The Red Bulletin AT 02/22

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ÖSTERREICH FEBRUAR 2022 € 3,50

ABSEITS DES ALLTÄGLICHEN

S EI L ER  &  S PEER

Die Austropop-Stars geigen jetzt mit Frack, Fliege und Symphonie-Orchester auf

J I M M Y C H I N / CA R LO S SA N TA N A / A N D R E AS G O L D B E R G E R / H A N N A H A R E N DT / ST E F F E N F R E U N D


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Hinweis: Diese Angaben können ohne Ankündigung geändert werden. Abgasnorm Euro 6d-Final: Die angegebenen Verbrauchs- und CO₂-Emissionswerte wurden nach den vorgeschriebenen WLTP-Messverfahren (Worldwide harmonized Light vehicles Test Procedure) ermittelt. Der tatsächliche Kraftstoffverbrauch kann in der Praxis je nach Fahrweise, technischem Zustand des Kraftfahrzeuges, nicht serienmäßigen An- und/oder Abbauten, Fahrbahnbeschaffenheit und klimatischen Bedingungen etc. abweichen. Druck- und Satzfehler vorbehalten. Stand Oktober 2021. (WLTP gewichteter kombinierter Verbrauch, Batterie voll, 67% elektrisch / 33% Benzin)

Verbrauch kombiniert: 2,0 l/100 km, CO₂-Emission: 46 g/km

www.mitsubishi-motors.at


E D I TO R I A L

WILLKOMMEN

WIR SIND ROCKSTAR

EIN EHRLICHES GESPRÄCH

PETER RIGAUD (COVER), CHRIS FIGENSHAU, COURTESY OF SKIN

Das Austropop-Duo Christopher Seiler (li.) und Bernhard Speer bei unserem CoverInterview im Wiener Hotel Bristol – foto­ grafiert hat der fabelhafte Peter Rigaud. Ab Seite 36.

Ja, sagt Bernhard Speer, Hälfte des Duos Seiler & Speer, er habe dieses Rockstarleben immer gewollt. Wobei wir uns das keineswegs so vorstellen dürfen wie eine glamouröse Version ihres Absturz-Hits „Ham kummst“, oder, ein bisschen präziser formuliert: nicht mehr so vorstellen dürfen, denn die eine oder andere Party mit unbestimmtem Ausgang hat es auf dem Weg zum Ruhm schon gegeben. Heute heißt Rockstarleben: Musik machen, Träume in Wirklichkeit verwandeln und – mit den Kindern spielen. Was Speer und Partner Christopher Seiler noch zu sagen haben – ab Seite 36. Ab Seite 50 machen wir Party. Der nigerianische Fotograf Andrew Esiebo zeigt uns das vibrierende Nachtleben der Millionen­ metropole Lagos. Ein kleiner Hinweis zum besseren Verständnis: Auch dort haben sich die Zeiten geändert, seine Bilder sind über mehrere Jahre entstanden. Viel Vergnügen mit der neuen Ausgabe von The Red Bulletin! Die Redaktion

WELTSTAR MIT KAMERA

Jimmy Chin ist nicht nur Fotograf und OscarGewinner, sondern auch Kletterer. Seine Bilder, die sonst keiner hinkriegt: ab Seite 18.

1700 Meter Hochsicherheitsnetze plus 6500 Meter Fangnetze werden entlang der Streif aufge­ baut – mehr KitzbühelSki-Fakten gibt es auf Seite 12.

WHO’S THAT GIRL?

Jahre nach der Entstehung dieses Fotos in den späten 1980ern sang diese junge Dame 1997 den Welthit „Hedonism“. Ihre Geschichte ab Seite 30.

THE RED BULLETIN

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I N H A LT The Red Bulletin im Februar 2022

FREESTYLE

44 LILY IST SO FREI COVERSTORY

36 KUMMST KLASSISCH?

Das Austropop-Duo Seiler & Speer packt seine größten Hits in klassisches Outfit – beim Red Bull Symphonic wird in großem Stil aufgegeigt.

PORTFOLIO

18 HOHE SCHULE ­

Kletterer, Skifahrer, Fotograf: Multitalent Jimmy Chin zeigt (s)eine atemberaubende Welt.

MUSIK

30 D IE EWIGE REBELLIN

Skin, Sängerin der Kultband Skunk Anansie, kämpft seit Jahren für Minderheiten.

NIGHTLIFE

50 D IE MACHT DER NACHT

Seit neun Jahren dokumentiert Andrew Esiebo die Partyzone der nigerianischen Millionenmetropole Lagos.

GUIDE

Tipps für ein Leben abseits des Alltäglichen 71 REISEN. Heiße Tour zu den Vulkanen Ätna und Stromboli 76 G AMING. 12 Minuten in Endlosschleife – ein Mord(s)rätsel 77 PLAYLIST. Carlos Santana serviert die besten Gitarrensoli.

FUSSBALL

78 T IPPS & TRENDS. Richtig gutes Zeug – mit besten Empfehlungen

In seiner aktiven Zeit war Steffen Freund ein defensives Kraftpaket. Als Kommentator geht er in die Offensive.

80 V IDEO. „Bang on Time“ – eine unglaubliche Flugshow

32 H ARTER ANGREIFER

84 E -MOBILITÄT. Verlässlich und flott – die neuen Elektroautos

Graffiti-Künstler Fabian Florin sprayte sich aus seiner Sucht zurück ins Leben.

92 BOULEVARD DER HELDEN. ­­Michael Köhlmeier erzählt die Geschichte von Einzi Stolz.

6 GALLERY 12 ZAHLEN, BITTE! 14 FUNDSTÜCK

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34 SPRAYEN ALS RETTUNG Fabian Florin hat dank Graffiti sein Leben in den Griff bekommen.

82 K ALENDER. Was kommt – die Highlights im Jänner und Februar

KUNST

34 GLÜCKLICHER TRÄUMER

SALTO MIT ROLLSTUHL Lily Rice sorgt mit ihren Kunststücken für Furore.

15 DAS PHILOSOPHEN-INTERVIEW 16 MEIN ERSTES MAL

96 IMPRESSUM 98 CARTOON

50 AUFLEGEN ALS EMANZIPATION DJ Nana zeigt in Lagos, dass sie den Dreh heraushat.

THE RED BULLETIN

SPENCER MURPHY, LUKAS MAEDER, ANDREW ESIEBO/PANOS PICTURES, JIMMY CHIN

Lily Rice macht Rückwärtssalti – mit dem Rollstuhl. Für die Britin bedeutet das Freiheit.

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ÜBERIRDISCH US-Fotograf Jimmy Chin nimmt uns mit an Orte, die nur ganz wenige zu sehen bekommen.

THE RED BULLETIN

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KAPSTADT, SÜDAFRIKA

Alles waagrecht? B-Boy Meaty, mit bürgerlichem Namen Dmitri Nell, zeigt beim Red Bull BC OneWorkshop, was Tänzer wie er alles draufhaben. Als zweimaliger Sieger des BC One-Events in Südafrika ist er eine Legende in der Szene seiner Heimat. Kein Wunder, dass die Moves bei Könnern wie ihm so aussehen, als wäre die Schwerkraft auf Urlaub. Aber so ist es natürlich nicht. Das Geheimnis von B-Boy Meatys Leichtigkeit besteht in jahrelangem disziplinierten Training. Instagram: @bboymeaty 6


WAYNE REICHE/RED BULL CONTENT POOL


PRAG, TSCHECHIEN

Brettspieler Keine Frage, die vielen Ein­ schränkungen der letzten Zeit nerven. Man kann aber auch das Beste draus machen: Der tschechische Fotograf Jan Burkert etwa nutzte die Zeit, um in seinem winzigen Studio mit seinem Kumpel Michal Suchopár und dessen Skateboard zu experimen­ tieren. Was dabei herauskam, sehen wir hier. Instagram: @burysss 8


DAHAB, ÄGYPTEN

Jetzt wird’s dunkel

JAN BURKERT/RED BULL ILLUME, ENRIC ADRIAN GENER/RED BULL ILLUME

DAVYDD CHONG

Im März 2020 war der Spanier ­ nric Adrian Gener gerade am Golf E von Akaba am Roten Meer, um hier, an einem Epizentrum der FreediveSzene, Fotos zu machen. Dabei entstand eine der besten Bild­ sequenzen seines Lebens: zwei ­Fotos der Apnoetaucherin Nanna Kreutzmann beim Aufwärmen, hinab ins Dunkel der Tiefe. Beide ­Hintergründe wurden am Com­ puter bearbeitet und zusammengefügt. Fertig ist das Kunstwerk. Noch mehr Bilder: 27mm.net


SINGAPUR

In der Enge des asiatischen Stadtstaats Singapur muss man schon ein gutes Auge haben, um als Fotograf lohnende neue Motive zu finden. Ebrahim Adam hat hier in der Produktions­stätte für Fertig­teilmodule eine interes­sante Location entdeckt. Fehlte nur noch eine Idee, die ein außer­gewöhnliches Bild ergeben würde. Die kam in Gestalt des BMX-Artisten Tay Seng Tee, der hier auf kleinstem Raum trickst. Instagram: ebrahimadamphoto

EBRAHIM ADAM/RED BULL ILLUME

Schöner wohnen


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Z AHL EN, BI T T E!

HAHNENKAMM-RENNEN

Showdown in den Alpen Mitte Jänner steigt in Kitzbühel wieder die gefährlichste Abfahrt der Welt. Hier die Zahlen zum Ski-Event des Jahres: wie steil die Streif ist, wie viel der Sieger kassiert und welche Frau die Strecke einst besiegte.

Prozent Gefälle machen die „Mausefalle“ zur steilsten Stelle auf der Streif.

Jahre schon findet am Hahnenkamm aus Sicherheitsgründen kein Damenrennen mehr statt. Letzte Siegerin 1961: die Österreicherin Traudl Hecher.

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48.000.000

Jahre und 5 Monate alt war der Schweizer Didier Cuche bei seinem Sieg 2012 – und damit der älteste Gewinner bisher.

Euro Umsatz soll das ­Rennwochenende 2022 für ­die Region Kitzbühel ­erwirtschaften.

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Zwischenzeiten, mehr als bei jeder anderen Abfahrt, misst Zeitnehmer ­Longines auf der Streif.

km/h schnell war Michael Walchhofer 2006 im Zielschuss – schneller war noch keiner.

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1.000.000

90

Terabyte an Filmmaterial waren 2014 Basis für die Kino-Dokumentation „Streif – One Hell of a Ride“.

Euro werden 2022 erstmals an Prämien ausbezahlt; die Sieger der beiden Abfahrten und des Slaloms kassieren je 100.000 Euro.

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CLAUDIA MEITERT

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1700

HANNES KROPIK

Nationen stellten bisher ­Sieger bei den Rennen am Hahnenkamm, die meisten (50) kamen aus Österreich.

Meter Hochsicherheitsnetze und 6500 Meter Fangnetze werden entlang der Streif aufgebaut.

von 26 Abfahrern erreichten beim ersten HahnenkammRennen 1931 das Ziel. Sieger: Lokalmatador Ferdinand ­Friedensbacher in 4:34,12.

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GETTY IMAGES, PICTUREDESK.COM (2)

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Meter hoch ist der Hahnenkamm in den Kitzbüheler Alpen, der Start der Abfahrt liegt auf 1665 Meter Seehöhe.


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F U ND ST Ü CK

Zauber des Anfangs: die Apple-Gründer Steve Wozniak (li.) und Steve Jobs 1976

STEVE JOBS UND STEVE WOZNIAK

Der Ur-Apfel

Die Computerplatine, die Steve Wozniak persönlich in seiner Garage in Palo Alto, Kalifornien, zusammenlötete, kostete 666,66 Dollar, gegen Aufpreis gab es noch das schicke Holzgehäuse mit Tastatur dazu. Dann musste nur noch ein Fernseher angeschlossen werden, und es konnte losgehen. Um das Startkapital für die Gründung der Firma Apple zusammenzukratzen, mussten Jobs, damals 21, und Wozniak, 25, Opfer bringen. Jobs verkaufte seinen VW-Bulli, Wozniak seinen Taschenrechner, einen HP-65. Das Exemplar im Bild kam im vergangenen November um 400.000 Dollar unter den Hammer.

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THE RED BULLETIN

DDP IMAGES, PICTUREDESK.COM

Apple I, das allererste Produkt der beiden Apple-Gründer und Pioniere des Personal Computers, April 1976


DAS F IK T IVE PHILO S O PHEN -IN T ERV IE W

HANNAH ARENDT SAGT:

„Spuck in die Hände und fang an zu lieben“ Wir alle sollten mehr in die Liebe investieren: Liebe zum Leben, zu uns selbst … und auch zu unseren Partnern. Aber was bedeutet wahre Liebe konkret? Das klärt die deutsch-amerikanische Philosophin Hannah Arendt im fiktiven Interview mit dem Philosophen Christoph Quarch.

the red bulletin: Frau Arendt, die Liebe ist von den männlichen Philo­sophen etwas stiefmütterlich behandelt worden. Was sagt die Philosophin dazu? hannah arendt: Ach, wissen Sie, ich würde das nicht gendern. Es gibt durchaus bemerkenswerte Texte von männlichen Kollegen, die sich dem Thema Liebe widmen. Aber in einem Punkt liegen Sie schon richtig. Die Liebe ist tatsächlich ein Aspekt des Lebens, der sich aus männlicher und weiblicher Perspektive jeweils etwas anders darstellt. Es ist sicher auch kein Zufall, dass Platon in seinem „Sym­ posion“, dem wohl bedeutendsten philosophischen Text zur Liebe, die wichtigsten Gedanken der Priesterin Diotima in den Mund gelegt hat.

BENE ROHLMANN DR. CHRISTOPH QUARCH

Aber ist die Liebe nicht in erster Linie ein G ­ efühl? Ah, das ist es also, was Sie von einer Philo­ sophin zu hören erwarten. Aber da muss ich Sie leider enttäuschen. Denn in mei­ nem Denken ist die Liebe eine Kraft des Handelns. Wer einen anderen Menschen liebt, wird schöpferisch und kreativ. Wer das Leben liebt, der wird sich für das Leben engagieren. Untätig rumzuhängen und sich in seinen Gefühlswallungen zu aalen ist in meinen Augen kein Zeichen von Liebe, sondern eines von träger Selbst­ gefälligkeit.

„Liebe ist eine Kraft des Handelns. Wer einen anderen Menschen liebt, wird kreativ.“

Wo liegt der Unterschied zwischen einer männ­ lichen und einer weiblichen Sicht auf die Liebe? In den Reden der Diotima geht es unter anderem um die Frage, was geschehen muss, damit die Liebe – ­beziehungsweise der Eros, wie die Griechen sie nann­ ten – entsteht; genauer: wie der Eros geboren wird. Das scheint mir ein ziemlich weiblicher Zugang zu sein, der darüber hinaus den Vorteil hat, etwas deut­ lich zu machen, was für unser menschliches Leben äußerst wichtig ist. Ich nenne es: die Natalität. Frau Arendt, wären Sie so gut, diesen Begriff für unsere Leser zu erklären? Sehen Sie: Natalität heißt „Gebürtigkeit“. Das ist etwas, was uns Menschen allen gemein ist: Wir wurden von einer Mutter geboren. Das heißt: Wir alle sind irgend­ wann als Neulinge zur Welt gekommen – als neue ­Wesen, unberechenbar, voller Möglichkeiten und ­Potenziale. Das ist äußerst bedeutungsvoll. Denn es ist der Grund dafür, dass wir auch später immer ­wieder neu anfangen können. Zum Beispiel, wenn wir uns verlieben oder wenn „der Eros uns entflammt“ – um es noch einmal mit den Worten der griechischen

THE RED BULLETIN

Philosophie zu sagen. Liebe hat immer etwas mit ­Neuanfang und Neubeginn zu tun. Liebe bringt Ver­ änderung. Liebe ist Handeln.

Das klingt so, als sei die heute gängige Forderung, man ­müsse sich zunächst einmal selbst ­lieben, um dann auch andere ­lieben zu können, nicht nach ­Ihrem ­Geschmack? Mit meinem Geschmack hat das gar nichts zu tun. Ich halte das einfach nur für Unsinn. Liebe, die ihren Namen verdient, ist immer an andere adressiert: an meinen Partner, meine Freunde, vielleicht auch die Natur, ja vielleicht sogar das Leben. Und sie zeigt sich immer nur darin, dass ich etwas für diejenigen tue, denen meine Liebe gilt; darin, dass ich die Ärmel hochkremple, in die Hände spucke und etwas Neues wage. Menschen, die ich liebe, sind solche, mit denen ich etwas an­ fangen kann. Mutig und tätig anderen zu begegnen – das ist in meinen Augen der größte Ausdruck meiner Liebe zum Leben.

HANNAH ARENDT (1906  – 1975) gilt als eine der bedeutendsten Denkerinnen des 20. Jahrhunderts. Nach ihrer Emigration in die Vereinigten Staaten lehrte die frühere Studentin von Martin Heidegger an Hochschulen in New York und Chicago. Mit ihrem Buch „Elemente und Ursprünge totalitärer Herrschaft“ wurde sie in den USA zu einer gefeierten politischen Philosophin. CHRISTOPH QUARCH, 57, ist deutscher Philosoph, Gründer der Neuen Platonischen Akademie (akademie-3.org) und ­Autor zahlreicher philosophischer Bücher, zuletzt: „Kann ich? Darf ich? Soll ich? Philosophische Antworten auf alltägliche Fragen“, legenda Q, 2021.

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M EIN ERST ES M A L

ANDREAS GOLDBERGER

„In der Luft hat’s mir die Ski samt den Schuhen ausgezogen“

Den Spitznamen „Goldi“ hat er sich mehr als verdient: von Trainern und Eltern, dass sie so kleine Kinder zwei Gesamtsiege bei der Vierschanzentournee, drei springen lassen, dachte sie sich. Bis sie sah, dass ich Siege im Gesamtweltcup, Skiflugweltmeister. 1994, das war. Ich weiß noch, wie irre es sich angefühlt hat, im slowenischen Planica, war Andreas Goldberger der das erste Mal abzuheben. Es war nur ein Hüpferchen, erste Mensch, der über 200 Meter fünf Meter vielleicht, aber es hat weit flog. Hier erzählt der heute sich angefühlt, als wäre ich 49-jährige Oberösterreicher von eine halbe Stunde in der Luft einem weitaus bescheideneren ­gewesen. Sprung. Von seinem ersten nämlich. Der ging zirka fünf Meter Ich strahlte offenbar so sehr, dass sie mit mir und meinem weit – und war seiner Mama gar Bruder gar nicht geschimpft hat. nicht recht. Trotzdem war es Sie erlaubte mir sogar, beim der Moment, der in ihm die Lust ­Verein anzufangen. Dort bekam am Fliegen geweckt hat. Und ihn ich zum ersten Mal eine richtige später dazu bewog, den Goldi Sprungausrüstung. Das Problem Talente Cup ins Leben zu rufen. war: Die kleinsten Sprungschuhe Um Kids, die nicht das Glück waren Größe 36 – zu groß für haben, in der Nähe einer Skisprungschanze aufzuwachsen, mich. Es hat mir dann in der Luft den Sport näherzubringen. die Ski samt den Schuhen aus­ 0:00 –36:51 Die nächsten „Schnuppertage“ gezogen. Ein Sturz, von dem ich Andreas Goldberger finden übrigens im Jänner statt mich aber nicht unterkriegen Mein erstes Mal – der Podcast (Termine auf redbull.at). ließ. Dass wir in unserem Ort eine Schanze hatten, war ein „Aufgewachsen bin ich in Waldwahnsinniges Glück. Meine zell auf einem Bauernhof. ­Familie hätte weder die Zeit „Okay, mitkommen Richtige Berge gibt es dort nicht. noch die finanziellen Mittel Als Kinder bauten meine Ge­gehabt, mich zum Training wo­ darf er, aber runterschwister und ich auf dem Hügel andershin zu bringen. Mit ziemspringen nicht!“ licher ­Sicherheit wäre ich kein hinterm Haus jeden Winter ein Skispringer geworden. Deshalb Schanzerl, auf dem wir nach Mama Goldberger über die ersten der Schule das Springen übten. Flugversuche des Goldadlers habe ich vor vierzehn Jahren Das war nett, wurde uns aber auch den Goldi Talente Cup ins bald langweilig. Denn bei uns im Ort gab es auch eine Leben gerufen. In fünf Bundesländern veranstalten echte Skisprungschanze. Mein älterer Bruder Rudi wir Schnuppertage, bei denen Kids das Skispringen wagte dort seinen ersten Sprung, als er in die Hauptausprobieren können. Über 2000 Kinder hatten wir schule kam – das war eine Mutprobe unter Freunden. schon dabei, einige springen heute im ÖSV-Kader.“ Danach schwärmte er mir vor, wie lässig das war. Meine Mama aber war strikt dagegen, dass ihr sieben„MEIN ERSTES MAL“ IST DIE RED BULLETIN-PODCAST-SERIE, jähriger Bub mit Alpinskiern von einer richtigen in der Heldinnen und Helden über ihre Anfänge sprechen. Die Folge mit Andreas Goldberger, in der Schanze hinunterspringt. Wir mussten sie also auser auch erzählt, wie sich sein erster Sieg tricksen. Mein Bruder sagte, er brauche jemanden, bei der Vierschanzentournee angefühlt der ihm die Schanze präpariert. Die Mama darauf: hat, gibt’s im Podcast‚Okay, mitkommen darf er, aber springen nicht.‘ Kanal von The Red Bulletin Als sie uns dann von der Schanze abholte, traute sie – auf allen g ­ ängigen Plattihren Augen nicht: Da stürzte sich doch glatt ein formen wie Spotify und auf redbulletin.com/podcast Zwerg den Anlauf hinunter. Eigentlich eine Frechheit

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CHRISTOPH PERKLES/RED BULL CONTENT POOL

Ein kleiner Sprung für einen Buam, ein großer für den Sprungsport: der Skiflugweltmeister über seinen ersten Fünf-Meter-Hüpfer. Und über den ersten Sturz, der seinen Willen stärkte.


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P O RT FO L IO

Hohe Schule

Der Amerikaner Jimmy Chin brilliert nicht nur als Fotograf und Filmemacher, sondern auch als Abenteurer, Kletterer und Extremskifahrer. Diese Mehrfachbegabung beschert uns Bilder, die keiner sonst hinkriegen würde. Text ANDREAS WOLLINGER

Frei wie die Vögel

Yosemite-Nationalpark, 2009

Jimmy Chin begann als Teenager im Yosemite-Nationalpark in Kalifornien mit dem Klettern. 2009 kehrte er zurück, um die örtliche Kletterkultur zu dokumentieren. Im Bild: Basejumper nützen eine Granitwand zum Absprung.

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Durch die Wand YosemiteNationalpark, 2015

Im Jänner 2015 gelang es Kevin Jorgeson (vorne) und Tommy Caldwell erstmals, die 1000 Meter hohe „Dawn Wall“-Route am Granitfelsen El Capitan zu be­zwingen, was vorher für unmöglich gehalten worden war. Jimmy Chin begleitete die beiden Pioniere auf ihrem 19 Tage langen Weg durch die Wand. Hier sehen wir sie in ihrem Hängezelt.

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Eis-Eiliger

Mount Everest, 2004 Wenn sich ein Team aus Weltklasse-Bergsteigern anschickt, auf das Dach der Welt zu steigen, wird natürlich auch einer gebraucht, der angemessen ansprechendes Bild­ material von der Expedi­ tion liefern kann. Dieser ­Auftrag sollte der erste von zwei Mount-EverestGipfel­siegen Jimmy Chins werden. Im Bild: Expedi­ tions­teilnehmer David Breashears klettert über den Khumbu-Eisbruch.

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Wüste Felstürme

Ennedi-Massiv, Tschad, 2010

Top of the World New York City, 2016

Hier sehen wir Jamison Walsh, einen von zwei Spezialisten, die die jährliche Inspektion der Antenne an der Spitze des One World Trade Center durchführen dürfen. Jimmy Chin stand übrigens auf einer Leiter schräg über Walsh – er wählte allerdings eine Perspektive, die aussieht wie ein guter Zaubertrick.

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Am südlichen Rand der Sahara haben Zeit und Wind skurrile Sandsteingebilde wie diesen Bogen in den Ennedi gestellt. Dass so etwas auf Kletterer unwiderstehlich wirken muss, versteht sich von selbst. James Pearson und Mark Synnott steigen auf, Jimmy Chin drückt ab.

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Das höchste Ziel Tibet, 2003

US-Snowboarder Stephen Koch wollte die Seven Summits, die höchsten Berge aller Kontinente, mit dem Snowboard abfahren – hier klettert er auf einen Eisturm am Rongbuk-Gletscher auf der Nordseite des Everest. Später kamen er und Fotograf Chin in einer monströsen Lawine fast ums Leben. „Das erinnerte uns an das  höchste Ziel jedes Kletterers“, sagt Chin, „nämlich: heil wieder heimzukommen.“

Es ist vollbracht YosemiteNationalpark, 2017

Nach 3 Stunden und 56 Minuten hat der Amerikaner Alex Honnold das Unmögliche ge­ schafft: Er hat die knapp 1000 Meter des Granit­ felsens El Capitan ohne jede Sicherung (free solo) über die Route „Free­rider“ bewältigt; Jimmy Chin hält den Augenblick des Triumphs fest. Chins Film über das Abenteuer, „Free Solo“, bekam 2019 einen Oscar.

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Jimmy Chin mit der ­Kamera und beim ­Klettern (u.): ein ­Vielfachtalent, das uns die unwegsamsten Gegenden der Welt ­näherbringt

DER FOTOGRAF

Der heute 48-jährige Sohn chine­sischer Flüchtlinge, ge­boren und aufgewachsen im US-Bundesstaat Minnesota, hatte schon früh einen starken Hang zum Abenteuer. „Ich habe einfach eine große Neugier in mir“, erklärt er, „den Drang, die Welt zu erforschen – und dabei mein kreatives Potenzial zu entdecken.“ Gut, kaum jemand lebt seinen Entdeckergeist so extrem aus wie Jimmy. Er hat ein paar der höchsten Berge in aller Welt bezwungen, darunter zwei Mal den Mount Everest. 2006 war er unter den ersten Amerikanern, die mit Skiern vom Dach der Welt abfuhren. Zwei Mal kam er unter einer Lawine fast ums Leben. Als Fotograf und Filmemacher stellt sich Jimmy Chin 28

freilich mindestens so geschickt an wie als Kletterer, was ihn zu einem Geometer der entlegensten Welt­gegenden machte. Und zum Oscar-Preisträger: Der Film „Free Solo“, bei dem er mit seiner Frau Elizabeth Chai Vasarhelyi Regie führte und der den USFreikletterer Alex Honnold bei dessen Husarenstück auf den El Capitan im Yosemite-National­ park begleitete, wurde 2019 als beste Dokumentation prämiert.

Alle Bilder aus dem Buch „There and Back: Photographs from the Edge“ von Jimmy Chin; erschienen 2021 im Verlag Ten Speed Press, einem Tochterunter­ nehmen von Penguin Random House

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CHRIS FIGENSHAU/PANAREI, CHEYENE LEMPE

JIMMY CHIN


FLÜÜÜGEL FÜR DEN WINTER. MIT DEM GESCHMACK VON GRANATAPFEL.

BELEBT GEIST UND KÖRPER®.


Musik

Deborah Dyer auch bekannt als Skin von Skunk Anansie, C ­ hauvinistenAlbtraum, verraten von Johnny Rotten, geadelt von der Queen. 54 Jahre im Geist der Rebellion. Text WILL LAVIN  Foto TOM BARNES

Skin hat gute Laune. Das liegt daran, dass die 54-jährige Sängerin, mit bürgerlichem Namen Deborah Anne Dyer, nach 19 Monaten corona­ bedingter Trennung endlich wieder mit ihren Freunden von der Band Skunk Anansie vereint ist. Die vier Briten haben sich im Voltaire Road Recording Studio im Südwesten Londons eingefunden, um an neuen Songs zu arbeiten, die wohl in einem Album münden werden. Mehr als 25 Jahre ist es her, dass Skunk Anansie Mitte der Neunziger im Zeitalter des Britpop gemeinsam mit Bands wie Blur oder Oasis ins Scheinwerferlicht traten. Von Anfang an waren es die extra­vagante, furchtlos-selbstbewusste Erscheinung und die androgyn anmutende Falsettstimme von Skin, die das ­Quartett unverwechselbar machten.

Ein Buch als Mutmacher

Dazu kam, dass Skin prinzipiell keinem Ärger ausweicht, wenn es darum geht, sich für benachteiligte Minderheiten einzusetzen. „Ich als Gesicht einer Rockband – das hat eine Menge Leute unangenehm ­berührt“, erinnert sie sich heute. Wobei „unangenehm berührt“ eine höfliche Umschreibung ist für die Anfeindungen, denen Skin sich zuweilen ausgesetzt sah. Eine schwarze Frau, offen bisexuell, das war damals für manche Menschen eine unerträgliche Provokation. Doch davon ließ sich Skin nie ein-

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schüchtern. Sie nahm den Kampf auf und ging immer dorthin, wo es besonders wehtat; prangerte Rassismus, Sexismus oder Missbrauch an, wo immer sie konnte – unter anderem in ihren Songs. Das rief zum Teil heftige Re­ aktionen hervor. In ihrer im Herbst des v­ origen Jahres erschienenen Auto­biografie „It Takes Blood and Guts“ („Es braucht Blut und Mut“) erinnert sich Skin mit Schrecken an eine Australien-Tour 1996 mit den Sex Pistols, bei der sie Neonazis im ­Publikum mit dem Hitlergruß empfingen und Sprechchöre an­ stimmten: „Runter von der Bühne, du schwarze Schlampe!“

Wie man zur Rebellin wird

Was sie damals aber fast noch mehr kränkte: dass Sex-Pistols-Frontmann Johnny Rotten zu alldem kein Wort verlor. „Ich glaube, dass auch das eine Art stiller Gewalt sein kann“, sagt Skin, und in diesem Augenblick leuchten ihre Augen auf wie Scheinwerfer. „Ohhh, das ist gut!“, ruft sie, begeistert von der poetischen Eingebung. „Schreib das auf“, sagt sie zu Schlagzeuger Mark Richardson, der schräg gegenüber am Mischpult sitzt. Einerseits haben ihre trotzige Art und der Geist der Rebellion Skin zu einer Ikone gemacht, andererseits muss so eine Attitüde auf die Dauer ziemlich anstrengend sein, oder? Nein, sagt Skin, im Grunde habe sie sich immer nur selbst treu bleiben wollen. „Ich habe nie wirklich das Opfer gespielt. Ich denke, es ist bes-

ser, die Dinge positiv zu sehen. All diese Widrigkeiten waren schließlich mit ein Grund, warum die Band so erfolgreich sein konnte.“

Anbiedern bringt nichts

Überhaupt – Integrität und Authen­ tizität sieht Skin als die wichtigsten Zutaten ihrer Karriere: „Sich einem Publikum oder den Kritikern anzubiedern, um Erfolg zu haben, bringt nichts, wenn du dann jemand sein musst, der du nicht bist“, meint sie. „Ganz ehrlich: Was ist Erfolg? Musik zu machen und sie zu veröffent­ lichen – das ist für mich Erfolg.“ Sogar das britische Königshaus weiß Skins Verdienste mittlerweile zu würdigen – sie wurde im Juni vergangenen Jahres als Officer in den OBE aufgenommen – ein Ritterschlag der Queen. Sieht sie sich eigentlich selbst als Wegbereiterin für Diversität und Feminismus? „Rückblickend betrachtet sehen wir natürlich unseren Einfluss. Aber damals hatten wir keine Ahnung, da war es einfach nur verrückt, eine schwarze, lesbische Sängerin zu haben, die nicht sexy war und keine winzigen Outfits trug. Heute ist es cool, woke zu sein und sich für alles Schwarze, Schwule und Transsexuelle zu inter­ essieren. Ich finde das verdammt großartig. Also ja: Jetzt begreife ich, dass wir Wegbereiter waren.“ Nun muss Skin aber wieder ins Studio, um mit den Aufnahmen ­weiterzumachen. Sie macht keinerlei Anstalten, es etwas langsamer an­gehen zu lassen. Hat sie je ans Aufhören gedacht? „Die Frage ist: Wann soll man auf­ hören? Und wie?“, sagt Skin mit einem unglaublich gewinnenden Lächeln. „Und außerdem: Warum sollte ich überhaupt aufhören?“ Die Tour von Skunk Anansie startet Anfang März in Polen; alle Live-Termine unter: skunkanansie.com

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„Integrität – das ist der wichtigste Baustein einer Karriere.“ Pop-Ikone Skin, 54, beweist das seit mehr als einem Vierteljahrhundert.

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Fußball

hatte einen Job als aktiver Fußballer: Weltstars ausschalten. Jetzt bringt er uns zum Einschalten. Als Kommentator bei ServusTV. Eine Begegnung. Interview HANNES KROPIK

Als Fußballer war Steffen Freund ­defensiver Mittelfeldspieler. Da hatte er die Aufgabe, die Spielgestaltung des Gegners möglichst effektiv zu stören. 1996 wurde er mit Deutschland Europameister. Mit Borussia Dortmund gewann der nunmehr 51-Jährige zwei deutsche Meistertitel sowie 1997 die Champions League und den Weltpokal. Seine viereinhalb Jahre bei Tottenham Hotspur führten ihn in die Hall of Fame des Londoner Spitzenklubs. Heute ist Steffen Freund, der mit seiner Familie außerhalb von Berlin lebt, ein gefragter TV-Analytiker. Auf ServusTV bildet er – gemeinsam mit dem Norweger Jan Åge Fjørtoft – ein internationales ExpertenDuo, das den Zuschauern die UEFA Champions League näherbringt. THE RED BULLETIN: Was nimmt man für sein weiteres Leben mit, wenn auf der Visitenkarte „Champions-League-Sieger“ steht? steffen freund: Man spürt, dass die eigene Karriere weit oben angekommen ist. Dass ich nach dem EM-Titel auch die Champions League gewinnen konnte, hat mich sehr glücklich gemacht – aber ich war nie der Typ Mensch, der nach Erfolgen zufrieden wurde. Zufriedenheit kann hinderlich sein. Das Schwierige ist, errungene Erfolge durch nachfolgende Leistungen zu bestätigen.

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Die UEFA Champions League ist für jeden Fußballer das h ­ öchste Ziel auf Vereinsebene. Blöde ­Frage: Wie gewinnt man sie? Unser Finalgegner Juventus Turin war 1997 die beste Mannschaft der Welt. Ich erinnere mich, wie mein Kollege Jürgen Kohler vor dem Spiel trotzdem gesagt hat: „Kommt, wir holen uns den Pokal!“ Ich dachte: Was ist denn mit dem los? Aber er hatte natürlich recht: Du musst an dich selbst die höchsten Ansprüche stellen. Denn in einem Spiel kannst du jeden schlagen. Heute sind Sie gefragter TV-­ Experte. Inwiefern hilft Ihnen Ihre Vergangenheit als ehe­ maliger Weltklasse-Fußballer? „Weltklasse“ haben jetzt Sie gesagt! Aber klar, das ist ein kleiner Vorteil für mich: Ich habe es selbst wirklich erlebt und kann meine Emotionen wahrhaftig wiedergeben. Ich bin sehr dankbar, dass ich in 17 Jahren als Profi so viel erleben durfte. Trotzdem habe ich nicht vergessen, woher ich komme: aus dem Osten, der armen Seite Deutschlands. Als Aktiver galten Sie als ­unangenehmer Gegenspieler  … … aber ich war meist fair! Ich habe brenzlige Situationen sportlich zu lösen versucht. Meine Aufgabe war in der Regel, den gegnerischen Spielmacher auszuschalten, also ­Legenden wie Zinédine Zidane, Roberto Baggio oder Andreas Herzog. Ich habe es genossen, wenn ich dabei an meine Grenzen gehen musste.

Wie sind Sie als Aktiver mit Kritik umgegangen? Ich habe sie mir am Anfang zu Her­ zen genommen – manchmal vielleicht sogar zu sehr. Aber letztendlich war berechtigte Kritik immer ein Schlüssel zum Erfolg. Aus Kritik entsteht Ehrgeiz. Und Energie! Worum geht es im modernen ­Fußball – in einem Satz zu­ sammen­gefasst? Es geht um Flexibilität. Egal ob du als Mannschaft mehr in Ballbesitz bist oder nicht, egal ob in der Offensive oder in der Defensive: Du musst taktisch rasch reagieren können. Manche Entscheidungen musst du blitzschnell aus dem Bauch heraus treffen. Aber es müssen Entscheidungen sein, die du im Kopf schon längst vorbereitet hast. Sie haben mit Ihrem Kollegen Jan Åge Fjørtoft eine Wette laufen: Sie behaupten, Manchester City gewinnt die aktuelle UEFA Champions League. Warum? Ihre Ausgangssituation erinnert mich an unsere mit Borussia Dortmund: Wir waren – wie jetzt Manchester City – in den Jahren davor immer knapp dran am großen Erfolg. Du kommst dem Triumph immer näher – und wirst schlussendlich für deine Beharrlichkeit belohnt. Alle Infos zur Fußball-Champions League auf ServusTV unter: servustv.com

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SERVUS TV/LEO NEUMAYR

Steffen Freund

Als TV-Experte nehmen Sie sich heute kein Blatt vor den Mund … … ich verliere aber nie den Respekt vor Spielern oder Trainern. Ich setze bei den Zuschauern kein Basiswissen voraus. Meine Aufgabe als Experte ist es, das Gesehene so zu erklären, dass man es als Laie nachvollziehen kann und es am Ende einen Mehrwert für alle gibt. Gleichzeitig will ich die Zuschauer aber nicht mit theoretischem Wissen zuschütten.


„Klar wirst du kritisiert. Aber aus Kritik entsteht bei mir Ehrgeiz.“ TV-Experte Steffen Freund, 51, über Ärger als mögliche Energiequelle

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Kunst

Fabian „Bane“ Florin

prägt als Graffiti-Künstler Städte auf der ganzen Welt mit seiner Street-Art. Wie er das schaffte? Mit einem Traum, der ihn aus 14 Jahren Sucht rettete. Text STEFANIA TELESCA  Foto LUKAS MAEDER

„Das Gefängnis war für mich wie ein 3-Sterne-Hotel. Ich hatte etwas zu essen, es war warm, und ich hatte eine Pause von der Straße.“ Fabian Florin, 38, sitzt an einem frühen Samstagmorgen in seinem Atelier in Chur und erzählt seine Geschichte. Seit der Haft vor mehr als zehn Jahren hat sich sein Leben grundlegend verändert. Seine Erinnerungen hingegen teilt er gern, auch wenn er dabei ­immer wieder innehalten muss. „Es ist eine Art Präventionsarbeit, die ich mache. Und wenn sie nur hilft, ein einziges Leben zu retten.“ Kurz und schmerzhaft: Mit ­vierzehn rutscht der Schweizer in die Drogensucht ab. Er konsumiert ­alles, was es auf der Straße gibt. Dann: Beschaffungskriminalität, Dealen, Überleben. „Bane“, wie sich der Künstler heute nennt, schläft ­regelmäßig in Tiefgaragen. Vierzehn ­Jahre lang ist die Sucht sein einziger Lebensinhalt. Ungezählte Versuche eines Entzugs scheitern, immer wieder bringt ihn sein „Lifestyle“ hinter Gitter. Mit Ende zwanzig der Tiefpunkt: „Ich hatte wirklich keine Lust mehr auf dieses Leben. Dazu drohte mir eine Haftstrafe von dreieinhalb Jahren.“ Er entscheidet sich für eine Langzeittherapie. Zwei Monate dauert der harte Entzug, zwei Jahre die Therapie. Während dieser Zeit beginnt Fabian zu sprayen.

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Eine kleine Flamme brennt

Die Wende glückt, als er an einem Graffiti-Contest teilnimmt und ihn gewinnt. „Ich erinnere mich gut an diesen Tag. Ich habe einen Fisch gesprayt“, sagt er lächelnd. Er wisse nicht einmal mehr, was der Preis war. „Der eigentliche Gewinn lag ganz woanders. Dieser Contest gab mir einen Lebensinhalt, eine Per­ spektive, ein Ziel.“ Er habe plötzlich daran geglaubt, etwas Großartiges erreichen zu können. Schon als Teenager hatte er in ­einem Hip-Hop-Magazin die Welt der Graffitis entdeckt. „Das war das erste Mal in meinem Leben, dass mich etwas so faszinierte.“ Er sei schon immer ein Träumer gewesen. „Ich träumte davon, außerordent­liche Sachen zu machen. Irgendwo in mir drin kannte ich schon das ­Leben, das ich heute führe.“ Auch während der Jahre der Sucht habe in ihm ein kleines „Flämmchen“ ­gebrannt, das nie erloschen sei: „Nenn es H ­ offnung, nenn es Überlebenswille. Aber dieses Flämmchen hat es in diesem M ­ oment geschafft, etwas auszulösen.“ Das Wichtigste im Leben sei es, Träume zu haben. „Ich habe einen­ für morgen, einen für nächste Woche, ich habe viele kleine und große Träume und hole mir auch immer neue.“ Seine Träume ersetzten die Leere, die nach dem Entzug entstand. „Ich fragte mich damals: Wer bin ich überhaupt?“ Die innere

Leere zu füllen sei für alle Menschen wichtig. Gerade wenn man in einer schwierigen Lebenssituation steckt: „Wichtig ist, dass man Neues ausprobiert.“ Dafür müsse man zwingend raus aus der Komfortzone. Bane hat vor drei Jahren das Street Art Festival Chur ins Leben gerufen und auch einen Analogfotografieverein gegründet. Inzwischen gehört er zu den erfolgreichsten Street-Art-Künstlern der Schweiz. Seit elf Jahren ist er selbständig und sprayt auf der ganzen Welt. Umsetzen kann er etwa 20 Prozent der Anfragen, die ihn er­reichen. Bekommt er einen großen Auftrag, arbeitet er gerne mit anderen Künstlern zusammen: „Wir teilen uns die Gage und sind füreinander da.“

Bane verändert eine Stadt

Und was bedeutet der Künstler­ name „Bane“? Das, sagt Fabian, heißt „Fluch“. Er will niemals zu seinem früheren Leben zurück, aber auch niemals vergessen, woher er gekommen ist. Regelmäßig besucht er Schulen und erzählt von seinem Weg. Für die Drogenprävention – aber auch, um den Jungen zu zeigen, dass sie alles erreichen können. Als wir mit Bane durch Chur ­spazieren, um seine Kunstwerke anzuschauen, wird er von allen Seiten angesprochen und angelächelt. Manche sagen Danke. Dafür, dass er der Stadt Chur Farbe gibt. Ver­ mutlich aber auch, weil er mit seiner ­Geschichte viele berührt. „Damit habe ich nicht gerechnet. Ich wollte doch nur große Wände anmalen.“ Fabian „Bane“ Florins Murals zieren Wände in Europa, Asien und Nordafrika. Instagram: @fabian_bane_florin Weitere Infos unter: fabianflorin.ch

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„Ich sprayte einen Fisch. Und mein Leben bekam wieder Sinn.“ Künstler Fabian „Bane“ Florin, 38, hier vor einem seiner Werke in Chur, über den Graffiti-Contest, der sein Leben veränderte

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MIT FLÜGEL UND FLIEGE Bernhard Speer, 38 (li.), und Christopher Seiler, 34, können auch Eleganz. Hier zu sehen beim Red BulletinFotoshooting in Wien.

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Musik

„DAS WIRD SEHR INTIM“

SEILER UND SPEER treten bei Red Bull Symphonic mit großem Orchester auf. Wir haben den Austropop-Stars Frack und Fliege verpasst und ein Interview geführt, das klassisch beginnt. Und nackt in einem Bach endet. Interview WOLFGANG WIESER  Fotos PETER RIGAUD


Musik

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ir treffen Christopher Seiler und Bernhard Speer in der 230 Quadratmeter großen „Prince of Wales“-Suite im Wiener Hotel Bristol – perfekt, um ihren klassischen Auftritt zu würdigen. Mit Christian Kolonovits, der seit Jahrzehnten Pop­größen mit Arrangements veredelt, werden die beiden am 10. und 11. Februar ihren Hits ein völlig neues Look & Feel verpassen – mit einem 60-köpfigen Orchester und mit Chor treten sie im Wiener Konzerthaus auf. Das Gespräch zur Premiere – plus: noch mehr erste Male.

Prolog

THE RED BULLETIN: Dem Bernhard hab ich’s schon erklärt. Die Grundidee ist, einfach über eure KonzerthausPre­miere und andere erste Male zu reden. Nicht über das erste Mal … christopher seiler: Ah, eh nicht, okay. Das wäre ziemlich peinlich. bernhard speer: Das, glaube ich, ist praktisch immer peinlich. Fortsetzung folgt … THE RED BULLETIN: Seit heute früh krieg ich euren Hit „Principessa“ nicht mehr aus dem Kopf – für Red Bull Symphonic packt ihr eure Ohrwürmer in klassisches Gewand. Wann seid ihr das erste Mal mit klassischer Musik in Berührung gekommen? bernhard: Spät. Erst mit Filmmusik – vom Hans Zimmer zum Beispiel oder mit Trevor Rabins Musik von „Armageddon“ (Science-Fiction-Blockbuster mit Bruce ­Willis von 1998; Anm.). 38

Ich hätt unter Klassik eher Mozart, Beethoven und Schubert verstanden. christopher: Nicht nur! Meine erste Berührung mit klassischer Musik hatte ich mit Disney-Filmen. Da sind sehr viele klassische Elemente drin. Aber ich habe tatsächlich in meiner … (Greift nach seinem Handy, scrollt.) Ich bin so ein iTunes-Käufer. Na, was kommt da? „100 Meisterwerke der Klassik“ habe ich da oben. „Also sprach Zarathustra“ (von Richard Strauss, 1896; Anm.). bernhard: Na bumm. christopher: So staple ich hoch, Oida. bernhard: Aber viel Mozart war da jetzt auch noch nicht dabei. christopher: O ja, die Serenade Nr. 13 in G-Dur („Eine kleine Nacht­musik“, 1787; Anm.). Geil, dass diese Stücke wirklich so heißen … „in G-Dur“. (Lacht.) bernhard: „Principessa“ in E-Dur. Was ist das Schöne an Red Bull Symphonic? christopher: Dass diese OrchesterArrangements aus dem Song noch mehr rausholen; Dinge, die man vorher gar nicht gehört hat. Und im Endeffekt kann man dasitzen und so tun, als wäre man der Übergescheite und der ärgste Künstler, und hat gar nichts dazu beigetragen.

sich sowieso mit der Zeit. „Ham kummst“ klingt für mich heute anders als vor sechs Jahren. Und wenn du die arrange­ mentmäßig veränderst, ist klar, dass die anders klingen. In diesem Fall besser. Aber „Ham kummst“ ist keine Nummer, die ich daheim höre. Entschuldige, dass ich lache. Du hörst deine eigene Nummer nicht mehr? christopher: Natürlich nicht. Welcher Künstler hört seine eigenen Lieder? Das ist doch pervers. Was ganz anderes: Wenn ihr euch einen Platz im Orchester aussuchen dürftet, welcher wäre das? christopher: Ui, die Frage haben wir schon einmal gekriegt. bernhard: Aber ich glaube nicht, dass eine gescheite Antwort gekommen ist, oder? christopher: Ja, die Antwort war nicht gescheit, weil ich habe gesagt: Catering. Und er hat gesagt: erste Geige. bernhard: Ja.

Was holt das Orchester raus? bernhard: Etwas, das schon da, aber nicht zu hören war. christopher: Das betont es … bernhard: … und gibt den wahren Charakter des Liedes preis. christopher: Und wir können uns ungefähr vorstellen, wie großartig das werden wird.

Na, dann probieren wir es noch einmal. Immer noch die erste Geige? bernhard: Wenn ich jetzt wirklich so drüber nachdenke … christopher: Ich glaube, die Frage ist auf dein Wesen ausgelegt. bernhard: Ach so … christopher: Es geht ja keiner davon aus, dass du jetzt Geige spielen kannst. bernhard: Okay. Du hast übrigens gesagt, du würdest den Dirigenten machen. christopher: Habe ich das gesagt? bernhard: Ja. Und da täte ich mich wahrscheinlich auch eher sehen.

Haben sich die Lieder für euch tatsächlich verändert? christopher: Nummern verändern

Aber es dirigiert der Herr Kolonovits. christopher: Gibt es einen Co-Dirigenten? THE RED BULLETIN


ROSENKAVALIERE?

Zumindest gefühlt. Der üppige Strauß ist Deko in der Suite im Hotel Bristol.


Musik

LUXUS, DER SICH GEWASCHEN HAT Marmor und Gold im Bad kann Seiler und Speer nicht anspornen. Vielmehr die Freiheit, das zu tun, was Spaß macht.

Ich habe noch keinen gesehen. christopher: Er verlängert quasi das, was der Christian dirigiert, für die Leute weiter hinten. Also Bernhard, du bist Co-Dirigent. Und was, Christopher, bist du jetzt? christopher: Ich kann jetzt schwer sagen, der Co-Co-Dirigent. Keine Ahnung. Cello? christopher: Sehe ich für dich aus wie einer, der Cello spielt? Nein, ich habe irgendwas gesagt. christopher: Ich bin lieber der, der schreibt. Müsst ihr beide euch für Red Bull Symphonic aus eurer Komfortzone rausbewegen? christopher: Wir haben überhaupt keine Komfortzone. bernhard: Wir schwimmen … christopher: Wir haben es uns auf jegliche Art und Weise immer selbst schwerer gemacht, als es notwendig gewesen wäre. Und deswegen gibt es für uns keine Komfortzone, für uns ist immer Krieg. bernhard: Arg. (Lacht.) Jetzt ist mir fast das Herz stehen ­geblieben. Was heißt das denn? christopher: Na ja, man muss be­ denken, wie wir angefangen haben – uns hat ja keiner was geschenkt. Also wir sind immer irgendwo angeeckt. bernhard: Und wir haben lernen müssen, jede Bühne zu bespielen. Von „Stadl“Auftritten bis zu den ganz großen Sachen. Könnt ihr euch noch erinnern, wann ihr das erste Mal auf der Bühne gestanden seid? bernhard: Ja, wir waren so eine kleine Rockband. Ich an der Gitarre und am Gesang, bei einem Straßenfest … Es war eine Katastrophe. Christopher, wie war das bei dir? Dein erstes Mal auf der Bühne? christopher: Das war definitiv beim Schultheater, und ich habe den klassischen Österreicher gespielt. Ich erinnere 40

mich gerne an diesen Franzosen neben mir – also an den, der den Franzosen gespielt hat. Der hat ein Baguette gehabt und einen Camembert, ist ja klar, nicht? bernhard: Croissant wäre auch noch gegangen. christopher: Ja, ja, aber ich bin froh, dass es nicht so war, denn ich habe irrsinnigen Hunger gehabt, und ich weiß noch, dass die Lehrerin dieses große Baguette nach der Vorstellung gebrochen hat, und jeder hat ein Stück Camembert gekriegt. Das war cool. Wenn eure ersten Auftritte nicht so prickelnd waren, wieso habt ihr trotzdem gewusst: Das ist meins, ich will auf der Bühne stehen? bernhard: Na ja, ich muss hinzufügen, der Auftritt war ja für mich damals großartig. Und der Wunsch, auf der Bühne

BERNHARD SPEER, 38 Liebt … … Zeit für sich zu haben. Zeit mit seiner Familie, seinen beiden Söhnen zu verbringen. Und einmotorige Flugzeuge: „In die Luft zu gehen hilft mir, am Boden zu bleiben.“ Freut sich … … auf seine hausgemachte Late Night Show, die 2022 ausgestrahlt werden soll. Bereut … … nicht viel, weil jeder Schritt wichtig war – „auch wenn ein paar richtig dumme dabei waren.“

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Macht die jeweilige Dimension der Bühne einen Unterschied? christopher: Vom Handwerk her: ja. Je kleiner die Bühne, desto persönlicher wird es. Was dürfen wir im Konzerthaus erwarten? christopher: Das wird sehr intim. Das ist richtig, richtig schön dort. Auch die Energie und so. Das ist wirklich schön. Woran habt ihr erkannt, dass ihr zusammenpasst? christopher: Wir sind ja nicht zusammen. Na ja, so ein bisserl halt. bernhard: Das spürt man gleich. Und wir haben es in unserer Laufbahn gespürt, wenn es nicht gepasst hat.

CHRISTOPHER SEILER, 34 Liebt … … seine Familie und Freunde. Hasst … … Menschen, die auf Schwächere losgehen. Freut sich … auf sein Soloalbum, das 2022 erscheint. Und wählt dafür aus mehr als 60 selbst geschriebenen Songs. Bereut … … manches, was er inzwischen besser macht.

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Wie schreibt ihr eure Lieder? bernhard: Man muss Bock haben, eine Melodie im Kopf haben. Ja, und dann tauschen wir uns halt aus. christopher: Man muss sagen, das letzte Mal haben wir vor zwei Jahren ­geschrieben, beim letzten Album. bernhard: Die vergangenen zwei Jahre haben wir sehr viel privates Leben leben dürfen. zu stehen, war so fest in meinem Kopf – also: Ich wollte das schon immer. Ich wollte auch immer, dass mich die Leute erkennen. Und ja, dieses Rockstar-Leben wollte ich auch. Seid ihr heute, wenn ihr auf die Bühne geht, noch nervös? christopher: Nein. Angespannt. Aber wenn du nicht angespannt bist, bist du kalt, dann bist du tot. Und dann wirst du auf der Bühne keine Leistung bringen. Wie äußert sich diese Anspannung? christopher: Man wird ein bisschen unruhig. Man weiß, jetzt muss gleich was passieren. Und deswegen macht das der Körper auch. Der sammelt die Energie – das gehört dazu. Nur so merkt man noch, dass es irgendwas bedeutet. Und es bedeutet noch immer sehr viel.

Denkt man da über sein Leben nach? christopher: Überhaupt nicht, man lebt sein Leben. Ich bin generell ein Mensch, der sich keine Sorgen macht. Das heißt, du stehst auf und hast ein sonniges Gemüt? christopher: Hm … nein. Wenn ich verkatert aufwache, dann habe ich sicher kein sonniges Gemüt. Gut, aber das passiert ja nur selten. christopher: In letzter Zeit tatsächlich, ja. Ist richtig. Weil ich auch keinen Grund mehr finde, dass ich mich irgendwie wegschießen müsste. Na, dann reden wir über „Ham kummst“. Was ist die Geschichte ­hinter dem Lied? christopher: Nicht die, wo du mit dem Begriff „verkatert“ vermutlich hin  41


Musik

wolltest. In der Geschichte geht es nicht um den Alkoholgenuss – es geht um Ent­ täuschungen, um Versprechungen, die nicht eingehalten wurden. Und es geht in Wirklichkeit um diesen Typen, der da im Rinnsal sitzt mit seinen komischen Zähnen. Er ist definitiv der Schuldige, trotzdem tut er so auf Selbstmitleid. Und das machen solche Leute immer. So, da tu ich mir jetzt selber leid, bevor ich aufstehe, meine Eier in die Hand nehme und was ändere. „Ham kummst“ war ein Riesenhit. Gab es eine Nummer-eins-Party? christopher: Es gab eine Party im Gasometer zur Verleihung der Goldenen. Wie ist die ausgegangen? So wie „Ham kummst“? christopher: Vermutlich. Also wir waren zu der Zeit keine Kostverächter. Keine Ahnung, wir haben ja alles gemacht, was Gott verboten hat. bernhard: Vermutlich. Was ist geiler, das erste Mal Gold oder das erste Mal Platin? christopher: Gold. bernhard: Auf jeden Fall Gold, ja. christopher: Platin, das interessiert dich dann gar nicht mehr. bernhard: Es schaut auch nicht so schön aus. christopher: Die erste Goldene löst Emotionen aus. Alles, was danach kommt, nicht mehr. Darum ist das Thema „Das erste Mal“ ja so schön. Was ist Erfolg? Ist das Unabhängigkeit? Ist das Freiheit? Ist das „Ich kann in der Früh aufwachen und muss mir keine Gedanken machen“? bernhard: In der Reihenfolge, wie du es gerade gesagt hast. Das ist der Luxus, den wir leben. christopher: Ich glaube, der größte Luxus ist, dass ich keinem Beruf nach­ gehe, sondern einfach das mache, was ich kann. Das macht irrsinnige Freude. Gibt es so was wie ein Erfolgsrezept, das ihr weitergeben würdet? bernhard: Es gibt immer diese klas­ sischen Sachen: Gib niemals auf, mach 42

NEUGIERIG?

Nein, hinter diesem Bild, das Christopher hier lüftet, steckt kein Tresor. Sondern nur Tapete.

i­ mmer weiter. Aber das haben auch schon viele gemacht. Und aus vielen ist auch nichts geworden. christopher: Ja, mach das, was dir Spaß macht. Ganz einfach. bernhard: Es ist schon wichtig, ein Ziel zu haben. Aber es darf nie dein Ziel sein, plötzlich Superstar zu sein. christopher: Nein. bernhard: Wenn du nur das im Fokus hast, dann verpasst du die Stationen, die es braucht, um dort hinzukommen. Ihr habt gesagt, dass ein Grund für ­euren Erfolg war, dass ihr das Projekt am Anfang nicht ernst genommen habt. christopher: Hm …

„Ich wollte immer, dass mich die Leute erkennen. Und ja, dieses RockstarLeben wollte ich auch.“ BERNHARD SPEER über seinen Lebensplan

Stimmt das? christopher: Nein, das war blöd aus­ gedrückt. THE RED BULLETIN


Epilog

Also gut, reden wir übers erste Mal. christopher: Kann ich dir erzählen. Ich habe das damals in meinem ersten Kabarettprogramm vor Tausenden von Leuten erzählt. Ich bitte darum. Erzähl’s mir noch ­einmal im kleinen Kreis. christopher: Mein erstes Mal war am Feuerwehrfest in Wöllersdorf. bernhard: (Lacht.) Jetzt wird es sehr konkret. christopher: Feuerwehrfest Wöllers­ dorf. Hinter diesem Festgelände ist die Piesting. Das ist so ein Mittelding zwi­ schen Fluss und Bach. Kleiner als die Donau, aber größer als ein Bacherl. Und da bin ich drinnen gelegen und die Dame halt auf mir drauf. Warum auch immer. Und ich weiß noch eines: Das war nicht schön. Weil hinter mir waren solche komischen Gsträucher. Und die haben Dornen gehabt. Und ich bin in der Früh blutig im Bett aufgewacht, und meine Mama hat gefragt: Was hast du gemacht? Und was hat der Bub gesagt zur Mama? christopher: Gar nichts. Ich habe innerlich geplärrt und wollt nur einen Kakao. bernhard: Das klingt so plump und dahergeredet und so – diese Aussagen kamen vielleicht aus einer gewissen Coolness heraus, weil wir nicht wirklich eine Antwort darauf gehabt haben. Aber wenn wir was gemacht haben, haben wir das natürlich ernst genommen. Wir ha­ ben das für uns gemacht, wir haben das leiwand gefunden. Hat es jemals so etwas wie eine Krise gegeben? Wo ihr gedacht habt: „Puh, nein, ich will nicht mehr!“? christopher: Ich glaube, solche Krisen gibt es immer wieder, aber nicht nur bei uns, sondern bei jedem Menschen. Eh. Aber wir wollen jetzt keine Poli­ti­ker­­ antworten haben, sondern richtige. christopher: Ich weiß, dass es welche gegeben hat, aber das waren sicherlich THE RED BULLETIN

so viele. Das war keine Politikerantwort, das gehört dazu. bernhard: Aber wir haben viele Krisen überlebt. Aber wir wollen doch konkret werden. Denkt doch einmal an die erste Krise? christopher: Wenn wir jetzt von der Karriere ausgehen – die erste große Krise war sicherlich … Was war das? bernhard: Ich beschäftige mich nicht so mit unseren Krisen, dass ich es jetzt … christopher (lacht, macht Bernhard nach): „Ich beschäftige mich nicht so …“ Das ist eine Politikerantwort. bernhard: Nein, ich glaube, da wirst du aus uns keine Geschichte rauskitzeln. Weil das klingt ja wie eine Paartherapie. christopher: Reden wir lieber übers erste Mal. bernhard: Reden wir übers erste Mal.

„MEIN ERSTES MAL“ IST DIE RED BULLETIN POD­CAST-SERIE, in der Heldinnen und Helden über ihre Anfänge sprechen. Die Folge mit Seiler und Speer gibt’s im Podcast-Kanal von The Red Bulletin. Zu finden auf allen gängigen Platt­formen wie Spoti­fy und auf r­ edbulletin.com/podcast

Red Bull Symphonic Austropop trifft Klassik

Im Wiener Konzerthaus spielen Seiler und Speer mit Orchester und Chor ihre größten Hits in klassischem Gewand. Das Max Steiner Orchester wird dabei von Christian Kolonovits dirigiert. Termine: 10. und 11. Februar. Alle Event-Infos: redbull.com/symphonic Styling SAMMY ZAYED, Grooming NATHALIE RODRIGUEZ SEILER: Hemd LANVIN, Hose ETRO, Fliege TOM FORD, Schuhe VIVIENNE WESTWOOD SPEER: Smokinghemd YVES SAINT LAURENT, Smokinghose GIVENCHY, Frack WILVORST, Schuhe ADIDAS ORIGINALS

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Lily ist so frei LILY RICE macht mit ihrem Rollstuhl Rückwärtssalti. Warum? Weil sie diesen Sport von ganzem Herzen liebt. Und um uns zu zeigen, was Freiheit wirklich bedeutet. Text JESS HOLLAND Fotos SPENCER MURPHY 44

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Lily Rice, gerade einmal 17, ist bereits eine der bestimmenden Figuren im WCMX, dem RollstuhlMotocross. In England war sie die Erste in dem jungen Sport.

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ily Rice saß am Rand einer Rampe in ­einem Skatepark in Cornwall, England, kurz geschorene, rosa gefärbte Haare ­unter dem Vollvisierhelm. Vor ihr gähn­ ten vier Meter Tiefe, darunter Beton. Sie gab ihrem neongrünen Rollstuhl ­einen Schubs – und fiel ins Leere. Bis hierher war alles planmäßig gelau­ fen, es würde ein atemberaubender Stunt werden, diesmal für ein Foto­shooting. Die Bilder würden ein Hammer sein … doch plötzlich bemerkte sie: Da ist ihr wohl ein winzig kleiner Fehler passiert – sie hatte das Gewicht ein paar Millimeter zu weit nach vorn verlagert. Es blieb kei­

ne Zeit zur Korrektur – Lily Rice kippte im Flug hilflos nach vorn. Sie krachte mit dem Gesicht voran auf den Boden, der Rollstuhl knallte auf ihren Rücken, sie schlug sich Zähne aus, verletzte sich am Hals. Sie konnte nicht mehr schlucken, sich nicht be­wegen. Sie stöhnte, röchelte. Es waren furchtbare, animalische Laute, die sie ausstieß. Ihre beste Freundin kam angelaufen, die Skateboarderin Daisy da Gama Ho­wells. „Ich war sicher, Lily ist schwer verletzt, vielleicht sogar tot“, sollte sie sich später an den Schrecken erinnern. „Diese Geräusche, die sie nach dem Unfall machte, werde ich nie vergessen.“ Lily war nicht tot, sie war bewusstlos. Dazwischen kam sie ein paar Sekunden lang zu Bewusstsein. Später sollte man sie fragen, woran sie dachte, in diesen kurzen wachen Momenten. „Wird meine Mutter mit mir schimpfen, weil ich keine Ellbogenschützer getragen habe? Solche Dinge schossen mir durch den Kopf“, erzählt sie von den bizarren Gedanken­ gängen in dieser Ausnahmesituation. Der Unfall liegt zwei Jahre zurück, Lily Rice war damals 15 Jahre alt. Wegen einer spastischen Lähmung sitzt sie seit ihrem zehnten Lebensjahr im Rollstuhl.

Spastische Lähmung bedeutet, dass die Muskeln in ihren Beinen sehr schwach sind, aber wenn sie sich anstrengt, kann sie ein paar Schritte gehen, sich sogar ­allein eine Treppe raufarbeiten. Wenn sie und ihre beste Freundin, Daisy da Gama Howells, heute von dem Tag vor zwei Jahren erzählen, lachen sie, auch während sie von Blut und dem Ge­ röchel und der Todesangst reden. „Das ist unsere Art, damit umzugehen“, sagt Rice. Sie erinnert sich noch gut an die Fahrt im Krankenwagen. „Ich habe da­ gegen angekämpft, dass meine Augen zufallen – ich dachte, sonst sterbe ich.“ Nach den Operationen konnte Rice im Krankenhaus nur Hühnersuppe essen, wobei „essen“ wohl nicht ganz der rich­ tige Ausdruck ist: Die Suppe musste ihr mit einer Kanüle in den Mund ver­ abreicht werden. Sobald sich die Nahrungsaufnahme wieder halbwegs normal gestaltete, ging sie wieder zur Schule. Nach einem Monat war sie zurück im Skatepark. Es war schwierig, nach diesem Unfall wieder mit dem Sport zu beginnen. Ihr Körper war tatsächlich traumatisiert, und er erstarrte, wenn sie nur in die Nähe einer Rampe kam. Aber Rice gab

„Ich weiß nicht, wo ich ohne diesen Sport wäre. Er zeigt mir, wozu ich imstande bin.“ Lily Rice, 17, über die Bedeutung des Rollstuhlskatens für ihr Leben

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Lily Rice in ihrem Element: Enorme Zähigkeit, außergewöhnliches Talent und überbordende Lebensfreude sind ihre Markenzeichen.


Alles, was Räder hat, fliegt: Lily Rice und ihre beste Freundin, Skateboarderin Daisy da Gama Howells, fotografiert im Haverfordwest Skatepark im Südwesten von Wales

nicht auf. Sie begann mit einfachsten Übungen, ganz langsam, bis ihr Selbst­ vertrauen langsam zurückkam. Gut möglich, dass Lily Rice ihre Zähig­ keit, die Härte zu sich selbst und ihre überbordende Lebensenergie zu einem Teil ihrem Vater Mark verdankt. Er ist ­Sanitäter und Surfer. Von klein auf nahm er sie mit in die Natur, so als ob da gar nichts wäre mit ihren Beinen. Er ließ sie auf Bäume klettern, brachte ihr das Fahrradfahren bei und spielte mit ihr am Strand – obwohl sich schon früh die Krankheit bemerkbar machte und sie zum Gehen Schienen und Krücken brauchte. Lilys spastische Lähmung verschlim­ merte sich mit der Zeit. Als sie zehn ­Jahre alt war, reichten Schienen und Krücken nicht mehr – sie begann, einen Rollstuhl zu verwenden. Aber sie hasste 48

den Gedanken, den Rest ihres Lebens im Rollstuhl verbringen zu müssen. Um ihn möglichst wenig zu sehen, verräumte sie ihn in eine Ecke ihres Zimmers.

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rei Jahre später – Lily war ge­ rade dreizehn geworden – sah sie im Internet ein Video von Aaron Fotheringham. Und ­damit veränderte sich schlagartig ihre Beziehung zum Rollstuhl. Aaron „Wheelz“ Fotheringham wurde in Los Angeles mit einer gespaltenen Wirbelsäule geboren, dem schweren Fall einer sogenannten Spina bifida. Sein ­älterer Bruder war ein begeisterter BMX‑Fahrer. Die beiden verbrachten als Kinder viel Zeit miteinander, und als ­Aaron acht Jahre alt war, kam er auf die Idee, mit seinem Rollstuhl über eine BMX-Rampe zu fahren und Stunts zu

probieren – Drehungen, Sprünge. Bald nahm er an BMX-Wettbewerben teil, die Videos von seinen Stunts gingen im Internet viral. 2006 schaffte er als erster Mensch überhaupt einen Rückwärtssalto im Roll­ stuhl. Zwei Jahre später tourte er mit dem „Nitro Circus“ um die Welt, der durchgeknallten Action-Show mit Free­ style-Motocross-Superstar Travis Pas­ trana. 2012 fuhr Fotheringham mit sei­ nem Rollstuhl in Kalifornien über eine acht Meter hohe Megarampe und sprang dabei 21 Meter weit. Was Fotheringham tat, hatte, als er anfing, noch keinen Namen. Man nannte es „Wheelchair Motocross“, kurz WCMX. 2015 fanden im Alliance Skatepark in Grand Prairie, Texas, die allerersten Weltmeisterschaften im WCMX statt; auch Skateboarder und BMX-Fahrer mit verschiedenen Behinderungen nahmen teil. Fotheringham holte Gold – wie bei ­jeder WM seither. Lily Rice steckte ihren Vater mit ihrer Begeisterung für Fotheringham und sei­ ne Videos an. Die Tochter eines seiner Freunde hatte auch gerade mit dem ­Skaten begonnen, die Väter stellten den Kontakt zwischen den Mädchen her. Lily Rice und Daisy da Gama Howells ­trafen sich im Skatepark. Am Anfang war es für viele der anderen Skater noch un­ gewohnt, j­ emanden in einem Rollstuhl über die Rampen fahren zu sehen. Doch schon bald war Rice ein fester Teil der Community im Skaterpark. An einem Juli-Abend dieses Jahres hängen Rice und da Gama Howells wie so oft im Skatepark ab. Zu hören sind die typischen Skatepark-Geräusche: ­Musik aus mit Stickern verzierten Laut­ sprechern, das Rollen der Hartgummi­ räder auf Beton, Anfeuerungen, Jubel, Abklatschen. Einer der vielen Skater im Park an dem Abend ist der Postbote Craig Brown, ein Freund von Lilys Vater, Mark. Er fährt über die Skatebowl, scherzt mit Kindern, feuert Rice an, als sie gerade über eine steile Passage fährt. Ein paar Stunden später sitzt Brown auf seinem Skateboard. „Die Atmosphäre im Skatepark ist komplett inklusiv“, sagt er. Woran das liegt? „Ich denke, wir ­Skater sind hier auf eine gewisse Art zu Hause. Außer­halb dieses Parks fühlen wir uns alle ein bisschen verloren. Wir gehören irgendwie zusammen. Wir THE RED BULLETIN


Freestyle

unter­stützen einander, sind füreinander da. So sollte es doch überall sein, oder?“ Schon als Lily Rice das erste Mal über eine Minirampe fuhr, wusste sie, dass WCMX ihr Sport ist. Sie schrieb Fotheringham eine Nachricht auf Instagram, er schickte ihr einen seiner gebrauchten WCMX-Stühle. Später traf sie ihn per­ sönlich, als er mit dem Nitro Circus nach Großbritannien kam. „Es war der Wahnsinn, jemandem persönlich zu begegnen, den man so oft im Internet gesehen hat“, sagt Lily. „Ihn live skaten zu sehen war einfach das Größte.“ Die beiden blieben in Kontakt und nahmen vor der Pandemie gemeinsam bei einigen Wettbewerben in den USA teil. „Lilys Entwicklung ist unfassbar“, lobt Fotheringham. Tatsächlich hat sie besonderes Talent: Schon nach sieben Monaten gelang ihr ein Rückwärtssalto – als erster Frau in Großbritannien. Das Training für das Kunststück war hart: Stundenlang sprang sie mit ihrem Rollstuhl in eine mit Schaumstoff aus­ gepolsterte Grube. Später trainierte sie auf einer weichen, federnden Rampe. Irgend­wann schaffte sie es, nach der

Lily im Skatepark: Rollstuhlfahrer benützen die gleichen Rampen wie alle anderen.

„Im Skatepark fühle ich mich ganz frei. Da sagt dir keiner, wie du sein musst.“ Drehung auf den Rädern zu landen und weiter über die Rampe zu fahren. Der gelungene Rückwärtssalto machte Rice in Großbritannien zu einer kleinen Berühmtheit: Sie spielte in Musik­videos mit, schloss Werbeverträge ab, reiste zu Meisterschaften. Der schottische Schauspieler James McAvoy, der in den „X-Men“-­Filmen einen Rollstuhl­fahrer spielt, spendete 5000 Pfund für e­ inen maßgeschneiderten Rollstuhl. ­Später lief er Rice zufällig auf einem Flughafen in L. A. über den Weg und lud sie zur ­Premiere des neuen „X-Men“-Films ein. Rice er­innert sich, wie unwirklich der Abend war: „Ich traf Katy Perry auf dem Klo und machte Selfies mit Jennifer Lawrence und Orlando Bloom.“ Obwohl seit ihrem schweren Unfall erst wenige Monate vergangen waren, gewann Rice 2019 die WCMX World Championships. Nebenbei bemühte sie sich um den Aufbau der WCMX-Szene in Großbritannien. Sie ermutigte junge Rollstuhlfahrer, ebenfalls mit dem Sport zu beginnen, veranstaltete den ersten WCMX-Jam in Northamptonshire.

A

uch die neunjährige Imogen Ashwell-Lewis, die wegen einer vom Großhirn ausgehenden Lähmung im Rollstuhl sitzt, war dabei. Genau wie Rice war auch Ashwell-­Lewis sofort begeistert von dem Sport. Bei den anderen Sportarten, die sie davor probiert hatte, waren Menschen mit Behinderung von Menschen ohne Behinderung getrennt. Hier ist das anders: Rollstuhl­fahrer fahren gemeinsam mit anderen Skatern über die gleichen Rampen. Keine Barrieren, keine Vorurteile. Imogen probiert einen besonders wilden Sprung – sie stürzt, fällt aus ihrem Rollstuhl. Sofort kommen einige Skater angelaufen, um ihr zu helfen. Aber sie bleibt ganz ruhig: „Alles gut! Helft mir bitte einfach zurück in den Rollstuhl. Ich will’s noch einmal probieren.“

THE RED BULLETIN

Rice weiß, dass sie das Leben von ­ indern wie Imogen Ashwell-Lewis verK ändern kann. Und sie nimmt diese Möglichkeit sehr ernst. Sie geht in Schulen, um über WCMX zu erzählen und dar­über, was der Sport auch für das Zu­sammen­ leben bedeutet. Sie gibt Tipps, wie Skateparks zugänglicher für Rollstuhlfahrer gemacht werden können. A ­ rbeitet mit ­einem Produzenten an Rollstühlen, die für das Fahren auf der Rampe besser ­geeignet sind. Als sie mit dem Sport begann, war sie die einzige WCMX-Fahrerin in Großbritannien – heute umfasst die Community ungefähr fünfzig Leute. Rice möchte auch durchsetzen, dass WCMX eine Disziplin bei den Paralympischen Spielen wird. 2021 in Tokio waren Skateboarden und BMX erstmals Teil der Olympischen Spiele. Es wäre also nur ­logisch, eine ähnliche Disziplin bei den Paralympics einzuführen. Laut Rice ist es eventuell schon in Paris 2024 so weit; spätestens aber 2028 in Los Angeles – der Stadt, in der das Skateboarden seinen Anfang genommen hat. Das genaue Regulativ muss noch festgelegt werden, aber es ist gut möglich, dass wir Athletinnen wie Rice und Ashwell-Lewis schon bald bei den Paralympics sehen. Lily Rice trainiert hart: Sie verbringt Stunden im Skatepark, fährt an freien Tagen zu besonderen Skate-Spots in ganz England, fliegt für Wettbewerbe nach Amerika. Aber es ist nicht die Sehnsucht nach Erfolg oder Anerkennung, die Rice antreibt. Sie liebt den Sport einfach von ganzem Herzen. „Er tut mir gut – nicht nur körperlich. Mir hat es mental sehr geholfen, zu sehen, wozu ich imstande bin“, sagt sie. „Ich weiß gar nicht, wo ich ohne WCMX wäre.“ Lily Rice springt eine Stunde lang für The Red Bulletin in eine mit Schaumstoff gefüllte Grube und macht dabei Rückwärtssalti, wieder und wieder, unermüdlich, bis das Foto endlich perfekt passt. Als sie danach die Knieschoner abnimmt, sagt sie: „Hier fühle ich mich ganz frei. Im Skatepark sagt dir niemand, was du tun musst oder wie du sein sollst. Ich kann meine Gefühle mit meinen Bewegungen ausdrücken. Die anderen Skater motivieren mich, mein Bestes zu geben und dabei ich selbst zu sein. Hier gehöre ich her.“ Instagram: @lilyrice_wcmx

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Nightlife

Die Macht der Nacht Street-Partys, Champagner-Duschen, 15 Millionen Menschen: Der nigerianische Fotograf ANDREW ESIEBO dokumentiert seit neun Jahren das vibrierende Nachtleben seiner Heimat Lagos. Ein Insider-Report aus der Welthauptstadt des Afrobeat. Text und Fotos ANDREW ESIEBO


SEHEN UND GESEHEN WERDEN

„Diese Frau ist mir auf einer Party im Lagos-IslandViertel aufgefallen. Gegen Ende jedes Jahres ver­ anstalten die Einwohner dort Block-Partys, auf denen ziemlich laut Rockmusik gespielt wird. Die Stimmung ist immer energiegeladen, weil sich jeder seinen Platz in der Masse erkämpfen will. Normalerweise versuche ich, für meine Fotomotive unsichtbar zu sein, aber diese Frau wollte gesehen werden, auch wenn sie Augenkontakt vermied.“

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Nightlife

„Ich will von Nigerias lebendiger Kultur erzählen“

Andrew Esiebo, 43, heute ein international angesehener Fotograf, stammt aus Lagos und lernte sein Handwerk, als er vor mehr als zwanzig Jahren damit anfing, Menschen in seinem Wohnviertel auf Film festzuhalten. „Lagos ist berüch­ tigt für Kriminalität“, sagt Esiebo. „Geschichten über Lagos ­behandeln immer dieses Thema. Selten erzählen internatio­ nale Medien über die lebendige Kultur und das Nacht­leben.“ Esiebo begann die Partyszene 2013 zu dokumentieren. „Ich wurde auf die Kraft von DJs und Afrobeat aufmerksam“, sagt er. „Mit dem Wechsel zur Demokratie (1999, nach Jahrzehnten einer Militärdiktatur; Anm.) boomte die Wirtschaft, und die Leute hatten mehr Geld. Ein Weg, den neuen Wohlstand ­auszudrücken, waren Partys.“ Esiebos Fotos zeigen auch die rasante Entwicklung der nigerianischen Gesellschaft. „Es gibt eine wachsende Mittelklasse, wenngleich das Streben nach mehr Lebensqualität zu großer Ungleichheit geführt hat. Aber alle wollen das Gleiche. Sogar Typen ohne Geld wollen Champagner trinken.“ Die Coronapandemie hat die Party­ szene in ­Lagos viel weniger getroffen, als man annehmen möchte. „Klar, so lebendig ist das Nachtleben nicht mehr wie vor 2020. Aber zum Erliegen gekommen ist es keineswegs.“

SCHAMPUS FÜR ALLE!

„Wir trinken ziemlich viel Cham­ pagner hier in Nigeria. 2016 war Lagos nach Paris die Stadt mit dem zweithöchsten Konsum weltweit. Bei Partys gibt es Menschen, die sich bis zum Schluss an einer Schampusflasche festhalten, auch wenn sie längst leer ist. Den Typ auf dem Foto rechts habe ich in Ikeja foto­grafiert – das ist nicht wirklich ein armes Viertel, es zählt aber auch nicht zu den reichsten Gegenden. Je teurer der Schampus ist, den du kaufst, desto besser ist der Platz, den du im VIP-Bereich bekommst. Ich habe heraus­ gefunden, dass die Leute eher bei Arbeiter- und Mittelklasse-Festen zu so einem Ver­halten neigen, weil sie sich auf diese Art aufwerten. Sie wollen wie die großen Jungs sein. Bei den Reichen hingegen wird bei weitem nicht so viel getrunken.“

Mehr Reportagen aus Afrika: andrewesiebo.com

DRAUSSEN VOR DER TÜR

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BAPTISTE DE VILLE D’AVRAY

„Das ist der Eingang zum Club und Restaurant Spice Route in der wohlhabenden Gegend von ­Victoria Island. Ich habe dieses Foto gemacht, weil ich die Tür mochte – ihr Ethno-Design zeigt die in Lagos gängige Ästhetik. Außerdem wollte ich die Tür­ steher im Bild festhalten. Früher gab es sie nur in gehobenen Clubs, aber jetzt sind Türkontrollen fast überall zu finden. Sie sind typisch für die Partys der Stadt.“ THE RED BULLETIN


FRAUEN EROBERN EINE MACHO-ZONE

„Einmal im Jahr findet Jimmy’s Jump Off statt – ein Fest, das die nigerianische Hip-Hop-Szene feiert. Bevor das Genre Afrobeat ex­plodierte, waren Reggae und Hip-Hop die beliebtesten Musikstile hier, und zu dieser Zeit hat sich DJ Jimmy Jatt einen Namen ge­macht. Jetzt führt er den Spirit mit dieser Party fort. Dieses Foto zeigt DJ Nana. Das ist mir wichtig, weil die DJ-Szene in Nigeria ein ziemliches Macho-Ding ist; da gibt es kaum Frauen – von den Top-DJs sind nicht mehr als vier oder fünf weiblich. Ich wollte zeigen, dass Frauen jetzt diese Domäne erobern.“



Nightlife

DIE WÜRZE DES LEBENS

„Diese Buddha-Statue steht im Mittelpunkt des Spice Route Asian Restaurant and Bar auf Victoria Island, einem wohlhabenden ­Viertel von Lagos. Die Attraktion dieses Abends war allerdings nicht asiatische Kontemplation, sondern DJ Obi, einer der berühmteren seiner Profession in Nigeria, links oben im Bild. Obinna Levi Ajuonuma, wie der heute 36-Jährige mit bürgerlichem Namen heißt, hat in den USA studiert und wurde bei den Nigeria Entertainment Awards 2011 zum besten DJ der Welt gekürt.“

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Nightlife

EIN FAST ECHTES VERSACE-OUTFIT

„Dieses Foto illustriert den Traum vom ­sozialen Aufstieg. Das T-Shirt des Mannes schaut irgendwie nach Versace aus, aber man kann es auf den ersten Blick als Fake erkennen. Obwohl: Er trägt es mit Selbstbewusstsein. Einerseits lieben die Leute Versace, aber es ist zu teuer. Also bleibt ihnen nichts anderes übrig, als zu Kopien zu greifen. Andererseits verkünden Blick und Körpersprache, dass er das T-Shirt mit einem Stolz trägt, als wäre es echt.“


RAUCHZEICHEN AUS AMERIKA

„Zigarren sind auf den Straßen von Lagos nicht wirklich verbreitet, aber die Leute rauchen sie, weil sie nach dem streben, was sie im Fernsehen und bei Hip-Hop-Idolen sehen. Wenn Stars wie Jay-Z und andere Zigarren paffen, dann ­wollen es ihnen in Lagos alle nach­machen. Für mich erzählt dieses Bild deshalb nicht nur vom Konsum auf ­Partys, s­ ondern auch davon, wie sich die Leute sozial neu erfinden.“

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PARTY-FIEBER AUF DER INSEL

„Dieses Foto entstand auf Ilashe Island – einer Gegend, die berühmt ist für ihre Strandhäuser. Luxusmarken sponsern hier High-End-Partys, in diesem Fall ein Cognac-Fabrikant. Das Event hieß ‚All White Privilege Party‘. Der Dresscode lautete: ganz in Weiß. Es war mit Sicherheit keine Veranstaltung für arme Leute. Ich wollte die Tanzenden porträtieren und die Spannungen ­zwischen ihnen zeigen.“ 58


Nightlife


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THE RED BULLETIN


Nightlife

PARTYSANEN

„Diese beiden Frauen auf der ‚Jimmy’s Jump Off‘-Party waren Zwillinge, und es sah aus, als trügen sie eine Party-Uniform. Das gleiche Outfit, die High Heels – ihr Stil war einzigartig. Die Leute in Lagos lieben es, sich so zu kleiden, mit kräf­ tigen Farben und auf­ fälligen Accessoires, aber ich habe noch nie zwei von der völlig ­gleichen Sorte neben­ einander gesehen.“

HOCHZEITEN IM GELDREGEN

„Ich mache normalerweise keine Hochzeitsfotos, aber ich wollte diesen Bereich für mein Projekt er­forschen. Nigerianische Hochzeiten sind riesig und super überdrüber, und was wir auf dem Bild oben sehen, ist ein gutes Beispiel dafür. Es zeigt, wie die Gäste mit Musik und Tanz in Ekstase geraten. Sie tragen traditionelle nigerianische Kleidung, wie es bei Hochzeiten und in der Kirche üblich ist. Einige Unternehmen lassen so was an Freitagen auch im Büro zu. Freitag ist der Tag, um kulturelle Identitäten zu zeigen.“ „Bei Hochzeitsfesten in Nigeria ist es Brauch, große Mengen Papiergeld über die gesamte Tanzfläche zu verstreuen (Foto unten). Damit wollen die Menschen ihren Reichtum ausdrücken. Jeder, der zu einer Hochzeit eingeladen ist, kann das tun. Ärgerlicherweise versucht die Regierung gerade, das gesetzlich zu verbieten – sie behauptet, das würde die Währung entwerten. Dieses Foto zeigt einen kleinen Ausschnitt dessen, was auf Hochzeiten im ganzen Land geschieht. Manchmal ist die ganze Tanzfläche mit Geld bedeckt.“ THE RED BULLETIN

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ERLEBEN, WAS INSPIRIERT


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ACHTUNG, HEISS!

Die deutsche Globe­ trotterin Ulla Lohmann bittet zur Fotosafari auf die Vulkane Ätna und Stromboli.   71


GUIDE Reisen

„Im Bauch von Mutter Erde fühlst du dich winzig klein. Du weißt: Du bist am Ursprung von allem.“ Ulla Lohmann, Reise-Guide und Fotografin, erzählt hier über die Magie von Vulkanen.

V

ulkane haben mich schon immer fasziniert. Mit 18 Jahren habe ich in Deutschland beim Wettbewerb ­„Jugend forscht“ gewonnen. Das Preisgeld habe ich in eine Weltreise investiert. So stand ich eines Tages mit meinem Rucksack auf Vanuatu im Südpazifik und habe in einen Krater reingeguckt. Der Lavasee des Vul­ kans war zwar beeindruckend, aber ziem­ lich klein. Dennoch war ich gefesselt. Die Leidenschaft für Vulkane hatte mich ge­ packt und hat mich seither nicht wieder losgelassen. Jeder Vulkan hat seinen eigenen Cha­ rakter, finde ich. Nehmen wir den Ätna. Er erinnert mich an eine nervöse Frau – ­immer knapp am Ausbruch: Sie geht kurz in die Luft, und dann ist wieder alles okay, bis sie das nächste Mal überkocht. Gleich nebenan findet sich das exakte G ­ egenteil: Der Stromboli ist für mich wie ein älterer Herr, der verlässlich sein Ding macht und gemütlich vor sich hin spuckt. Dass sich diese beiden so unterschiedlichen Vul­kane in unmittelbarer Nähe voneinander be­ finden, macht eine Fotosafari nach Si­zilien und zum Stromboli so interessant.

Lavastrom am Stromboli: Das flüssige Gestein fließt über die Sciara del Fuoco („Feuerrutsche“) ins Meer.

Wo die Lava brodelt Ich fotografiere nun schon seit über zwei Jahrzehnten. Ich habe zwar Geografie studiert, meine Leidenschaft war aber stets die Fotografie, das Abenteuerleben. Ich sehe mich als Geschichtenerzählerin, und eines meiner Werkzeuge dafür ist die 72

Das Schiff verbindet die Inseln auf dieser Reise: Sizilien, Stromboli und Vulcano (im Bild) THE RED BULLETIN


Gran Cratere auf Vulcano (li.): Sizilien und die Liparischen Inseln sind von Vulkanen geprägt.

Anreise Mit Flugzeug, Zug oder Auto; vor Ort ist man auf Fähren und Schiffe an­­ gewie­sen. Sowohl Ätna als auch Stromboli liegen im äußersten Süden Italiens. Stromboli ist eine kleine Insel, die Sizilien vor­ gelagert ist. Über Catania und den Hafen von Mi­laz­ zo ­erreicht man sie per Fähre. Auf den Gipfel des Vulkans führen mehrere Wege. Ulla Lohmann ­empfiehlt die malerische Ginostra-Route.

ULLA LOHMANN (2), ADOBE STOCK (2) WERNER JESSNER

Der Ätna ist vergleichsweise einfach zu be­­ steigen, ist der untere Teil doch per Seilbahn erschlossen: Die Funivia

Kamera. Ich bin immer unterwegs. Um mir meine Reisen finanzieren zu können, habe ich einst auf einem Schiff als Köchin angeheuert. Auf diese Art habe ich die Welt bereist, und das mache ich bis ­heute. Gemeinsam mit meinem Mann halte ich übrigens auch den Weltrekord für das tiefste Abseilen in einen aktiven Vulkan: 600 Meter! Das war ein sehr intensiver Moment in meinem Leben. Man fühlt sich tatsächlich wie im Inneren der Erde. Das ist im ersten Moment gar nicht so schön, aber irrsinnig intensiv. Es gibt so viele Sinnes­eindrücke: Die Erde bebt; die Gase stechen in der Nase; der Lavasee brodelt und ist wahnsinnig laut. Ganz oben siehst du ein winziges Loch – das ist der blaue Himmel, und er ist so weit weg. Hier u ­ nten, im Bauch von Mutter Erde, fühlst du dich THE RED BULLETIN

Italien

Rom

dell’Etna bringt Passa­ giere bis auf 2504 Meter Höhe. Der Gipfel selbst liegt auf 3357 Metern. Ganz Be­queme lassen sich mit Allradbussen bis auf rund 3000 Meter chauffieren. Mit Ulla Lohmann auf Ätna und Stromboli: destination.redbull.com

Stromboli Vulcano Ätna SIZILIEN

Catania

Gut zu wissen

Ausbruch am Ätna: Der Vulkan hat die Seele einer nervösen Frau, sagt Ulla Lohmann.

Der Ätna ist mit 3357 Metern der höchste aktive Vulkan Europas, er hat vier Gipfel- und rund vier­ hundert Nebenkrater. Seit Jahr­ tausenden aktiv, hat er etwa die an seinem Fuß ge­legene Stadt Catania im Lauf der Geschichte mehrfach zerstört. Sein Ausbruch im Jahr 44 v. Chr. soll so gewaltig gewesen sein, dass die Aschewolke den Himmel über Rom verdunkelt hat und Missernten bis Ägypten und China darauf zurück­geführt werden. Der bislang letzte Ausbruch er­ eig­nete sich im Oktober 2021, wobei Asche­wolken bis auf 9000 Meter ­geschleudert wurden.

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GUIDE Reisen

Die Vulkan-Packliste Wer sich bei meiner Destination Red BullReise mit mir zu Ätna und Stromboli auf­ macht, sollte ein paar Dinge beherzigen. Vulkane sind Berge, die sich ihr eigenes Klima schaffen. Ihre aufsteigenden Gase begünstigen Wolkenbildung, daher ist es rund um den Gipfel gern nass. Ein guter Regenschutz sowie ein wetterfester Rucksack für Kamera und Objektive sind also zu empfehlen! Apropos: Für VulkanFotografie sind Zoom-Linsen Pflicht, denn

„Je mehr man über einen Vulkan weiß, desto besser kann man seine Seele abbilden.“

man kommt sehr oft nicht so nahe heran, wie man gern möchte. Ich verwende ein Standard-Zoom mit 24 bis 105 Millimeter Brennweite. Zusätzlich habe ich noch ein 100–500-Millimeter-Teleobjektiv dabei, das ­allerdings verdammt schwer ist. Am Berg ist Gewicht immer ein Thema. Daher finde ich auch, dass kein besonders tolles Stativ nötig ist (aber ein Stativ braucht man; damit entstehen ganz andere Auf­ nahmen als aus der freien Hand). Bilder sollen neugierig machen, mehr zu erfahren. Dazu muss der Fotograf wis­ sen, was er fotografiert. Daher erkläre ich meinen Gästen, was ich für wichtig halte: Was ist der Unterschied zwischen Magma und Lava? Wann sind die Lavaströme ent­ standen? Welche Gase sind in welchem Vulkan? Je mehr man weiß, desto besser kann man die Seele des Vulkans abbilden.

AUSGABE 4 SAISON 2022/23

Fotografin Ulla Lohmann, 44, gibt ihr Wissen gern an ihre Reisegäste weiter.

DANIEL BÆKKEGÅRD Mit Dänemarks Ironman ins Gute-LauneTriathlon-Camp auf Fuerteventura

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18.10.2021 15:31:35

THE RED BULLETIN

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winzig klein. Du weißt, du bist am Ur­ sprung von allem. Alles Leben auf un­ serem Planeten ist durch die Vulkane ­entstanden. In diesem Moment da unten habe ich Dankbarkeit empfunden. Man muss einem Vulkan aber gar nicht so nahe kommen, um seine Magie zu spüren. Dieser Schwefelduft in der ­Nase, diese explosionsartige Energie! ­Dabei bin ich kein Adrenalinjunkie, im ­Gegenteil. Meine Expeditionen sind sorg­ fältig geplant. Sie sind kalkuliertes Risiko. Vulkane besteige ich nur, wenn es sicher ist. Daher arbeite ich in der Vorbereitung viel mit Wissenschaftlern und Observa­ torien zusammen. Ich habe auch noch Umweltmanagement studiert, mein Mann ist Geologe. Wir wissen, was wir tun.

WERNER JESSNER

In Catania, der Stadt am Fuße des Ätna (im Hintergrund), nimmt die spannende Reise zu den Vulkanen Süditaliens ihren Anfang.


© FOTO: SCHÖFFEL

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GUIDE Gaming

„12 MINUTES“

Spiel dich schlau Bei diesem Thriller-Game durchlebst du zwölf Minuten immer wieder. Und lernst jedes Mal dazu. Bis du ein Rätsel um einen Mord lösen kannst. Was, wenn wir neu anfangen und Dinge anders machen könnten? Wir kennen das aus Zeitschleifenfilmen wie „Und täglich grüßt das Murmeltier“: Der Protagonist durchlebt ein und denselben Tag immer wieder. ­Videospiele funktionieren oft nach dem gleichen Prinzip: Wer ein Leben verliert, versucht es noch einmal und lernt aus seinen Fehlern. Der portugiesische ­Künstler Luis António sah ­darin ­Entwicklungspotenzial, doch zuerst musste er seinem ­privaten Teufelskreis ent­ kommen. Er arbeitete für den Gaming-Riesen Rockstar Games, fühlte sich dort aber nicht ausreichend gefordert. 2016 wies ihm ein Auftrag als 76

Artdirector beim unabhängigen Rätselabenteuer „The Witness“ den Weg: Er würde lernen, wie man Spiele ent­ wickelt, und Visionen Wirklichkeit werden lassen. Eine davon hat nun das Licht der Welt

„Mein Game ist eine Studie über das Leben im Jetzt.“ Luis António, Spielentwickler

erblickt, sie heißt „12 Minutes“ und ist ein Zeitschleifenkrimi in Form eines Videospiels. Inspiriert von Stanley ­Kubricks „Shining“ und Alfred Hitchcocks „Das Fenster zum Hof“, schuf Kinofan António ­einen packenden Thriller. Der Spieler ist ein Ehemann, der zu Hause mit seiner Frau zu Abend isst. Ein Polizist taucht auf und beschuldigt die Gattin des Mordes. Während man versucht, dem Rätsel auf die Spur zu kommen, beginnt die Szene alle zwölf Minuten von vorne – mit einer kleinen Besonderheit: Die Hauptfigur wird aus ihren Fehlern jedes Mal ein Stückchen klüger. „Ich habe mich mit dem Konzept akkumulierten Wissens aus­

Wie tickt der Mensch?

António entwickelte zahlreiche Varianten menschlicher Re­ aktionen. Dabei musste er verschiedene Verhaltensmuster studieren, von der Theorie der „gewaltfreien Kommunikation“ bis hin zum Umgang mit seinem Kind. „Wir bewerten ständig unsere Erlebnisse und machen uns Sorgen um die Zukunft“, so Luis António. „Deshalb geht es in vielen Zeitschleifenfilmen darum, ­irgendwann die Gegenwart zu akzeptieren. Mein Spiel ist ­eine Studie darüber, wie man im Hier und Jetzt leben kann.“ „12 Minutes“ ist für Windows, Xbox One und Xbox Series X/S verfügbar. twelveminutesgame.com THE RED BULLETIN

TOM GUISE

Szenenbild aus dem Game „12 Minutes“: der Held in seinem Badezimmer

einandergesetzt und es zu einem wesentlichen Element im Spielverlauf gemacht“, erklärt António. Als Sprecher konnte er die Hollywoodstars James Mc­Avoy, Daisy Ridley und ­Willem Dafoe gewinnen. Für all diese Entscheidungen erntete António Jubel von der Kritik. Und ganz nebenbei erfuhr er Faszinierendes über das mensch­liche Verhalten. „12 Minutes“ ist zwar stark dialogbasiert, dennoch stellte António fest, dass sich der Lernprozess nicht wesentlich von handlungsbasierten Spielen unterscheidet – oder auch vom Leben. „Wenn man in ­einem ‚Jump ’n’ Run‘-Spiel ­einen Sprung verpasst hat, denkt man: Okay, ich hätte wohl früher springen sollen. Das gilt für alles. Ich habe ­Interaktionen geschaffen, bei denen man mehr tun kann, als Leute abzuschießen. Wie wir Informationen aufnehmen und d ­ anach handeln, das ist ein laufender Prozess.“


GUIDE Playlist CARLOS SANTANA

„Hendrix ist der Einstein der Gitarre“ Vier Songs mit den besten Gitarren­soli der Rockgeschichte – ausgewählt von einem, der es wissen muss.

JAY BLAKESBERG

MARCEL ANDERS

Im August 1969 hatte ein junger Gitarrist aus Jalisco in Mexiko seinen großen Durch­bruch – in Woodstock, wo sonst? Mit ihrem kurz vor der Veröffentlichung stehenden Debütalbum hatte sich Carlos Santanas Band einen Platz im Line-up gesichert, doch als ihr Auftritt kurzfristig vorgezogen wurde, musste der 22-Jährige mitten im Meskalinrausch auf die Bühne. Was folgte, war einer der legendärsten Woodstock-Momente: Santanas Finger galoppierten über die Saiten, er schnitt Grimassen, schwitzte. Es sah aus, als wolle er seine Gitarre irgendwie zähmen. Später erinnerte er sich daran, das Instrument für eine „elektrische Schlange“ gehalten zu haben, „die einfach nicht ­stillhalten wollte“. Vom bahnbrechenden Album „Abraxas“ 1970 bis hin zur Neuerscheinung „Blessings and Miracles“ hat Santana sich als einer der weltbesten Rockgitarristen etabliert. Uns verrät der heute 74-Jährige seine liebsten Gitarrensolo-Songs.

Carlos Santana, 74, weiß noch immer, wie man einer Gitarre himmlische Töne entlockt. santana.com

JIMI HENDRIX

CREAM

BUDDY GUY

METALLICA

PURPLE HAZE (1967)

WHITE ROOM (1968)

„Hendrix ist einer der größten Gitarristen, die es je gab, und das ist sein Klassiker schlechthin. Es gibt natürlich auch ‚Foxy Lady‘ und seine Ver­sion von Bob Dylans ‚All Along the Watchtower‘, aber bei ‚Purple Haze‘ kommt sein Talent am deutlichsten zur ­Geltung. Im Ernst: Man muss schon ein Einstein der Musikalität sein, um so spielen zu können. Es ist unglaublich: reines Gefühl, reine Magie.“

„Eric Clapton als Sologitarrist ist unfassbar, und hier hat er einen seiner besten Momente. Mit ihm und dem US-Bluesgitarristen Derek Trucks ­plane ich ein Album mit dem Titel ‚Eric, Derek and the Mexican‘ – ­unsere kosmische Version des Soundtracks zum Film ‚Zwei glorreiche ­Halunken‘. Bei dieser Musik geht es um die Entdeckung des Unbekannten und Unvorhersehbaren.“

DAMN RIGHT, I’VE GOT THE BLUES (1991)

NOTHING ELSE MATTERS (1991)

„Eric Clapton, Jimmy Page, Jeff Beck – alle super, aber der Kerl, von dem meine britischen Kollegen und ich am meisten gelernt haben, ist Buddy Guy, der legendäre Bluesgitarrist aus Chicago. Ohne Buddy Guy gäbe es keinen Jimi Hendrix – so einfach ist das. Er hat den Turbo-Blues erfunden, das hört man auch klar aus diesem Song heraus. Niemand spielt wie er.“

„Als ich in San Francisco gelebt habe, waren die Typen von Metallica meine Nachbarn, wir sind einander oft über den Weg gelaufen. An diesem Song liebe ich besonders die Gitarre von James Hetfield: so melodisch, leidenschaftlich und kraftvoll! Ich wollte ­immer schon ein Heavy-Metal-Album machen. Das Zeug hat einfach eine wahnsinnig geile Energie.“

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GUIDE Tipps & Trends „Wasser ist vermutlich das Element, dem ich mich am nächsten fühle. Für mich bedeutet Wasser Leben und Regeneration, aber auch Ruhe und Gelassenheit. Der Zugang zu sauberem Wasser ist z­ weifellos eine der größten Herausforderungen unseres 21. Jahrhunderts.“ Mit Unterstützung des Stardesigners Giorgio Armani („Acqua for Life“) werden seit Jahren 390.000 Menschen in 20 Ländern mit sauberem Trinkwasser versorgt. Mithelfen: armani-beauty.at

LA, LE, LU LONGINES PRIMALUNA Angesichts ihres überragenden Fahrstils überrascht es uns nicht, dass US-Skikanone Mikaela Shiffrin seit mehr als ­sieben Jahren für die Uhrenmarke Longines als Botschafterin der Eleganz – zeitloser Eleganz, möchte man gerne hinzu­ fügen – auftritt. Hier sehen wir sie mit dem Automatik-Modell PrimaLuna mit Mondphasenanzeige.  longines.com

KLIMAWANDEL CEP SKI THERMO SOCKS Wenn uns ein Pistentag kalt-warm gibt, ist es gut, gerüstet zu sein. Diese Socken wirken wie ein Thermostat. Da Merinowolle und Plüsch für Klima­ wandel an den Füßen sorgen, kühlen sie, wenn’s zu heiß wird, und wärmen, wenn man friert.  cepsports.com

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PERFEKT Das blaue Lederband (gibt es auch in Rot) macht den Look perfekt.

FLÜGELFLITZER MOTO GUZZI V100 MANDELLO Jaja, wir wissen’s eh: Noch ist Winter, aber sollen wir deshalb die Vorfreude unterdrücken? Eben, darum hier ein frühlings­ frisches Bike mit einer echten Weltneuheit: An den Seiten des ­17,5-Liter-Tanks sind kleine Flügel montiert – offiziell heißen sie Deflektoren –, die für eine verbesserte Aerodynamik sorgen. Große Kurvenfreude!  motoguzzi.com

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KEIN QUAKSCH! HEAD FROST JACKET Wer gerne ein bisschen herumlehnt, um die Wintersonne zu genießen, wird in dieser knallroten Jacke gerne noch ein bisschen länger herum­ lehnen. Weil dieses „Frost Jacket“ nicht nur gut aussieht, sondern dank der Füllung mit reinweißen Enten­ daunen auch wunderbar wärmt – und das ist kein Quaksch. head.com

PUNKTGENAU MAX BILL KÜCHENUHR

UNÜBERSEHBAR Leuchtendes Rot – wirkt auf der Piste, gefällt aber auch in der City.

Der große Schweizer Architekt, Künstler, Hochschullehrer und ­Politiker Max Bill (1908–1994) hat uns viele wunderschöne Dinge hinterlassen, die von zeitloser Eleganz sind. Wie diese Küchenuhr, die Bill 1956 vorstellte und mit der man heute ­wieder mit Geschmack und auf den Punkt kochen kann.  junghans.de

Richtig gutes Zeug Ein Bike mit Flügeln, ein Design-Klassiker für die Küche, perfekte Skisocken – die Empfehlungen der Redaktion.

BEST BUDDY BLACK DIAMOND STONEHAULER DUFFEL BAG Der Abenteurer, der sich mit Bedacht auf Expeditionen ­begibt, packt t­ üchtig ein, wenn es um ­Kletter- oder Skiaus­rüstung geht. ­Dieser Rucksack (90 Liter Fassungs­ ver­mö­gen) wird dabei zum Best Buddy. Gut zu wissen: Die Trage­ griffe lassen sich flott in einen bequemen Lastengurt verwandeln. blackdiamondequipment.com

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GUIDE Video

WELTPREMIERE

Schöner fliegen Spektakulärer Stunt: Im Video „Bang on Time“ treffen einander erstmals Skydiver und Freeskier in der Luft – für einen atemberaubenden Augenblick. Was haben Skydiver und Freeskier gemeinsam? Das Wesentliche ihres Sports spielt sich in der Luft ab. Mit den ­einen geht’s rasend schnell bergab, für die anderen meis­ tens hoch hinaus. Da ­würde es sich doch anbieten, sich einmal in der Mitte zu ­treffen. ­Diesen kühnen Gedanken ­haben Marco Waltenspiel, 37, und Marco Fürst, 30, jetzt Wirklichkeit werden lassen. Die beiden fliegen zusammen im Red Bull Skydive Team und 80

waren schon bei einigen außer­ gewöhnlichen Stunts dabei. Das Schöne an ihrer Idee mit den Freeskiern: So etwas Ver­ rücktes hat wirklich noch nie jemand zuvor probiert.

Der 250-km/h-Stunt Während also einige der besten Skiakrobaten der Welt hoch in der Luft ihr Können zeigen, ­rasen die beiden Wingsuit-­ Piloten Marco und Marco mit 250 km/h an ihnen vorbei. Klingt irrwitzig, ist aber vor THE RED BULLETIN


Schritt für Schritt zum Take-off Skydiver Marco Waltenspiel über die Entstehung von „Bang on Time“ the red bulletin: Wie seid ihr auf die Idee zu „Bang on Time“ gekommen? marco waltenspiel: Wir waren 2020 mit ­einem Freeskier unterwegs, dabei ist uns ­aufgefallen, was für eine coole Kombination Freeski und Wingsuits sind – gerade wegen ihrer Unterschiedlichkeit.

Immer abflugbereit: Das Freeski-Team von Atomic (oben) ist mit dem Skydiver-Duo Marco Fürst (unten links) und Marco Waltenspiel in die Luft gegangen.

Überdrüber in Obergurgl: der Moment, in dem die Skydiver Fürst (links) und ­Waltenspiel mit den Free­skiern auf einem Bild zu sehen sind

allem eine Frage des r­ ichtigen Zeitmanagements. Was es für so einen Stunt braucht, ist ­perfektes Timing. Erst wenn sich die beiden Marcos der ­Piste n ­ ähern – aber doch noch ein Stück entfernt –, dürfen die Freeskier einer nach dem an­ deren starten. Das geht einmal schief, dann ein zweites Mal, auch beim dritten Anlauf ge­ lingt das Kunststück nicht.

Einen Schlecht­ wettertag nutzten die Athleten, um am Kicker, also der Schanze, mitzubauen.

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MICHAEL GRÖSSINGER, LUKASZ NAZDRACZEW/RED BULL CONTENT POOL, WOLFGANG LIENBACHER SANDRA LUTTENBERGER

Eine Sekunde Glück Erst beim zehnten Versuch ist es so weit: Die Skifahrer und die zwei Überflieger sind nun exakt dort, wo sie sein sollen – und das auf die Hundertstel­ sekunde genau –, wie der Titel „Bang on Time“ verspricht. Es sind Bilder für die ­Ewigkeit, auch wenn der Film nur eine Momentaufnahme zeigt. Geht es nach den Vätern des Ge­ dankens, wird es aber nicht bei einem einmaligen Ereignis ­bleiben. Waltenspiel und Fürst wollen die spektakuläre Aktion unbedingt irgendwann wieder­ holen. Der richtige Zeitpunkt dafür wird kommen – und jetzt haben sie ja schon Übung.

Haben das andere auch so gesehen? Die Idee ist nicht überall so gut angekommen. (Lacht.) Es hat auch Sponsoren gegeben, die gezweifelt haben. Das ist auch der Grund, war­um Marco und ich „Bang on Time“ selbst ­produziert haben. Es war übrigens ­unsere erste eigene Produktion. Warum wart ihr euch so sicher, dass der Stunt klappt? Wir wussten, wir ­haben in Obergurgl vier Tage Zeit, weil das Wetter hält. Marco und ich sind schon so oft mit­ Marco Waltenspiel, einander geflogen – 37, Red Bull wir kennen uns. Und Skydive Team die Freeskier sind einfach solche Pro­ fis, die kriegen das auch hin. Die einzige Schwierigkeit – das war uns von Anfang an klar – wird das Timing.

„Wir wussten, es klappt. Nur das Timing war schwierig.“

So war es dann ja auch. Ja. Nach den ersten Versuchen haben wir probiert, den zeitlichen Ablauf mithilfe von Videos zu unterstützen. Der Erfolg gibt euch recht. Was sagen die Skeptiker denn jetzt zum Ergebnis? (Lacht.) Das Feedback war bisher ganz gut. Die Meinung von anderen ist aber eh zweit­ rangig, wenn man die Sache selbst geil ­findet – und das tun wir immer noch.

Die Weltpremiere auf Video: Alle, die „Bang on Time“ sehen wollen, scannen einfach den QR-Code.

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GUIDE Kalender

Voller Körper­ einsatz: der Süd­ tiroler D ­ ominik Paris 2021 auf der Streif

62 Minuten Action, Aufregung und Annäherung. Im Filmporträt „The Spark With­in“ verfolgen wir staunend, wie Anna Gasser, 30, sich vom Snowboard-Spätstarter zum inter­nationalen ­Superstar entwickelt. redbull.com/annagasser

17 bis 23. Jänner NEUE REKORDE BEIM HAHNENKAMMRENNEN Es ist die spektakulärste Woche der gesamten Ski-Rennsaison – das Hahnenkammrennen in Kitzbühel ist in jeder Hinsicht das Maß aller Dinge. Erstmals gibt es bei der heurigen, 82. Austragung ein weltweit einzigartiges Rekord-Preisgeld von einer Million Euro (jeweils 100.000 Euro bekommen die Tagessieger, Preisgeld gibt es bis Platz 45 – auch eine Premiere). „Damit verneigen wir uns vor den Leistungen der Athleten“, heißt es aus Kitzbühel. Alle Renn-Infos: hahnenkamm.com

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bis 13. Februar HEISSE KÄMPFE DER PRO-GAMER

Red Bull pLANet one ist zurück! Im Vorjahr war’s ein Online-Event, dieses Jahr glühen die LAN-Kabel wieder „o≠line“. 400 Gamerinnen & Gamer werden bei dem eSports-Turnier in der Wiener Marx-Halle um ein Preisgeld von 10.000 Euro rittern. Gespielt werden „League of Legends“, „Counter-Strike: Global ­Offensive“ und „Rocket League“. Infos und Tickets: redbull.com/planetone 82

Bereits ­angelaufen SPURENSUCHE

In diesem Jahr können die Teilnehmer die Gamer Eni, Becci & Veni (v. li.) wieder o≠line treffen.

In „Passage“ begibt sich die kanadische Free­ skierin Tatum Monod, 30, auf die Spuren ihrer Familie. Diese führen sie von den Alpen in den 1900er-Jahren bis hin zu den Rockies. Und wir sehen, wie sie sich ihren Platz im Rampenlicht des Freeskiings erkämpfen musste. redbull.com THE RED BULLETIN

ERICH SPIESS/ASP/RED BULL CONTENT POOL, MATTHIAS HESCHL/RED BULL CONTENT POOL, MASON MASHON/RED BULL CONTENT POOL

Bereits ­angelaufen MIT ANNA INS ABENTEUER


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e-XTREM LÄSSIG

Am Boden bekommt man die Red Bull Skydive-Athleten  Marco Fürst  und  Marco Waltenspiel  nur selten zu Gesicht. Doch für einen Testtag mit dem neuen vollelektrischen Opel Mokka-e machten die beiden Adrenalinjunkies eine Ausnahme. Ihr Fazit: Nur Fliegen ist schöner.

MICHAEL GROESSINGER

K

lar, selbstbewusst und mutig – schon bei der Autoüber­ gabe beeindruckte der neue Opel Mokka-e die beiden Extrem­ sportler mit seinem Design. ­Neben dem unverwechselbaren Opel ­Vizor, dem neuen Marken­ gesicht von Opel, begeisterte sie vor allem das neue volldigitale Cockpit, das Opel Pure Panel – bis mit dem Druck auf den Start­ knopf schlussendlich alle Freuden­ dämme brachen: Ansatzlos und ohne Verzögerung beschleunigte der flüsterleise Elektro­antrieb. Das Resultat: überragender Fahr­ spaß. Und immer wieder ein ­Kribbeln in der Magengegend.

MEHR SICHERHEIT Dank IntelliLux LED® Matrix-Licht, 180-Grad-Panorama-Rückfahrkamera, Parkpilot samt automatischem Parkassistenten, Verkehrsschild- und Spurhalte-­ Assistent u. v. m. fühlen sich die beiden Marcos hinter dem Steuer des neuen Mokka bestens aufgehoben.

MEHR KOMFORT Komfort-Fahrersitz mit Massage­funktion, 12-ZollFahrerinfo­display, „Pure Panel“, Sitz- und Lenkrad­ heizung sind nur einige der Annehmlichkeiten an Bord. Und dank Apple CarPlay™3 oder Android Auto™3 ist auch für Unterhaltung während der Fahrt gesorgt.

MEHR EFFIZIENZ Ob mit hoch effizienten Verbrennungsmotoren oder voll­elektrischem Antrieb mit 100 kW (136 PS) und ­dynamischen 260 Nm Drehmoment – der neue Mokka ist perfekt abgestimmt für alle Herausforderungen, im engen Stadtverkehr oder auf längeren Reisen.

Für alle, die mehr wollen – entdecke den neuen Mokka-e auf opel.at


Wo Elektronen wohnen Jetzt ist es so weit: Nahezu alle Hersteller haben E-Autos im Programm – allesamt alltagstauglich, vif und hübsch. Hier sind die besten Modelle samt Antworten auf fünf drängende Fragen zur E-Mobilität. Text WERNER JESSNER

MANIEREN UNTERM ARBEITSGEWAND JEEP WRANGLER 4XE PLUG-IN-HYBRID Der Wrangler gehört zu den absoluten ­Geländespezialisten – was man ihm auch ansieht. Was man nicht sieht: die moderne Technik. Benzin- und E-Antrieb stemmen ­zusammen 380 PS. Rein elektrisch schafft der Wrangler 40 Kilometer – bei einer Spitze von 130 km/h im E-Modus. Besonders geschmackvoll geraten ist das Sondermodell „80th Anniversary“.

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Bayerisches Schweizermesser BMW 2er Active Tourer Plug-in-Hybrid

Tolle Verwandlungsfähigkeit im Innenraum, auf Wunsch mit Allrad und jetzt auch als Plug-in-Hybrid: Der Zweier schafft dann rein elektrisch bis zu 80 Kilometer und ist in seiner Top-Version 326 PS stark. Der 19 PS starke E-Motor fungiert als Mild-Hybrid und sorgt beim Beschleunigen für den Extra-Punch. Mit sDrive Zone erkennt das Auto selbständig Umweltzonen und schaltet auf reinen E-Antrieb um. 84

Wie sieht es mit der Reichweite aus? In der Praxis erreicht man die Prospektwerte – je nach Fahrweise – meist nicht ganz, Wien–Salzburg geht aber so gut wie immer ohne Pro­bleme, auch im Winter. THE RED BULLETIN


GUIDE E-Mobilität

Born electric Cupra Born

Erstes rein elektrisch konzipiertes Modell der Seat-Tochter und gleich ein Volltreffer: Optisch wegen der Kupfer-Akzente ohnehin unverwechselbar, überzeugen auch die inneren Werte. Bei bis zu 548 Kilo­meter Reichweite kommt man locker ohne nachzuladen von Wien nach Innsbruck – und hat dort noch genügend Saft, um mit der Top-View-Kamera punktgenau einzuparken. THE RED BULLETIN

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Wie umweltfreundlich sind E-Autos? Das hängt zum über­ wiegenden Teil davon ab, wie der Strom zum Fahren produziert wurde. Viele Hersteller achten auch in der ­Produktion auf Nachhaltigkeit.

Digital native Kia EV6

„Transformation ist ­einfach notwendig“ Ein Blick in die Zukunft mit Markus Tatzer, 38, Geschäfts­ führer von Moon Power, des Kompetenz- und Erlebniszentrums für E-Mobilität in Salzburg.

Kaum ein Unternehmen hat sich in den letzten Jahren so dramatisch neu ­erfunden wie Kia – und damit diese Botschaft auch wirklich ankommt, hat man gleich auch das Logo gewechselt. So erkennt jeder: Der vollelektrische Crossover EV6 ist die Zukunft. Mit bis zu 528 Kilometer Reichweite, sieben Jahren ­Garantie und deklariert europäischem Design hat er das Zeug zum Bestseller.

the red bulletin : Wann werden E ­ -Autos Verbrenner bei den Neuzulassungen ­überholen? markus tatzer : In Norwegen ist das bereits passiert, in Österreich könnte es 2025 so weit sein. Von Jänner bis Oktober gab es über 26.000 E-Neuzulassungen. Das ist mehr als eine Verdoppelung im Vergleich zum gesamten Jahr 2020.

Wann wird sich ein Markt für ­gebrauchte E-Autos entwickeln? Bei einer durchschnittlichen Nutzungs­ dauer durch die Erstbesitzer von drei bis vier Jahren ist davon auszugehen, dass sich der ­Gebrauchtmarkt ab 2024 sehr ­positiv ­entwickeln wird. Wie werden wir in zwanzig Jahren auf die ­Mobilität von heute zurückblicken? Man wird erkennen, dass diese Transfor­ mation einfach notwendig war. Wir müssen die Grundlagen der Mobilität neu denken. Die Veränderung des Antriebs ist dabei nur ein Teil der Lösung. Nachhaltige Mobilität braucht auch CO²-neutral erzeugten Strom. 86

Milde Sorte

Suzuki SX4 S-Cross Mehr Technik für weniger Verbrauch: Suzuki kombiniert einen 1,4-Liter-­ Benzinmotor mit einem 48-Volt-Mild-Hybrid. Dabei unterstützt ein inte­grierter Startgenerator den Verbrenner, wann immer Leistung gefragt ist. Das Auto hat also quasi permanenten Rückenwind. Dazu kommt eine sogenannte Segel-­ Funktion, bei der der kleine SUV frei rollt – und damit ebenfalls Sprit spart. THE RED BULLETIN


GUIDE E-Mobilität

RAUMFAHRT HONDA HR-V Ein Benziner, der den Strom für zwei E-Mo­ toren liefert: Das ist die Idee hinter Hondas e:HEV-Technologie. Der Vorteil: Der Motor läuft immer im idealen Drehzahlbereich und ist daher maximal e∞zient. Zum Vortrieb wird der Benziner nur dann verwendet, wenn volle Leistung gefragt ist. Auch nicht unwesentlich: größter Innenraum seiner Klasse!

Komplett elektrisch gedacht VW ID.4

SUV ohne Protz: Platz im Innenraum, Übersichtlichkeit, Variabilität. Gerade klug gemachte und von Anfang an elektrisch gedachte SUVs wie der VW ID.4 bringen Alltagstauglichkeit, Konnektivität und kluge Details mit. Unterschied­ liche Batterie-Pakete reichen für bis zu 517 Kilometer, und eine Wärme­pumpe macht den ID.4 auch im Winter gemütlich warm.

KLARE KANTE OPEL GRANDLAND X HYBRID Opel macht im Design gerade einen großen Sprung: hin zu Klarheit und einem sympa­ thischen Gesicht. Beim neuen Grandland X ­Hybrid, der rund 50 Kilometer rein elektrisch schafft, überzeugen auch die inneren Werte: LED-Pixel-Licht und Night Vision dienen der Sicherheit und setzen in der Klasse Maß­ stäbe. Für Konnektivität gibt’s die Opel-App.

MOON POWER GMBH

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Wie sieht es mit dem ­Wiederverkauf aus? Noch ist der Gebrauchtmarkt quasi inexistent. Das wird sich aber bald ändern. ­Vorsichtige leasen ihr ­E-Auto – oder schließen ein Abo ab. THE RED BULLETIN

Reichweitensieger Mercedes EQS

742 Kilometer schafft die erste Elektrolimousine von Mercedes – das ist weiter als die Strecke Wien–Berlin. Mit 523 PS ist auch für ordentlich Leistung gesorgt. Besonders spektakulär: der Innenraum mit dem gigantischen Screen, Head-up-Display und integrierter Augmented Reality. Dabei werden virtuelle Hinweise direkt ins Blickfeld des Fahrers projiziert.   87


GUIDE E-Mobilität

C WIE COUPÉ VOLVO C40 RECHARGE Okay, so ganz stimmt das nicht, der voll­ elektrische Volvo C40 hat fünf Türen statt drei, aber bei Crossovers nimmt man’s nicht mehr so genau. Was unter der schmucken Verpackung steckt? 441 Kilometer Reich­ weite, 408 PS, Allrad und Automatikgetriebe. Konzernpolitik bei Volvo: die auf 180 km/h beschränkte Höchstgeschwindigkeit.

Elektrischer Reiter Mustang Mach-E

Großer Name, große Reichweite: 610 Kilometer weit kommt der vollelektrische Mustang, der die sportlichen Gene seines berühmten Namensvetters zumin­dest teilweise geerbt hat: Aus dem Stand sprintet er in 4,4 Sekunden auf 100 km/h. Da haben andere ebenso das Nachsehen wie beim Blitz­ laden: Schon nach zehn Minuten kommt man wieder 119 Kilometer weit.

CHEFDYNAMIKER ŠKODA ENYAQ COUPÉ IV Der Škoda Enyaq war der Erste in der VW-­ Familie, der auf dem modularen ElektroBaukasten MEB beruht. Nun schieben die Tschechen ein Coupé nach: Dynamische Dachlinie, dennoch 570 Liter Kofferraum, Heck- oder Allradantrieb und ein cW -Wert von 0,247 lassen Vorfreude auf das wind­ schlüpfige Enyaq Coupé aufkommen.

Der große Strom Audi e-tron

Ein ausgewachsenes SUV, konsequent elektrisch gedacht: 408 PS und 441 km Reichweite dank Hochvoltbatterie und intelligentem Rekuperationssystem sind die harten Fakten. Kleine, feine und große Details: Virtuelle Außenspiegel, große Touchscreens einerseits, fast 1,8 Kubikmeter Laderaum und Felgen bis 21 Zoll andererseits. 88

Was spricht für ­Plug-in-Hybride? Wer einen täglichen Weg von (meist) nur 50 Kilo­ metern ­zurücklegt, kann das rein elektrisch machen – bei u ­ neingeschränkter Langstreckentauglichkeit dank Verbrenner. THE RED BULLETIN

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Wie teuer sind E-Autos im Vergleich? Grundregel: In der ­Anschaffung teurer als Verbrenner, im Unterhalt günstiger. Je länger die Nutzungsdauer, desto mehr kippt die Rechnung Richtung E-Auto.

Halber Elektriker Toyota Yaris Cross

Ein kompakter Allrad-SUV, der dank Mild-Hybrid die Hälfte der Zeit rein elektrisch fährt: Dafür kombiniert Toyota einen 1,5-Liter-Benzinmotor mit einem Drehstrom-Synchronmotor und stufenlosem Getriebe. Das ergibt eine Systemleistung von 116 PS und kommt wahlweise als Allrad oder Frontantrieb. Sinnvolles Extra: 360-Grad-Panorama-View für komfortables Einparken.

„Die Entwicklung ist rasant“ Dr. Cristian Pesau, 48, Geschäfts­ führer des Verbandes österrei­ chischer Automobilimporteure, ­über den E-Auto-Boom. the red bulletin: Was bringt die Zukunft? christian pesau: Elektrifizierung, Ver­

netzung und automatisiertes Fahren sind die Schlagwörter. Wichtig ist technologie­ offene Forschung & Entwicklung, um Inno­ vationen sicherzustellen und den Standort zu stärken. Wann genau E-Fahrzeuge den Verbrenner überholen, kann man nicht ge­ nau sagen, aber die Entwicklung ist rasant.

Der Einfachheit halber

Mitsubishi Eclipse Cross Plug-in-Hybrid Wie man sich an E-Mobilität gewöhnt? Indem man merkt: Nichts ist viel anders als gewohnt. Der Mitsubishi Eclipse Cross lässt sich an jeder normalen Steck­­dose aufladen. Nach vier Stunden Ladezeit kommt man so 45 Kilometer weit – rein elektrisch. Für die restlichen 600 Kilometer ist der 2,4-Liter-Benziner zuständig. Dank der beiden E-Motoren an der Hinterachse ist der Eclipse ein echter Allradler. THE RED BULLETIN

Ladestationen statt Tankstellen: Wie wird sich die Infrastruktur ändern? Wir sehen eine starke Nachfrage von Fir­ men, Elektrofahrzeuge anzuschaffen, auch wegen der Förderungen und steuerlichen Vorteile. Bei Privatpersonen ist noch Luft nach oben. Da merkt man, dass für viele das Infrastrukturthema noch nicht gelöst ist – vor allem in Ballungsräumen. Was bedeutet Elektro für Mechaniker? Werkstätten, die E-Fahrzeuge servicieren und reparieren, müssen ihr Personal um­ fangreich schulen. Dies geschieht in Form von mehreren Modulen. Vermittelt wird das – vereinfacht gesagt – mit einer spezi­ ellen Hochvolt-Ausbildung.   89


NÄCHSTER HALT:

NORDKAP 34 Häfen, über 100 Fjorde und 1000 Berge: willkommen auf der schönsten Seereise der Welt.

WOW! GANZ SCHÖN ELEKTRISIEREND. Diese Seereise ist mit keiner anderen vergleichbar: Auf der 12-tägigen Hurtigruten Postschiffsroute, die seit 1893 befahren wird, tauchen Sie ein in die vielfältige Schönheit der norwegischen Küste, sehen mehr als 100 Fjorde und 1000 Berge, besuchen 34 Häfen und legen insgesamt über 2500 Seemeilen zurück. Auf dem Weg nach Norden geht es zu charmanten Küstenstädten wie Bergen,

Ålesund und Trondheim, bis schließlich der Polarkreis überquert wird. Ersehntes Ziel der Reisenden: das legendäre Nordkap, 71° 10' 21" N. Überhaupt kommen Erlebnisse auf der Reise nicht zu kurz: Es stehen über 70 optionale saisonale Ausflüge zur Auswahl. Nicht verpassen sollten Sie die malerischen Lofoten-Inseln und den sagenumwo­ be­nen Berg Torghatten mit seinem geheimnisvollen Loch.


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B O U L E VARD DER HEL DEN

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DER EINZI-FALL

Serie: MICHAEL KÖHLMEIER erzählt die außergewöhnlichen Geschichten inspirierender Figuren – faktentreu, aber mit literarischer Freiheit. Folge 21: Wie Einzi, Frau des Komponisten Robert Stolz, in schweren Zeiten Mut bewies.

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BENE ROHLMANN, CLAUDIA MEITERT MICHAEL KÖHLMEIER

W

GETTY IMAGES (2), PICTUREDESK.COM (4)

A

m 21. Juni 1962 – ich war ge­ das Flaggschiff der Festspiele. Das war rade noch für vier Monate zwölf dann ein Drängen und Jammern in un­ Jahre alt – begegnete ich Robert serer Familie: Wer darf heuer nicht mit­ Stolz und seiner Frau Einzi. Es gehen? Wir wollten nämlich alle nicht. war der Tag der Premiere der Zum Spiel auf dem See schon gar nicht, Operette „Trauminsel“ auf der Seebühne da fand die Jahreshauptversammlung der Bregenzer Festspiele. Ich brauche aller stechbereiten Insekten statt. Außer­ dem Operette … Mein Vater besuchte mich nicht anzustrengen, um mich zu MICHAEL KÖHLMEIER Der Vorarlberger jede Veranstaltung, aus Loyalität; die ­erinnern; die Szene steht vor mir, als Bestsellerautor gilt ­jeweils zweite Karte dienten meine wäre keine Zeit vergangen – außerdem als bester Erzähler ­Mutter, meine Schwester und ich ab­ habe ich die Geschichte schon ungefähr deutscher Zunge. wechselnd ab, manchmal wurden Ver­ hundertmal erzählt … Zuletzt erschienen: wandte eingeladen. Mein Vater war auf eine gewisse Art der Roman „Matou“, Am 21. Juni 1962 war ich dran. befreundet mit dem damaligen Festspiel­ 960 Seiten, direktor Dr. Beer. Die „gewisse Art“ will Hanser Verlag. Heute sind die Seeveranstaltungen ich erklären, ohne die ganze tragische Riesenevents, siebentausend Besucher Geschichte zu erzählen. Mein Vater war um einiges pro Abend; damals waren die Aufführungen über­ schaubar. Sie waren tatsächlich überschaubar, das ­jünger als Dr. Beer, und sie hätten einander wahr­ scheinlich im Leben nicht kennengelernt, wäre nicht heißt, ich konnte von meinem Platz aus – wir hatten der Krieg gewesen. Mein Vater war Anfang zwanzig, immer Karten für die besten Plätze – nicht nur das aber bereits ein alter „Landser“, da wurden im letzten Geschehen auf der Bühne nahe verfolgen; wenn Aufgebot halbe Kinder und ältere Herren eingezogen. ich mich reckte, konnte ich auch in den Orchester­ Einer der Letzteren war Dr. Beer. Gemeinsam er­ graben schauen, zuvorderst auf den Rücken des lebten sie irgendwo in Russland einen entsetzlichen Dirigenten. Der fuchtelte wunderschön, war ich der Angriff. Während meinem Vater bereits jedes Zittern Meinung. Beim Applaus, wie es sich gehörte, drehte abhandengekommen war, hatte Dr. Beer Todes­ er sich zum Publikum. Sein Gesicht prägte ich mir angst. Die beiden Vorarlberger klammerten sich an­ ein. Ein zufriedenes Gesicht. einander, der Jüngere tröstete den Älteren, verkehrte ir waren zur Premierenfeier geladen. Das Welt. Dr. Beer vergaß meinem Vater nie, dass er ihn war meinem Vater sehr unangenehm, er in diesen finsteren und demütigenden Stunden fürchtete, er werde dort um ein Gespräch mit nicht im Stich gelassen hatte. Er wollte nicht mit Dr. Beer nicht herumkommen. Aber Dr. Beer dachte ihm darüber sprechen, zu viel Scham, nach dem wohl wie er. Die beiden grüßten einander aus der Krieg gingen die beiden einander aus dem Weg; Ferne, das war alles. Damit nicht mehr daraus würde,­ aber jedes Jahr im Sommer brachte die Post ein suchte mein Vater das Gespräch mit anderen; er ­dickes Kuvert, darin waren je zwei Karten für alle meinte, wenn er allein irgendwo am Rand stehe, Veranstaltungen der Bregenzer Festspiele, Theater, bliebe Dr. Beer nichts anderes übrig, als sich doch Konzerte, Liederabende, Lesungen und eben auch noch um ihn zu kümmern. zwei Karten für das berühmte Spiel auf dem See,


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B OU L EVAR D DE R HE L D E N

Ich war es schließlich, der allein irgendwo am Rand stand. Und dann kümmerte sich jemand um mich. ­Nämlich eine Dame mittleren Alters. Sie brachte mir ein Tellerchen mit geschnittenen belegten Broten und ein Glas Orangensaft. Ich war der Jüngste im Saal. Das gefiel ihr. Sie fragte mich, ob ich aus freien Stücken hier sei. Ich verstand die Frage nicht. Was sollten freie Stücke mit meiner Anwesenheit zu tun haben, und überhaupt, was waren freie Stücke? Meine Mutter hatte mir eingeschärft, alles zu unter­ lassen, was meinen Vater blamieren könnte – nicht in der Nase bohren, nicht furzen und Antwort geben, wenn mich jemand etwas fragt. Ich sagte: „Ja, ich bin aus freien Stücken hier.“ Wie alt ich sei. „In vier Monaten dreizehn.“ Die Dame war entzückt von mir. Das war ich ­gewohnt. Ich sah niedlich aus. Zu meinem Ärger. Sie sah auch niedlich aus, klein und in ein rosa Kleid gehüllt. Sie lachte laut und rief nach hinten, man möge mir ein Stück von der Premierentorte bringen und für sie noch ein Glas Sekt. Schon waren viele Leute um uns herum. Ich schaute nach meinem Vater, sah ihn aber nicht. Auf einmal war ich, jeden­ falls in diesem Winkel des Saals, die Hauptperson. In der einen Hand hielt ich einen Teller mit einem Stück Torte, grünliches Marzipan, in der anderen­ einen zweiten Teller mit einem angebissenen Schinkenbrötchen.

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ie Dame fragte mich: „Wie hat dir das Stück ge­ fallen?“ Ich sagte wahrheitsgetreu: „Die ­Musik hat mir gut gefallen und der Dirigent auch, leider habe ich den Text nicht verstanden, also weiß ich nicht, was für eine Geschichte dort oben erzählt werden sollte.“ Einige lachten, andere nicht. Einer von den ande­ ren sagte: „Du musst dir eben die Ohren ausputzen!“ Ich wurde zornig und sagte: „Meine Ohren sind gewaschen“, und betonte das „meine“. Beinahe hätte ich eine gefangen. Die Dame aber sagte: „Ich habe den Text auch nicht verstanden, das ist bei so etwas immer so.“ Sie hat mich rausgehauen. Die Dame war Yvonne Louise Stolz, die Frau von Robert Stolz, dem Komponisten und Dirigenten der Operette. Alle nannten sie „Einzi“. Alle meinten, den Spitznamen oder Kosenamen habe ihr der dreißig Jahre ältere Robert Stolz ge­ geben, eben weil sie, seine fünfte Ehefrau, nun end­ gültig die Einzige für ihn sei. Das stimmte aber nicht.

Ihr Mann entschied sich zwischen Karriere und Anstand für den Anstand.

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Den Namen hat ihr der jüdische Komponist Paul Abraham gegeben. Sie sei die „Einzige“, die sich um die Flüchtlinge aus dem Nazireich – zu dem damals auch das gehörte, was früher Österreich genannt wurde – kümmerte, die fast ihr ganzes Geld ausgab, um Menschenleben zu retten und den Überlebenden ein bisschen Würde zu geben. Yvonne Ulrich, wie sie damals noch hieß, war Jüdin, verheiratet mit einem sehr reichen Engländer. In Paris in Emigrantenkreisen lernte sie Robert Stolz kennen, und die beiden ver­ liebten sich ineinander. Yvonne war sechsundzwanzig Jahre alt, Juristin, hatte einen entscheidungs­ freudigen Charakter und, wie alle, die sie kannten, bestätigten, ein gütiges und sehr weites Herz.

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vonne Louise war in Warschau geboren, sie stammte aus einer wohlhabenden Familie; man hatte überall, wo es vornehm zuging, ein Domizil, die meiste Zeit ihrer Jugend verbrachte sie in der Schweiz. Als Paris von den Nazis besetzt wurde, floh sie mit Robert Stolz in die USA. Sie hatte Geld und Beziehungen, organisierte die Flucht vieler­ anderer Künstler. Sie und ihr Mann ließen sich scheiden, einvernehmlich, ihre gemeinsame Tochter blieb vorerst in England, sie war zwei Jahre alt. In Amerika machten sich Einzi und Robert stracks auf den Weg nach Reno; dort heirateten sie. So viel moderne Romantik müsse sein, meinten beide. Warum Robert Stolz den Nazis aus dem Weg ging und Österreich nach der Besetzung durch die deut­ schen Truppen verließ, hatte keinen anderen Grund als den, dass er Hitler und dessen Weltanschauung­ und Menschenbild zutiefst verachtete. Er wäre nicht verfolgt worden, im Gegenteil: Die Nazis, allen voran Goebbels, hatten ihn hofiert, sie wollten sich schmücken mit einem so bekannten Komponisten, jedes Kind auf der Straße wusste mindestens einen­ Schlager, den dieser Mann geschrieben hatte. Nicht einen Augenblick war er in Versuchung, eines der vielen sehr lukrativen Angebote anzunehmen. Er wusste nicht, was in Paris auf ihn zukam, erst recht nicht später, was ihn in Amerika erwartete. Viele, die vor den Nazis in Deutschland Stars ge­ wesen waren, gingen im Meer der amerikanischen ­Unterhaltungsindustrie unter, Bertold Brecht zum Beispiel oder Carl Zuckmayer oder Heinrich Mann, dessen Roman „Professor Unrat“, verfilmt als „Der blaue Engel“ mit Marlene Dietrich in der Hauptrolle,­ immerhin ein Welterfolg war. Robert Stolz, der Meister der leichten Musik, entschied sich zwischen Karriere und Anstand für den Anstand. Und er fand in seiner Frau Einzi eine tapfere Partnerin. Als Hitler in Deutschland an die Macht gekommen war, hatte Robert Stolz jüdische Freunde über die Grenze nach Österreich gebracht, sie versteckten sich im Fond seines Autos, er setzte am Kühler ein Hakenkreuz­ fähnchen auf, die Grenzpolizisten erkannten den überaus populären Komponisten, sie salutierten und brachten ihm ein Ständchen dar – „Im Prater blüh’n wieder die Bäume …“.

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Sie war die „Einzige“, die Überlebenden ihre Würde zurückgab. Vielen Künstlern hatte Einzi im Pariser Exil geholfen. Sie hat nie eine große Sache daraus ge­ macht. Was sei schon Geld im Vergleich zu einem Leben, soll sie einmal gesagt haben, außerdem habe sie nur getan, was jeder andere anständige Mensch auch getan hätte, wenn er im Besitz aus­ reichender Mittel gewesen wäre. Ihrer Mutter und ihren Geschwistern, die in Warschau lebten, konnte sie nicht helfen. Sie wurden in das Konzentrations­ lager Treblinka verschleppt und dort ermordet.

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n dem kleinen Saal, in dem in Bregenz die Pre­ mierenfeier nach der Aufführung von „Traum­ insel“ stattfand, bat mich Frau Stolz zu warten, sie wolle mir etwas mitgeben. Ich drückte mich in den Winkel, suchte weiter mit den Augen nach meinem Vater, fand ihn, winkte ihm, und er kam schnellen Schritts auf mich zu.

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„Ich verstehe“, sagte er, „es geht dir alles hier auf die Nerven. Mir auch. Also ab!“ Ich wollte noch sagen, dass eine Dame, nämlich die Gattin des Komponisten und Dirigenten, mir etwas mitgeben wolle und ich deshalb noch ein paar Minuten warten müsse. Aber er hatte mich schon an der Hand genommen und schritt mit gesenktem Kopf voraus. Als ob man unsichtbar wäre, wenn man den Kopf senkt … So habe ich nicht erfahren, was Einzi Stolz mir schenken wollte. Ich schätze, es war das Libretto zur Operette, geschrieben von Robert Gilbert – auch einer, dem Einzi geholfen hat. Damit ich verstehe, worum es in „Trauminsel“ geht.

Michael Köhlmeiers Geschichten gibt es, von ihm selbst gelesen, auch zum Anhören im Podcast-Kanal von The Red Bulletin. Zu finden auf allen gängigen Plattformen wie Spotify und auf redbulletin.com/podcast. Oder einfach den QR-Code scannen.


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er seinen Gästen und Mitarbeitern ein unvergessliches Erlebnis bieten möchte, ist in der Marx Halle genau richtig. Im denkmalgeschützen Architekturjuwel sind den Möglichkeiten keine Grenzen gesetzt. Auf den rund 20.000 Quadratmetern gibt es Platz genug. Etwa für gesetzte Galadinner mit mehreren tausend Personen oder für renommierte Kongresse und Konferenzen. Die spektakulären Lichtverhältnisse prägen nicht nur bei der im März stattfindenden internationalen Kunstmesse SPARK Art Fair Vienna die sensationelle Atmosphäre der riesigen Hallen. Abends und nachts bringen künstliche Lichtquellen Wiens letzte Schmiedeeisenkonstruktion zum Erstrahlen. Wer schon einmal hier war, ob als Gast oder Veranstalter, erinnert sich noch lange an die beeindruckende Kulisse. Für die erfolgreiche Entwicklung und die Vermietung der historischen Location zeichnet sich die HEY-U! Mediagroup verantwortlich. OFFEN FÜR ALLE Vor allem aufgrund seines industriellen Charmes und der enormen Dimensionen hebt sich das historische Bauwerk von den üblichen Veranstaltungsorten ab. Heute bietet es Raum für große nationale und internationale Firmenevents, glamouröse Galas, Konferenzen und Kongresse sowie zahlreiche Kunst- und Kulturveranstaltungen. Die weiten, ebenen Räume bieten den unverwechselbar spektakulären Rahmen. Dank der flexiblen Raumstruktur lassen sich zudem individuelle Vorstellungen und Wünsche perfekt inszenieren. So ist die Marx Halle ein Ort für alle und das Herzstück von Neu Marx. Überaus positiv sieht man die erfolgreiche Entwicklung etwa bei Österreich Werbung, wie deren Sprecherin Ulrike Rauch-Keschmann betont: „Die Möglichkeiten in der Marx Halle sind aus unserer Sicht eine wahre Bereicherung für die Bundeshauptstadt und ganz Österreich.“ Lernen auch Sie die Vielfalt der Marx Halle kennen.

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Die nächste Ausgabe des RED BULLETIN erscheint am 8. Februar 2022.

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