The Red Bulletin CD 03/21

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SCHWEIZ MÄRZ/APRIL 2021 CHF 3.80

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VOM SHERPA ZUM CHAMPION

DER SCHNELLSTE BERGSTEIGER DER WELT Nims Purja bezwang alle 14 Achttausender. In nur sechs Monaten.

HÜTER DER KORALLEN

WIE JUNGE SURFER EIN NATURPARADIES RETTEN

ICH KANN FLIEGEN

WIE FREESKIER NOÉ ROTH IN DER LUFT DEN ÜBERBLICK BEHÄLT Natural born climber: Nims Purja, 38, führte ein rein nepalesisches Team an und unterbot den bisherigen Rekord um mehr als sieben Jahre.


THE PIONEER SPIRIT LIVES ON.

Warum diese Uhr? Nun, die neuartige Unruh-Spiralfeder aus Silizium widersteht den Magnetfeldern und Stössen, die wir im Alltag erleben. Dank der verbesserten Ganggenauigkeit und Zuverlässigkeit wird jede Uhr als COSC-Chronometer zertifiziert. Wie gross ist das Vertrauen in unsere neuen Modelle der Longines Spirit Collection? Es ist so gross, dass wir für sie volle fünf Jahre Garantie gewähren.


E D I TO R I A L

WILLKOMMEN

DER WEG ZUM GLÜCK ÜBERFLIEGER NOÉ ROTH

SANDRO BAEBLER (COVER), GIAN PAUL LOZZA, NICK CAVE/JACK SHAINMAN GALLERY

Der Schweizer Ski­ akrobat hat von klein auf an seinem besonderen Gespür für den perfekten Sprung gearbeitet. Ab Seite 54.

« Du musst dich schnell in Sicherheit bringen.» Fotograf Gavin Bond über ausser Kontrolle geratene Trucks beim Mint-400-Race. Ab Seite 18.

«Ein Achttausender», sagt der Bergsteiger Nims Purja, «das ist ein Ort, an dem ich erst lebendig werde.» Der frühere Elitesoldat, 38, hat alle 14 Achttausender bestiegen – in Rekordtempo. Dabei drohte sein «Project Possible» ­sogar zu scheitern – erst am Geld, dann am Gedränge um 5.30 Uhr früh am Gipfel des Mount Everest. Doch Nims fand einen Weg. Und schaffte kurz darauf auch noch den benachbarten Lhotse (8515 m). Seine ­ganze abenteuerliche Reise erzählt er ab Seite 38. Wie man im Beruf den Weg zum Glück findet, weiss auch die Schweizer Sängerin Lea Lu, die Farben sieht, wenn sie singt (ab Seite 30). Oder eine Gruppe junger Südsee-Franzosen, die für den Erhalt des Riffs ihrer Heimatinsel regelmässig abtauchen – als Korallen­ gärtner unter Wasser (ab Seite 72).

WARTEN AUF DEN GIPFELSIEG

Dieses ikonische Bild vom «Stau» auf dem Mount Everest ging um die Welt. Fotografiert hat es Rekord-Kletterer Nims Purja. Dessen abenteuerliche Story gibt es ab Seite 38.

Viel Spass mit der neuen Ausgabe von The Red Bulletin! Die Redaktion

FARBENPRÄCHTIG

Die bunten «Soundsuits» des US-Künstlers Nick Cave sollen helfen, Vorurteile zu überwinden. Ab Seite 64.

THE RED BULLETIN

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I N H A LT The Red Bulletin März/April 2021

COVERSTORY

38 DER GIPFELSTÜRMER

Vom Sherpa zum Champion: Wie der Nepalese Nims Purja alle Achttausender der Welt in Rekordzeit bestieg. Porträt eines Ausnahmekönners.

62 ZIEH DIE HEIZUNG AN

AlphaTauri hat eine Jacke entwickelt, deren Innenleben auf Knopfdruck wärmt.

KUNST

18 E NDLICH GAS GEBEN

Hautnah beim legendären ­Offroad-Rennen Mint 400 in der Wüste bei Las Vegas.

MUSIK

30 SONGS IN HIMBEERROT Die Zürcherin Lea Lu sieht Töne als Farben – das macht ihre Songs einzigartig bunt.

WINGS FOR LIFE

Biker Marc Ristori ist seit einem Unfall gelähmt – seine Lebensfreude ist geblieben.

FASHION

36 SOCKEN AUS DEM MEER

Snowboarder David Hablützel produziert mit Freunden Sportsocken aus Ozeanplastik.

AERIALS

54 SO FLIEGEN SIEGER

Freestyler Noé Roth hat mit 19 den Weltcup gewonnen. Geschichte eines Höhenflugs.

4

DIE GITARRE UND DAS MEHR Singt Lea Lu, hört sie nicht nur Töne – sie sieht auch Farben.

64 BUNT IST DIE HOFFNUNG

UMWELT

72 RETTUNG FÜR DIE RIFFE Wie eine Gruppe junger Franzosen bedrohte KorallenParadiese bewahren will.

STREAMING

80 GEHEIMWAFFE

US-Star-Streamerin Anne Munition gibt Mobbern im Netz keine Chance.

34 LUST AUFS LEBEN

6 GALLERY 12 ZAHLEN, BITTE! 13 FUNDSTÜCK

30

Mit farbenfrohen Soundsuits ist US-Künstler Nick Cave zum Weltstar geworden.

MOTOR

INNOVATION

18 KEEP ON TRUCKIN’ Mint 400, das legendärste Offroad-Rennen der Welt bei Las Vegas

GUIDE

Tipps für ein Leben abseits des Alltäglichen 87 TRAVEL. Mit Freerider Lucas Swieykowski durchs Engadin 92 F ITNESS. Astronauten-Training macht auch Erdlinge fit. 94 U HR. Vom America’s Cup aufs Handgelenk: Panerais Prunkstück 95 KALENDER. Einmal abheben, bitte! Aktuelle Events und TV-Highlights

14 PLAYLIST 96 IMPRESSUM 16 CLUB DER TOTEN DENKER 98 PERFEKTER ABGANG

38 NIMS GELASSEN Rekord-Bergsteiger Nims Purja bleibt trotz seines Triumphes cool.

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CLAUDI0 STRÜBY, GAVIN BOND, RYAN BORNE/CORAL GARDENERS, GIAN PAUL LOZZA


54 ABGEHOBEN Ohne Flügel fliegen – Ski-Akrobat Noé Roth weiss, wie’s geht.

THE RED BULLETIN

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BELO HORIZONTE, BRASILIEN

Pedros Traum

MARCELO MARAGNI/RED BULL CONTENT POOL

Die lässige Kurve und der spielerische Umgang mit Stahlbeton waren die Markenzeichen des brasilianischen Star‑Architekten Oscar Niemeyer (1907–2012). Kein Wunder, dass seine Bauten die Be­geisterung von Skatern wie Pedro Barros wecken – die stehen für ihre Abenteuer auf genau solche ­Sachen. Als der 25-jährige Brasilianer die Erlaubnis bekam, mit seinem Board Niemeyers Cidade Administrativa de ­Minas Gerais zu erobern, erfüllte sich ein lang gehegter Traum. Mehr Skate-Action: redbull.com/skate

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TURDA, RUMÄNIEN

Rekord in der Tiefe 112 Meter tief in einem Gebirgsstock in Siebenbürgen liegt das ehemalige ­Salzbergwerk Turda, das inzwischen eine ­beliebte Touristenattraktion ist. Rhiannan I≠land, australisches Red Bull Cliff DivingAss, war freilich nicht als Touristin hier. Die 29-Jährige wollte vorigen Oktober den weltweit ersten Sprung in einen unter­ irdischen Salzsee wagen. Das Kni≠lige an dieser Aufgabe: «Das Wasser ist um 17 Prozent dichter als Meerwasser, somit erlebst du das Eintauchen ganz anders», sagt sie, «dafür kommst du danach blitzschnell wieder an die Oberfläche.» Rhiannans Sprünge auf Instagram: @rhiannan_iffland


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JOERG MITTER/RED BULL CONTENT POOL


ENGELBERG, SCHWEIZ

Ganz in Weiss

Der perfekte Tiefschneehang ist nicht einfach zu finden. Windgeschützt soll er liegen, der Schnee muss unberührt sein und die optimale Konsistenz haben. US-Freeskier Connery Lundin (re.) und der schwedische Fotograf Oskar Enander kennen so ein begnadetes Plätzchen in der Nähe von Engelberg im Schweizer Kanton Obwalden. Es hat nur einen Nachteil: Die Piste erreicht man erst nach stundenlangem, ziemlich müh­ samem ­Anmarsch. Hat das die beiden abgeschreckt? Das Bild gibt die Antwort. Oskars Foto-Reisen: oskarenander.com


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OSKAR ENANDER


Z AHL EN, BI T T E!

MISSION MARS

Hallo, Raumfahrer! Vorigen Sommer schickten die USA und China Sonden zum Mars, jetzt sollen sie auf dem Roten Planeten landen. Ihre Mission: unseren ersten Besuch vorbereiten. Hier sind zwölf Zahlen für Mars-Reisende – vom Space-Roboter bis zum panischen Mond.

1877

16

entdeckte der italienische ­ stronom Giovanni Schiaparelli A die «Marskanäle», die die Fantasie seiner Zeitgenossen beflügelten: Der englische Schriftsteller H. G. Wells erdachte in «Krieg der Welten» (1898) ­erstmals Marsianer.

Roboter befinden sich derzeit auf dem Mars.

21,4

2

Prozent aller David-BowieFans halten «Life on Mars» für dessen besten Song. Er hatte ihn ursprünglich als ­Parodie auf Frank Sinatras «My Way» geschrieben.

Monde hat der Mars: Ihr Entdecker, Asaph Hall, nannte sie Phobos (Angst) und Deimos (Schrecken).

-140

21.287,40

Grad Celsius kann die Temperatur an den Mars-Polkappen heute betragen. Vor 3,5 Milliarden ­Jahren war das dortige Klima ­lebensfreundlicher.

128 –333 Tage dauert eine unbemannte Reise zum Mars. Die erste NASASonde (1964) war 228 Tage ­unterwegs und schoss 22 Fotos von der Mars-Oberfläche.

12

24

Minuten länger als 24 Stunden ­dauert ein Mars-Tag. Ein Jahr ist fast doppelt so lang: 687 Erdentage.

Meter hoch ist Olympus Mons, der höchste Mars-Berg. Er ist die höchste Erhebung im gesamten Sonnensystem.

10.932.295

Namen sind auf einem Mikrochip gespeichert, der an Bord der NASA-Sonde gerade zum Mars fliegt. Er ist Teil der Kampagne «Send Your Name to Mars».

-75

Grad Celsius beträgt die Wasser­temperatur eines unter­irdischen Mars-Sees. Flüssig ist das Wasser nur ­ egen des hohen Salzgehalts. w

THE RED BULLETIN

CLAUDIA MEITERT

will SpaceX-Gründer Elon Musk das erste bemannte Raumschiff zum Mars schicken.

Prozent weniger Schwerkraft herrscht am Mars, man kann dort fast dreimal so hoch hüpfen.

GETTY IMAGES (7)

2027

62,5


F U ND ST Ü CK

Eines der berühmtesten Fotos der Rap-Kultur: The Notorious B.I.G. als «König von New York», aufgenommen für das Cover des «Rap Pages»Magazins.

THE NOTORIOUS B. I . G.

Die Krone des Hip-Hop COURTESY OF SOTHEBY’S

Die Plastik-Requisite, die der US-Rap-Star bei seinem letzten Fotoshooting trug, 1997. Sein Debütalbum hiess «Ready to Die» (1994), der Nachfolger «Life After Death» (1997), und das war mehr als nur eine Attitüde: Die Hip-Hop-Szene der Neunziger war tatsächlich lebensgefährlich: Am 9. März 1997 wurde der damals erst 24-jährige Christopher Wallace alias The Notorious B.I.G. in L. A. erschossen. Drei Tage zuvor inszenierte er sich für das Cover eines Rap-Magazins als «König von New York» und signierte danach die Krone: Die Reliquie wurde im Herbst 2020 für fast 600.000 Dollar versteigert.

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PL AY L IST

DAVE GROHL

Verliebt in Kim

Als Sänger der Foo Fighters schreibt Dave Grohl, 52, Rocksongs für Millionen. Welche ­Lieder anderer Künstler er gern verfasst hätte, verrät er hier. 2020 hätte für Dave Grohl ein grosses Jahr werden sollen. Mit seinen Foo Fighters war ein neues Album geplant. Die Live-Tour der Rock-Giganten hätte Stadien gefüllt. Dann kam die Pan­ demie und zwang das Energiebündel in die graue Realität des Lockdowns. Doch Grohl, bekannt für seinen an­steckenden Optimismus, machte das Beste draus. Er sammelte mit selbst verfassten Rock ’n’ Roll-Kurz­ geschichten 460.000 Fans auf Instagram. Und lieferte sich ein jetzt schon legendäres Online-Drum-Battle mit dem zehn­jährigen Schlagzeug-Wunderkind Nandi Bushell. Ausserdem hörte er viel Musik aus seiner Jugend – ­Lieder, von denen er sich wünscht, er hätte sie selbst geschrieben. Zur Feier des aktuellen Albums «Medicine at Midnight» verrät uns ­Mister Grohl vier Lieblingssongs.

Bad Brains

John Lennon

Mildred & Patty Hill

Kids in America (1981)

Bad Brains (1982)

Imagine (1971)

Happy Birthday to You! (1893)

«Jeder Punkrocker, den ich kannte, war hoffnungslos in Kim Wilde verliebt. Ich auch. Deshalb habe ich ‹Kids in America› selbst aufgenommen, noch bevor ich zu Nirvana kam, nur aus einer Laune heraus. Es ist eine legendäre Hymne aus den Achtzigern – und ich liebe dieses Lied genauso, wie ich Kim Wilde liebte!»

«Sie waren in den 1980ern Amerikas grösste HardcorePunkrock-Band – und die beste Live-Band, die ich je gesehen habe. Die Musik der Bad Brains ist schnell, verzerrt und dissonant. Wenn ich sie hörte, wollte ich hundert Bier trinken und Fenster zerschmettern. Wenn das kein Grund ist, ein Lied wie dieses schreiben zu wollen …»

«Ich wünschte, ich hätte John Lennons ­‹Imagine› ­geschrieben – weil es ein wunderschönes, zeitloses Lied ist. Es klingt nie alt. Als ich jung war, so zehn oder elf, und anfing Gitarre zu spielen, sass ich den ganzen Tag da und spielte zu seinen Platten. So habe ich ­gelernt, wie man Gitarre spielt. Also war John mein Lehrer.»

«‹Happy Birthday› hätte ich wirklich gerne geschrieben, damit würde ich Unmengen verdienen. Es ist, als würde man die Rechte an dem Wort ‹Pizza› besitzen. Vielleicht würde es mir daheim mehr Respekt einbringen. Ich habe eine Tochter, die Musikerin werden möchte, und zwei, die mich ansehen, als sei ich der Hausmeister.»

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THE RED BULLETIN

GETTY IMAGES

Kim Wilde

FLORIAN OBKIRCHER

Mehr aus der Rock-Apotheke: foofighters.com


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D ER CLU B DER TOT EN DEN K ER

MARC AUREL

Wie gehe ich mit Stress in der Arbeit um? Die grössten Denker aller Zeiten beantworten Fragen unserer Gegenwart, übermittelt durch den Philosophen Christoph Quarch. Diesmal: Der römische Kaiser Marc Aurel verrät sein Rezept für erfolgreiches Zeitmanagement. Zeit ist ein kostbares und knappes Gut. Als ehemaliger römischer Kaiser weiss ich, wovon ich rede. Das Impe­ rium war riesig, die Kommunikationsmittel waren ­bescheiden, ich hatte zahlreiche Widersacher und war noch dazu ständig auf Reisen oder führte Krieg gegen die wilden Stämme nördlich der Donau. Arbeit über Arbeit – doch der Tag hatte genau wie heute nicht mehr als 24 Stunden. Angesichts der Überfülle meiner Pflichten und Aufgaben gab es nur ein Mittel, um nicht dem Wahnsinn zu verfallen: Disziplin. Oh, ich weiss sehr gut, dass Dis­ ziplin in eurer Welt nicht gerade hoch im Kurs steht. Doch vielleicht ist ja gerade das euer Problem: dass ihr euch ablenken lasst und eure Zeit mit unnützem Zeug vertrödelt. Was «unnützes Zeug» ist, wollt ihr wissen? Unnützes Zeug ist alles, was euch davon abhält, das zu tun, was hier und jetzt zu tun ist – ohne einen Gedanken an irgendetwas anderes zu verschwenden. Mein Gott, es gibt bei euch Leute, die den lieben langen Arbeitstag ständig abgelenkt sind, mit ihren Mobiltelefonen spielen oder rumtwittern. Hätte ich mit so etwas angefangen … ich wäre keine zwei Tage im Amt geblieben. Nein, wenn man seine kostbare Lebenszeit mit geistigem Müll verplempert, braucht man sich nicht zu wundern, wenn man weder seine Arbeit noch sein Privatleben auf die Reihe bekommt. Glaubt mir: Disziplin ist das Geheimnis eines guten Lebens. Und Konzentration ist das Geheimnis jedes erfolgreichen Zeitmanagements. In meinen Aufzeichnungen finde ich folgende ­Notiz: «Trachte danach, die Aufgabe, die gerade vor dir liegt, mit gesammelter Kraft und in ernster, aber unverkrampfter Würde, in Liebe zu deinem Nächsten, in innerer Freiheit und Gerechtigkeit als Römer und als Mann zu erfüllen, und verschaff dir Ruhe von allen

anderen Gedanken!» Okay, den «Römer» erlass ich euch, und den «Mann» könnt ihr von mir aus durch «Mensch» ersetzen – aber sonst sind diese Worte noch immer wahr und gültig: Liebe und Würde, denkt daran. Ebenso wahr und gültig ist mein Vorschlag, was zu tun ist, um diese disziplinierte und konzentrierte Haltung auszubilden: «Das wird dir gelingen, wenn du jede Handlung so vollziehst, als ob es die letzte deines Lebens wäre, frei von jeder Planlosigkeit, frei von Lei­ denschaft, die dich dem gesunden Urteil der Vernunft entzieht, frei von Pose und Selbstliebe, frei von Unmut über das Los, das dir das Schicksal zugedacht hat.» Ja, so einfach ist das: Räume deinen Kopf auf, und alles wird gut! Vor allem würdet ihr dieses merkwürdige Thema loswerden, das ihr Work-Life-Balance nennt – also die Frage, wie man das private und berufliche Leben ins Gleichgewicht bringen kann. Denn diese Frage stellt sich gar nicht mehr, wenn ihr immer nur eure Arbeit verrichten würdet: wohlgemerkt eure eigene, von euch gewünschte Arbeit. Wenn du einfach handeltest, ohne dich damit aufzu­ halten, darüber zu lamentieren, dass nun auch noch dieses oder jenes zu tun ist, dass dein fauler Adjutant dir schlecht zugearbeitet hat … Schluss damit, handle einfach! Greif zum mentalen Schwert und hau diese Gedankenkette durch. Zack, schon ist man wieder frei im Hier und Jetzt, ganz bei sich und nicht bei etwas, worauf man ohnedies keinerlei Einfluss hat. Gut, da die Zeit drängt, schliesse ich mit einem weiteren Zitat aus meinen Aufzeichnungen: «Wenn du dir an der gegenwärtigen Tätigkeit und der rechten Wahrhaftigkeit in Wort und Rede genügen lässt, dann wirst du glücklich leben. Es gibt niemanden, der dich daran hindern könnte.»

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war zwischen 161 und 180 Kaiser des Römischen Reiches. ­Seine Regierungszeit gilt als die letzte Blütezeit des Imperiums, gelang es ihm doch, in dem riesigen Reich inneren Frieden und Zusammenhalt zu schaffen, obwohl dessen Grenzen ­fortwährend bedroht waren. Deshalb verbrachte er den Grossteil seiner Amtszeit im Feldlager, wo er auch seine von der ­stoischen Philosophie inspirierten «Selbstbetrachtungen» ­niederschrieb. Marc Aurel starb fernab von Rom in der Grenzstadt Vindobona, heute bekannt unter dem Namen Wien.

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DR. CHRISTOPH QUARCH

MARCUS AURELIUS ANTONINUS AUGUSTUS (121–180)

BENE ROHLMANN

« Vielleicht ist ja das euer ­Pro­blem: dass ihr eure Zeit mit unnützem Zeug vertrödelt.»


MARC AUREL

«Greif zum mentalen Schwert und hau diese Gedanken­kette durch. Schon ist man frei im Hier und Jetzt – und nicht bei etwas, auf das man ohnedies keinen Einfluss hat.» THE RED BULLETIN

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Keep on Truckin’

Das MINT 400 in der ­kalifornischen Mojave-­ Wüste hat seit seiner Premiere 1968 schon viele Krisen überstanden. Aber es ist so wild und amerikanisch geblieben wie eh und je. Der britische Fotograf Gavin Bond hat das legendäre OffroadRennen voriges Jahr begleitet und erklärt uns seine Faszination, bevor es Anfang März wieder losgeht. Text TOM GUISE Fotos GAVIN BOND


WÜSTES GASGEBEN

Bryce Menzies aus Arizona, zweifacher Gewinner des Mint 400, lässt es krachen, sein ­Truck verträgt Sprünge von bis zu 45 Metern. Die Renndistanz – daher der Name – beträgt vier Runden zu je 100 Meilen.

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«Ich habe mich in das Mint 400 verliebt. Und so war bald klar, dass ich zurückkommen musste, um es zu fotografieren.» Fotograf Gavin Bond über sein Verhältnis zum Mint 400


JUGEND, FORSCH

Pilot Seth Quintero aus Alabama wartet neben seinem UTV Pro N/A (Utility Terrain Vehicle, non-aspirated, soll heissen: ohne Turbo). 2019, mit 16, ging er als jüngster Mint-400-Sieger in die Geschichte ein.

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RUHE VOR DEM STURM

Die Trucks in der Startaufstellung. «Die Teilnehmer wohnen im Buffalo Bill’s Resort & Casino», erzählt Bond. «Es kostet 18 Dollar die Nacht – normalerweise ein Hotel für Leute, die es nicht einmal bis nach Las Vegas schaffen.»

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«Du kannst vermutlich nichts Amerikanischeres erleben als das Mint 400.» Fotograf Gavin Bond über das wahre Wesen der Veranstaltung THE RED BULLETIN


PEDAL TO THE METAL

«Das ist der Start des Rennens», sagt Bond. «Hinter dem orangen Auto befand sich die Bühne, wo in der Nacht zuvor die Eagles of Death Metal aufspielten.»

BOXENGASSE BEREIT

«Ich bekam die Info, dass Bryce Menzies zum Tanken reinkommt, also rannte ich zur Box und machte das Foto von der Crew mit den Tankschläuchen. Aber das Auto hielt dann doch nicht an.»


VORSPIEL MIT BIKES

Am Tag vor dem Rennen sind die Motorräder dran. «Zuerst fuhren sie im normalen Feld mit, was natürlich Wahnsinn war», sagt Ver­anstalter Matt Martelli. «1976 war das vorbei – aus Versicherungsgründen.»


«Es ist definitiv eine Familienangelegenheit: Ein Typ fährt einen Laster, sein Sohn einen anderen, und die Tochter fährt auf dem Motorrad mit.» Fotograf Gavin Bond über den familiären Charakter des Rennens

Bunt und schnell: Die Race Trucks der Mint 400 (rechts) brettern mit mehr als 100 km/h durch die Wüste.

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«Es gibt keine Streckenbegrenzung in der Wüste, nur Flaggen. Plötzlich rast ein Auto auf dich zu, und es sieht nicht so aus, als wäre es unter Kontrolle. Dann musst du dich schnell in Sicherheit bringen. Es ist definitiv gefährlich.» Fotograf Gavin Bond über die Tücken seiner Arbeit

RISKANTE NÄHE

Joseph Jepson vom D ­ iamond J Racing Team in seinem Buggy bei der Arbeit. «Ich foto­grafierte mit Teleobjektiv», erinnert sich Bond. «So war ich vermutlich näher dran, als ich sollte.»

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FLOTTE STAUBWOLKE

Die Klasse der Buggys fährt mit identischen Autos,­ daher ist das Rennen sehr eng. Da ist natürlich besonderer Einsatz gefragt.

BUNTER ABEND

«Der Typ unter dem Auto ­versucht, etwas zu reparieren. Die interessanten Farben auf dem Foto kommen von der Bühne, auf der die ­Preis­verleihung stattfindet.»


SO SEHEN SIEGER AUS

«Schrauben gehört dazu. Manche Autos kommen mit weghängenden Teilen zurück.»

Ex-Gewinner Travis Chase (rechts) und sein Copilot Jacob Lauxen zeigen ihre ­FinisherMedaillen. Hier wird der olympische Gedanke gelebt: Jeder, der es bis ins Ziel schafft, ist ein Gewinner.

Fotograf Gavin Bond über den beherzten Einsatz der Teilnehmer

D

as Mint 400 begann 1968 als ein PR-Stunt für die Hirschjagd des Hotels und Casinos The Mint in Las Vegas. Aber das wilde 644-Kilometer-­Rennen durch die MojaveWüste, mit Start und Ziel nicht weit vom ­Glitzern der Glücksspiel-Metropole, ­verwandelte sich sehr bald in etwas viel Grösseres: The Great American Offroad Race. «Das erste Mal war ich 2018 da», erzählt der ­britische Fotograf Gavin Bond. «Es war das 50-JahrJubiläum, aber ich wusste praktisch nichts über das Rennen. Mein Produzent in L. A. – ein Engländer ­namens Skinny – ist ein Freizeit-Benzinbruder. Er hat sich mit seinem Racing-Truck angemeldet, und ich bin mitgekommen. Ich habe mich in das Rennen verliebt, und so war bald klar, dass ich zurück­ kommen und das Mint 400 fotografieren musste.» Genau das passierte Anfang März 2020. Bond konnte nicht ahnen, wie sehr sich die Welt danach verändern würde; zwölf Tage später sperrte alles zu. Heute, ein Jahr danach, ist unser Alltag in vielerlei Hinsicht anders als zuvor. Aber das Mint 400 ist ­wider Erwarten zurück. Es ist nicht das erste Mal,

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dass es gefährdet gewesen wäre: Zwei Jahrzehnte fand es überhaupt nicht statt. Als Jack Binion 1988 das Mint Hotel kaufte, stellte er das Rennen ein, weil er einen Imageschaden befürchtete. Erst 2008 erwarben die Brüder Matt und Joshua Martelli, ­bekannt geworden mit der Produktion der viralen Motorsport-­Videos «Ken Block’s Gymkhana», die Rechte am Mint 400, auch wenn der Namensgeber, das Hotel und Casino, längst nicht mehr existierte. Doch das Rennen hat das alles überlebt. Es hat die Zeit der Hollywood-Machos von Steve McQueen bis James Garner und die Geburtsstunde des GonzoJournalismus erlebt: Eine Reportage über die Ver­ anstaltung für «Sports Illustrated» inspirierte Hunter S. Thompson zu seiner literarischen Ode an den Verlust des amerikanischen Traums: «Fear and Loathing in Las Vegas». «Du kannst vermutlich nichts Amerika­nischeres erleben», meint Fotograf Bond. Er war ausgezogen, ein Sport-Event zu dokumentieren, und fand, ebenso wie Autor Thompson, etwas viel Faszinierenderes: die amerikanische Seele. Das nächste Mint 400 findet von 3. bis 7. März 2021 in Las Vegas statt, Zeitplan und Race-Infos: themint400.com

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Lea Lu

«Meine Songs sind dunkelgrün und himbeerrot» Wenn Lea Lu singt, wird ihre Welt ganz bunt – denn jeder Klang ist für sie Farbe. Die Zürcherin sieht Töne. Und das gibt ihrer Musik einen einzigartigen Anstrich. Interview SABRINA LUTTENBERGER  Foto CLAUDIO STRÜBY

Wenn Lea Lu auf die dunkle Seite ­ihrer Seele wechselt – dorthin, wo es ein wenig düsterer zugeht –, sieht sie nicht schwarz, nein, sie hört dunkelgrün. Für die Sängerin, 36, steht Dunkelgrün für F-Dur. Und zwar immer. Denn Lea Lu ist Synästhetikerin. Das heisst: Jeder Ton, jeder Akkord lässt vor ihrem inneren Auge eine bestimmte Farbe erklingen. Nur einer von 20.000 Menschen, schätzen Experten wie der Neuropsychologe Lutz Jäncke von der Uni Zürich, besitzt diese Gabe. Der rus­ sische Maler Wassily Kandinsky soll sie gehabt haben, US-Sängerin Lady Gaga und der Frontmann der britischen Popband Coldplay, Chris Martin, sehen Töne wie Lea Lu. Neue Studien gehen davon aus, dass nahezu jeder Zwanzigste Töne sieht, viele davon, ohne sich dessen bewusst zu sein. Lange ahnte auch Lea Lu nichts von dieser besonderen Gabe, erst eine Doku über Synästhesie öffnete ihr die Augen. Dabei hatte sie sich schon als Sechsjährige mit ihrer persönlichen Skala durch den Geigen-Unterricht geschummelt: Statt der Noten merkte sie sich die Farbfolge, die sie sah, wenn ihr die Lehrerin ein Stück vorspielte.

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Ob die Farbe vor ihrem inneren Auge ihren Liedern einen besonderen Klang verleiht? Wir meinen ja, ihrer ersten Single «I Call You» gibt sie ­einen einzigartigen Anstrich, ihr heuer erscheinendes Album verspricht eine bunte Welt. Ein Happy End, mit einem dunkelgrünen Start in New York. the red bulletin: Wenn du mit anderen Musik machst, kann es passieren, dass andere etwas richtig gut finden, für dich aber die Farbkombination nicht funktioniert? lea lu: Ja, das kommt wirklich vor. Wenn die Komposition toll ist, die Farben aber langweilig sind, beeinflusst das schon meine Wahrnehmung des Songs. Oder zum Beispiel F-Dur, das ist für mich immer dunkelgrün, ein bisschen düster. Es kann schon sein, dass ich dafür eher melancholischere Themen wähle. Auf der anderen Seite würde ich niemals einen traurigen Song in A‑Dur schreiben. A-Dur ist himbeerrot, eine fröhliche Farbe! Wie kann man sich das vorstellen, wenn du Musik nicht nur hörst, sondern siehst? Es ist wie eine Farbebene, die immer da ist, also auch jetzt, wenn wir sprechen. Es gibt dieses Empfinden, das mehr im Inneren des Körpers

stattfindet. Ich habe das nicht nur bei Tönen, sondern auch, wenn ich lese und Buchstaben sehe. Da sind dann aber nicht die Buchstaben farbig, sondern ich sehe die Farben. Bei der Musik ist das eben auch so: Es tauchen Farbnebel vor meinem inneren Auge auf. Jeder Akkord und jeder Ton hat in meinem Kopf eine bestimmte Farbe. Und das ist immer dieselbe. Beeinflusst dich diese Fähigkeit auch in anderen Bereichen? Mir hilft das dabei, mir Dinge zu merken. Also, ich hab schon als ­kleines Kind Geige gespielt, konnte aber keine Noten lesen. Die Geigenlehrerin wusste das aber nicht und hat mir das Notenblatt hingestellt. Ich hab sie dann gefragt: «Können Sie das bitte vorspielen?» Ich habe mir die Tonfolge farblich gemerkt und so getan, als ob ich die Noten lesen würde. Sie hat das sechs Jahre lang nicht gemerkt! (Lacht.) Normalerweise würden wir jetzt über deinen New-York-Aufenthalt sprechen. Doch 2020 kam alles anders. Ja, ich wäre von März bis September mit einem Auslandsstipendium der Stadt Zürich in New York gewesen. Der Traum jedes Künstlers! Ich bin am 9. März angereist und war am 17. März notgedrungen wieder zurück in der Schweiz. Das war ein Schock, wie sich die Pandemie so plötzlich entfacht hat. Wie hast du die Zeit erlebt? Zuerst hatte ich natürlich Angst, um meine Familie, meine Freunde, meine Gesundheit. Ich war wie in einer Schockstarre, bis ich erkannt habe, ich muss da wieder raus. Das habe ich geschafft, indem ich mir möglichst viele wissenschaftliche ­Informationen zu Covid-19 beschafft habe. Ich hab viel gelesen und mich mit Freunden aus Taiwan ausgetauscht, die bereits früh Erkenntnisse

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«Ich musste raus aus der Schockstarre.» Lea Lu, 36, kämpfte sich nach einem harten Jahr 2020 wieder zurück.

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Lea Lu

Zum weltweiten Ausnahme­ zustand kam also auch noch ein persönlicher? Ja. Die Kulturbranche wurde von der Situation hart getroffen. Zum Glück gab es nach einigen Monaten Unter­ stützungsbeiträge von verschiede­ nen Institutionen. Um die erste Zeit zu überbrücken, habe ich mir Geld von Freunden geliehen. Sobald das Finanzielle vorerst geklärt war, hat sofort wieder das Kreieren begonnen. Das Leben kam wieder in Bewegung. Ich wollte schon sehr lange an mei­ nem neuen Album arbeiten, deshalb bin ich ja auch nach New York ge­ gangen. Stattdessen hast du es bei dir daheim in Zürich aufgenommen. Wie war die Arbeit daran? Als ich die Songs geschrieben hatte, habe ich einfach angefangen, die Musik mit meinem Schlagzeuger, mit dem ich mir den Proberaum teile, aufzunehmen – mit den Möglich­ keiten, die wir zur Verfügung hatten. Und ich habe mir Bassspielen bei­ gebracht. Weil ich … na ja, keinen

«I love the songs! I love your voice!» Der kanadische Musiker Mocky war sofort bereit, Bass für Lea Lu zu spielen.

Bassisten in der Nähe hatte. (Lacht.) Es ging eigentlich ganz okay, aber dann ist mir plötzlich wieder Mocky in den Sinn gekommen. Ein kanadi­ scher Musiker, der schon mit Jamie Lidell (britischer Sänger; Anm.) und Leslie Feist (kanadische Sängerin; Anm.) gearbeitet hat. Den wollte ich eigentlich in New York treffen. Ich hab mir gedacht, die Chance ist klein, aber ich frag einfach mal per Mail bei ihm an. Er hat zurück­ geschrieben und war begeistert: «I love the songs! I love your voice! I would love to play on your album!» Er hat dann in Los Angeles die BassLinien eingespielt und uns geschickt. Das war so krass: Es hat sofort so geklungen, als ob wir schon lange eine Band wären! Ohne dass wir uns einmal getroffen haben. Wenn man sich das Album anhört, wird man etwas von der Stimmung des letzten Jahres spüren?

Ich glaube, man wird darin ganz fest das Bedürfnis nach Austausch spüren. Das, was ich mir in dieser Zeit am meisten gewünscht habe. Wieder mit anderen Musikern spielen zu können. Für mich ist das Album auch eine Weiterführung meiner EP «Rabbit». Die war eine Soloproduk­ tion, ein sehr einsames Stück Musik. Der nächste Schritt wäre gewesen, wieder in die Welt hinauszugehen. Dann kam Corona, und die Welt ging zu. Aber das Bedürfnis ist geblieben. Wie bist du damit umgegangen? Ich habe es so gelöst, wie es eben ging: zum Beispiel mit Mocky online. Als der Lockdown in der Schweiz zu Ende war, so Anfang Mai, konnte man sich auch wieder treffen und zusammen musizieren. Da haben wir das Proberaumstudio in ein Auto gepackt und in einer Alphütte wieder aufgebaut, und ich hab meine Lieblings-Jazzmusiker aus der Schweiz eingeladen. Also ich hab einfach nur angerufen, und sie sind alle gekommen. Das war ein wunderschönes Erlebnis. Deshalb heisst das Album auch «I Call You». Dabei wolltest du als Kind auf keinen Fall Musikerin werden. Du hast angeblich gesagt, das sei dir viel zu anstrengend. Das stimmt. Ich hab schon sehr früh Songs geschrieben. Das war das N ­ atürlichste für mich. Ich sag ­immer, das war meine erste Sprache, meine Muttersprache. Die Welt, in der ich mich ausdrücken konnte. Musikerin werden war aber nie ein Berufswunsch oder Traum. Nicht, weil es anstrengend ist – mir war wohl schon immer bewusst, dass es einfach schwierig ist, Musikerin zu werden und davon zu leben. Deshalb habe ich auch mit einem Psychologiestudium begonnen. Da hatte ich in den Vorlesungen aber immer eine Jazz-Notensammlung mit. Eine Mitstudentin hat mich irgendwann einmal gestupst und meinte: «Ey, du bist wirklich im falschen Studium.» (Lacht.) Danach habe ich Jazz studiert. Und kannst du auch Noten lesen? Ja, das hat auch noch funktioniert.

Als Anheizer für Coldplay: Lea Lu 2016 mit ihrer Band im Stadion Letzigrund in Zürich – 48.000 Zuschauer sahen ihren Auftritt.

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Wie Lea Lus Leben Farbe gewinnt: lealu.ch THE RED BULLETIN

LUKAS MAEDER

zum Virus hatten. Als die Angst weg war, war das Organisieren wichtig. Okay, was mache ich jetzt? Wie zum Teufel zahle ich meine Miete? Es ist Lockdown. Ich hab keine Konzerte, ich kann keinen Gesangsunterricht geben.



Marc Ristori

Seit einem Motorradunfall ist Marc Ristori, 39, von der Hüfte abwärts gelähmt. Seine Lebensfreude hat er deshalb nicht verloren – er fährt sogar wieder Motorrad. Interview CHRISTINE VITEL

the red bulletin: Wir konnten es nicht glauben, als wir dich in einem Video auf einem Bike gesehen haben. Keine Angst zu stürzen? marc ristori: Nicht wirklich, nein. Ich fahre ganz entspannt, und ein Sturz gehört einfach auch dazu. Eine spezielle Vorrichtung am Motorrad gibt deinen Beinen Halt. Schaltest du mit der Hand? Genau. Alles lässt sich über den Lenker bedienen: Gas, Bremse, Gänge. Es gibt zwei Knöpfe, einen zum Hochund einen zum Runterschalten. Seit dem Unfall 2007 bist du vom Rumpf abwärts gelähmt. Erinnerst du dich an den Moment, der dein Leben schlagartig änderte? Absolut. Der Unfall passierte aufgrund eines Fahrfehlers. Ich verlor die Kontrolle und kam nicht vom Motorrad runter. Ich bin mit dem Kopf aufgeschlagen – durch die Schockwelle kam es zu einer Fraktur im Bereich des fünften Rückenwirbels auf Höhe der Brustwirbelsäule. Ich lag auf dem Rücken und spürte meine Beine nicht. Mir war sofort klar, dass ich gelähmt war. Wie lange hat es gedauert, bis du dein Schicksal akzeptiert hast? Ich habe es sofort akzeptiert. Mein Ziel war, ein Maximum an Bewegung wiederzuerlangen, und von den Pro-

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phezeiungen, dass ich mich nie wieder bewegen würde können, wollte ich nichts hören. Wenn man plötzlich querschnittsgelähmt ist, bedeutet das nicht, dass man einfach so zu etwas anderem übergehen kann. Aber ich habe rasch gelernt, meine sitzende Position zu akzeptieren. Trotzdem bleibt es auch 13 Jahre nach dem ­Unfall noch ein heikles Thema. Inwiefern? Im Alltag wird man pausenlos mit seiner Behinderung konfrontiert. Morgens fühle ich mich wie jeder andere auch – nur, dass ich auf dem Stuhl sitze. Da ist diese Lust, zu laufen, die Lust, aufzustehen und zu rennen. Die Beeinträchtigung hat mich jedenfalls nicht davon abgehalten, aktiv zu sein. Ich betreibe Sport, ich habe schnell wieder angefangen zu arbeiten, ich komme viel herum … Es ist nicht so, dass ich meine Situation nicht akzeptiert hätte, unglücklich wäre oder zu wenig machen würde – aber verdammt, manchmal hätte ich einfach nur gern funktionierende Beine! Wann hast du dich entschieden, wieder Motorrad zu fahren? Nachdem ich Ricky James, den Motorradfahrer aus den USA, gesehen habe. Wenn du einmal Motorradfahrer bist, bist du immer Motorradfahrer. Dieses «Ex» für ehemalige Fahrer oder Sportler nervt mich, weil es so klingt, als wäre man nicht mehr fähig und als ob alles der Vergangen-

Du hast die Charity-­Organisation rforce8.com gegründet – mit ­welchem Ziel? Vor dem Unfall war RFORCE8 der Name meines Motorrad-Teams. Ich wollte, dass er fortbesteht und etwas für die Gemeinschaft daraus machen. Heute sind unter RFORCE8 Motorradpiloten, BMX-Fahrer und Extremsportler vereint, die möglichst viele Leute inspirieren wollen. Wir verkaufen Klamotten und unterstützen Jugendprojekte. Wirst du am Wings for Life World Run teilnehmen? Ich war lang Botschafter und habe mit meinem früheren Bike-Kollegen Mat Rebeaud teilgenommen. Es würde mir Spass machen, wieder mitzumachen, weil mir die Stimmung gefällt und die Idee grossartig ist.

Es kann jeden treffen Die Fakten zeigen, dass niemand vor ­einer Rückenmarksverletzung gefeit ist. Tatsächlich ist die Hälfte davon Resultat von Verkehrsunfällen, 24 Prozent sind auf Stürze zurückzuführen. Nur drei Prozent betreffen Extremsportler wie Marc Ristori. Um Geld für die Forschung zu sammeln, machen am 9. Mai 2021 wieder Tausende Menschen beim Wings for Life World Run mit, um so die Rückenmarksforschung zu unterstützen. Der gesamte Erlös fliesst in diese Forschung. Alle I­ nfos zum aktuellen Stand und zum Lauf: wingsforlifeworldrun.com

THE RED BULLETIN

GUILLAUME MEGVAND FOR WINGS FOR LIFE WORLD RUN

«Da ist diese Lust, zu laufen»

heit angehöre. Ich habe für mich entschieden, dass es nicht nur die Vergangenheit gibt. Heute muss ich nicht mehr regelmässig aufs Motorrad, aber wenn ich Lust habe, eine Runde mit meinen Kumpels zu drehen, dann kann ich das machen – das ist cool! Das gibt mir die Gelegenheit, in einen anderen Modus zu schalten.


«Die Behinderung hat mich nicht davon abgehalten, aktiv zu sein.» Marc Ristori verlässt seinen Rollstuhl zum Beispiel, um Motorrad zu fahren.

THE RED BULLETIN

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David Hablützel

Einer muss ja aufräumen Zum Teal-Team, mit dem David Hablützel an den Socken aus Ozeanplastik arbeitet, gehören auch preisgekrönte SportswearDesigner mit Sitz in Zürich. Sie alle sind leidenschaftliche Surfer und verstehen sich als Naturliebhaber, weshalb sie be­ müht sind, «den Planeten aufzuräumen». Schritt für Schritt: teal-project.com

Wo wird euer Plastik aus dem Meer gefischt? Es stammt aus dem Mittelmeer und dem Atlantik vor Spanien. Fischer sammeln es ein, es wird gereinigt und zu Garn verarbeitet. Welche Ideen waren bei der Krea­ tion der Socken entscheidend? Wir wollten ein Produkt schaffen, das bei überschaubarer Komplexität möglichst viele Menschen erreichen kann.

«Die Müll-Flut hat mich erschreckt» Saubere Idee: Snowboarder David Hablützel, 24, produziert Sportsocken aus Plastik aus dem Ozean. Interview WOLFGANG WIESER

the red bulletin: Du verkaufst mit Freunden Socken aus Ozean­ plastik. Was verbindet einen Snowboarder mit dem Meer? david hablützel: Es war eine Idee von Freunden. Für den Start des Teal Project auf Kickstarter (Plattform für die Crowd-Finanzierung innovativer Produkte, Anm.) habe ich sie im Marketing unterstützt. Schliesslich hat mich die Idee so begeistert, dass ich einfach dabei sein wollte. Weil 36

ich auch gerne surfe, mich dem Ozean verbunden fühle – und mir bewusst wurde, wie sehr Plastik zu einem Problem geworden ist. Hattest du ein Schlüsselerlebnis? Die Strände in Indonesien sind enorm schön, aber wenn die Flut kommt, siehst du mit Entsetzen das viele Plastik und den Müll. Das hat mich aufgeweckt, um nicht zu ­sagen: aufgeschreckt.

Warum sind diese Socken besser als andere? Obwohl wir recycelte Rohstoffe verwenden, stehen unsere Garne ihren konventionellen Konkurrenten in puncto Qualität in nichts nach. Hinsichtlich der Performance und Haltbarkeit der Socken gehen wir keine Kompromisse ein, obwohl wir bis zu 77 Prozent recycelte Roh­stoffe verwenden. Was zeichnet das Design aus? Unsere Socken sind schlicht und funktionell, kräftige Farben und tonale Abstufungen sorgen für einen stylischen, zeitlosen Look. Ausser­ dem war uns wichtig, eine gewisse Universalität zu bewahren und nicht für jede Sportart eine neue Socke anzubieten. Wir sind überzeugt, dass eine gute Sportsocke für eine ganze Reihe von Einsatzmöglich­ keiten geeignet sein sollte. THE RED BULLETIN

LAURENT FALKENBERG

Snowboarder David Hablützel: mit Socken die Welt retten

War für euch von Anfang an klar, dass es Ozeanplastik sein muss? Nein, nicht unbedingt. Anfangs haben wir auch andere nachhaltige Materialien in Betracht gezogen. Letztendlich hat uns aber das Garn aus Ozeanplastik überzeugt, weil dabei der Wertschöpfungsprozess unmittelbar mit dem Schutz der ­Umwelt verknüpft ist.


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Früher haben sie anderen Bergsteigern zu Gipfelsiegen verholfen, jetzt stehen die Sherpas einmal selbst im Rampenlicht: Der Nepalese NIMS PURJA hat alle Achttausender der Welt in Rekordzeit bestiegen. Und das war erst der Anfang. Text TOM GUISE und MATT RAY  Fotos SANDRO BAEBLER

Der 116.000HöhenmeterMann 38


Nims Purja, 38, beim Red Bulletin-Fotoshooting am Mont Blanc. Er hat 2019 alle 14 Acht­tausender der Erde innert sechs Monaten und sechs Tagen bestiegen. Zuvor hatte dieser Rekord bei fast acht Jahren gelegen.


2017 unternahm eine Gruppe von Gurkhas – Angehörige einer Elite-Truppe der britischen Armee, die aus nepalesisch-indischen Soldaten besteht – eine Expedition auf den Mount Everest. Für das militärische Relikt aus der britischen Kolonialzeit war es eine Pilgerreise von grosser Bedeutung: Sie sollte 200 Jahre Treue der Gurkhas zur britischen Krone feiern. 2015, zum eigentlichen Datum des Jubiläums, musste die Expedition abgebrochen werden: Das verheerende Erdbeben, das damals halb Nepal zerstörte, löste auf dem Everest eine Lawine aus, die das Basislager unter sich begrub. Jetzt, zwei Jahre später, stand die Expedition neuerlich vor dem Scheitern: Unsichere Wetterbedingungen hatten es in diesem Jahr unmöglich gemacht, Fixseile auf der Route zum Gipfel zu montieren. Also konnte auch niemand hinaufklettern.

«Ich dachte nur: Wow!», erzählt Nirmal «Nims» Purja, damals Teil des Gurkha-­ Kletterteams. «Unser Ruf war in Gefahr. Jeder denkt, Gurkhas sind die Tapfersten der Tapferen. Und dass der Everest in unserem Hinterhof steht. A ­ usserdem: Wann würden wir je wieder die Chance haben, um das Geld der britischen Steuerzahler da hinaufzusteigen? Also entschied ich mich, ein Team anzuführen, das die Fixseile anbringen würde.» Als das Gerücht von diesem Plan im Camp die Runde machte, war die häufigste Reaktion: Hat der Typ eine ­Ahnung, was er tut? «Niemand wusste, 40

wer ich bin», erinnert sich Purja. «Also führte ich 13 Expeditionsmitglieder zum Gipfel – es war das erste Team, das das in diesem Jahr von der Südseite aus schaffte. Als wir nach Kathmandu zurückkamen, haben wir eine Woche lang gefeiert.» Klingt verwegen? Schon, aber es geht noch weiter. Nims Purja: «Dann kletterte ich noch einmal auf den Everest, und ­danach stieg ich auf den Lhotse und den Makalu (viert- und fünfthöchster Berg der Welt; Anm.) – alles in fünf Tagen, mit jeweils zwei Tagen Party dazwischen.» Heute wissen definitiv alle, wer Nims Purja ist. Voriges Jahr hat er alle 14 Acht-

tausender dieser Welt in Rekordzeit ­bezwungen. Der alte Rekord stand bei sieben Jahren, zehn Monaten und sechs Tagen. Purja plante für ihre Besteigung sieben Monate ein. Er schaffte es dann in sechs Monaten und sechs Tagen, was den Elitesoldaten ins Rampenlicht einer breiten Öffentlichkeit katapultierte. Es bescherte ihm freilich auch harsche Kritik von alpinen Puristen – hauptsächlich für die Verwendung von Flaschensauerstoff und die Benützung von Hubschraubern zwischen den Basislagern. «Ich habe den Sauerstoff nur ganz oben genommen, beim letzten Anstieg», verTHE RED BULLETIN


Nims Purja, der Gurkha, 2002

NIRMAL PURJA

Nach der erfolgreichen Ausbildung zum Elite-Soldaten der British Army in England. «Mein Vater war ein Gurkha, meine Brüder waren Gurkhas. In der nepalesischen Community wird das sehr respektiert.»

teidigt sich Purja. «Und was die Heli­ kopter anlangt, kann ich nur sagen: Das mag für Nepal stimmen, aber in Pakistan habe ich keine Hubschrauber eingesetzt. Dort bin ich von Basislager zu Basislager gelaufen. 23 Tage für alle fünf Gipfel, mein Freund! Ich habe kein Problem mit Kritikern. Wenn irgendjemand meinen Rekord bricht, dann bin ich der Erste, der ihm gratuliert. Aber es redet sich leicht, wenn man es nicht tun muss!» Er denkt kurz nach, dann fügt er ­hinzu: «Bitte schreib, dass Nims das mit einem Lächeln gesagt hat, okay?» Wir ­sitzen in einem Hotelzimmer am Fuss THE RED BULLETIN

des Mont Blanc, wo Purja seinen Urlaub verbringt. Der Mann strahlt mit der Sonne um die Wette. Er ist so muskulös, wie man sich das vorgestellt hat, aber ein bisschen kleiner – eins siebzig. Den Entdecker-Schnauzbart, den er voriges Jahr bei seiner «Project Possible»Tour trug, hat er abrasiert. Darunter kommt ein Bubengesicht zum Vorschein, das ihn viel jünger macht. «Ich bin 38», sagt er. «Oder, um ganz ehrlich zu sein: Ich weiss nicht, wie alt ich bin. Ich feiere auch meinen Geburtstag nie, weil ich der Ansicht bin, Alter ist Einstellungssache. Wenn du denkst, dass du alt wirst, hast

du gleich eine Entschuldigung.» Ein ver­ blüffendes Selbstverständnis. Aber bloss eine von vielen Überraschungen, die den Mythos Nims Purja prägen. Nur ein Beispiel: Es heisst, dass ­nepalesische Kletterer davon profitieren, dass sie in grosser Höhe aufwachsen. «Ich komme aus Chitwan», klärt Purja auf. «Das ist der flachste und wärmste Teil Nepals, fast auf Meeresniveau. Wir waren eine wirklich arme Familie und lebten in einem kleinen Haus mit Hühnern neben­ an. Ich hatte nicht einmal Flip-Flops. Das änderte sich, als meine zwei Brüder zu den Gurkhas kamen.»   41


Annapurna, April 2019

Um ihrem Bruder ein besseres Leben zu ermöglichen, schickten ihn die Geschwister ins Internat, wo aus ihm ein exzellenter Schüler wurde. «Ich war immer unter den besten fünf», erzählt Purja, «ich hätte auch der Beste sein können, aber ich zog es vor, mit einer Zwei-Stunden-Prüfung in einer Stunde fertig zu sein, damit ich als Erster das Klassen­ zimmer verlassen konnte. Aber ich wollte weder Arzt noch Ingenieur werden. Ich sah zwei Möglichkeiten: Eine war, der Robin Hood von Nepal zu werden, um die Reichen, die keine Steuern zahlen, rauszuschmeissen und das Geld den 42

­ rmen zu geben.» Er entschied sich für A Option Nummer zwei: die Gurkhas. «Zu meiner Zeit haben sich 32.000 Nepalesen beworben, nur 320 von ihnen wurden aufgenommen. Ich fing mit fünfzehn zu trainieren an: Ich stand um drei Uhr früh auf, rannte 25 Kilometer mit Gewichten an den Beinen. Um fünf Uhr war ich zurück im Bett. Ich schaffte die Aufnahme bei den Gurkhas beim zweiten Versuch.» Auf seine Zeit in der Armee ist Purja sehr stolz: 2002 kam er zu den Gurkhas, übersiedelte in ihr Trainings­ center in England. 2009 wechselte er zur Spezialeinheit «Special Boat Service»,

kurz: SBS – er ist der einzige Gurkha, dem das jemals gelang. Details? Alles streng geheim: «Was ich sagen kann, ist, dass ich angeschossen wurde und dass ich bei einigen der heikelsten Operationen der Welt dabei war.» Doch zurück zum Bergsteigen. Nims Purjas aussergewöhnlichstes Talent besteht in seiner unglaublichen Fähigkeit zur Regeneration: Normalerweise dauert es Wochen, bevor sich der Körper – zum Beispiel in einem Basislager – an den niedrigen Luftdruck in grosser Höhe gewöhnt hat. Während dieser Zeit steigt der Wert des Hämoglobins im Blut an – jenes THE RED BULLETIN

NIRMAL PURJA/PROJECT POSSIBLE

Der mit 8091 Metern zehnt­höchste Gipfel der Welt gilt auch als einer der gefährlichsten. Lawinengefahr zwang Purjas Team, über die selten benützte «Dutch Rib»-Route (im Bild) aufzusteigen.


Es ist ein schmaler Grat zwischen mutig und dumm – im Moment zu leben und dabei zu sterben. Ich will eine ganz lange Zeit im Moment leben.



«Ich wollte der Welt zeigen, was möglich ist, wenn du Geist, Herz und Seele in ein Projekt hineinwirfst.»

Purja hat in diesem Sommer am Mont Blanc Speedflying gelernt, die auffrisierte Variante des Gleitschirmfliegens. Das wird in Zukunft seine Abstiege deutlich beschleunigen.

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«Ich liebe, was ich tue, aus tiefstem Herzen. Und ich habe so viel Spass, dass ich nie müde werde. Auf einem Achttausender werde ich erst lebendig.»

Gasherbrum II, 18. Juli 2019 Nims Purja erreicht am 18. Juli 2019 den Gipfelgrat des Gasherbrum II, des neunten Achttausenders auf seiner «Project Possible»-Tour.

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THE RED BULLETIN


«ICH TRAGE MEINE FAMILIE IMMER BEI MIR»

DAVID SHERPA/PROJECT POSSIBLE

Vier Tage bevor Nims Purja sein «Project Possible» startete, unterzog er sich der letzten Sitzung für ein Stück Körper­ kunst, das jetzt seinen Rücken schmückt. Die Arbeit zeigt die 14 Berge seiner Tour – vom kleinsten, dem 8027 Meter hohen Shishapangma ganz unten, bis zum Mount Everest (8848 m), der bis hinauf zum Nacken reicht. Aber es ist kein herkömm­ liches Tattoo. Das Werk, in vier Sitzungen von der Londoner Tattoo-Künstlerin Valerie Vargas gestochen, enthält nämlich

Proteins, das in den roten Blutkörperchen für den Sauerstofftransport sorgt. Nur so, dachte man bis vor kurzem, kann der Aufstieg auf einen Achttausender gelingen; und danach braucht der Bergsteiger Wochen, um sich von der Strapaze zu erholen. Als Nims Purja 2019 von ­Everest, Lhotse und Makalu zurückkehrte – ein Teil seiner «Project Possible»-Tour –, hatte er für die drei Gipfel 48 Stunden und 30 Minuten gebraucht. «Meine Regenerationszeit ist tatsächlich sehr kurz», sagt Purja zu dem medizinisch kaum erklärbaren Phänomen, «aber für mich ist auch das eine Frage THE RED BULLETIN

den genetischen Code von Purjas Angehörigen. Das ent­ sprechende Verfahren wurde 2016 von Ex-Navy-SEAL Boyd Renner und ­seinem Geschäftspartner Patrick Duffy patentiert: «Everence» verarbeitet DNA – in Purjas Fall waren es Haare von Eltern, Geschwistern und seiner Frau – zu einem medizi­ nischen P ­ olymer in Form eines Pulvers, das mit Tätowierfarbe vermischt werden kann. Diese Tinte wurde verwendet, um die Gebets­fahnen auf Purjas Rücken herzustellen.

der Einstellung. Ich liebe, was ich tue, aus tiefstem Herzen. Und ich habe so viel Spass dabei, dass die ganze Müdigkeit verschwindet. Ein Achttausender? Das ist ein Ort, an dem ich erst lebendig werde. Das ist mein Spielplatz.» Dabei hat er erst im Alter von 29 Jahren das erste Mal Steigeisen angeschnallt. Der erste Berg, den er bestieg, war der 6119 Meter hohe Ostgipfel des Lobuche im Jahr 2012, davor hatte er keinerlei Bergsteiger-Erfahrung gehabt. Zwei Jahre später bezwang er mit dem Dhaulagiri seinen ersten Achttausender und entdeckte dabei seine verblüffende Fähig-

keit, in grossen Höhen aufzublühen. «Ich kletterte da in 14 Tagen ohne jede Akklimatisation hinauf», erzählt er. Dennoch ist selbst er nicht gegen die Effekte der sogenannten «Todeszone» oberhalb von 8000 Metern gefeit, wie er bei seiner Erstbesteigung des Mount Everest 2016 merkte. «Ich ging mit meiner Ausrüstung und dem Sauerstoff zum ­Basiscamp. Normal brauchen die Leute für so was sechs Wochen. Ich machte es in fünf Tagen», erinnert er sich. «Als ­Gebirgsjäger beim SBS wusste ich natürlich, dass das viel zu schnell war, aber mir ging es gut. Doch dann bekam ich   47


ein Lungenödem. Das war wie Ertrinken. Doch noch mehr schmerzte mich die ­Erkenntnis, dass ich das mit meiner Erfahrung hätte vermeiden können. Aber du weisst halt erst, wo deine Grenzen sind, wenn du sie überschreitest.» Ein kühner Zugang, gewiss, aber Purja sieht das differenziert: «Freilich mag das vielen Leuten waghalsig erscheinen. Selbst in der Spezialeinheit war ich bekannt für meine Risikobereitschaft, aber das Risiko ist nicht für alle gleich. Ich könnte zum Beispiel nicht BASE-jumpen. Du lebst im Moment, aber das heisst nicht, dass du keine Risikobewertung 48

vornimmst. Es ist ein schmaler Grat zwischen mutig und dumm – im Moment zu leben und dabei zu sterben. Ich will eine ganz lange Zeit im Moment leben.»

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ls Purja 2018 zum Leiter der SBS-Abteilung «Kriegsführung in extremen Kältegebieten» ernannt wurde, wandte er sich mit einer Bitte an seinen Kommandanten. «Ich sagte: ‹Weil das jetzt mein Job ist und ich noch so viel Urlaub habe, möchte ich mir gern 18 Tage freinehmen und auf die fünf höchsten Berge der Welt klettern. Das bringt auch was für die Ein-

THE RED BULLETIN

NIRMAL PURJA

Everest, 2017 Nims Purja als Mitglied der «Gurkha 200»-Expedition auf dem Weg zum Gipfel des Mount Everest. «Das Wetter war brutal», erinnert er sich, «aber aufzugeben war keine Option.»

heit.› Zuerst waren meine Vorgesetzten begeistert, doch dann sagten sie: ‹Dieses Risiko kannst du nicht eingehen.› Ich sagte: ‹gut›, und beschloss zu kündigen.» Es war keine leichte Entscheidung. «Ich war in meiner Familie der Allein­ verdiener. Jeden Monat schickte ich Geld von meinem Gehalt direkt nach Hause an meine E ­ ltern. Mein Vater lag halbseitig gelähmt im Spital, meine Mutter lebte in einem Zimmer in Kathmandu, um bei ihm zu sein. Mein Bruder rief mich an: ‹Du bist jetzt so nahe an deiner Pension, warum willst du das opfern?› Er war ­wütend und hat zwei Monate kein Wort mit mir gesprochen.» Inzwischen drohte auch Purjas ehrgeiziger Plan – er hatte das Vorhaben, alle 14 Achttausender in Rekordzeit zu besteigen, mittlerweile «Project Possible» getauft – an der Realität zu zerschellen. «Ein Freund, der sich um die Finanzierung kümmern sollte, sagte: ‹Es tut mir leid, aber ich habe überhaupt kein Geld zusammenbekommen, obwohl ich es sieben Monate lang versucht habe.› Mir blieben gerade einmal zwei Monate, um 750.000 Pfund (fast 900.000 Franken; Anm.) aufzutreiben. Es war hart, die p ­ otenziellen Sponsoren anzubetteln. Zwar bekam ich 1000 Pfund da, 5000 dort, aber es war nicht genug. Niemand glaubte an meine Vision. Einige sagten: ‹Wenn Sie so ein Teufelskletterer sind, warum haben wir dann noch nie etwas von Ihnen gehört?› Und ich sagte darauf: ‹Weil ich in einer Spezialeinheit war.› Also verpfändete ich mein Haus. Ich bekam 60.000 Pfund und legte 10.000 davon zur Seite, damit ich die Hypothek würde bedienen können, falls etwas passieren sollte. Ich startete das Projekt also mit knapp sieben Prozent der Summe, die dafür nötig war. Eines Tages kamen mir im Auto die Tränen. Ich weine sonst nie, aber da konnte ich nicht aufhören. Der einzige Gedanke, zu dem ich fähig war, lautete: Warum tue ich mir das an? Es war so schmerzhaft. Aber es ging nicht um mich. Ich machte das für ein höheres Ziel.» Wenn du dich auf eine Mission in ­dieser Grössenordnung einlässt, dann brauchst du ein höheres Ziel, sagt Purja. «Wenn es nur darum gegangen wäre, ­einen Rekord zu brechen, dann hätte ich gesagt: Der Rekord steht bei fast acht Jahren; ich mache es in sieben. Aber ich wollte mehr. Ich wollte der Welt zeigen, was alles möglich ist, wenn du deinen ganzen Geist, dein Herz und deine Seele


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PURJAS PACKLISTE Was der Gipfelstürmer auf seinem Erfolgsweg dabeihatte (im Uhrzeigersinn, oben links beginnend). 1. Thermosflasche, Inhalt: 1 Liter. «Ich habe keine anderen Wasser­ flaschen bei mir, ich nehme heisses Wasser, um Schnee zu schmelzen. So mache ich zwei Liter aus einem und spare Gewicht.» 2. Eisgerät Black Diamond Cobra aus Carbon. «Sehr leicht und viel­ seitig einsetzbar. Er wird zur Füh­ rungsarbeit auf technisch schwieri­ gen Kletterrouten verwendet und hilft, Stürze zu bremsen.» 3. Baseballkappe. «Weil du deinen Kopf gegen die Sonne schützen musst.» THE RED BULLETIN

4. Sonnenbrillen (nicht im Bild) 5. Daunenanzug ThruDark (nach Mass gefertigt). «Entworfen von zwei Freunden bei der Spezialeinheit; das ist bereits die dritte Generation von Gipfel-Anzügen, die ich benütze. Er hält Temperaturen bis zu minus 40 Grad Celsius stand.» 6. Beanie-Haube 7. 40 Meter leichtgewichtiges und wasserabweisendes Alpin-Seil 8. Ein Paar Steigeisen 9. Ein Seesack «für meine kom­ plette Expeditions-Ausrüstung».

10. Leichtgewichts-Klettergurt «mit all meiner Kletter-Ausrüstung: zwei Eisschrauben und ein Rettungs­ system inklusive Mini-Steigklemme (zum Aufsteigen am Seil), Siche­ rungsgerät (um einen nachkom­ menden Bergsteiger zu sichern), Bandschlinge und Prusik-Schlinge» (ein Stück fester Schnur, das beim Abseilen als Selbstsicherung ans Hauptseil geknotet wird). 11. Dicke Socken 12. Drei Schichten von Hand­ schuhen. «Arbeitshandschuhe und grosse Gipfelhandschuhe».

13. Schichten von Unterwäsche 14. Expeditionsschuhe. «Weisst du, warum sie schwarz sind? Weil ich bei dieser Marke vorstellig wurde und um Unterstützung bat – und sie sagten nein. Also habe ich ihr Logo mit einem Filzstift übermalt.» 15. Rucksack. «Ich habe den Nims 120 (Fassungsvermögen 120 Liter) mit Osprey entworfen. Es ist der ultimative Rucksack für Bergsteiger: leichtes Material, klein und kompakt, aber es passt viel hinein – schliess­ lich müssen wir das Zelt, den Sauer­ stoff und all das mitschleppen.»

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«Wenn jemand meinen Rekord bricht, werde ich der Erste sein, der gratuliert.»

Purjas neue Mission: «Ich werde meine Kraft und meinen wachsenden Einfluss nutzen, um die Menschen auf die Ge­fahren des Klimawandels auf­ merksam zu machen.»


in ein Projekt hineinwirfst. Und ich wollte die Aufmerksamkeit auf die nepalesischen Kletterer lenken. Während der letzten hundert Jahre standen wir immer nur im Hintergrund, doch das Klettern in grössten Höhen ist unser Revier. Ich hatte das Gefühl, da etwas unternehmen zu müssen. Das war es, was mir die Energie gegeben hat, das durchzustehen.» Purja ist kein Sherpa im ethnischen Sinn, aber er identifiziert sich mit dem Begriff, wenn er für Nepalesen ver­ wendet wird, die in der Kletter-Szene ­arbeiten. Sein Team besteht ausschliess­ lich aus nepalesischen Bergsteigern. Sie sind in seinem Windschatten ebenfalls zu Stars geworden – etwa Mingma David Sherpa, der nun mit 31 Jahren der jüngs­ te Kletterer ist, der alle 14 Achttausender bezwungen hat. «Er ist meine rechte Hand», schwärmt Purja, «einer der stärksten Sherpas, die ich je gesehen habe.» Die Mannschaft hat dem Chef mittlerweile einen neuen Namen ver­ passt. Liebevoll nennen sie ihn «Nimsdai» – die zweite Silbe dai heisst in Nepal so viel wie «älterer Bruder». Diesen Vor­ namen verwendet Purja jetzt offiziell, er steht auch auf seinem neuen Buch: «Beyond Possible: One Soldier, Fourteen Peaks – My Life in the Death Zone» (Jenseits des Möglichen: ein Soldat, vierzehn Gipfel – Mein Leben in der Todeszone).

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m 23. April 2019 erreichte das Team von Project Possible den Gipfel seines ersten Achttausen­ ders – den der Annapurna in ­Nepal, die als tödlichster Berg der Welt gilt. Beim Abstieg erfuhr Purja, dass ein anderer Kletterer, der Arzt Chin Wui Chin aus Singapur, in Schwierigkeiten geraten war. Er hatte in einer Höhe von 7500 Metern sein Team verloren. Darauf­ hin unterbrach Purja die Mission, um ­gemeinsam mit zwei ­anderen aus der Seilschaft nochmals hinaufzusteigen und den Bergsteiger aus seiner Notlage zu bergen (bedauerlicherweise erlag Chin zwei Tage danach im ­Spital seinen Verletzungen). Zwei Tage später, am Kangchend­ zönga, dem dritthöchsten Berg der Erde, machten sie noch einmal einen Umweg, um zwei weitere Bergsteiger zu retten. Diese Geschichten machten weltweit Schlagzeilen, ganz zu schweigen von dem berühmten Foto, das Nims Purja am Mount Everest schoss und das eine unfassbare Schlange von Kletterern zeigt, die sich vor dem Gipfel gebildet hat.

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«Kletterer aus Nepal standen die letzten 100 Jahre im Hintergrund. Ich wollte die Aufmerksamkeit auf sie lenken.»

«Als ich mich regelmässig aus den ­ ergen gemeldet habe», erinnert sich B Purja, «begannen die Leute auch für ­meine Mission zu spenden.» Noch ent­ scheidender: Sponsorengelder begannen ebenfalls zu sprudeln – endlich glaubten auch die Geldgeber an Purjas Vision. Wenn er je Zweifel am Erfolg seiner Mission verspürt hat, dann war das am K2, dem mit 8611 Metern zweithöchsten Berg der Welt. Die Bedingungen waren so schlecht, dass sogar Purjas nepalesische Kollegen meinten, es sei wohl unmög­ lich, den Gipfel zu erreichen. «Da dachte ich: Oh Mann, kann ich das schaffen? Doch in dieser Situation erinnerte ich mich an das Auswahlverfahren für das SBS: 200 Soldaten wollten in diese Spezial­einheit – alle glaubten von sich, dass sie die Besten seien, aber nur vier schafften es. Würdest du den 196 Ge­ scheiterten zuhören, würdest du es wohl kaum versuchen.» Purja entschied also, den Anstieg zum K2-Gipfel mit jeweils zwei Mitgliedern seines Teams zu versuchen. «Ich sagte: ‹Wenn wir es beim ersten Versuch nicht schaffen, dann kommen wir wieder run­ ter. Ihr zwei ruht euch dann aus, und ich mache mit zwei anderen einen weiteren Anlauf.› So haben wir insgesamt sechs Versuche, bevor ich anfange, übers Auf­ geben nachzudenken.»

Der Gipfelsturm klappte schon beim ersten Versuch. Am 24. Juli 2019 stand Purja mit seinen beiden Teamkameraden am Gipfel des K2.

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enn Nims Purja, der für seine Leistungen inzwischen zum Mitglied des Order of the ­British Empire ernannt wurde (MBE), am Mont Blanc Ferien macht, darf man das wörtlich verstehen: Der mit 4808 Metern höchste Berg der Alpen ist für ihn nicht mehr als ein Spaziergang. Er hat diesen Sommer dazu genutzt, Flie­ gen zu lernen. Präziser: Er lernte Speed­ flying, die auffrisierte Variante des Gleit­ schirmfliegens. Man benutzt dafür einen kleinen und leichten Schirm, der einfach zu transportieren ist und sich deshalb bei Extrem-Bergsteigern zunehmender Beliebtheit erfreut. «Du kommst damit ganz schnell und mit Stil vom Gipfel run­ ter und kannst auf direktem Weg zum nächsten Berg fliegen», erklärt Purja fröhlich. Man ahnt: Der Mann ist immer mit Vollgas unterwegs, das ist seine Idee von Spass. Dazu passt auch, dass er Hard­ rock-Fan ist, am liebsten mag er AC/DC («Im SBS-Hubschrauber habe ich immer volle Pulle ‹Thunderstruck› im Kopfhörer gehabt»). So lässig Purja auch scheinen mag, wenn es um seine Leistungen und Fähig­ keiten geht, so ernst nimmt er seine Ziele. Eines ist erst vor kurzem dazu­ gekommen: der Kampf gegen den ­Klimawandel. «Ich hatte nie daran ge­ glaubt», sagt er. «Aber als ich 2014 auf den Ama Dablam geklettert bin, hatten wir in Camp 1 genug Schnee zum Schmelzen und Kochen. Als ich 2018 wieder dort war, mussten wir gallonen­ weise Wasser vom Basecamp dort hin­ aufschleppen. Da erkannte ich: Oh mein Gott, dieser Wahnsinn passiert ja wirklich!» Purja weiter: «Wir alle sind Teil ­dieser Katastrophe. Ich werde meine Kraft und meinen wachsenden Einfluss dazu nutzen, um die Menschen davon zu überzeugen. Ich glaube, wir haben noch die nächsten zwei Jahrzehnte Zeit, um das Problem zu lösen.» Denn wenn Nims Purja auf seinen Achttausender-Expeditionen eines ­gelernt hat, dann das: «Es gibt für jedes Problem eine Lösung.» Purjas Buch «Beyond Possible: One Soldier, Fourteen Peaks – My Life in the Death Zone» ist bereits erschienen. Nimsdai.com; Instagram: @nimsdai

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EXTREM – ABER MIT KÖPFCHEN  Ueli Kestenholz geht eigene Wege –   privat wie als Sportler.   Warum man auch als Erfolgsmensch offen   für Neues bleiben sollte, erklärt er uns   bei einem Speedride-Stunt.

W « Ich höre immer auf mein Bauchgefühl, damit bin ich bislang gut gefahren. »

ie man ihn bezeichnen soll? Ueli Kestenholz gerät kurz ins Grübeln. Der Begriff «Extremsportler» passt ihm nicht; ­lieber hat er es, wenn man ihn «Outdoor-Athlet» nennt. ­Freilich kennt ihn alle Welt als Schweizer Snowboard-Pionier, der an Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen Medaillen ­gesammelt hat. Dass er sich seither neu erfunden hat und heute ­spektakuläre Film- und Fotoprojekte realisiert, zum Board auch gern Free­ride-Ski, Speedride- und Gleitschirm einpackt und andere Sportbegeisterte in seine Welt entführt, ist typisch für ihn. Denn Ueli Kestenholz ist keiner, der sich auf seinen Lorbeeren a ­ usruht. Im Gegenteil: Der Berner sucht die Herausforderung und möchte ausgetretene Pfade so oft wie möglich vermeiden. Seinen eigenen Weg gehen – diese Philosophie zieht sich wie ein roter Faden durch seine Vita. Auf dem Höhepunkt seines Erfolgs in der alpinen Snowboard-Szene


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OFFROAD – IN DER NATUR UND IM ALLTAG Ueli Kestenholz mit seinem Mazda CX-5

Draufgänger, aber auch Planer Für eine Speedride-Aktion fahren wir mit ihm in die Berninapass-­ Region unweit der schweizerischitalienischen Grenze. Abseits der grossen Massen findet er die Ruhe und die richtigen Bedingungen für seine Stunts. Für alle Fälle packt der Naturfreak zu Hause auch

steuern», sagt er lächelnd. Er plane seine Aktionen immer akribisch im Voraus und achte darauf, dass sämtliche Puzzleteile zusammenpassen. «Es gibt immer einen ‹point of no return›. Aber wenn ich mich einmal entscheide, diesen Punkt zu überschreiten, weiss ich: Es wird funktionieren.»

MARC WEILER PHOTOGRAPHY

POWDER-LOVE Naturfreak Ueli Kestenholz auf eigenen Pfaden

hörte er auf, weil für ihn die Ausrichtung nicht mehr stimmte. Und um mehr Mitspracherecht für Athleten zu erreichen, scheute er auch die Konfrontation mit dem Verband nicht. «Ich höre immer auf mein Bauchgefühl, damit bin ich bislang gut gefahren», sagt der 45-Jährige. Er sei überzeugt davon, dass man Herausforderungen als Chancen sehen und Neues wagen sollte. Auf diese Weise entdeckte er auch das Speedriding für sich – eine Variante des Gleitschirmfliegens mit Ski, bei der enorm hohe Geschwindigkeiten erreicht werden können.

­ ourenski, das Snowboard und den T Gleitschirm in seinen Mazda CX-5. «Platz hat das Auto schliesslich ­genug, und ich möchte für alle Fälle ausgerüstet sein», lacht er. Dank dem Allradantrieb seines Mazda CX-5 meistert er die schneebedeckten Strassen ohne Mühe, und auch bei den vielen kurvigen Passstrassen kann das Kompakt-SUV seine Qualitäten ausspielen. «Der Mazda CX-5 hat sich als treuer Begleiter bewährt», sagt Kestenholz. Zumal der dynamische Offroader auch für einen Abenteurer wie ihn jede Menge sportlichen Fahrspass garantiert – und mit einem zeitlos eleganten ­Design punktet. Dann weiss ich: Es funktioniert Halbe Sachen kommen für den ­Thuner auch bei seinem Sprung nicht infrage. Der Familienmensch mag im Sport ein Draufgänger sein, seine Aktionen jedoch sind bis ins letzte Detail durchdacht. Vor allem die Windverhältnisse sind entscheidend; schliesslich will er möglichst knapp über seinen Mazda CX-5 ­fliegen und darf mit seinem Schirm keine Bäume touchieren. «Ein ­gewisses Risiko ist immer dabei, aber man kann dieses Risiko auch

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GLÜCKLICH

Abheben und einfach sein – mit den Armen steuert Noé den Flug.

Ich kann Zuerst katapultiert ihn eine Schanze zwölf bis fünfzehn Meter in die Luft, dann muss er eine harte Landung durchstehen. In den drei Sekunden dazwischen fühlt sich NOÉ ROTH, 20, in seinem Element. Trotz seiner Jugend gilt er als einer der besten Ski-Akrobaten der Welt. Text HANNES KROPIK Fotos GIAN PAUL LOZZA


fliegen   55


«Noé besitzt ein unglaubliches Lagegefühl in der Luft.» Michel Roth, Noés Vater und Trainer, über das besondere Talent seines Sohnes


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er Laie traut seinen Augen nicht, der Connaisseur schnalzt mit der Zunge. Man muss schon sehr genau hinsehen, um zu erkennen, welchen Trick der ­Ski­akrobat in den Himmel zaubert. Ein Sprung etwa, den das Regelbuch als «Full-Double-Full-Full» kennt, besteht aus einem Salto mit einer Schraube (Full), der fliessend in einen Salto mit DoppelSchraube (Double-Full) und einen wei­ teren Salto mit Einfach-Schraube (Full) übergeht. Also drei gestreckte Rotationen um die Körper-Querachse, kombiniert mit vier Rotationen um die Längsachse. Siebenmal 360 Grad, gesamt 2520 Grad. In knapp drei Sekunden. Gefolgt von einer Landung, so hart wie nach einem Sprung aus dem dritten Stock. «Für mich», sagt Noé Roth, «fühlt es sich einfach wunderschön an. Ich fliege.» Noé Roth aus der Zuger Gemeinde Baar ist der neue Aerials-Überflieger. Im vergangenen Winter krönte er sich – im Alter von 19 Jahren – als erster Schweizer Athlet seit Sandro Wirth 1983 zum Welt-

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cupsieger; schon im Jahr davor hatte er an der WM in Park City in Utah Gold im Team und Einzel-Bronze gewonnen. Und das in einer Sportart, in der Routine ein ganz wesentliches Moment ist – doch der Juniorenweltmeister von 2018 scheint die (noch) mangelnde Erfahrung durch seine perfekten Gene für diesen Sport zu kompensieren: Mutter Colette Brand gewann 1996 den Aerials-Gesamtweltcup, feierte 13 Weltcupsiege und ­triumphierte 1992 bei den Olympischen Spielen (wo Aerials allerdings nur als ­Demonstrations-Wettkampf ausgetragen wurde); Vater Michel «Misch» Roth gewann als Aktiver zwei Weltcupspringen und ist seit 1991 Cheftrainer des Schweizer Aerials-Nationalteams. Der Papa und Coach in Personalunion weiss natürlich genau, was den 180 Zentimeter grossen und 68 Kilogramm leichten Junior auszeichnet: «Noé hat das Gefühl, fliegen zu können. Er besitzt ein unglaubliches Lagegefühl in der Luft, er spürt sehr schnell und sehr exakt, wie viel ­Rotation er hat. Dieses Gespür bringen nur ganz wenige Sportler mit. Deshalb sehen bei ihm selbst äusserst komplexe Sprünge nie schwierig aus.»

Die Basis für die spielerische Leichtigkeit, mit der Noé Rotation an Rotation reiht, wurde lange vor Beginn der schu­ lischen Laufbahn gelegt. «Weil meine Mama vormittags arbeiten musste, bin ich immer mit meinem Papa zum Training mitgefahren», erzählt Noé. Dort, in der Wassersprunganlage «Jumpin» in Mettmenstetten, hatte es ihm besonders das Trampolin angetan: «Ich konnte schon sehr früh Salti ­springen und dadurch mein Fluggefühl entwickeln.» Mit sechs Jahren begann Noé zusätzlich, seine Fähigkeiten im Turnverein zu schärfen. «Es hat mir immer riesigen Spass gemacht, und das hat sich bis ­heute nicht geändert. Vor Wettkämpfen bin ich nicht besonders nervös, sondern freue mich darauf, mich mit anderen messen zu dürfen.»

SCHWUNGVOLL Sieht alles ganz leicht aus, aber Noé hat unglaublich viel Zeit in seine Fähigkeiten investiert.

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Wie ein Katapult

Noé Roth erklärt die Grundlagen eines Sports, in dem er hoch hinauswill. Seine erste Trophäe gewann Noé bereits als Kind – ohne überhaupt an einem Wettkampf teilgenommen zu haben: «Ich war damals sechs, vielleicht sieben Jahre alt und wie jeden Tag im Sommer mit meinem Vater an der Wasserschanze. Meine früheste Erinnerung an diesen Sport ist, wie ich zum ersten Mal über die kleine Schanze fahre. Daneben hat eine Gruppe gerade einen Wettkampf abgehalten, wer den coolsten Sprung zeigt. Sie haben mich, den kleinen Jungen, ­offenbar gesehen und mir danach einen riesigen Pokal überreicht. An das Gefühl beim Sprung kann ich mich zwar nicht mehr erinnern, aber dass ich einen Pokal gewonnen habe, hat mir gefallen. Er hat immer noch seinen Ehrenplatz in meiner Trophäensammlung.»

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Noé 2019 bei der WM in Park City, Utah: Gold im Team, Bronze im Einzel

Aerials ist seit 1994 olympisch. Die erste Goldmedaille gewann der Zuger Andreas Schönbächler; bei den Damen krönte Evelyne Leu ihre Karriere 2006 mit dem Olympiasieg, Noé Roths Mutter Colette Brand sprang 1998 zur Bronzemedaille. Die Skiakrobatik zählt – neben Moguls, Big Air, Halfpipe und Slopestyle – zu den fünf Geschicklichkeitsdisziplinen, die unter dem Begriff Freestyle Ski­ ing zusammengefasst werden. Gesprungen werden dürfen nur im Regelbuch definierte Kombi­ nationen aus Salti, Drehungen und Grätschen. Sie sind mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden versehen und werden von fünf Punkte­ richtern nach den Kriterien Air, Form und Landing bewertet. «Bei Wettbewerben stehen je nach Anzahl der geplanten Salti unterschiedliche Schanzen zur Verfügung», erklärt Noé. «Für den Dreifachsalto brauchst du eine Anfahrtsgeschwindigkeit von 65 bis über 70 km/h, die Rampe zieht steil hinauf und hat beim Absprung einen Radius von genau 71 Grad.» Anders als Skispringer drücken sich die Skiakrobaten aber nicht kraftvoll vom Schanzentisch ab: «Es reicht, einfach drüberzu­ fahren. Wir werden so dynamisch

hinauskatapultiert, dass wir einen Luftstand von 12 bis 15 Metern erreichen.» Auf Stöcke wird verzichtet, die nicht taillierten Ski sind eine Spezialanfertigung auf Carbon­ basis, 150 Zentimeter lang und (ohne Bindung) pro Latte ledig­ lich 900 Gramm leicht. Wachs ist – anders als im ­alpinen Rennlauf – kein wesent­ licher Faktor, «und die Ski haben praktisch keine Kanten, weil wir ja nur geradeaus fahren und das Risiko des Verkantens minimie­ ren wollen». Die Rotationen werden erst nach dem Absprung eingeleitet und mithilfe der Arme gesteuert. Der Blick ist dabei nach Möglich­ keit immer auf jenen Bereich gerichtet, in dem etwa drei Sekunden nach dem Absprung die Landung erfolgen soll. Sprünge wie den dreifachen Salto mit drei Schrauben, kurz «Full-Full-Full» genannt, «kann man so richtig geniessen», sagt Noé Roth, «weil du ab dem ersten Salto praktisch immer den Boden siehst. Wenn du einem Salto eine zweite oder gar dritte Schraube hinzufügst, wird es schwieriger. Du siehst nicht, wo du bist, und musst auf dein Gefühl ver­ trauen.»

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GETTY IMAGES

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ater Michel Roth kann sich ganz genau an die Anfänge ­seines Sohnes erinnern. «Wir haben ihn zwar gefördert, aber nie gedrängt. Er wollte einfach von sich aus springen und nachmachen, was er bei den Erwachsenen gesehen hat. Noé hat sich als Kind sehr viele Sprünge selbst beigebracht, indem er Bewegungsabläufe einfach ausprobiert hat. Er konnte sehr früh Dinge, die andere Kinder in diesem Alter nicht konnten – zum Beispiel den Doppelsalto am Trampolin oder Schrauben in unterschiedlichsten Variationen.» Natürlich ist ein Verletzungsrisiko nie restlos auszuschliessen, dennoch hatte der ehemalige Weltklasse-Athlet nie wirklich Angst um seinen Buben: «Im Gegenteil. Ich war extrem stolz! Ich fand das cool. Seine Begeisterung hat auch in mir eine grosse Freude ausgelöst, denn es war ja mein Sport, mein Leben. Ich lebe in dieser Welt, seit ich sechzehn bin, und habe selbst nie etwas anderes gemacht. Allerdings war ich nie so gut, wie er es jetzt schon ist.» Die Besorgnis Aussenstehender kann der Nationalcoach nachvollziehen, will die Gefahren aber richtig eingeordnet wissen: «Natürlich sieht das, was wir ­machen, extrem aus. Aber wir sind keine wilden Hunde. Wilde Hunde springen nicht lange. Noé ist alles andere als ein Draufgänger. Er hat unglaublich viel Zeit und Anstrengung in seine Fähigkeiten investiert. Du springst ja nicht sofort einen Dreifachsalto mit drei Schrauben, sondern fügst wie bei einem Puzzle immer ein weiteres Teil zum Gesamtbild hinzu.»


«Es kommt ganz wesentlich auf das richtige Timing an.» Noé über das entscheidende Quäntchen mehr, das einen Sprung perfekt macht


IM FREIEN FALL

Das sieht nur so halsbrecherisch aus. NoĂŠ weiss zu jeder Zeit, was er tut.


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oé wohnt noch bei seinen Eltern. Seine Freizeit verbringt er am «Jumpin»-Trainingsgelände und geht am Bungeegerät in die Luft. Wenn es ihn nach sportlicher Ab­ lenkung gelüstet, surft er im Wavepool in Luzern oder hüpft mit seinem Skate­ board in der Miniramp herum. Und na­ türlich kann er – auch wenn seine Diszip­ lin ohne Schwünge auskommt – richtig gut Ski fahren. Die Frage nach anderen Hobbys, anderen Themen, die ihn wirk­ lich interessieren, lässt Noé lang inne­ halten. Die Antwort fällt knapp und be­ stimmt aus: «Sport. Ja, Sport ist mein Leben.» Und so ist es kein Wunder, dass der Bewegungsfanatiker für jede Art von ­Bürotätigkeit denkbar ungeeignet ist. Seine Kaufmannslehre beendete Noé auf nachdrücklichen Wunsch bereits im Alter von 17 Jahren: «Ich wollte das ja von ­Anfang an nicht machen. Aber als Sport­ ler hast du wenig Alternativen für eine ­Ausbildung neben dem Training. Nach einem Jahr war mir aber endgültig klar, dass ich nicht den ganzen Tag drinnen am Computer hocken und irgendwelche Statistiken bearbeiten kann.» Dabei hatte es Noé mit seiner Lehr­ stelle bei der Similasan AG, Hersteller von homöopathischen Arzneimitteln, ­eigentlich sehr gut getroffen. Deren CEO Urs Lehmann war nicht nur Skirenn­ läufer und 1993 Abfahrts-Weltmeister, sondern ist als Präsident des Schweizer Skiverbandes auch der Chef von Noés Trainervater – und mit Conny Kissling verheiratet, die als Kollegin von Noés Mutter zwischen 1983 und 1992 zehn­ mal in Serie den Gesamtweltcup der Freestyle-Skifahrerinnen gewann. «Ja, unsere Familien sind befreundet, deshalb haben wir gemeinsam diskutiert und den bestmöglichen Weg gefunden», sagt Michel Roth, der die Entscheidung seines Sohnes zum Abbruch der Lehre nicht uneingeschränkt begrüsst. Andererseits: «Bis jetzt hat noch jeder Athlet, den ich trainiert habe, gute Mög­ lichkeiten für das Leben nach der Karriere gefunden. Dennoch haben wir gemein­ sam beschlossen, dass Noé einen Teil ­seiner Einnahmen auf die hohe Kante ­legen muss, um sich später eine Aus­ bildung finanzieren zu können.»

GUTE GENE Noé mit seinem Vater und Trainer Michel – man ist perfekt aufeinander eingestellt.

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ktuell steht jedoch die sport­ liche Weiterentwicklung im Vordergrund. 2018 durfte Noé mit knapp 17 Jahren als einer der jüngsten Schweizer Athleten bei ­seinen ersten Olympischen Winterspielen in Korea Erfahrungen sammeln. Nach dem hervorragenden 16. Rang beim Debüt sind die Vorzeichen für ­Peking 2022 andere: Auch wenn sich der regierende Weltcupsieger nicht früh in eine Favoritenrolle drängen lassen will, weiss er doch um sein Potenzial. Denn schon im Sommer arbeitete er intensiv an jenem Sprung, der aktuell als schwierigster im Skizirkus gilt und der den respekteinflössenden Namen «Hurricane» trägt: Beim diesem FullTriple-Full-Full wirbelt der Athlet mit acht Rotationen durch die Luft, wobei ­allein der zweite Salto von drei Schrauben akzentuiert wird. «Im Sommer auf der Wasserschanze kann er den Sprung be­ reits», sagt Cheftrainer Michel Roth, «auf Schnee werden wir ihn aber erst in der kommenden Olympiasaison im Wett­ kampf zeigen.» Noé freut sich auf die Herausforde­ rung: «Die zusätzliche Schraube macht den Sprung natürlich schwieriger. Der Absprung muss perfekt sein, und du hast in der Luft noch weniger Zeit. Es kommt also ganz wesentlich auf das richtige ­Timing an.» Und auf die Gewissheit, ­fliegen zu können.

«Noé hat sich als Kind sehr viele Sprünge einfach selbst beigebracht.»

Noés Leben im Flug: instagram.com/noe20000 THE RED BULLETIN

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INNOVATOR

IDEEN FÜR EINE B ES S E R ZUKUNFTE

Mode

Innere Wärme Die klugen Kleider kommen: Die Heatable Capsule Collection von AlphaTauri heizt uns ganz schön ein.

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Aufgeplustert war gestern: Diese Jacken wärmen ohne dickes Futter.

o bleibt eigentlich die Smart Fashion? Noch sind kluge Kleider mehr Versprechen als Wirklichkeit – von wenigen innovativen Ausnahmen abgesehen. Zum Beispiel von AlphaTauri: In diesem Winter startete die Mode­ marke die «Heatable Capsule Collection». Entwickelt mit der Deutschen Telekom und Schöller Textil, können die Jacken und Westen das Klima im Inneren selbständig regulieren. Die Temperatur­ lässt sich entweder per App auf dem Smartphone oder

mittels in den Stoff der ­K leidung eingearbeiteter ­ Tasten regeln – und die Garde­robe übernimmt prompt. Ein Sensor misst die aktuelle Temperatur, beheiz­ bare Elemente wärmen bei Bedarf in den Taschen und am unteren Rücken nach. Teil der cleveren Lösung sind unter anderem ein wärme­ leitendes Futter und eine integrierte Powerbank, die ganz nebenbei auch das Handy aufladen kann – ideal etwa für lange unbeschwerte Tage in der freien Natur. alphatauri.com

Temperatur im Griff: Die Telekom ent­ wickelte die App zur Steuerung der Wärmeintensität.

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IN ALLER KÜRZE GUTE VERBINDUNG Diese Gründer geben bekannten Themen einen neuen, auf­regenden Dreh.

INNOVATOR BY THE RED BULLETIN 02/2020

MEHR AUSTAUSCH Du fühlst dich einsam? Möchtest plaudern – über dich, deine Hobbys, das Leben? Die Online-Plattform Ahoyly vermittelt Gleich­ gesinnte. Die Anmeldung dauert zwei Minuten, getalkt wird über Skype, Zoom etc. Gründerin Ania Krol: «Am häufigsten wird übers Reisen diskutiert.» ahoyly.com

Der Sinn des Lebens

Der Reiz des Ungewissen

Bio-Hack Yourself!

12 Tipps für einen erfüllten Alltag – von Star-Autor Jay Shetty

Ein Aussteiger will die Welt mit einer revolutionären Yacht allein umsegeln.

Diese innovativen Gadgets optimieren Körper und Geist.

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So klingt der Mensch Ein Gerät namens «Touch Me» macht unseren Körper zum Instrument – der Name deutet schon an, dass die Musik hier eher Nebensache ist.

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as Ding, das jeden Menschen zum Klangkörper macht, erinnert an ein Mini-Skateboard. Tatsächlich ist es ein Midi-Controller, mit dem sich Körperteile in Instrumente verwandeln lassen: der Hals zum Beispiel in eine Flöte, der Arm in ein Klavier, der Bauch in eine Gitarre. Alles, was dazu nötig ist, sind eine Computer-Verbindung (ganz einfach per USB-Kabel) und ein zweiter Mensch. Musiker und Designer Sasha Pas, Entwickler von «Touch Me», hatte bei der ­Erfindung nicht nur Musik im Sinn. Viel wichtiger war ihm die Bedeutung von Berührungen für das menschliche Wohlbefinden: «Wir haben in diesem Jahr eine Reihe von Interviews mit Psychologen, Therapeuten und Pädagogen gemacht, um noch mehr darüber zu erfahren. Heraus kam, dass wir Menschen sehr anpassungsfähig sind, aber ohne Berührungen nicht leben können.» Und deshalb funktioniert «Touch Me» auch am besten zu zweit. Beide halten je eines der zwei Enden des mit dem Computer verbundenen Geräts in einer Hand, die andere Hand spielt Melodien auf dem Körper des Partners (hier sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt). «Touch Me» misst den Widerstand zwischen den Kontaktbereichen und sendet das Ergebnis

Musik aus dem Bauch, aber wirklich: «Touch Me» macht aus dem Körper ein Instrument.

als Midi-Signal an den Computer. Mit der Intensität des Drucks können die Töne verändert werden. Zusätzliche Modifikationen sind am Computer möglich (zum Beispiel mit Apples «Garage Band»). «Touch Me» eignet sich natürlich nicht nur für Hausmusik. Sasha Pas: «Als wir Fremde noch ohne Sorge berühren konnten, haben wir bis zu fünfzig Menschen verbunden, sie sozusagen als soziales Instrument gespielt.» Nachsatz: «In der aktuellen Situation denken die Menschen – glaube ich – mehr denn je über Berührungen nach.» «Touch Me» wird voraussichtlich ab Mitte Februar ausgeliefert, der Preis wird bei rund 75 Euro liegen. playtronica.com

AUSGABE SCHWEIZ CHF 7

NASA Thomas Zurbuchen, Forschungsdirektor

Diese Schweizer Ava Lea von Bidder, Gründerin

IDEAS FOR A BETTER FUTURE

ALPHA TAURI, FILIPE CONDE, PLAYTRONICA, FEELBELT, AHOYLY

DAVID MAYER, LOU BOYD

MEHR BAUCHGEFÜHL Sounds hören wir mit den Ohren, klar. Was aber, wenn wir sie fühlen könnten? Mit seinem etwa beim Gaming einsetzbaren Hightech-Gürtel will Gründer Benjamin Heese das demnächst ermöglichen – good vibrations mal anders. feelbelt.com

Berührende Melodien

Google Urs Hölzle, Technikchef

erobern die Welt 9 Eidgenossen, 9 aussergewöhnliche internationale Karrieren

BETTER FUTURE EDITION

Mehr Inspiration für ­ ukunftsmacher gibt es Z im aktuellen INNOVATOR. Infos und Abo unter: ­redbulletininnovator.com

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Ein Gerät, das Menschen verbindet: Die Töne entstehen durch Berührungen.

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Der Performancekünstler NICK CAVE, 62, aus Missouri ist mit seinen schrillen Ganzkörperkostümen, sogenannten Soundsuits, zum Weltstar geworden. Seine Arbeiten regen zum Nach­denken an, indem sie mit Vorurteilen spielen. Und verleihen schwergewichtigen Themen ungeahnte Leichtigkeit. Redaktion FLORIAN OBKIRCHER

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NICK CAVE/JACK SHAINMAN GALLERY

Bunt ist die Hoffnung


Pelzig bunter ­ ktivismus: Tanz A in den farbenfrohen «Soundsuits» des Künstlers Nick Cave


Nick Cave, 62, schwarz und homosexuell. Sein Ziel: Alter, Hautfarbe und Geschlecht sollen nicht länger von Bedeutung sein.


«Ich zeige Bilder, die wir gerne ignorieren, aber nicht ignorieren können.»

JIM PRINZ/JACK SHAINMAN GALLERY, TRAVIS MAGEE

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s ist immer dasselbe mit Nick Cave. Kommt man mit seiner Kunst in Berührung, verwandelt man sich vom Er­ wachsenen in ein staunendes Kind. Seine unglaublichen Fantasie­ welten lassen keine andere Reaktion zu als weit aufgerissene Augen und herunter­ geklappte Kinnladen: Wir bekommen es mit kreischbunten Yetis zu tun oder mit Wesen, deren Körper aus tausenden Knöpfen bestehen und statt Gesichtern Abakusse haben. «Die meisten Leute sind erst einmal fasziniert von der Grösse und der positiven Stimmung, die herrscht», meint Cave. Er ist nicht nur Stoffbild­ hauer und Künstler, sondern hat auch eine Tanzausbildung und inszeniert ­seine Werke gern wie afrikanische Bantu-­ Rituale – mit Trommeln, Tanz und Lebens­freude. «Aber sobald sie genauer hin­sehen, wird ihnen klar: Oh Mist, das ist gar nicht so hübsch, wie es auf den ersten Blick scheint.» Doch dann ist es meist schon zu spät: Gefangen in Nick Caves fein gesponnenem Gedankennetz kann sich der Betrachter dem Grauen, das hinter dem fröhlichen Überschwang lauert, nur noch schwer entziehen. Caves jüngste Ausstellung «Until», die von September 2020 bis Januar 2021 auf 2200 Quadratmetern im The Momentary Museum in Bentonville im US-Bundes­ staat Arkansas zu sehen war, ist da keine Ausnahme. Rund 16.000 Aluminium-Windspiele liess der 62-Jährige an der Decke auf­ hängen. Ganz egal wohin der Blick fiel – überall Funkeln, Glitzern, Regenbogen­ farben. Eine surreal schöne, fast schon

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Im Galopp in das New Yorker Grand Central Terminal: In jedem Pferde-Soundanzug stecken zwei Menschen. Die Frage: Wie bewegen wir uns als Team in der Welt?

hypnotisierende Kulisse, hätte man nicht mittendrin ein paar weniger beschau­ liche und sehr realistische Dinge ent­ deckt: Windspiele in Form von Pistolen, Patronenkugeln und Tränen etwa. Es ist Caves faszinierende Art, sich mit Waffen­ gewalt, Ungleichbehandlung und Polizei­ brutalität auseinanderzusetzen. Schwer verdaulichen Themen eine Art Leichtig­keit zu verpassen, Schönes mit Häss­lichem zu verbinden – das ist der rote F ­ aden, der sich durch alle Arbeiten des Künstlers zieht. Cave nennt das ­«Verstecken & Enthüllen» und sagt: «Ich schaffe positive Traumwelten und durchbreche sie mit Dingen, mit denen

wir – und insbesondere ich als schwarzer Mann in den USA – jeden Tag konfron­ tiert werden. Ich zeige Bilder, die wir gern ignorieren, aber die wir in Wahrheit nicht ignorieren können.» Subtile Gesellschaftskritik, mit der Nick Cave, aufgewachsen mit sieben ­Brüdern und einer alleinerziehenden Mutter unter schwierigen finanziellen Bedingungen in Missouri, zu einem der angesehensten zeitgenössischen Künstler der Welt wurde. Caves Arbeiten wirken auf den ersten Blick wie leichte Kost, weshalb er mit ­ihnen auch die Massen erreicht. Sie sind in den wichtigsten Museen und Galerien   67


« Man darf nie ­vergessen: Da draussen ist auch noch eine Welt.» Für seine Mission verlässt Nick Cave immer öfter Ateliers und Galerien, also die traditionellen Kunsträume.


der Welt ausgestellt. Seine Skulpturen werden für 150.000 US-Dollar aufwärts gehandelt, das Musik-Powerpaar Jay-Z und Beyoncé zählt zu den erklärten Sammlern, und Caves Galerist Jack Shainman meint: «Wenn die Leute ­beginnen, nach Autogrammen deines Künstlers zu fragen, dann weisst du: Das ist jetzt eine andere Liga.»

NICK CAVE/JACK SHAINMAN GALLERY

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ngefangen hat Caves Karriere ­allerdings in aller Stille – 1992, auf einer Parkbank in Chicago, ­jener Stadt, in der er jetzt wohnt. Die ­Polizisten, die den Afroamerikaner ­Rodney King bei einer Verkehrskontrolle fast zu Tode geprügelt hatten, waren ­gerade freigesprochen worden. Ein Aufschrei der Empörung hallte durch die USA – und Cave grübelte im Park der Frage nach: «Wie kann ich in einem Land existieren, das mich wegen meiner Hautfarbe als Bedrohung sieht?» Das Gefühl, fehl am Platz zu sein, lenkt seine Aufmerksamkeit auf Zweige am

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Boden. Sie sind, überlegt er, abgetrennt vom Baum und doch ein Teil des Ganzen. Jeder hat eine eigene Form. Nick Cave sammelt die Zweige ein und bringt sie heim – ohne zu wissen, was genau er ­damit machen würde. Das Ergebnis ist schliesslich sein erster «Soundsuit». Eine tragbare GanzkörperInstallation, die schliesslich zu seinem Markenzeichen wird. Mehr als fünf­ hundert solcher Fantasiekostüme hat Cave seither geschaffen. Die bereits eingangs erwähnten Yetis und die Knopf-Wesen gehören zu ihnen. Manche Entwürfe sind drei Meter hoch. Soundsuits heissen sie, weil sie auch ­Geräusche von sich geben – abhängig von den Materialien, aus denen sie ­hergestellt sind. Sie rascheln, knarzen, klappern. Und das Wichtigste: «Sobald du in ­einen Soundsuit schlüpfst, bist du von deiner Umwelt abgeschirmt.» Hautfarbe, Geschlecht, Alter, sozialer Status – all das sei dann nicht länger relevant, erklärt

«Die Neugier zu erhalten, ist wichtig. Für mich geht es immer ums Träumen.»

Cave die Idee hinter den Anzügen. Er ­fertigt sie aus Fundstücken vom Flohmarkt, Bast, Drähten oder sogar menschlichem Haar. Die Soundsuits sind für ihn ein Statement gegen Diskriminierung. Betrachter können vorurteilsfrei auf die Menschen zugehen, die in den Kostümen stecken. Sie verhindern Schubladendenken. Und auch die Menschen in den Anzügen können sich frei und ungehemmt bewegen.   69


Neue Denkmäler braucht das Land: Nick Caves Lebensbaum ist ein Hybrid aus Pflanze und Mensch, mit Keramikvögeln in den Zweigen.

des Dialogs glaubt. Doch wie viele andere sah er im vergangenen Jahr seine positive Grundeinstellung massiv auf die Probe gestellt. Als im Frühjahr die Pandemie ausbrach, veröffentlichte er eine Video­ reihe namens «Cultural Stimulus», in der überdimensionierte Smileys die Haupt-

Kinetic Spinner Forest: eine Installation, die bei der Cave-Schau in Arkansas zu sehen war. Bei genauer Betrachtung entpuppten sich die Windspiele als Pistolen und Tränen.

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rolle spielten – der Tod von George Floyd durch Polizeigewalt im Mai 2020 war dann nicht mehr so leicht wegzulächeln. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion ­riefen Cave und sein Lebenspartner Bob Faust – er ist ebenfalls Künstler – das Projekt «Versöhnung» («Amends») ins Leben. Sie luden Nachbarn, Freunde und lokale Persönlichkeiten ein, die Schaufenster von Caves Galerie in Chicago mit «Briefen an die Welt» zu tapezieren. In diesen ­Botschaften sollten die Teilnehmer zum Thema Rassismus und ihrer Rolle darin reflektieren. Cave ist davon überzeugt, dass eine gespaltene Gesellschaft nur mit Ehrlichkeit und der Bereitschaft zum Dialog wiedervereint werden kann. «Ich zwinge mich immer, strategisch zu denken. Mein Publikum und ich mögen aus unterschiedlichen Welten stammen, und wir mögen unterschiedliche politische Ansichten haben», sagt er. «aber wir arbeiten zusammen, weil wir in meinen Projekten alle Partner werden.»

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erzeit tüftelt Cave an einer Serie namens «A·mal·gams» – Bronze­ statuen, die mitunter auch als «Soundsuits 2.0» bezeichnet werden. Eine der Skulpturen zeigt eine sitzende Person – Oberkörper, Arme und Beine sind mit Blumen übersät. Anstelle eines Kopfs wächst ein Baum, in dessen Ästen Keramikvögel sitzen. «A·mal·gams» ist Nick Caves Antwort auf eine brandaktuelle Debatte: Wer oder was soll in Zukunft auf den Podesten ­jener Denkmäler stehen, die noch vor kurzem an Menschen erinnerten, die von der Sklaverei profitiert haben – und die im Zuge der Black-Lives-MatterBewegung gestürzt wurden? Wie können wir diese Statuen, die an Zeiten voller Hass und Leid gemahnen, in Symbole der Hoffnung umwandeln? «Mein Vorschlag ist ein Lebensbaum», sagt Cave. «In Bäumen finden Vögel aller Art zusammen und bauen ihre Nester.» Für Cave sind die Bronzeskulpturen eine natürliche Weiterentwicklung seiner Arbeit. «Das meiste spielt sich doch sowieso im Kopf ab. Ich wünsche mir, dass der Betrachter der Statuen sich fragt: ‹Was fühle ich? Wie würde ich mich ­damit bewegen?› Sich seine Neugierde zu erhalten ist wichtig. Für mich geht es immer ums Träumen. Und darum, sich vorzustellen, wie eine gute Zukunft aussehen könnte.» THE RED BULLETIN

NICK CAVE/JACK SHAINMAN GALLERY, JIM PRINZ/JACK SHAINMAN GALLERY

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ave mag mit seinen Arbeiten Risse in der Gesellschaft aufzeigen – sein Ziel ist es aber auch, sie zu kitten und die Menschen zusammenzubringen. 2013 liess er zu diesem Zweck dreissig ­lebensgrosse Pferdefiguren in Manhattans Bahnhof, dem Grand Central Terminal, galoppieren. «In den Pferde-Soundsuits steckten jeweils zwei Menschen», erklärt Cave. «Sie mussten zusammenarbeiten, um die Figur zu bewegen. Darum geht’s auch im grossen Ganzen: wie wir uns als Team in der Welt bewegen.» 2018 produzierte Cave in einer ehemaligen Ausbildungshalle der US-Armee in New York eine Show, bei der die Be­ sucher eingeladen waren, mitzutanzen. «Wie können wir Angst und Frustration auf nonverbale Art loswerden? Das war die zentrale Frage», sagt Cave. «Ich habe zu diesem Zweck ein Behördengebäude zu einem Tanzsaal gemacht.» Im Jahr darauf organisierte er in Boston die erste «Parade der Freude» – eine Prozession, die, angeführt von 75 lokalen Künstlern, die unterschiedlichen Communitys der Stadt näher zusammen­ bringen sollte. Für seine Mission verlässt Cave immer öfter die traditionellen Kunsträume. «Das Atelier ist eine Sache. Aber man darf nie vergessen: Da draussen ist auch noch eine Welt.» Nick Cave ist ein Optimist, der an das Gute, an Veränderung und an die Kraft


« Sobald du in einen Soundsuit schlüpfst, bist du von ­deiner  Umwelt abgeschirmt.» Dieser Anzug ist aus Tausenden von ­Plastikknöpfen gefertigt, als ­­Gesichtsschutz dient ein Abakus vom Flohmarkt.


Lebensretter unter Wasser Eine Gruppe junger Südsee-Franzosen rund um den 21-jährigen Titouan Bernicot hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Sie wollen die bedrohten Korallenriffe dieser Erde retten. Den Anfang machen die CORAL GARDENERS daheim: Sie reparieren das Riff um die Insel Mo’orea. Text ANDREAS WOLLINGER  Fotos RYAN BORNE


Korallengärtner an der «Intensivstation» vor der Südpazifikinsel Mo’orea: An diesen Unterwasser­ tischen werden die gesammelten Korallen­ fragmente aufgepäppelt.

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T

itouan Bernicot ist in einer Weltgegend zu Hause, die in den Träumen der meisten Menschen einen fixen Platz hat: Er wohnt auf Mo’orea, der kleinen Schwester Tahitis, auf den sogenannten Gesellschaftsinseln inmitten des Pazifischen Ozeans. Mo’orea ist eine der schönsten Inseln der Südsee in Französisch-Poly­ nesien – überschaubare 11 mal 19 Kilometer gross, knapp 17.000 Einwohner. Hier herrscht ganzjährig Sommer mit Temperaturen um die 28 Grad Celsius. Die meisten seiner 21 Jahre hat Ber­ni­ cot im oder auf dem Wasser verbracht, beim Surfen, Tauchen und Schwimmen. Man sollte meinen: Einer wie er sollte sich keine Sorgen machen. Und sich schon gar nicht beschweren können. Und doch ist beides der Fall: Titouan Bernicot ist Gründer und Kopf der «Coral

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Gardeners», einer 2017 entstandenen ­Organisation, die es sich zur Aufgabe ­gemacht hat, die Aufmerksamkeit der Welt auf ein stark bedrohtes Ökosystem zu lenken – die Korallenriffe. 2015 sei es gewesen, erinnert sich ­Titouan Bernicot, da habe er beim Surfen mit seinen Freunden eine erschreckende Entdeckung gemacht: Das farbenpräch­ tige Korallenriff, das Mo’orea umgibt, war von einem Tag auf den anderen komplett weiss geworden. Er habe ver­ stehen wollen, was da passiert ist, erzählt er. Nach einer kleinen Recherche sei ihm klar geworden, dass er Augenzeuge einer Naturkatastrophe war. Die Fakten, kurz und schmerzhaft: Die Hälfte aller Korallenriffe weltweit sind bedroht, mindestens 30 Prozent sind allein in den letzten 40 Jahren verschwunden. Die Gründe dafür sind Überfischung, industrielle Verschmutzung THE RED BULLETIN

KELSEY WILLIAMSON

Gruppenbild der «Coral Gardeners»: Die Organisation wurde 2017 von Titouan Bernicot (Bildmitte, mit hochgestrecktem Arm) gegründet. Mittlerweile versuchen 15 Vollzeitangestellte, die Aufmerksamkeit der Welt auf die bedrohten Korallenriffe zu lenken.


Prominenter Unterstützer: Freediving-Legende Guillaume Néry verbringt inzwischen regelmässig ein halbes Jahr auf Mo’orea, um den Gärtnern bei ihrer Arbeit zu helfen.

«Mit unseren Filmen und Fotos versuchen wir der Allgemeinheit zu zeigen, was die Meere bedeuten.»


Das Korallenriff, das die Südseeinsel Mo’orea umgibt, ist schwer beschädigt: 40 Prozent der Korallen hier sind bereits Opfer des zu warmen Wassers geworden.


SHO NIIMURA

Die Vielfalt der Korallen in Französisch-Polynesien ist einzigartig: 194 von den rund tausend weltweit bekannten Arten kommen hier vor. Die fantasievollen Kalkgebilde sind das Werk von Polypen, die zur Gruppe der Nesseltiere gehören und auf den Riffen in Kolonien zusammenleben.

des Wassers und – vor allem – der Klima­ wandel, der zur Erwärmung der Ozeane und deren Übersäuerung führt. Letztgenannter ist auch für die ge­ fürchtete Korallenbleiche verantwortlich – jenes Phänomen, das Titouan Bernicot auf­gefallen war. Der Vorgang, der ihr zu­ grunde liegt, ist ziemlich dramatisch und erklärt zugleich das Wesen der Korallen. Die fantasievollen Gebilde aus Kalk sind dem Stoffwechsel von Kleinstlebewesen zu verdanken, die zur Gruppe der Nessel­ tiere gehören. Diese Polypen ernähren sich entweder durch das Filtrieren von Mikroplankton oder, wenn von diesen Nährstoffen nicht genug vorhanden ist, von den Ausscheidungen von Mikro­ algen, sogenannten Zooxanthellen, die mit den Nesseltieren seit 400 Millionen Jahren symbiotisch zusammenleben – sie verleihen den Korallen auch deren Farbenpracht. THE RED BULLETIN

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nd jetzt das Problem: Ab einer ­bestimmten Wassertemperatur (zirka 28 Grad) produzieren die Zooxanthellen Giftstoffe, die ­ihren Mitbewohnern, den Polypen, gar nicht schmecken. Diese schmeissen dar­ aufhin ihre Nahrungslieferanten raus – damit erbleichen die Korallen, ihre Be­ wohner verhungern kurze Zeit später. 2016, ein Jahr nach Bernicots Be­ obachtung, erwischte es das grösste Riff der Welt, das Great Barrier Reef an der Westküste Australiens: 90 Prozent dieses gigantischen ozeanischen Bauwerks wur­ den von der Korallenbleiche heimgesucht. Niemand weiss besser als Bernicot, was es für die Erde bedeutet, sollten die Korallenriffe einmal tatsächlich ver­ schwinden; wenn nichts zu ihrer Rettung geschieht, befürchten Experten, könnte es schon 2050 so weit sein. Die Riffe sind die Heimat von einem Viertel aller

Meeres­bewohner. Sie schützen die ­Küsten durch ihre Funktion als Wellen­ brecher. Sie sind die Lungen der Ozeane – wie Bäume verwandeln die Zooxan­ thellen Kohlen­dioxid mittels Photo­ synthese in Sauerstoff und geben uns so buchstäblich Luft zum Atmen. Und: Weltweit leben ungefähr eine halbe ­Milliarde Menschen direkt oder indirekt von ihnen. «Die Korallenriffe», das weiss Südsee-Franzose Titouan aus eigener ­Erfahrung, «haben mir alles im Leben

«Wenn nichts geschieht, sind die Korallenriffe im Jahr 2050 verschwunden.»   77


Taiano Teiho an seinem Arbeitsplatz: An diesen Seilen können sich die Korallen erholen und wachsen, bis sie stark genug sind, um am Riff ausgepflanzt zu werden. Von da an entwickeln sie sich rasant: Normalerweise sind sie nach nur einem Monat bereits doppelt so gross.

­ egeben: von den Fischen, die wir ge­ g gessen haben, bis zu den Wellen, auf ­denen wir surfen konnten.»

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or drei Jahren hat er dann die «Coral Gardeners», die Korallen­ gärtner, gegründet – die Organi­ sation setzt sich seither für die Rettung dieses marinen Ökosystems ein. Erstens, indem sie möglichst viele Men­ schen auf die Notlage der Korallenriffe aufmerksam macht und sie zur aktiven Unterstützung inspiriert. So kann man etwa auf der Website der «Coral Gar­ deners» für umgerechnet 27 Franken 78

eine Koralle ­adoptieren, ihr einen Namen geben und ihr – d ­ afür sorgen die Gärtner – beim Wachsen zuschauen. Und zweitens haben sie eine Methode entwickelt, mit der sie das Riff rund um Mo’orea wieder aufpäppeln wollen. Erst sammeln Bernicot und seine Leute ab­ gebrochene Stücke des Riffs ein, die im seichten Wasser um die Insel zu finden sind. Diese «Fragmente der Hoffnung» werden gereinigt, auf Bambusstöckchen geklebt und auf in rund zwei Meter Tiefe in strömungsarmen B ­ ereichen aufgestellte Tische gepflanzt – «Intensivstationen», auf denen die Ko­rallen die Chance auf

ein zweites Leben bekommen. Mindestens einen Monat – so lange brauchen die ­Korallen, um sich an ihre neue Umgebung zu gewöhnen – sollen sie sich dort re­ generieren und wachsen, bis sie kräftig genug sind, um auf beschädigte oder tote Riffe verpflanzt werden zu können. Es ist eine mühselige und langwierige ­Arbeit, wie Taiano Teiho, 22, einer der Korallengärtner, erklärt. Die Koralle wird in ein zuvor gebohrtes Loch gesetzt, in dem sie sich festhalten kann, und an drei Stellen mit Unterwasserbeton ­stabilisiert. «So erwecken wir das tote Riff nach und nach wieder zum Leben», ist sich Taiano THE RED BULLETIN


Arbeit am Riff: Damit die Koralle gut haftet, wird sie mit Unterwasserbeton aus dem Spritzbeutel stabilisiert. Die Taucher arbeiten mit Apnoe-Technik – das heisst: Sie halten die Luft an.

KELSEY WILLIAMSON

Teiho sicher. In der Folge beobachten und dokumentieren die Korallengärtner die Entwicklung ihrer Schützlinge – und gewinnen so wertvolle Informationen für die weitere Arbeit. So wollen sie etwa heraus­finden, welche Korallenarten ­weniger empfindlich auf höhere Wasser­ temperaturen oder Übersäuerung re­

«Wir geben Korallen die Chance auf ein zweites Leben.» THE RED BULLETIN

agieren. Mittelfristig ist eine Ausweitung der Zuchtstationen auch auf andere ­bedrohte Riffe in aller Welt geplant.

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is zur Rettung der Korallenriffe dieser Erde ist es noch ein ganz weiter Weg. Aber über erste Erfolge können sich die Korallengärtner schon freuen: Ihre Instagram-Community zählt inzwischen gut eine halbe Million Follower; die Organisation beschäftigt 15 Vollzeitangestellte, die seit 2017 rund 15.000 Korallen verpflanzt haben. Zudem hat die ­Initiative prominente Unterstützer ge­funden – etwa den legendären

Freediver Guillaume Néry, 38. Der französische Weltmeister im Apnoe-Tauchen verbringt nun regelmässig ein halbes Jahr auf Mo’orea, um den Korallengärtnern tatkräftig unter die Arme zu greifen – ­zumal die sich dazu entschieden haben, ihre Arbeit unter Wasser ohne Taucherausrüstung zu erledigen. «Wir haben unseren Traum zum Beruf gemacht», sagt Taiano Teiho. Und er fügt lachend hinzu: «Es gibt Schlimmeres, als im Meer zu arbeiten, Korallen zu pflanzen und der Welt von unserer und der Geschichte des Korallenriffs zu erzählen.» Mit den Rettern abtauchen: coralgardeners.org

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GEHEIMWAFFE

Die kalifornische Star-Streamerin ANNE MUNITION, 30, wird ihrem martialischen Namen gerecht: Sie lässt OnlineMobbern keine Chance und schlägt sie mit ihrer Nettigkeit. Text CHRISTINE FENNESSEY  Fotos JOSH CAMPBELL

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chon als Kind konnte sie nie genug Aufmerksamkeit bekommen. Ein «kleiner Möchtegern-Rockstar» sei sie gewesen, das jüngste, aber lauteste von drei Kindern. Mit dreizehn habe sie jede Bühne erklommen, um bei «open mic»-Veranstaltungen Applaus zu ernten. Aufmerksamkeit und Applaus hat Anne Munition jetzt, mit dreissig, mehr als genug: Die Kalifornierin ist eine der berühmteren Streamer auf der Gamer-­ Plattform Twitch (natürlich heisst sie nicht wirklich Anne Munition, der schwer bewaffnete Kampfname soll ihre wahre Identität schützen). 2014, ohnehin gelangweilt vom Job als Grafikdesignerin, entdeckte sie Twitch als mögliche Karriereleiter. Im Juni startete Anne Munition ihren ersten eigenen Stream, und seit Mitte 2015 ist sie Vollzeit-Streamerin. Heute hat sie mehr als 600.000 Follower und eine Partnerschaft mit Red Bull Gaming. Mehr noch: Sie nutzt ihre ­Popularität, um darüber zu sprechen, wie wir alle online ein bisschen netter sein könnten.

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the red bulletin: Du hast ein Tattoo von Sonne, Mond und Sternen, das dich und deine Geschwister repräsentieren soll – was davon bist du? anne munition: Ich bin natürlich der Star – das spielt mit der Rockstar-­ Attitüde meines Lebens. War dieses Motiv deine Idee? Nein, die stammt von meiner Mutter: Sie hat anstelle unserer Namen immer Sonne, Mond und Sterne auf unsere Weihnachtspakete gezeichnet. Sie sagte, wir seien ihr Universum. Deine Mutter hat dir auch eine ­Nintendo-Konsole geschenkt, als du sieben warst. Was genau hat dich am Spielen fasziniert? Ich mag es, Puzzles zu legen. Ich glaube, was mich wirklich reingezogen hat, war, dass es in Videogames immer darum ging, ein Problem zu lösen. Du warst elf, als du zum ersten Mal mit Online-Mobbing zu tun hattest. Hat dich das nicht abgeschreckt? Wenn du online spielst, musst du immer mit Leuten zurechtkommen, die nicht sehr nett sind. Ich war einfach dickköpfig, ausserdem war ich schon als Kind eine THE RED BULLETIN


STAR VON NEBENAN Über 600.000 Fans folgen Anne Munition, wenn sie auf Twitch streamt. Warum?­ «Ich kann ziemlich ­unterhaltsam sein.»

THE RED BULLETIN

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Besserwisserin. Wenn Leute Sachen ge­ schrieben haben, die mich vom Spielen abhalten sollten, war das für mich eher eine Herausforderung. So in der Art: «Okay, du willst nicht, dass ich das tue? Dann mache ich es erst recht.» Als du zum ersten Mal auf Twitch warst: Was fandest du so spannend ­daran, anderen Leuten beim Spielen zuzuschauen? Du musst dir nur Folgendes vorstellen: Da ist jemand online, der richtig gut in etwas ist, das du selbst gern machst. Du kannst mit ihm dein Hobby trainieren, du kannst ihm Fragen dazu stellen, und er antwortet in Echtzeit. Ich arbeitete damals Vollzeit, also hatte ich keine Zeit, selbst zu spielen, aber ich liebte diese Games. Also habe ich anderen beim Spielen zugeschaut und mit ihnen mitgelebt. Was hat dich dazu ermutigt, einen e ­ igenen Stream zu starten? Ich glaube, du kommst da nicht rein, ­indem du denkst: «Ich werde beim ­Streamen Erfolg haben.» Du denkst: «Das ist interessant, und ich möchte es ver­ suchen.» Es stellte sich heraus, dass die Leute dachten, dass ich lustig bin. Das ist etwas, worauf ich stolz bin. Ich glaube, ich kann ziemlich unterhaltsam sein. Dazu hast du ein Umfeld aufgebaut, das für seine Nettigkeit bekannt ist. Ich streame jetzt seit sechs Jahren, und ich war immer ziemlich konsequent in dem Bestreben, eine Gemeinschaft zu schaffen, in der Menschen sich wohl­ fühlen können. Stell dir vor, du gehst ­jeden Tag zur Arbeit und hasst alle Kol­ legen, oder die Kollegen sind gemein zu dir. Damit will ich nichts zu tun haben. Die Leute sagen, ich hätte eine der ­nettesten Communitys bei Twitch, und darauf bin ich stolz. Du hast einmal gesagt, es wird gemeinhin unterschätzt, wie schlimm es für Frauen ist, online ausgegrenzt zu werden. Wie schlimm ist es denn?

«Ich will keine Leute ­tolerieren, die mich oder andere respekt­los behandeln.» 82

Die Leute suchen alles, was dich von ­anderen unterscheidet, und trampeln dann darauf herum. Ich bin sicher, dass Sportler und andere Berühmtheiten das Gleiche durchmachen, aber die haben ja auch nicht jeden Tag ­direkten Kontakt mit ihren Fans. Wir Streamer versuchen ja, zum Publikum auf unseren Kanälen und im Chat eine Beziehung aufzubauen, deshalb sind vermutlich auch die Ver­ letzungen tiefer. Die Wirkung, die all das auf meine Psyche hatte, war ziemlich arg. Es ist schwierig, die positiven Seiten des THE RED BULLETIN


Einkommen, die Zahl deiner Zuschauer ist für das Ranking auf der Website ver­ antwortlich. Diese Zahlen gehen rauf und runter, und manchmal zieht das dei­ nen Selbstwert mit runter. Da ist immer diese Angst, dass es nur mehr runtergeht und dass du dir dann einen anderen Job suchen musst. Darüber hinaus ist da die Paranoia vor Angriffen anderer Streamer. Manchmal suchen sie dich auf, weil sie wissen, dass du ein gutes Publikum hast. Mitunter haben sie sich über gute Freunde von mir eingeschlichen, nur um an mich ranzukommen. Dann weiss ich nicht mehr, wem ich trauen kann. Ich weiss nicht mehr, wer wirklich mein Freund sein will und wer nur an meinem Channel interessiert ist. Was machst du, um sicherzustellen, dass dein Stream ein netter Ort ist? Ich glaube, eine Menge Streamer haben Angst davor, mit ihrem Publikum zu streng zu sein, die Leute zeitweise zu verjagen oder überhaupt von ihrem Channel zu verbannen. Ich hingegen bin da ziemlich skrupellos, weil ich keine Leute tolerieren will, die mich oder an­ dere respektlos behandeln. Auch wenn jemand schon lange Zuschauer ist: Wenn er damit anfängt, garstige Dinge zu sagen, ist er weg.

RASEND REICH WERDEN? «Alle, die meinen, Streamen sei leicht verdientes Geld, sehen nicht den ganzen Hass, dem du dabei aus­ geliefert bist», sagt Streamerin Anne Munition.

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Jobs zu sehen, wenn du ständig dieser negativen Kraft ausgesetzt bist. Eine ganze Reihe von Leuten sagt: «Na gut, du lebst vom Videospielen – das ist leicht ver­ dientes Geld.» Die sehen den ganzen Hass nicht, dem du dabei ausgesetzt bist. Wie hat sich das psychisch ausgewirkt? Ich wurde extrem paranoid, was meine Privatsphäre anlangt. Ausserdem glaubst du, dass du deinen Wert an bestimmten Zahlen messen kannst – schliesslich be­ stimmt die Anzahl der Abonnenten dein

Kannst du uns vom Stress einer ­Vollzeit-Streamerin ­erzählen? Am Anfang habe ich acht bis zehn ­Stunden nonstop gestreamt. Das kann ich jetzt nicht mehr. Jetzt mache ich zwei Vier-Stunden-Schichten mit zwei Stunden Pause dazwischen – es ist nicht gesund, so lang zu sitzen. Dann gehe ich mit ­meinem Hund raus oder so. Das ist keine einfache Entscheidung, denn wenn du deinen Stream unterbrichst, sind auch die Zuschauer weg. Sogar wenn du ­zwischendurch aufs Klo gehst, verlierst du Leute. Es ist, wie wenn du ein LiveKonzert gibst. Da kannst du auch nicht sagen: «Also, ich muss jetzt dringend aufs Klo.» Wenn du im Rampenlicht bleiben willst, musst du das aushalten.   83


Was machst du in Sachen Fitness und Ernährung, um mehr auszuhalten und eine bessere Streamerin zu werden? Früher hatte ich einen Personal Trainer, da war ich wahrscheinlich besser in Form als jemals zuvor. Ich habe mir eine Rudermaschine gekauft. Ich benutze sie immer noch, aber nicht so oft, wie ich sollte. Ernährung ist für Streamer ein schwieriges Thema. Wenn du zehn Stunden am Streamen bist, ist es das Ein­ fachste, ­Essen telefonisch zu bestellen – aber das ist oft nicht das Gesündeste. Ich arbeite daran, mich gesünder zu ­ernähren. Ich möchte versuchen, Mahl­ zeiten vorzubereiten, die man dann in die Mikrowelle schieben kann. Also: schnelles Essen, ohne Fast Food zu sein. Wann hast du entschieden, deinen wahren Namen nicht zu verraten? Ich war mit diesem Usernamen schon unterwegs, bevor ich noch wusste, was Streaming ist – ich habe schon auf der Xbox Anne Munition geheissen. Was hat dich zu diesem Namen inspiriert? Roller Derby (eine sehr amerikanische Sportart, die auf Rollschuhen ausgetragen wird; Anm.). In diesem Sport verwenden sie wirklich super Namen. Ich versuchte, einen Namen zu finden, der vom Stil her vergleichbar ist, und weil ich ein grosser Fan von Ego-Shootern bin, floss das ebenfalls mit ein. Es funktioniert ausser­ dem als Vor- und Nachname. Die Leute sprechen mich auf Veranstaltungen an: «Ist dein Nachname wirklich Munition?» Darauf ich: «Ja klar!» Die Wahrheit ist: Mein wirklicher Name ist ziemlich einzig­ artig. Und deshalb so gefährlich, weil es

«Du weisst nie, ob jemand, der ganz normal wirkt, das auch wirklich ist.» so leicht ist, mehr über mich zu finden. Wenn du den Leuten drei Teile e­ ines Puzzles gibst, dann finden sie auch alles andere heraus. Warum ist es dir so wichtig, deine Identität zu schützen? Ich glaube, Online-Persönlichkeiten, aber auch normale Internet-User sollten sich mehr über Datenschutz und Social Engineering (Online-Trickbetrug, um an sensible Daten zu gelangen; Anm.) infor­ mieren. Sie können deinen Wohnort fin­ den, deine Telefonnummer, die Adressen deiner Familie und deiner Verwandten. Du weisst nie, ob jemand, der ganz ­normal wirkt, das auch ist. Bei einem persönlichen Treffen kannst du gewisse Zeichen erkennen, speziell als junge Frau. Online geht das nicht. Es ist schwierig, intuitiv abzuschätzen, ob jemand gute Absichten hat. Manchmal habe ich ein schlechtes Gewissen, weil ich Menschen, die vielleicht nur neugierig sind, an­ schnauze, wenn sie fragen: «Oh, wo bist du aufgewachsen?» Und ich so: «Warum? Warum willst du das wissen?» Das ist auf meine Paranoia zurückzuführen.

Paranoia oder Vorsicht? Anne Munition will ihre wahre Identität nicht preisgeben.

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Andererseits hast du deinen Beziehungsstatus mit deiner Community geteilt. Wie beurteilst du, was geteilt werden kann und was nicht? Das hängt davon ab, wer fragt. Und ob ich glaube, dass jemand bestimmte Informationen für andere Zwecke missbrauchen kann. Ich habe da eine rote Flagge in meinem Gehirn, die immer dann auftaucht, wenn ich das Gefühl habe, jemand fragt nach einem Detail, das weder meinen Channel interessanter macht noch sonstwie relevant ist. Fällt es dir manchmal schwer, ­zwischen deinen beiden Identitäten hin- und herzuschalten? Ja. Manchmal vergesse ich, wie ich wirklich heisse. Einmal hab ich fast eine Mail an meine Mutter mit Anne Munition ­unterschrieben, weil ich das von meinen anderen Mails so gewohnt bin.

ZIEL IM BLICK «Ich war schon als Kind eine Besserwisserin», sagt Anne. Das erklärt ihre Hartnäckigkeit.

Wie geht es dir in dieser Zeit des «Social Distancing»? Na ja, die Tatsache, dass die Messen, die ich normalerweise besuche, zu Recht ­abgesagt worden sind, und all die Bleibdaheim-Einschränkungen haben meine mentale Gesundheit schon erheblich beschädigt. Was das Streamen psychisch zum Teil so schwierig macht, ist der ­Umstand, dass du mit einer lautstarken Minderheit von «vergifteten» Leuten ­leben musst, die sich in der Anonymität des Internets stark fühlen. Messen zu ­besuchen ist das komplette Gegenteil ­davon – dort triffst du hauptsächlich Menschen, die ehrlich begeistert sind, dir zu begegnen. Diese Leute sind wirklich nett. Das stärkt mein Selbstvertrauen enorm, das sonst jeden Tag kleine Schläge einstecken muss. Andererseits hatte ich in letzter Zeit mit einer Menge Leuten zu tun, die sich bei mir für mein konstantes Streamen in der Zeit der Quarantäne ­bedankt haben – das hätte ihnen im Sperrfeuer der schlechten Nachrichten eine kleine Atempause verschafft. Anne in Action: twitch.tv/annemunition

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ANZ E I GE

must-haves

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1 BORN IN THE SWISS ALPS

Die AVALOQ Jacke bietet maximale Performance: Daunenkammern für das optimale Wärmegefühl und trotzdem ein Leichtgewicht, eine Wassersäule von 20.000 mm, höchste Atmungsaktivität und FullWay-Stretch über alle Schichten. Die AVALOQ Jacke mit nummeriertem Label ist der perfekte Begleiter für jeden Wintertag mit einem ausser­ gewöhnlichen Tragekomfort. capranea.com

2  OUT OF ELECTRA

Electra ist die erste elektronische Brille, die in der Lage ist, die Ver­ dunkelung des Brillenglases ent­ sprechend dem Umgebungslicht anzu­passen. Völlig automatisch ohne Batterie und in wenigen Hundertstel­ sekunden. Electra funktioniert wie das menschliche Auge, nur schneller: Sie verfügt über eine unbegrenzte Anzahl von Dunkelheitsabstufungen und ist nahezu verzögerungsfrei. out-of.com

3  TREE BY TREE

Das Schweizer Start-up NIKIN verkauft nachhaltige und faire Mode zu bezahlbaren Preisen. Dabei wird pro verkauftem Produkt ein Baum ­gepflanzt. So auch für das stylische TreeShirt, das in Europa aus Bio-Baumwolle hergestellt wird. Das TreeShirt gibt es ab CHF 35 in diversen Farben und Varianten im Web-Shop. nikin.ch

4  PACKABLE TRENCH

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GUIDE Tipps für ein Leben abseits des Alltäglichen

ESTM AG, FILIP ZUAN

SO WEISS, SO HEISS

Ski-Profi Lucas Swieykowski, 37, zeigt uns das Schneeparadies Engadin   87


GUIDE Reisen

«Ich bin um die Welt gereist, immer auf der Suche nach dem besten Schnee. Hier habe ich ihn gefunden.» Lucas Swieykowski, 37, argentinischer Freerider

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lar, es gibt Menschen, die mögen den Winter nicht, die Kälte, den Schnee. Bei mir ist es das glatte Gegenteil: Wenn es nach mir ginge, könnte der Winter ewig währen. Und du kannst mir ruhig glauben, wenn ich dir sage, dass ich 200 Tage im Jahr Ski fahre – ja, heute war ich auch schon unterwegs. Der Winter im Engadin ist fan­tastisch. Es ist der vierzehnte, den ich hier verbringe, ich weiss also, wovon ich rede. Als Ski-Profi bin ich um die ganze Welt gereist, immer auf der Suche nach dem besten Schnee. Schliesslich bin ich hier gelandet, abends habe ich in einer Bar gearbeitet, tagsüber bin ich Ski gefah88

ren. Für mich war das die perfekte Balance. Heute bin ich Skilehrer und Bergführer, und ich arbeite an einem neuen Film, natürlich übers Skifahren. Nur im Sommer fahre ich heim nach Argentinien – um meinen Winter für ein paar Wochen zu verlängern. Gerne bin ich am Corvatsch unterwegs, der gilt bei uns im Engadin als Freestyle-Paradies. Zum Trainieren ist der Corvatsch Park perfekt, egal, ob du Rookie oder Pro bist. Der Vorteil: Du kannst hier bis Ende April fahren – der Park liegt auf 2700 Metern, und dank seiner Nordostausrichtung gibt es hier noch Schnee, wenn sich in anderen Snowparks der Schnee bereits in

Schmelzwasser verwandelt hat. Die Lines werden von den Park Shapern übrigens jeden Tag neu präpariert. Nein, langweilig wird mir das Ski­ fahren sicher nicht. Wenn ich nur daran denke, im Pulverschnee meine Linien zu ziehen, läuft mir die Gänsehaut über den Rücken. Deshalb lebe ich auch hier im Engadin – die Bedingungen fürs Ski­ fahren sind einfach ideal. Wo ich fahre? Ich bin Freerider, zu 95 Prozent also im freien Gelände. Ich stehe früh auf, sehe mir die Wetterprognosen an, die Lawinensituation – und dann entscheide ich. Wenn ich Piste fahre, dann die Giand’Alva über den Hahnensee nach St. Moritz-Bad. Sie beginnt mit breiten, THE RED BULLETIN

ESTM AG, FILIP ZUAN

Tiefe Hocke, tiefer Schnee: Lucas unterwegs im Powder-Paradies Corvatsch


Bern

Anreise Eine erlebnisreiche Fahrt mit dem Auto: Mit dem ­Ofen-, Julier-, Maloja- oder Berninapass führen mehrere kurvenreiche Strassen ins Engadin. Wem das Passfahren nicht liegt, der wählt den Autoverlad (Vereinatunnel). Wer mit dem Zug ab Landquart oder ab Chur reist, hat rund zwei Stunden Hochgenuss vor sich: Die Rhätische

Schweiz St. Moritz

Bahn schlängelt sich durch schmale Täler und über zahlreiche Brücken. Mehr Informationen zur Anreise: engadin.ch/anreise

Lucas fährt in der Diavolezza-Gondel bergwärts, links ist der Sass Queder zu sehen.

Winterspass auf 88 Pisten

Lucas mit Bergführer Giancarlo Salis auf dem Weg zum Piz Murtèl. Im Hintergrund der Piz Roseg und – von Wolken verdeckt – der Piz Bernina. THE RED BULLETIN

Egal ob Pistenheld, Freestyler oder Freerider – das Engadin mit seinen drei grossen Ski­ gebieten (Corviglia, Corvatsch/ Furtschellas, Diavolezza/ Lagalb) ist dank seiner Vielfalt für alle geeignet. Auf der Cor­viglia führen 24 Anlagen auf 36 Pisten mit ins­ gesamt 155 Kilometern, davon 42 km blau, 79 km rot und 34 km schwarz markiert. Wer hier unterwegs ist, fährt auch durch ein grossartiges Stück Wintersportgeschichte: Auf dem Engadiner Sportberg wurden fünf Ski-Weltmeisterschaften ausgetragen.

Die Tiefschneegebiete der Diavolezza und der Lagalb sind ein unverspurtes Powderparadies. Besonders spekta­ kulär ist der prickelnde «1000-Meter-Couloir» über Gianda Persa hinunter zum Morteratsch­gletscher, ein Traum-Run der Superlative mit Felskickern, Wechtensprüngen und scheinbar endlosen Tiefschneehängen. Startpunkt ist am ­Nordostgrat des Munt Pers (3210 m). Insgesamt gibt es im Engadin 88 Pisten mit rund 350 Kilometer Länge. Infos: engadin.ch

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GUIDE Reisen

Hoch oben, die winterliche Landschaft zu Füssen – Lucas im Skigebiet Furtschellas

Alle Skipass-Angebote: snow-deal.ch Lucas in Aktion erleben: lucasswieykowski.com

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Von der Hölle in den Himmel Vom Höllenritt auf die Yoga-Piste: ein Engadin-Best-of

Die Yoga-Piste Das exakte Gegenteil eines Höllenritts. Wer chillen oder einfach nur Energie tanken will, nimmt die ­«Paradiso-Piste» auf der Corviglia. Als erste Yoga-Piste der Welt gibt es hier an vier Stationen die Möglichkeit, Yoga im Schnee zu praktizieren.

«Wer chillen oder einfach nur Energie tanken will, nimmt die Yoga-Piste.» Lucas Swieykowski über entspanntes Skifahren

Das Weltcup-Original Auf der schwarz markierten «OlympiaPiste» haben viele legendäre Rennen stattgefunden. 1948 gewann hier die Schweizer Rennläuferin Hedy ­Schlunegger – obwohl sie zwischendurch stürzte. THE RED BULLETIN

WOLFGANG WIESER

Der Höllenritt Nur für Profis zu empfehlen, aber höchst sehenswert: der Start der Abfahrtsrennen am Piz Nair auf 2836 m – 150 Meter lang, 45 Grad Gefälle, in 4 Sekunden von 0 auf 100 km/h. So heiss, dass er als «Höllenritt» gilt.

ESTM AG, FILIP ZUAN

offenen Steilhängen und endet in einem verschneiten Märchenwald – wenn du sie erst einmal gefahren bist, verstehst du auch, warum sie als Traumpiste gilt. Ausserdem ist die Aussicht perfekt: Die Oberengadiner Seen liegen direkt vor dir. Die Hahnensee-Piste ist übrigens Teil der Snowsafari. Dafür fährst du mit der Bergbahn von der Talstation Furtschellas in Sils auf 2800 Meter, wo du mit der Abfahrt zur Alp Surlej startest. Von dort geht es zur Berg­ station Corvatsch (3303 m). Die Abfahrt über den Hahnensee, von der ich schon erzählt habe, führt über neun Kilometer bis ins Tal – von dort geht es auf die Pisten der Corviglia. Wenn du die ganze Safari gemacht hast, hast du 88 Pistenkilometer und 4444 Höhenmeter geschafft. Ich freu mich auf morgen: Schnee aus dem Süden ist angesagt, bis zu 50 Zentimeter könnten es werden.



GUIDE Fitness

TRAINING IM ALL-TAG

Immer an der Leine Er macht Astronauten fit für den Weltraum: Hier erklärt Professor Jörn Rittweger, wie Training in der Schwerelosigkeit funktioniert. Plus: Astro-Übungen für Erdlinge.

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Womit Astronauten ihren Körper in Schwung halten

Der menschliche Körper ist ja nicht für die Schwere­ losigkeit gemacht ... Richtig. Die Schwerkraft ist vermutlich der einzige starke Umgebungsreiz, der seit Anbeginn der Evolution wirkt: Alles andere hat sich seit damals verändert: die Luft­ temperatur, die Gaszusam­ mensetzung der Atmosphäre, die UV-Strahlung.

DER VIELSEITIGE Der Liebling aller heisst ARED (Advanced Resistive Exercise Device), weil er perfekt für den Muskel­aufbau ist: Kniebeugen, Bankdrücken, Kreuzheben – alles möglich! Sieht aus wie eine Gewichtsstange an zwei Säulen, der Widerstand wird mit Luftdruck erzeugt.

«Im Weltraum ist das Training extrem wichtig für die Psyche.» Jörn Rittweger, Professor für Weltraumphysiologie

DAS LAUFBAND Ein Schulterkorsett hält Astro­ nauten beim Joggen auf dem Laufband. Wichtig ist perfekte Schockisolierung, um durch die beim Laufen erzeugten Schwingungen die Raumsta­ tion nicht zu beschädigen. DER SPRUNGSCHLITTEN Damit sollen Astronauten Sprünge auf der Erde simu­ lieren. Das Gerät trainiert Strecker- und Beugemuskeln im Rücken und in den Beinen. Der Schlitten wird derzeit vom DLR entwickelt, er soll erstmals in zwei Jahren zum Einsatz kommen. THE RED BULLETIN

TOM MACKINGER

Was passiert im All mit dem Körper eines Astronauten? Innerhalb weniger Tage ­scheiden Astronauten einen Liter Flüssigkeit als Urin aus, um Blut loszuwerden, das nun nicht mehr in den Beinen eingelagert ist. Am Anfang ­klagen viele auch über das «Space Adaption Syndrom»: Die Schwerelosigkeit setzt das Balancesystem im Ohr ausser Kraft, alles gerät durchein­ander. Der Effekt: Ihnen ist ziemlich übel.

Wenn die Schwerkraft fehlt

FLORIAN OBKIRCHER

Vor Ihrem Job beim Deutschen Luftund Raumfahrtzentrum führten Sie Bettruhestudien durch. Was darf man sich darunter vorstellen? jörn rittweger: Das sind Langzeitversuche, bei denen Probanden über 60 Tage lang im Bett liegen und wir Mass­ nahmen gegen den körper­ lichen Abbau wie Training, Ernährung, Elektrostimulation testen. So können wir vieles, was bei Astronauten im Welt­ raum passiert, auf der Erde simulieren. the red bulletin:

Festgezurrt am Laufband: die italienische Astronautin Samantha Cristoforetti 2015 an Bord der Internationalen Raumstation

ESA/NASA

Das Leben auf der ISS (Inter­ national Space Station) ist kein Ponyhof. Als Astronaut bist du zum Beispiel radio­ aktiver Strahlung ausgesetzt, die 300-mal so hoch ist wie auf der Erde. Anfangs ist dir speiübel, du baust rapide Kno­ chen und Muskeln ab. Um das zu verhindern, entwickelt Prof. Dr. Jörn Rittweger seit 2009 als Leiter der Abteilung «Mus­ kel- und Knochenstoffwech­ sel» am Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum (DLR) Trainingsgeräte (u. a. für die ISS). Im Interview erklärt er, wie man ohne Schwerkraft Muskeln aufbaut und wie man im Weltraum schwitzt.


Vor dem Start Drei Übungen, die Astro-Fitness-Expertin Nora Petersen von der European Space ­Agency Astronauten zur Vorbereitung für eine Reise ins All verordnet.

Die Muskeln leiden ebenso unter der Schwerelosigkeit? Ja, der Muskelschwund setzt schnell ein. Muskeln können nur dann Kräfte entwickeln und sich stärken, wenn sie gegen einen Widerstand arbeiten. Durch die fehlende Schwerkraft im Raumschiff werden sie nicht auf den Boden gepresst, der Widerstand fehlt. Das physiologische System des Körpers funktioniert ohne Gravitation schlicht nicht. Würde es helfen, angehende Astronauten als Muskel­ pakete in den Weltraum zu schicken? Wenn ein Astronaut im Weltraum Muskeln, Knochen und Blutvolumen verliert, kommt er im All damit erst einmal gut zurecht. Problematisch wird es in Bezug auf die Muskelmasse und -kraft erst bei der Rückkehr auf die Erde. Aber da gibt’s ja ausreichend Ärzte. Knifflig würde es bei Missionen zum Mars, die ja durchaus zweieinhalb Jahre dauern können. Und auf dem Mars sieht es mit der ärzt­lichen Versorgung auch eher mau aus, soweit ich weiss. Das klingt, als wäre der Job eines Astronauten ziemlich ungesund. Ja, das wäre er – würden wir Wissenschaftler, Ärzte und Ingenieure die Gefahren nicht erkennen und beseitigen. Deshalb ist ein umfassendes Training im All wichtig. Einerseits, um die Astronauten gesund zu halten, andererseits, um sie möglichst gut auf die Rück­kehr zur Erde vorzubereiten. Wie häufig, lang und intensiv ist das Training im All? THE RED BULLETIN

Inklusive Vor- und Nach­ bereitung etwa zwei Stunden pro Tag. Und das meistens sechs Tage die Woche. Früher wurde die Fitnessroutine nicht immer eingehalten und flog bei Zeitmangel oft als Erstes über Bord. Doch in den letzten Jahren wird immer mehr ­darauf geachtet, weil das ­Verständnis für ihre grosse Bedeutung zugenommen hat. Neben den Geräten, die auf der ISS verwendet werden: Wie wichtig ist die mentale Komponente des Trainings? Im Weltraum ist das Training extrem wichtig für die Psyche. Sich körperlich zu verausgaben erzeugt in der Muskulatur Botenstoffe wie Interleukin-6 oder das sogenannte BDNF. Ersteres brauchen wir für die Abstimmung des Energiehaushalts mit der Leber und dem Fettgewebe, Zweiteres auch für das Gehirn. Wissenschaftliche Befunde zeigen, dass sich Gehirnstrukturen, die für das Verhalten verantwortlich sind, bei Isolation und Bewegungsmangel ver­ ändern. Indirekt kann das zu Antriebslosigkeit, Stress und Gereiztheit führen. Mit Sport kann ich Stress abbauen und habe in der Raumstation eine Gelegenheit, um mich zurückzuziehen. Wie fühlt sich Sport in der Schwerelosigkeit an? Fast so wie auf der Erde. In der Raumstation trage ich, egal bei welcher Übung, ein Schulterkorsett. Sobald sich die Astronauten aber an die Geräte und die Be­wegungs­ abläufe gewöhnt haben, gibt es kaum mehr Unterschiede. Mehr über All-Sport: dlr.de

1. DIE ROLLENDE GURKE Ziel: Rumpfkraft und Körperkontrolle So geht’s: In Bauchlage Arme und Beine in Verlängerung der Körperachse strecken, sodass nur der Bauch Bodenkontakt hat. Kontrolliert um die eigene Längsachse drehen, ohne dass Füsse oder Hände den ­Boden berühren. Arme und Beine permanent strecken. Gewicht und Wieder­holungszahl dem eigenen Fitnesslevel anpassen.

2. KNIEBEUGEN MIT GEWICHT Ziel: Ganzkörperkraft, vor allem Beine und Rumpf/Rücken So geht’s: Gewichtsstange auf die Schultern legen, Gewichte durch Kniebeugen nach unten führen. Rücken gerade und Halswirbelsäule neutral halten; Knie hinter den Zehenspitzen lassen, Körperspannung ­durchgehend aufrechterhalten. Gewicht und Wiederholungszahl dem eigenen Fitnesslevel anpassen.

3. VORGEBEUGTES RUDERN Ziel: Rücken- und Schulter­muskulatur stärken So geht’s: Wie beim Kreuzheben Hanteln oder Gewichtsstange mit ­geradem Rücken tief aufnehmen und bei stabiler, vorgebeugter ­Posi­tion unter die Brust führen. Beine bleiben in Position, und ­Ellbogen liegen eng am Körper. Gewicht und Wiederholungszahl dem e­ igenen ­Fitnesslevel anpassen.

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GUIDE Uhren

RECYCLING DE LUXE

Diese Uhr war eine Yacht Aus dem Rumpf und den Tragflächen eines America’s-Cup-Seglers hat Panerai 250 «Luna Rossa»-Modelle geschaffen. Aus den Kohlenstofffasern einer AC75Yacht hat Panerai in seinem Ideenlabor ein neues Material geschaffen: Es heisst Scafotech und wird für die Zifferblätter der limitierten «Luna Rossa» verwendet. Benannt ist dieses Modell nach dem Team, das Panerai sponsert. Preis: CHF 10.900; panerai.com

GUT GESCHÜTZT Das besondere ­Zifferblatt befindet sich in einem ­Titan-­Gehäuse mit 42 mm Durchmesser und 14,4 mm Höhe.

AMERICA‘S CUP Beim America’s Cup treten die Teams zweier Yachtclubs gegeneinander an: Titelverteidiger trifft auf Herausforderer. Ersterer ist bei der 36. Auflage das Team von Neuseeland, der Herausforderer wird im Prada Cup (15. Januar bis 22. Februar) ­ermittelt. Wer zuerst sieben Rennen gewonnen hat, ist Sieger des America’s Cup – ab 6. März. Segel setzen: americascup.com

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THE RED BULLETIN

WOLFGANG WIESER

SPEKTAKULÄRES DUELL


GUIDE Kalender

Bereits ­angelaufen SKATE-TRICKS IN AFRIKA

20. Februar UP IN THE AIR

«Skate Africa» heisst eine Doku über die junge Szene in Kenia, die das Leben auf den Strassen und in den Funparks Nai­ robis beschreibt. Kenias Skater zeigen ihre Tricks und erklären, was das Skaten sie fürs Leben gelehrt hat – erfrischend und mit einer Riesen­ portion Optimismus. redbull.com

RUEDI FLUECK, GOLD]GOOSE/RED BULL CONTENT POOL, BJARNE SALEN/RED BULL CONTENT POOL, SAM MCGUIRE/RED BULL CONTENT POOL

Die europäische Snowboard- und Freeski-Elite gibt sich in der Schweiz ein Stelldichein – und zwar an den Locations der Swiss Freeski Tour und der Audi Snowboard Series. Hier sammeln auch junge internationale Talente Wettkampferfahrung in den Disziplinen Halfpipe, Slopestyle und Big Air. Die nächsten Freekski-Termine: Davos (20. und 21. 2.), Mythen (27. 2.); die Snowboard-Events: ­Davos (19.–21. 2), Mythen (27. 2.); audisnowboardseries.ch; swiss-ski.ch

Bereits ­angelaufen AUF DEM WEG ZUM CHAMPION Brad Binder (25, im Bild) war zarte zehn Jahre alt, als er das erste Mal ein Motorrad fuhr – es stellte sich schnell heraus, dass der Junge aus Südafrika Talent hatte. Über Moto3 (Weltmeister 2016) und Moto2 landete er schliesslich in der MotoGP – beim Grossen Preis von Tsche­ chien in Brünn gewann er sein erstes Rennen. Die Dokumen­ tation «Becoming 33» zeichnet ­seinen Weg zur ikonischen Startnummer 33 nach. redbull.com THE RED BULLETIN

Bereits ­angelaufen RADTOUR ZUM SKIVERGNÜGEN Zwei Freunde brechen auf, um 50 US-Ski­ abfahrten zu bewältigen. Der Clou: Cody Townsend und Michelle Parker sind mit dem Rad unterwegs (rund 1660 Kilometer), die Ski haben sie auf den Gepäckträgern montiert. Was sie dabei erleben, zeigt «The Mountain Why» – sehr amüsant. redbull.com   95


IMPRESSUM

THE RED BULLETIN WELTWEIT

Aktuell ­erscheint The Red Bulletin in sechs Ländern. Das Cover unserer US-Ausgabe ziert NBA-Basket­baller Matisse Thybulle, 23, ­Verteidiger bei den Philadelphia 76ers. Er sagt: «Verteidiger zu sein ist nicht sexy, es ist harte ­A rbeit – aber mir hat das immer gefallen.» Mehr Geschichten abseits des Alltäglichen findest du auf: ­redbulletin.com

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Gesamtleitung Alexander Müller-Macheck, Sara Car-Varming (Stv.) Chefredaktion Andreas Rottenschlager, Andreas Wollinger (Stv.) Creative Direction Erik Turek, Kasimir Reimann (Stv.) Art Direction Marion Bernert-Thomann, Miles English, Tara Thompson Grafik Martina de Carvalho-Hutter, Kevin Goll Fotoredaktion Eva Kerschbaum (Ltg.), Marion Batty (Stv.), Susie Forman, Tahira Mirza, Rudi Übelhör Digitalredaktion Christian Eberle-Abasolo (Ltg.), Elena Rodriguez Angelina, Benjamin Sullivan Special Projects Florian Obkircher, Arkadiusz Piatek Managing Editors Ulrich Corazza, Marion Lukas-Wildmann Publishing Management Ivona Glibusic, Bernhard Schmied, Anna Wilczek Managing Director Stefan Ebner Head of Media Sales & Partnerships Lukas Scharmbacher Head of Co-Publishing Susanne Degn-Pfleger Projektmanagement Co-Publishing, B2B-Marketing & Communication Katrin Sigl (Ltg.), Mathias Blaha, Katrin Dollenz, Thomas Hammerschmied, Teresa Kronreif (B2B), Eva Pech, Valentina Pierer, Stefan Portenkirchner (Communication) Creative Services Verena Schörkhuber-Zöhrer (Ltg.), Sara Wonka, Julia Bianca Zmek, Edith Zöchling-Marchart Commercial Management Co-Publishing Alexandra Ita Editorial Co-Publishing Raffael Fritz (Ltg.), Gundi Bittermann, Mariella Reithoffer, Wolfgang Wieser Executive Creative Director Markus Kietreiber Projekt Management Creative Elisabeth Kopanz Art Direction Co-Publishing Dominik Uhl (Ltg.), Stefanie Werth, Andreea Parvu Commercial Design Peter Knehtl (Ltg.), Simone Fischer, Martina Maier, Alexandra Schendl, Julia Schinzel, Florian Solly, Stephan Zenz Abo & Vertrieb Peter Schiffer (Ltg.), Marija Althajm, Nicole Glaser, Victoria Schwärzler, Yoldaş Yarar Anzeigenservice Manuela Brandstätter, Monika Spitaler Herstellung & Produktion Veronika Felder (Ltg.), Friedrich Indich, Walter O. Sádaba, Sabine Wessig Lithografie Clemens Ragotzky (Ltg.), Claudia Heis, Nenad Isailović, Sandra Maiko Krutz, Josef Mühlbacher Finanzen Mariia Gerutska (Ltg.), Klaus Pleninger MIT Christoph Kocsisek, Michael Thaler Operations Melanie Grasserbauer, Alexander Peham, Yvonne Tremmel Projekt Management Gabriela-Teresa Humer Herausgeber & Geschäftsführer Andreas Kornhofer Verlagsanschrift Heinrich-Collin-Strasse 1, A-1140 Wien Telefon +43 1 90221-0 Fax +43 1 90221-28809 Web redbulletin.com Medieninhaber, Verlag & Herausgeber Red Bull Media House GmbH, Oberst-Lepperdinger-Strasse 11–15, A-5071 Wals bei Salzburg, FN 297115i, Landesgericht Salzburg, ATU63611700 Geschäftsführer Dkfm. Dietrich Mateschitz, Dietmar Otti, Christopher Reindl, Marcus Weber

THE RED BULLETIN Schweiz, ISSN 2308-5886 Länderredaktion Wolfgang Wieser Lektorat Hans Fleissner (Ltg.), Petra Hannert, Monika Hasleder, Billy KirnbauerWalek, Belinda Mautner, Klaus Peham, Vera Pink Country Project Management Meike Koch Media Sales Marcel Bannwart (D-CH), marcel.bannwart@redbull.com Christian Bürgi (W-CH), christian.buergi@redbull.com Goldbach Publishing Marco Nicoli, marco.nicoli@goldbach.com Abo The Red Bulletin Leserservice, ­Postfach, CH-6002 Luzern, +41 41 329 22 00, abo@ch.redbulletin.com Druck Quad/Graphics Europe Sp. z o. o., Pułtuska 120, 07-200 Wyszków, Polen

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Die nächste Ausgabe des RED BULLETIN erscheint am 11. April 2021. 98

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RUTGER PAUW/RED BULL CONTENT POOL

Rutschpartien auf Dächern, Stunts mit Baggerschaufeln oder Sprünge auf fahrende Schiffe – in seinem aktuellen Video jagt Frankfurts Star-Freerunner Jason Paul, 29, durch Hamburg. Ziel: Er will sein Smartphone zurückhaben, das versehentlich in der Tasche einer Passantin gelandet ist. Den Clip gibt’s auf: youtube.com/redbull


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