
6 minute read
BILDUNG & SCHULE
UFO-FILMFESCHTL MIT GEORG TSCHURTSCHENTHALER
Machtspielchen und mehr
Alle zwei Jahre organisiert das Jugend- und Kulturzentrum UFO in Bruneck das „Filmfeschtl“ mit Südtiroler Film-Persönlichkeiten. In der heurigen Auflage vom 28. Juli bis 1. August 2020 steht der Produzent Georg Tschurtschenthaler aus Innichen im Mittelpunkt. Er gehört zu den wenigen Südtiroler Filmemachern, die international Erfolg haben und mit seinen fundierten Recherchen Filme dreht, die nachhaltige Diskussionen zu wichtigen gesellschaftlichen Themen auslösen.
Los geht’s am Dienstag, den 28. Juli ab 21 Uhr mit dem Dokumentarfilm
„The Cleaners - Im Schatten der
Netzwelt“. Der Film (Drehbuch/Producer: Georg Tschurtschenthaler) ist eine Reise in eine versteckte Schattenindustrie in Manila, mitten in das Herz digitaler Zensur. Dort löschen zehntausende Menschen in zehn Stunden Schichten im Auftrag der großen Silicon Valley-Konzerne sogenannte „unangemessene Inhalte“, belastende Fotos und Videos von Facebook, YouTube, Twitter & Co. Sie selbst aber sind dem Schmutz schutzlos ausgeliefert. The Cleaners feierte beim Sundance Film Festival 2018 in der Sektion „World Cinema Documentary Competition“ seine umjubelte Weltpremiere, gefolgt von einer überwältigenden internationalen Presseresonanz.
DER LETZTE PATRIARCH
Am Donnerstag, den 30. Juli, wird um 21 Uhr der Film „Der letzte Patriarch“ (Regie: Georg Tschurtschenthaler) gezeigt. „Der letzte Patriarch“ begleitet den Südtiroler Lan

deshauptmann Luis Durnwalder, einen der längst regierenden Politiker Europas, während der letzten fünf Jahre seiner Amtszeit. Durnwalders Politik ist nicht ideologisch, sondern pragmatisch, sein Regierungsstil autoritär und machtbewusst, aber im Ergebnis erfolgreich. In seiner 25jährigen Regie rungszeit von 1989 bis 2014 ist das ehemals arme Land zu einer der reichsten Regionen Europas geworden . Was erwarten die Menschen von Politik und was passiert mit ihnen in so einem System? Wie ist Durnwalder mit der Macht umgegangen? Warum wurde er fünfmal hintereinander mit absoluter Mehrheit gewählt? Und wie blickt Südtirol auf die Zeit nach der 25-jährigen Ära Durnwalder? Nach dem Film werden diese Fragen zudem erstmals in dieser Konstellation - fünf Jahre nach der Veröffentlichung des Films - zwischen dem Regisseur und dem Alt-Landeshauptmann erörtert. Moderiert wird das Gespräch vom Südtiroler Theater
regisseur Christian Mair.

DAS FORUM

Am Samstag, den 1. August findet ab 20 Uhr der Höhepunkt mit dem Film „Das Forum“ statt. An diesem Abend wird Georg Tschurtschenthaler von seinen vielfältigen Erfahrungen bei der Produktion von systemkritischen Dokumentarfilmen berichten. Zum Film: Zum ersten Mal in der 50-jährigen Geschichte des umstrittenen Weltwirtschaftsforums in Davos konnte ein unabhängiges Filmteam hinter den verschlossenen Türen drehen und dokumentieren, wie die mächtigsten Menschen der Welt um die Zukunft ringen. Regisseur Marcus Vetter begleitet den 81-jährigen Gründer des Forums Klaus Schwab über den Zeitraum von zwei Jahren, in einer Zeit, in der die Welt aus den Fugen zu geraten scheint: Klimakrise, Brexit, Gelbwestenproteste auf Frankreichs Straßen, der brennende Amazonas-Regenwald und der Handelskrieg zwischen den USA und China... Nach der Filmvorführung und dem Gespräch mit dem Produzenten wird mit der Band „Desert May Bloom“ gefeiert. Die fünf jungen Wahlwiener mit Wurzeln in Südtirol, Marokko und Österreich nehmen in ihren Songs kritisch Stellung zu gesellschaftlichen Entwicklungen.
IM GESPRÄCH MIT GEORG TSCHURTSCHENTHALER
1974 in Innichen geboren, studierte Georg Tschurtschenthaler nach der Matura an der Handelsoberschule in Bozen Wirtschaft und Publizistik in Wien. Nach seiner Tätigkeit als Unternehmensberater arbeitet er nun als Producer und Produzent im Spiel- und Dokumentarfilmbereich. Seit 2009 ist er bei der „gebrueder beetz filmproduktion“ in Berlin als Senior Producer Film & Crossmedia tätig. Er ist Mitgründer der „Echo Filmproduktion“ mit Sitz in Bozen. 2013 wurde er für „Lebt wohl, Genossen!“ mit dem Grimme-Preis, dem wichtigsten deutschen Fernsehpreis, ausgezeichnet. 2014 wurde er für den Emmy Award für „The Wagner Files“ nominiert. 2019 erhielt er den GrimmePreis als Creative Producer für den Emmy-nominierten-Dokumentarfilm „The Cleaners“, der beim Sundance Film Festival seine Weltpremiere feierte.
PZ: Filmemacher- seit jeher Ihr Berufswunsch?
Georg Tschurtschenthaler: Während meiner Kindheit und Jugend hatte ich eigentlich wenig mit Film zu tun. In Innichen gab es kein Kino, und ich ging zwar in Bruneck, Lienz und Bozen ab und zu ins Kino, aber ich hätte mir nie gedacht, dass ich irgendwann in diesem Bereich arbeiten würde. Während meiner Studienzeit in Wien hatte ich dann Freunde aus dem Theater- und Filmbereich, und da entflammte dann mein Interesse am Film. Ich ging mehrmals pro Woche ins Kino und fing an, in Projekten von Freunden mitzuarbeiten. Aber alles aus Neugierde und ohne den Gedanken, irgendwann tatsächlich auch im Filmbereich zu arbeiten.
Und wie sind Sie dann doch zum Film gekommen?
Eigentlich war das eine Verkettung von Zufällen. 2003 kündigte ich meinen damaligen Job, um mir eine Arbeit in einem für mich interessanterem Umfeld zu suchen und versuchte mich dementsprechend an verschiedenen Sachen. Im Zuge dessen half ich einem Freund bei einem Dokumentarfilm. Ich schrieb für ihn Anträge und Konzepte, und wir verkauften den Film tatsächlich ans Fernsehen - mein erster bezahlter Job! In den folgenden Jahren kämpfte mich als Freiberufler durch, als freier Produzent, Creative Producer und Autor. Ich habe den Beruf sozusagen als Quereinsteiger gelernt, wie so viele andere auch. Seit 2009 arbeite ich jetzt als Senior Producer bei der gebrueder beetz filmproduktion, einer der renommiertesten Produktionsfirmen in Europa. len von Teams und ähnliches. Die große Hegroßen Umbruch befindet, diese Entwickspielsweise bei den Streaming-Plattformen
auf. Nach welchen Gesichtspunkten
thonläufer, unsere Projekte dauern von der
Idee bis zur Premiere zwei bis drei Jahre, manchmal auch länger. Das heißt, wir suchen uns Themen die uns alle langfristig beschäftigen und versuchen sie an konkreten Geschichten möglichst spannend zu erzählen. Themen wie „The Cleanes“, wo wir uns die dunkle, verborgene Seite von Sozialen wie Facebook anschauen oder „Das Forum“, wo wir dabei sind, wenn sich die Mächtigen der Welt treffen, sind zeitlos und hoffentlich auch noch in Jahren relevant. Dazu leben wir in einer Zeit mit gewaltigen Umbrüchen - wenn wir Corona zur Seite schieben bleiben die Klimakrise, die Der Produzent Georg Tschurtschenthaler aus Innichen. wachsende Ungleichheit in unDie Hälfte meiner Tätigkeit ist kreativ und die Ungleichgewicht zwischen armen und besteht im Schreiben von Konzepten und reichen Ländern, das Thema Migration und Entwickeln von Filmideen. Der andere Teil Integration, die Digitalisierung die unser Leist organisatorischer Natur, Filme finanzieben auf den Kopf stellt usw. Also noch genug ren, Redaktionstreffen, das ZusammenstelStoff für viele, viele Filme... rausforderung in meinem Job liegt darin, die Was ist Ihr Anspruch als Filmemacher? vielen Projekte parallel zu steuern, SchwieWas möchten Sie dem Publikum mit rigkeiten voraus zu sehen und Konflikte zu Ihren Filmen mit auf den Weg geben? lösen. Obwohl ich mittlerweile schon über Am meisten freue ich mich, wenn es uns ge30 Projekte umgesetzt habe, stehe ich taglingt anspruchsvolle und komplizierte Thetäglich vor neuen Problemen und Herausformen spannend und unterhaltsam zu erderungen. Jeder Film ist anders - im Guten zählen und möglichst viele Leute damit zu wie im Schlechten. Routine und Langeweierreichen. Ein guter Dokumentarfilm nimmt le ist ein Fremdwort für mich, ich arbeite die Zuschauer für 90 Minuten mit in eine mit interessanten Menschen zusammen und andere Welt, zeigt Menschen und Situatiolerne bei jedem Film Neues dazu. Das empnen die sonst nicht zugänglich sind, rüttelt finde ich als großartig. Unangenehm hinan Meinungen, klärt auf oder schafft eingegen ist der große Druck in der Filmbranfach nur Verständnis und Empathie für das che. Meistens reicht die Finanzierung nicht „Andere“. Nicht mehr und nicht weniger. und wir jonglieren mit engen Deadlines. EiSchön und anstrengend zugleich ist dabei, ne Filmproduktion ist ein komplexer Prodass wir bei jedem Projekt wieder bei Null zess, bei dem immer Sachen schief gehen anfangen und es mal besser und mal wenikönnen. Dazu kommt, dass sich auch unsere ger gut gelingt. Branche durch die Digitalisierung in einem // Interview: Judith Steinmair lungen werden durch Corona jetzt beschleu nigt. Hier gibt es neue Möglichkeiten, bei INFOBOX wie Netflix oder Amazon, gleichzeitig wird Das Filmfeschtl findet in der Nadie Auswertung von Filmen im Kino schwieturarena des Jugend- und Kulturriger. So verändert sich auch mein Beruf perzentrums UFO in Bruneck statt, bei manent. Schlechtwetter entfällt die Veran
In Ihren Filmen greifen Sie immer wieRahmen der gesetzlichen Covid-19 der gesellschaftskritische Themen Bestimmungen durchgeführt.
suchen Sie Ihre Projekte aus? Woher Zu allen Veranstaltungen freier Einnehmen Sie Ihre Ideen/Inputs? tritt. Weitere Infos und Trailer unter Wir Dokumentarfilmer sind eigentlich Marawww.ufobruneck.it // seren Gesellschaften, aber auch staltung. Alle Angebote werden im
