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SOZIALES & GESUNDHEIT TITELTHEMA

INSTALLATION ZUM GEDENKEN „GRENZE 1920-2020 CONFINE“ IN WINNEBACH

Die Grenze

auf der Straße, im Tal und in den Köpfen „Totgesagte leben länger“. Es klingt banal und auch nicht wirklich erfreulich. Doch irgendwie trifft es den Nagel auf den Kopf, sollte ich das befremdliche Gefühl beschreiben, das mich beschlich, als ich jüngst in Winnebach der 100 Jahre Grenzziehung gedenken sollte. Anlass war die offizielle Vorstellung der Installation „Grenze 1920-2020 Confine“ am verwaisten Gebäude der italienischen Finanzwache. Gerne hätte ich von der verschwundenen, der überwundenen Grenze mitten durch das Pustertal berichtet. „Doch Totgesagte leben eben länger“ und die Grenze ist noch da! „Leider“ ist man spontan versucht zu sagen. Oder doch eher: „Zum Glück!“? Schließlich engen Grenzen nicht nur ein – den mondänen Weltenbürger, den überzeugten Europäer, den multikulti Phantasten und den grenzenlos Reisenden. Grenzen schützen auch – das Eigene im Kopf und im Grundbuch, schützen vor Angriffen und Überfremdung, vor den Anderen und ihren Problemen und neuerdings auch vor Viren und Seuchen. COVID-19 ist das jüngste Beispiel dafür, die sogenannte Flüchtlingswelle im Sommer 2015 ein weiteres. Schnell waren die Schlagbäume wieder da, flankiert von bewaffneten Grenzschützern hier wie dort. Daran erinnerten die Initiatoren der Installation „Grenzen 1920-2020 Confine“ bei deren offiziellen Vorstellung Anfang Juli in Winnebach. „Diese Grenze wäre beinah schon aus unserem Bewusstsein verschwunden, hätte nicht eine weltweite Pandemie diese in den letzten Monaten wieder stark sichtbar

Die viel beachtete und jünst eröffnete Installation „Grenze 1920-2020 Confine“ in Winnebach.

„Grenze 1920-2020 Confine“: Offizielle Vorstellung der Installation in Winnebach mit Ideator Prof. Kuno Prey von der Uni Bozen, mit der Bürgermeisterin von Innichen Rosmarie Burgmann und ihrem Amtskollegen aus Sillian Hermann Mitteregger (von links). Im Bildhintergrund die drei Gestaltungselemente der Ausstellung: eine Litfaßsäule mit Informationen und Bildern zur 100-jährigen Geschichte der Grenze, eine Tafel mit typischen Wortwendungen der damaligen Grenzbeamten und die farbig gestalteten Fensteröffnungen am verwaisten Grenzgebäude. 4

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werden lassen. Auf einmal war alles anders als davor“, stellte der Sillianer Bürgermeister Hermann Mitteregger fest. „Die strengen Kontrollen und eine stark beeinträchtigte Bewegungsfreiheit waren wieder Alltag hier an der Grenze. All das, woran wir uns die letzten Jahrzehnte gewöhnt hatten und was uns selbstverständlich schien, war von einem Tag auf den anderen vorbei.“ Deshalb wäre es gerade an der Grenze eine Verpflichtung aus der Geschichte zu lernen, beteuerte Bürgermeisterin Rosmarie Burgmann aus Innichen: „Diese Ausstellung soll mahnen, uns verstärkt einzusetzen für ein gemeinsames und freies Europa ohne Grenzen. Die Coronakrise und auch schon die Flüchtlingskrise vor fünf Jahren haben uns gezeigt, wie schnell Grenzen wieder wachsen. Dem gilt es entgegenzutreten. Das darf nicht passieren!“


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