoronaAntiköper-Schnelltest unterziehen (siehe Foto). Der HGV setzte für den Ankauf der Tests 200.000 Euro aus der verbandseigenen Kasse ein. Insgesamt kostete die Operation gut das Doppelte. Die Kosten für die Durchführung übernahm die öffentliche Hand. Das Resultat der breit angelegten Aktion: Lediglich bei knapp drei Prozent der 19.000 Getesteten konnten Antikörper nachgewiesen werden. Der Präsident des Hoteliers- und Gastwirteverbands, der ehemalige Senator Manfred Pinzger, sprach hinterher von einer gleichermaßen
gelungenen wie aufschlussreichen Aktion. // wp
2a 2b
onspräsident von Bruneck der PZ gegenüber, die Geländesicherung dürfte mehrere Monate in Anspruch nehmen, weshalb der Weg in besagtem Abschnitt bestenfalls mit Herbst wiederum zur allgemeinen Nutzung freigegeben werden dürfte. Zwischenzeitlich unbefahrbar war übrigens auch der Abschnitt zwischen Olang und Welsberg. Derweil ist die Strecke von Innichen bis Lienz frei befahrbar. Sie steht bei Einheimischen wie Urlaubern gleichermaßen hoch im Kurs. Das mag auch mit dem besseren Transportangebot der ÖBB zusammenhängen. Vom Lamento verschont blieb allerdings auch diese nicht. Italienische Touristen klagten bei der Rückfahrt von Lienz ins Hochpustertal über überfüllte Busse und gestrichene Zugfahrten. Der Virus hat offensichtlich auch der ÖBB die Atemwege spürbar zugeschnürt (Bild 2b). // wp
ZERSTÖRT
Zieht man das Berufsbild des Baustatikers zu Rate, so erfährt man, dieser sei im Wesentlichen für die Sicherheit und Tragfähigkeit von Gebäuden und damit auch für deren Gebrauchstauglichkeit verantwortlich. Das beschriebene Berufsbild greift zumindest in Bruneck zu kurz. Zu dieser Schlussfolgerung kommt man, so man die auf dem Areal des Brunecker Autobahnhofs die bislang verrichteten Arbeiten und die hierzu dort angebrachte Bautafel näher unter die Lupe nimmt. Gebaut wurde an besagter Stelle bislang überhaupt noch nichts. Dem Erdboden gleichgemacht hingegen schon: die Minibar des Alfons Winkler (beide Bilder). Warum braucht es dazu, so drängt sich einem die Frage auf, Projektanten und Sicherheitskoordinatoren; wofür Statiker, wenn deren Berufsbild an die Tragfähigkeit und Gebrauchstauglichkeit eines Gebäudes und nicht an dessen Zerstörung gebunden ist? Und außerdem: Alfons Winkler als Bauherr! Wie denn das, wurde sein 2001 erbautes Häuschen doch gegen seinen Willen niedergerissen! „Die Gemeinde will mir sogar die Abbruchkosten anlasten“, beteuerte Winkler dem Reporter gegenüber.
SCHRÄGESIN SCHRÄGSCHRIFT
Am 8. Juni 2020 wurde in Bruneck eine Suunto-Uhr nach Vantaa in Finnland zur Reparatur abgeschickt. Dort angekommen ist sie zwei Tage später, also am 10. Juni. Genauso schnell war das kleine Paket nach erfolgter Reparatur im Rücktransport.
Zum Vergleich dazu: die PZ Nr. 14 v. 9. Juli war am 17-ten desselben Monats diversen Adressaten im engeren Stadtbereich Brunecks, beispielsweise in der J.-Mair-Str., noch immer nicht zugestellt worden. Derart kolossale Verspätungen waren in jüngerer Vergangenheit keine Seltenheit. Andernorts wurde bekannt, dass Tageszeitungen erst zwei Tage nach dem Erscheinungstag zugestellt worden wären. Die Schlussfolgerung daraus: Die millionenschweren Zuschüsse seitens der Provinzverwaltung zwecks Sicherstellung eines funktionierenden Postdienstes scheinen unproduktiv zu versanden. // wp
Die verabsäumte Absage eines Arzttermins im KH Bruneck ahndete der Südtiroler Sanitätsbetrieb folgendermaßen: „Strafe lt. Gs. 7/2001, Art.36/bis, € 35, zzgl. € 15 Zustellgebühr. ( = + 43%!!!).
Er gestand ein, das Häuschen seinerzeit (2001) zwar auf öffentlichem Grund errichtet zu haben, doch sei dies all die Jahre herauf in aller Frömmigkeit, nicht zuletzt auch deswegen geduldet worden, weil er der Bar angegliedert einen kleinen Aufenthaltsraum und außerdem die einzige Toilette weitum den Fahrgästen zur Benutzung freistellte. Zudem habe er der Gemeinde während der letzten zehn Jahre einen Pachtzins zu entrichten gehabt. Daher empfände er die Vorgangsweise der Gemeinde als rücksichtslos, ungerecht und äußerst befremdend. // wp
Die Vorhaltung war in der Substanz richtig. Der Termin vom 4. September 1919 wurde in der Tat nicht eingehalten; er war vom Betroffenen fälschlicherweise für den 5. September notiert und auch wahrgenommen worden. Am Schalter wurde der Patient aufs Versäumnis prompt aufmerksam gemacht; keine Rede von einer Strafzahlung. Auf Verlangen wurde dem Antragsteller im gleichen Zuge ein neuer Termin zugewiesen. Die “Strafe“ blieb nicht aus. Sie ließ lange auf sich warten – bis Mitte Juni 2020! Also acht Monate nach dem „Versäumnis der Wahrnehmung des Termins“ trudelte sie im Postwege beim Unterlassungstäter ein. Das Strafprotokoll war in grünem Fensterkuvert verpackt, über dessen Adresssfeld die Aufschrift „Notificazione ai sensi della legge 890/1982 (atto giudiziario, verbale di violazione del codice della strada, etc.)“ prangte und somit wenig Gutes verhieß. Nein, keine Radarfalle wie zunächst vermutet! Sabes bat zur Kasse, umständlich und von hohem bürokratischem Aufwand begleitet. Wie’s einfacher gegangen wäre? Die „Strafe“ gleich im Zuge der neuen Terminvormerkung einzuheben. Also weniger Sabes – mehr Save! Doch damit scheint der Sanitätsbetrieb nicht vertraut zu sein. // wp