The Red Bulletin AT 07/22

Page 1

ÖSTERREICH JULI 2022 € 3,50

+

ABSEITS DES ALLTÄGLICHEN JETZT ABONNIEREN: GETREDBULLETIN.COM

MARCEL HIRSCHER ANDREA SCHLAGER ALEX KRISTAN SARAH ZADRAZIL

MADE IN CHINA EILEEN GU

Jesse Marsch sagt: „Neugier, Chaos und Verletzlichkeit sind Stärken.“

LASST DIE SPIELE BEGINNEN! Mitstaunen oder Selberfahren: Entfesselte Lebensfreude auf dem Red Bull Ring


8.850 km Am 5. Oktober 1931 gelang den beiden mutigen amerikanischen Piloten Clyde Pangborn und Hugh Herndon der weltweit erste Nonstop-Flug von Japan in die USA. Nach ihrem Start legten sie in 41 Stunden rund 8.850 km zurück, bevor sie in Wenatchee, Washington, landeten. Sie erzielten damit den Rekord für den längsten Flug über Wasser.


LONGINES SPIRIT ZULU TIME

PIONEERING TIME ZONES


E DI TO R I A L

WILLKOMMEN

ERFAHRE DICH SELBST!

Ski-Legende Marcel Hirscher trainiert in Salzburg für das Red Bull Erzbergrodeo. Uns erzählt er von seiner neuen Herausforderung, ab Seite 24.

SPITZE FEDER

Comiczeichner Nicolas Mahler verfeinert nicht nur unser Magazin auf Seite 98. Sein neues Buch, eine Hommage an Romy Schneider, gibt’s ab sofort im Handel.

500 Boulder-Routen hat der Tiroler Kletterer Bernd Zangerl in der Himalaya-Region an­ gelegt. Mehr über den „Natural Born Free­ climber“ ab Seite 40.

TEAM ROTTENSTEINER (COVER)

Viel Freude mit der neuen Ausgabe von The Red Bulletin! Die Redaktion

SPEED-DATE

Sportjournalistin Andrea Schlager und Ex-F1-Pilot Patrick Friesacher packen ihr Fahrkönnen im Driving Center im Infield des Red Bull Ring aus: ab Seite 62. 4

MARKUS BERGER, KONSTANTIN REYER

EIN GIGANT GIBT GAS

Jetzt geht’s am Red Bull Ring am Spielberg rund: Nicht „nur“ beim Formula 1 Rolex Großen Preis von Österreich, der MotoGP oder der DTM. Auch für alle, für die ultimative Selbsterfahrung tatsächlich „Fahren“ heißt: Dort, wo Verstappen Tempo macht, kannst auch du an der Seite von professionellen Coaches ganz persönliche Driving Experiences sammeln. So wie ServusTV-Sportjournalistin Andrea Schlager, die sich im Driving Center mit Ex-Formel-1-­ Pilot Patrick Friesacher matchte (Seite 62). Alles dazu und weit mehr aus der faszinierenden Innenwelt des Red Bull Ring findest du im Dossier „Spielplatz Spielberg“ (Seite 43). Noch ein weiterer, nicht ganz unbekannter Renn­fahrer sammelt derzeit neue Erfahrungen: Ski-Gigant Marcel Hirscher trainiert mit Enduro-Profi ­Michael Walkner unter verschärften Bedingungen fürs Red Bull Erzbergrodeo. In einer der Pausen gibt uns der achtfache Gesamtweltcupsieger ein ausführliches Interview, in dem er auch privat wird (Seite 24).

THE RED BULLETIN


/ E N G I N E E R E D

I N

D O L O M I T E S

SALEWA.COM

T H E


BREITLING BOUTIQUE KOHLMARKT 3

VIENNA


Giannis Antetokounmpo


I N H A LT The Red Bulletin im Juli 2022

HARD ENDURO

24 M ARCEL HIRSCHER

SPIELPLATZ SPIELBERG 44 DER STRECKEN-CHECK Die markantesten Passagen des Red Bull Ring 46 D IE RING-REVOLUTION Alle Neuerungen, die für noch mehr Spannung sorgen 48 FORMEL-1-GALLERY Am Spielberg – Stimmungsbild vom Hexenkessel 50 D IE GLORREICHEN FÜNF Piloten im Blickpunkt – die Helden, die Geheimtipps 52 FORMEL-1-COCKPIT Der Insider-Blick auf Verstappens Arbeitsplatz 53 A NDREAS MEKLAU Der Herr der Ringe – wie tickt der Rennleiter? 54 DER SELBSTVERSUCH Unser Autor geht am Moto2Bike an seine Grenzen. 62 DRIVING CENTER Andrea Schlager und Patrick Friesacher – das PS-Duell

36 SARAH ZADRAZIL

Die Bayern-Spielerin räumt mit Macho-Klischees auf.

FRISCHER WIND Die neue Aerodynamik in der Formel 1, hier der Red Bull Racing RB 18-Bolide

ABENTEUER

Der Survival-Trainer sucht den Riesen-Ameisenbären.

KLETTERN

40 BERND ZANGERL

Die Boulder-Ikone und ihr Kraftplatz im Himalaya

5-MINUTEN-COACH

72 D IANA LUEGER

Die Musikerin über den ­perfekten Start in den Tag

GUIDE

Tipps für ein Leben abseits des Alltäglichen

75 STEIL BERGAUF Lauf-Champion Judith Wyder und ihr Mann Gabriel erlaufen das Jakobshorn.

75 REISEN. Run auf den „Zauberberg“ 80 BIOHACKING. Wie Springen Körper und Geist belebt 81 PLAYLIST. Fontaines D. C. und ihre vier Lieblingssongs 82 TIPPS & TRENDS. Richtig gutes Zeug für den Sommer 84 L ESESTOFF. Chris Landow – der etwas andere „Parceval“

70 A LEX KRISTAN Seine Hommage an den Ring

88 OUTDOOR. So cool ist Camping.

46

38 H AZEN AUDEL

68 D ER HAUPTGANG Essen, Trinken und Schlafen rund um den Red Bull Ring

10 GALLERY 16 ZAHLEN, BITTE! 18 FUNDSTÜCK

8

FUSSBALL

86 KALENDER. Die besten Events 92 B OULEVARD DER HELDEN. Köhlmeier über Legende Bilgeri

20 DAS PHILOSOPHEN-INTERVIEW 22 MEIN ERSTES MAL

96 IMPRESSUM 98 CARTOON

36 GROSSER KICK Nationalspielerin Sarah Zadrazil hat für die Frauen-EM ehrgeizige Ziele.

THE RED BULLETIN

RED BULL RACING/RED BULL CONTENT POOL, DAVOS KLOSTERS BERGBAHNEN AG, MARKUS BERGER

Dossier

Sein hartes Training, seine spektakulären Ansagen


24 MARCEL RELOADED Marcel Hirscher trainiert fürs Red Bull Erzbergrodeo – und auch im Interview gibt er richtig Vollgas.

THE RED BULLETIN

9


10

WAYNE REICHE/RED BULL CONTENT POOL

DAVYDD CHONG


KAPSTADT, SÜDAFRIKA

Volles Rohr BMX-Profis sehen die Welt ein wenig anders als du und ich. Zum Beispiel geraten sie beim Anblick eines mächtigen Industrie­ rohrs in helle Aufregung. Zuerst sah es noch so aus, als müsste das Monstrum in einer typischen Nacht-und-Nebel-Aktion erobert werden. Doch die Hafenarbeiter in Kapstadt hatten ohnehin vor, das Ding zu zer­ schneiden und somit nichts dagegen, dass Murray Loubser seine Tricks in die ­Röhre zauberte. Und Fotograf Wayne ­Reiche? Der freute sich, einmal nicht unter Zeitdruck arbeiten zu müssen. Mehr Bilder: waynereiche.com


LA CLUSAZ, FRANKREICH

Sessellift to Heaven Eine halbe Stunde brauchte der Heißluftballon, bis er 6500 Meter Höhe erreicht hatte. Der Franzose Fred Fugen nahm ­derweil auf dem darunter angebrachten Sessel Platz. Dann stieß er sich ab und ließ sich in die Tiefe fallen. Nach ein paar eleganten Figuren im freien Fall öffnete er seinen Gleitschirm, um im Stile eines Speedriders – Kombination aus Gleitschirmfliegen und Skifahren – auf der ­Piste zu landen. Wer hat da behauptet, dass keine Meister vom Himmel fallen? Video von der Aktion: redbull.com


INSEL SIARGAO, PHILIPPINEN

Phantom des Ozeans

DOM DAHER/RED BULL CONTENT POOL, MATT POWER/RED BULL ILLUME

DAVYDD CHONG

Der Sonnenuntergang. Die perfekte Welle. Das klare Wasser. Und obendrauf ein talentierter Surfer: Es ­dauerte ­ziemlich lang, bis die von Fotograf Matt Power erträumten Zutaten zusammenkamen. „Nein, ich kenne den Surfer nicht“, sagt er, „aber das macht die Aufnahme nur noch mystischer.“ Jedenfalls bescherte sie dem KameraKünstler einen Platz im Finale des Fotowettbewerbs Red Bull Illume. mattpowerphoto.com

THE RED BULLETIN

13


CARRARA, ITALIEN

Nein, das ist kein griechischer Tempel und auch keine südamerikanische Kultstätte. Es handelt sich um die berühmt-berüchtigten Steinbrüche von Carrara. Berühmt, weil hier seit der Römerzeit unermüdlich wertvoller Marmor abgebaut wird. Berüchtigt, weil das der Landschaft in der Toskana inzwischen imposante Narben zugefügt hat. Kletterer wollen jetzt darauf aufmerksam machen. Der See ist übrigens nicht natürlichen Ursprungs: Das Regenwasser kann nicht abfließen, weil Marmorstaub die Erde versiegelt. Mehr Fotos: federicoravassard.com 14

FEDERICO RAVASSARD/RED BULL ILLUME

BeckenGymnastik



Z AHL EN, BI T T E!

HARRY POTTER

Die Magie der Marie Vor 25 Jahren veröffentlichte die Sozialhilfeempfängerin Joanne K. Rowling das erste von sieben Büchern über den Zauberschüler Harry Potter. Heute hat sie knapp eine Milliarde Euro am Sparbuch. Hier sind die wilden Zahlen zum Jubiläum.

Verlegern wurde das erste Buch 1996 angeboten. Alle zwölf lehnten ab.

Dollar zahlte Scholastic für die US-Verlagsrechte am ersten Potter-Band.

8,3

820

Millionen Exemplare von „Die Heiligtümer des Todes“, dem letzten Band der PotterSerie, wurden 2007 binnen 24 Stunden verkauft.

Millionen Pfund (966 Millionen Euro) soll das Vermögen von J. K. Rowling heute umfassen.

10,4

79 455

Wörter auf insgesamt 6095 Seiten umfassen J. K. Rowlings sieben Harry-Potter-Bände.

Meter lang war der Red Carpet bei der Londoner Weltpremiere von „Heiligtümer des Todes“.

19

7.726.174.542

29

Nationen nahmen 2018 an der 4. Quidditch-WM in Florenz teil. Der Titel ging zum ­dritten Mal an die USA.

Dollar (7.309.656.472 Euro) spielten die acht Potter-Kinofilme weltweit ein – Bestmarke für eine Fantasy-Serie. 16

THE RED BULLETIN

CLAUDIA MEITERT

1.084.170

HANNES KROPIK

Millionen Fans besuchten ­allein 2019 den Vergnügungspark „The Wizarding World of Harry Potter“ in Orlando.

Sprachen bieten Übersetzungen an. Potter-Bücher gibt es auch auf Maori, Yiddish und Kasachisch.

Jahre nach dem letzten Buch feierte das Theaterstück „Harry Potter and the Cursed Child“ am Broadway Erfolge.

105.000

PICTUREDESK.COM, GETTY IMAGES

12

500

Exemplare umfasste die 1. Auflage von „Harry Potter and the Philosopher’s Stone“ im Juni 1997.


www.tirol.at

HART GLÜCKLICH .


F U ND ST Ü CK

ANDREAS WOLLINGER

Madonna Louise Ciccone, Tochter italienischer Ein­wan­ derer, schaffte es in den 80ern auf den Gipfel der Popwelt.

MADONNA

Drunter überdrüber Zentraler Teil des Bühnenoutfits der „Queen of Pop“ bei der „Who’s that Girl“-Tour, 1987

18

PICTUREDESK.COM, GETTY IMAGES

Während des Songs „Dress You Up“ hob Madonna, damals 29 und der angesagteste Popstar der Welt, mehrmals neckisch ihren Rock und zeigte dem Publikum, was sich darunter verbarg: eine Netzstrumpfhose und ein Nichts von einem Höschen mit der Aufschrift KISS an pikanter Stelle. Und am Ende des Liedes hatte sie das Ding plötzlich in der Hand. Jedenfalls brach die Show alle bis dahin gültigen Zuschauerrekorde.

THE RED BULLETIN


17&co. Hemd 35,99 Tanktop 12,99 Bermuda 39,99

Mehr Trends entdecken:

FUSSL.AT


DAS F IK T IV E PHILO S O PHEN -IN T ERV IE W

IMMANUEL KANT SAGT:

„Hören Sie auf, sich Gedanken anderer anzueignen“ Soziale Medien und Messenger-Dienste überfluten uns mit Informationen und Nachrichten. Gleichzeitig wächst die Unsicherheit darüber, wem man noch glauben kann. Diese Frage beschäftigte schon Immanuel Kant. Im fiktiven Interview mit dem Philosophen Christoph Quarch erklärt der Aufklärer, was wir tun können, um unsere Meinung zu schärfen.

zu tun unterlassen, geraten Sie unweigerlich in Unfreiheit. Dann nützen Ihnen auch die Freiheitsrechte nicht mehr viel, von denen Sie sprachen. Welchen Wert hat die Meinungsfreiheit, wenn Sie nicht in der Lage sind, sich eine eigene Meinung zu bilden?

Was müssten die Menschen denn tun, um ihre U ­ rteilskraft zu schärfen? Sie müssten aufhören, sich die Gedanken anderer anzueignen, und stattdessen das eigenständige Denken üben. Eigenständig denken heißt, sich kritisch mit dem auseinanderzusetzen, was man gesagt bekommt – vor allem dann, wenn man uns sagt, was wir hören wollen. Deshalb halte ich Ihre sozialen Medien und Messenger-Dienste für problematisch. Sie beliefern die Nutzer mit Meinungen und Nachrichten, die sie in dem bestätigen, was sie für richtig halten. Wer stets nur das hört, was er hören will, stellt das Denken ein und begibt sich in eine unbemerkte und damit umso „Freiheit ist, schlimmere Knechtschaft. seine Sichtweisen

Könnte das damit zu tun haben, dass den Menschen in der heutigen Welt so viele Informationen angeboten werden, dass sie gar nicht mehr die Zeit haben, sich ihre eigene Meinung zu bilden? Gewiss, die Welt, in der Sie leben, ist unübersichtlich. Gerade deshalb aber ist es umso wichtiger, dass Sie nicht müde werden, sich Ihres Verstandes zu bedienen und Ihre Urteilskraft zu schärfen. Denn wenn Sie dies

20

Manche haben das als Symptom einer Weltfremdheit dieses wohl bedeutendsten Denkers der Aufklärung in Deutschland gesehen – was nicht zutrifft, da Kant ein geselliger Mensch war, der gern mit Freunden tafelte. Er verband Lebensart mit preußi­ scher Strenge: eine brisante Mischung, die sich auch auf seine Philosophie erstreckt, wobei die Strenge meistens dominierte. CHRISTOPH QUARCH, 57, ist Philosoph, Gründer der Neuen Plato­ nischen Akademie (akademie-3.org) und Autor zahlreicher philo­ sophischer Bücher, zuletzt: „Kann ich? Darf ich? Soll ich? Philo­ sophische Antworten auf alltägliche Fragen“, legenda Q, 2021.

THE RED BULLETIN

DR. CHRISTOPH QUARCH

Aber Herr Kant, wir leben im 21. Jahrhundert. Wir haben Meinungsändern zu können. Und wie kann man dieser Knechtfreiheit, Glaubensfreiheit, Pressefreiheit. Es gibt einen freien Markt, Darin gründet sich schaft entgehen? freie Wahlen – zumindest in einigen Alles kommt darauf an, den Blick unsere Würde.“ Ländern der Welt. Wie können Sie auf sich selbst zu lenken und sich sagen, wir lebten in Knechtschaft? zu fragen: Warum glaube ich diese Die „selbstverschuldete Unmündigkeit“, Verehrtester, Nachricht und nicht jene? Warum laufe ich diesem ist auch in Ihrer Welt noch weit verbreitet. Ich meine ­Influencer hinterher? Wieso weigere ich mich, den damit ja nichts anderes als den Umstand, dass die Ansichten von diesem oder jenem zuzustimmen? Menschen dazu neigen, sich gedankenlos den Mei­Solche Fragen bahnen den Ausweg aus der Unmündig­ nungen und Sichtweisen anderer zu unterwerfen. keit. Freiheit heißt, nicht immer dem folgen zu müssen, Gewiss, zu meiner Zeit waren das die Dogmen der was Autoritäten behaupten. Freiheit ist, seine Sichtweisen ändern zu können. Das ist oft mühsam, aber Kirche oder der herrschenden Eliten. Heute sind es darin gründet sich unsere Würde. die Ansichten von sogenannten Meinungsführern und Experten, wie man sie in Ihren Talkshows findet. Man hört sich an, was die Leute sagen, und dann betet man IMMANUEL KANT (1724–1804) war schon zu Lebzeiten als es nach. Sich des eigenen Verstandes zu bedienen „der Königsberger“ bekannt. Das liegt daran, dass er seine scheint nur wenigen noch einzufallen. ­Heimatstadt in Ostpreußen nicht ein einziges Mal verlassen hat.

BENE ROHLMANN

the red bulletin: Herr Kant, Sie haben vor rund 250 Jahren die Menschen dazu ermutigt, ihre „selbstverschuldete Unmündigkeit“ zu überwinden und sich ihres Verstandes „zu bedienen“. Haben Sie den Eindruck, dass die Menschheit ­seither Ihrem Appell gefolgt ist? immanuel kant: Ihre Frage betrübt mich, mein Herr. Denn sie gemahnt mich dessen, dass es um den Menschen sonderbar bestellt ist: Er wünscht sich Freiheit und Selbstbestimmung, doch er verhält sich auf eine Weise, die ihn stets aufs Neue in die Knechtschaft zwingt.


WO DEIN SPORT DIE NR. 1 IST

© Ortovox

GIGASPORT | 16 MAL IN ÖSTERREICH UND AUF WWW.GIGASPORT.AT


M EIN ERST ES M A L

JASON PAUL

„Angst ist mein Navigator“

Jason Paul ist einer der besten Freerunner der Welt. zu können. Dann kommt der Ego-Check: Ich bin zwar Dreimal hat der 31-jährige Frankfurter die Parkourhier, aber bin ich bereit für den Sprung? Wäre es für Weltmeisterschaft gewonnen. Seine Videos, in denen mich okay, nicht zu springen? Und dann noch: Habe er atemberaubende Sprünge über Hausdächer zeigt, ich gut geschlafen? Wie fit fühle ich mich heute? auf Straßenlaternen klettert oder Ich gehe alle Fragen durch, erst Saltos über hohe Balustraden dann treffe ich die Entscheidung. wagt, sind YouTube-Hits. Sein Wichtig dabei: Wenn ich mich Video „Last Call for Mr. Paul“, in gegen den Sprung entscheide, dem er auf unnachahmlich trickdann darf ich mich nachher nicht reiche Weise den Münchner ärgern. Und wenn ich mich dafür Flughafen erkundet, hat auf der entscheide, dann muss ich alle Plattform 158 Millionen Klicks. Zweifel ausschalten. Jeder Gedanke muss auf Erfolg abzielen. Wenn es auf den ersten Blick vielleicht nicht so scheint: Auch Diesmal entschied ich mich für Jason Paul musste erst lernen, mein Bauchgefühl, trotz miss­ sich und ­seinem Körper zu vertrauen, seine Skills richtig ein­ lungenen Testsprungs. Ich rannte zuschätzen und – besonders auf den Abgrund zu, sprang los wichtig – Angst zu seinem Vor– und landete auf der anderen teil zu nutzen. Hier spricht er Seite. Alles perfekt, genau, wie 0:00 –36:17 über den ersten Sprung, bei dem ich es mir vorgestellt hatte. Ich Jason Paul ihm dies gelang. hätte sogar einen h ­ alben Meter Mein erstes Mal – der Podcast mehr geschafft! Dieser Sprung „Das erste Mal, dass ich mich war sehr lehrreich für mich: bei einem Sprung voll auf mein Viele Leute denken ja, Free­ Bauchgefühl verließ, das war runner kennen keine Angst. „Ich sprang und in Cambridge in England. Nach, Aber das stimmt überhaupt ich schätze mal, vier Jahren nicht. Angst ist gesund und sinnschaffte es nicht. voll, sie beschützt mich. Sie hilft ­Training. Fünf Meter von einem Beim zweiten Mal mir dabei, jedem schwierigen Hausdach zum nächsten, zwei Stockwerke über dem Boden. Ein rannte ich auf den Ab- Sprung den nötigen Respekt ­entgegenzubringen. Ein Verweiter Sprung, den bis dahin nur grund zu, hob ab …“ gleich: Beim Autofahren sitze fünf Freerunner gewagt hatten. ich am Steuer, aber die Angst ist Mein Bauchgefühl sagte mir, Jason Paul über seinen inneren Sieg mein Beifahrer und Navigator. du schaffst das. Aber mein Kopf Ich habe die Kontrolle, höre aber war noch anderer Meinung. Zur auf meine Angst. Denn wenn ich das Autoradio zu laut Sicherheit kletterte ich vom Dach runter und malte aufdrehe, wenn ich also derart die Angst ausblende, zwei L ­ inien auf den Boden, ebenfalls mit fünf Meter dann wird es gefährlich.“ Distanz. Um zu üben, um meine Angst loszuwerden. Ich sprang – und schaffte es nicht. Totale Verwirrung: Was? Mein Bauchgefühl hatte mir doch dazu geraten. Ich kletterte wieder rauf, um mir die Sprungbahn noch einmal in Ruhe anzuschauen. Und dann probierte ich eine Technik, die ich bis heute anwende. Ich sage zu mir selbst: Angst, erzähl „MEIN ERSTES MAL“ IST DIE RED BULLETIN-PODCAST-SERIE, in der mir alle schlimmen Sachen, die passieren könnten. ­Heldinnen und Helden über ihre Anfänge sprechen. Die Folge mit Jason Was könnte schiefgehen? Auf diese Weise entsteht Paul, in der er auch erzählt, wie er sich bei seiner ersten Weltmeisterschaft bei mir ein Plan B im Kopf. Ich bereite mich auf jede selbst überraschte, gibt’s im Podcast-Kanal von The Red Bulletin – auf ­allen gängigen Plattformen wie Spotify und auf redbulletin.com/podcast mögliche Situation vor, um dann schnell reagieren

22

THE RED BULLETIN

JAANUS REE/RED BULL CONTENT POOL

Er überwindet schwindelerregende Häuserschluchten, doch furchtlos ist er keineswegs: der deutsche Freerunning-Weltmeister über den Moment, der ihn lehrte, seinem Bauchgefühl zu vertrauen.


y z a r c s i e f i #l

@rauch_Eistee #lifeiscrazy


ENDURO-FAN MARCEL HIRSCHER, 33,

ist mit acht Siegen im Gesamtweltcup der erfolgreichste Ski­rennfahrer seiner Zeit. Dieses Jahr will er erstmals beim Hard-Enduro-Rennen am steirischen Erzberg starten.


Hard Enduro

GIGANT IM GATSCH

Ein geheimer Ort in Salzburg. Eine Schlucht, zu steil zum Kriechen: Hier trainiert MARCEL HIRSCHER mit Enduro-Profi MICHAEL WALKNER für das Red Bull Erzbergrodeo. Mit uns spricht die Ski-Legende über seine Lust an der Überforderung – aber auch über Bierbänke, Sonntagsfahrer und seine Rolle als Daddy Cool. Text WERNER JESSNER

Fotos MARKUS BERGER

Gestrüpp, dichtes Unterholz, Matsch: Marcel Hirscher (vorn) und sein ­Trainingsbuddy, Enduro-Profi Michael Walkner, durch­pflügen eine Erdrinne.

THE RED BULLETIN

25


Hard Enduro

E

in dichter Nadelwald irgendwo im Salz­ burgischen. Eine WhatsApp mit den Koordinaten. Eine Schotterstraße, die den Berg hinaufführt. Sie wird enger und ­enger. Sind wir hier wirklich richtig? Stehen bleiben, um Handyempfang zu suchen. Doch was tönt und dröhnt da, erst sanft, dann immer energischer, aus dem dunklen Tann? Ein Zweitaktmotor in höchster Erregung. Dann ein zwei­ ter. Sind das Marcel und Michael? Ein paar Kurven weiter stehen dann aber erst einmal zwei Busse. Und vor ihnen Klappstühle. Und in diesen Klapp­stühlen sitzen Mechaniker. Aber wo stecken ­Marcel ­Hirscher und Michael Walkner? Die Herren vom Service deuten wort­ los auf den tiefen Abgrund, der sich vor ­ihnen auftut. Echt jetzt? Das Gelände ist so abschüssig, dass man es zu Fuß kaum bewältigen kann, ist durchsetzt mit Bäumen, Wurzeln, Stei­ nen. Der Boden ist feucht. Und da soll demnächst wer mit dem Motorrad rauf­ kommen? Aber genau das ist das Wesen von Hard Enduro: da fahren, wo andere auf allen vieren kriechen. Wer beim Red Bull Erzbergrodeo (16.  – 19. Juni, Infos auf Seite 34) bestehen will, ist beim Training hier genau richtig. Es dauert nicht lang, und Marcel (auf einer Husqvarna) und Michael (auf ­einer GasGas) tänzeln mit präzisen Bewegungen das scheinbar unbefahr­ bare Gelände rauf. Die Köpfe dampfen, als sie ihre Helme abnehmen. Auch die Nudeln, die am Gaskocher zubereitet werden, sind endlich heiß. 26

„Im Gelände brauche ich keinen Pacemaker, sondern einen, der das Rennpferd Marcel einbremst.“ Marcel Hirscher über die speziellen Herausforderungen als Enduro-Fahrer

the red bulletin: Marcel, was ist der größte Unterschied zwischen deinem Training als Ski- und Enduro-Fahrer? Marcel Hirscher: Beim Skifahren wusste ich, wie ich trainieren muss. Hier weiß ich gar nix. (Lacht.) Das beginnt schon damit, überhaupt geeignete Trai­ ningsmöglichkeiten zu finden. Mein ­Training als Skifahrer war sehr klar, sehr strukturiert – hier stolpere ich von Über­ forderung zu Überforderung. Aber es ist faszinierend und macht große Freude.

Lass uns dein Training damals und heute in Zahlen gießen. hirscher: Heute: fünf Stunden Fitness und fünf Stunden Motorrad pro Woche. In der Skizeit waren es dreimal so viele Stunden. Heute wiege ich wahrscheinlich um die 78 Kilo, ich habe keine Waage mehr. Eine Skisaison habe ich mit 85 Kilo begonnen und mit 77 beendet. Wie fühlst du dich körperlich? hirscher: Schlecht! (Lacht.) Michael Walkner: Haha, du bist gscheit fit! Hab ich gerade heute wieder gesehen. Der Marcel stapelt gern tief. hirscher: Ich weiß halt, was einmal möglich war. Als Profi erholst du dich viel schneller. Jetzt bin ich nach zwei Stunden zammgräumt. Aber ich lebe von meinem Fundament, das ich über die Jahre auf­gebaut habe. Wie hat sich dein Geschwindigkeitsempfinden verändert? hirscher: Die Augen sind massiv lang­ samer geworden. Die Eindrücke kommen mir viel schneller vor als in meiner stärks­ ten Zeit. Das Reaktive geht als Erstes ver­ loren. Es kommt erst nach ein paar Tagen wieder, selbst am Ski. Das Gute an Hard Enduro: Es ist nicht besonders schnell.

MARCELS ENDURO-TRAININGSBUDDY

Der Salzburger Michael Walkner, 24, ist eines der Zukunftsversprechen im Hard Enduro. Sein Cousin ist Dakar-Sieger Matthias Walkner, aber den hat er im harten Gelände locker im Griff.

Was hast du von Red Bull Romaniacs (mehr­tägige Hard-Enduro-Rallye in Rumänien; Anm.) gelernt, wo du dich ver­gangenen Sommer verletzt hast? hirscher: Es war ein Megaerlebnis, das mir meine körperlichen Grenzen THE RED BULLETIN


NEUE MISSION

Hirscher (rechts, auf einer Husqvarna) und Walkner (auf e­ iner GasGas): Es geht um präzise, fast schon tänzelnde Moves.


„Ob ich bereit wäre, unterwegs aufzugeben? Nein, auf keinen Fall!“ Marcel Hirscher über die Herausforderung, am Erzberg überhaupt ins Ziel zu kommen

DIE CHALLENGE

Was zählt, ist Durchkommen – auf jedem Untergrund. Hirscher (rechts) und Walkner im Bachbett.


Hard Enduro

KONZENTRATION … Hirscher (rechts) und ­Walkner scannen schon die nächste Route.

… UND ACTION

Beim Hard Enduro ­entscheiden kleinste Bewegungen.

THE RED BULLETIN

29


DIE FLUGSHOW

Marcel Hirscher, hier beim Bergaufsprung im offenen Gelände: Fliegen, um nicht zu rutschen.


Hard Enduro

„Heute sage ich allein, was ich will – und keiner sonst.“ Marcel Hirscher über die neue Freiheit – und seine Zeit als „Leibeigener“ im Skizirkus

­ ufgezeigt hat. Fahrerisch habe ich mich a okay gefühlt, aber ich war nach vier Stunden am ersten Tag erledigt – und dann wäre es noch vier Tage weitergegangen! Was ich gelernt habe: Ich brauche keinen Pacemaker, sondern einen, der das Rennpferd Marcel einbremst. Wie kam es zum Sturz, bei dem du dir damals den Knöchel gebrochen hast? hirscher: Weiß ich nicht. Ich war ja für fünf Minuten bewusstlos. Es ging eine Kuppe bergab, so viel kann ich rekons­truieren. Entweder ich bin über den L ­ enker „abgestiegen“ oder mir selbst über den Stiefel gefahren. Jetzt reicht es wieder einmal für einige Zeit mit dem Wehtun! Da bist du am Erzberg ja genau richtig. Was bedeutet er für dich? hirscher: Schon als Jugendliche haben wir jene bewundert, die eine ErzbergStartnummer auf ihren Maschinen picken hatten, und wir sagten uns: „Eines Tages wollen wir da auch mitfahren.“ Jetzt ­ermögliche ich es mir. Du ermöglichst dir vier Stunden Schinderei. hirscher: Klar kann man den Sinn ­infrage stellen, aber dann kannst du das bei fast allem. Für mich ist es ein Ziel, auf das ich hintrainiere, eine Aufgabe im Leben abseits vom Business. Ich setze mir keine Benchmarks in absoluten ­Zahlen. (Pause.) Aber wenn ich mich nicht für das eigentliche Rennen am Sonntag qualifiziere, dann lass ich’s. Wenn es ganz wild wird: Bist du bereit, unterwegs aufzugeben? hirscher: Nein, auf keinen Fall! Im Unterschied zum Skifahren wirst am Erzberg nicht du die Geschwindigkeit vorgeben, sondern das werden die äußeren Umstände, das wird der Stau an den Schlüsselpassagen. hirscher: Genau, ich bin eh so ein gedul­diger Mensch. (Grinst.) Vielleicht probiere ich mit Nettigkeit oder Grantigkeit, dass mich die anderen vorbeilassen. Ich mache das ohnehin nicht, um Spaß zu haben, sondern um der Herausfor­ derung willen. Und ich will natürlich ­gesund nach Hause kommen. Musst du dabei deinen inneren ­Perfektionisten einsperren? 31


Hard Enduro

hirscher: Ich seh das realistisch. Ich bin nicht mehr der Profi, der ich einmal war. Natürlich würd’s mich anzipfen, wenn ich am ersten Hügel das Moped ­absteche – aber auch das kann passieren.

Marcel, was macht das mit dir, wenn jemand schneller ist? hirscher: Damit konnte ich noch nie gut umgehen. Aber so ist es eben. Hat sich dein Risikoverhalten ­geändert, seit du Vater bist? hirscher: Nein, ich bin eher cooler. Ich muss zu Hause ja Videos zum Herzeigen haben. Motto: Do the Hiasi! (Lacht.) Mein vierjähriger Sohn hat ein kleines Elektromoped, aber derzeit fasziniert ihn Klettern mehr. Kids in diesem Alter tun, was ihnen Spaß macht. Ich habe da so gar nichts von meinem eigenen Vater, ich bin mehr so der Take-it-easy-Dad.

Apropos gesund: Wie gehst du mit den Stürzen um? hirscher: Ich musste mich heute sicher schon 30 Mal vom Motorrad trennen. Ich habe aufgehört, mich daran fest­ zuklammern, wenn es schiefgeht. Nicht material-, aber körperschonend, dieser Stil! Es ist ganz normal, dass es sich manchmal nicht ausgeht. walkner: Aber das waren keine Stürze – das waren Umfaller. hirscher: Stimmt, Fuck-Moment war heute noch keiner dabei. Definiere „Fuck-Moment“, bitte. hirscher: Wenn du bei einem 30-MeterTable (tischförmiges Absprungplateau; Anmk.) auf der Motocross-Strecke in der Luft absteigen musst, weil es dir beim Ab­ sprung den Gang raushaut. Alles schon erlebt, noch während meiner Skizeit. Aber damals hab ich noch mal Glück gehabt! walkner: Als dir das Ritzel (kleineres Zahnrad im Kettengetriebe; Anmk.) ­gebrochen ist? hirscher: Nein, das war ein anderes Mal. Marcel, Michael, wie ist euer Verhältnis? hirscher: Ich bin der große Bruder, der nicht fahren kann. (Lacht.) walkner: Hey, ich schätze es extrem, mit dir trainieren zu dürfen. hirscher: Ich schätze es auch extrem, mit einem der besten Hard-Enduro-Pilo­ ten der Welt fahren zu dürfen. Für mich ist es faszinierend zu sehen, was Mensch und Maschine leisten können, wenn sie eine Einheit bilden. Okay, wenn dann auch noch der „Hiasi“ Walkner dabei ist, kann es passieren, dass ich mich für ein paar Sekunden mit ihm anlege. Da treffen zwei aufeinander, die nicht nachgeben. Bei dir ist im harten Gelände klar, dass du in einer eigenen Liga unterwegs bist. Besprecht ihr fahrtechnische Feinheiten, oder ist das eher ein ­Anschauen und Nachmachen? hirscher: Ich versuche es erst auf meine Art, scheitere, und dann kommt Michael und sagt: „Probiere es so oder so.“ Gerade bei extremen Steilauffahrten … walkner: … bringt es nix, mit Vollgas raufzukleschen und zu hoffen, dass es 32

Garant für technisch sauberen Fahrstil: Hier springt Enduro-Pro Walkner über eine Kuppe.

gutgeht. Hier musst du dich sehr präzise positionieren, genau wissen, wo das ­Hinterrad ist, und zur richtigen Zeit Druck auf die Fußraster geben. Ich bin ein großer Freund eines kontrollierten, technisch sauberen Fahrstils mit nied­ riger Drehzahl. Auch Marcel sieht man an, dass er seine Technik als Jugend­ licher mit dem Trial-Bike erlernt hat. Marcel, dir hilft wahrscheinlich das geschulte Auge für Bewegungsabläufe. hirscher: Schon. Aber die Feinheiten an Gas und Kupplung sieht man dann halt doch nicht. Das sieht beim Michael so einfach aus: Fährt rauf wie mit Stand­ gas, dass du dir denkst, das gibt’s nicht. Michael, was ist dein sportliches Ziel für den Erzberg? walkner: Finishen – und das, wenn möglich, in den Top Ten.

Fährst du auch auf der Straße ­Motorrad? hirscher: Ist mir zu gefährlich. Lauter Wahnsinnige da draußen! Wie war die Zeit unmittelbar nach dem Ende der Skikarriere? hirscher: Das Schlimmste für mich war, herauszufinden, wie einseitig mein Weg, wie vorgegeben mein Leben war. Null Spielraum für eigene Entscheidungen. Wie eng die Leitplanken waren, zwischen denen man sich bewegen durfte. Hast du das Gefühl, etwas versäumt zu haben? hirscher: Das grad nicht. Aber heute hocke ich hier am Berg und lass es mir gutgehen. Mache, worauf ich Lust habe. So sind viele coole Projekte entstanden: meine Skifirma, mein Team. Da sage ich alleine, wie ich es mir vorstelle, und nie­ mand sonst. Als Skifahrer bist du verkauft. Das macht etwas mit dir. Ich war auf eine gewisse Art Leibeigener von anderen. Klingt hart. Aber dieses System hat dich doch auch ernährt und geprägt.

„Mein Sohn hat ein E-Moped, aber ihn fasziniert Klettern mehr.“ Marcel Hirscher über die Rolle als Vater und seine liberalen Erziehungsmethoden

THE RED BULLETIN


AUSGEPOWERT

Eine Trainingspause – Hirscher hat den Helm abgenommen. Er ist abgekämpft, aber ausgeglichen.


Hard Enduro

hirscher: Ich hoffe, dass ich 80 oder 90 Jahre alt werde. Und ich bin über­ zeugt, dass ich noch erleben werde, dass man mit Athleten nicht mehr so um­ gehen kann wie zu meiner Zeit. Das Wort „selbst“ wird deutlich in den Vorder­ grund rücken. Dabei warst du ohnehin nonkonformistischer unterwegs als der Großteil. hirscher: Ich habe mich absolut an die Schmerzgrenzen des Systems heran­ getastet. Und dennoch: Heute ist völlig unvorstellbar, wie ich das ausgehalten habe! Das Team, mit dem ich unterwegs war, wurde mir vorgesetzt. Ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht, dass ich es eigentlich selbst zusammenstellen sollte. Immerhin sind das die wichtigsten Personen für deinen Erfolg.

Wie wirst du als Chef sein? hirscher: Das wird ein langer Prozess werden. Ich werde sicher vieles nicht ganz so cool machen und anderes vielleicht gut – aber tägliches Lernen gehört dazu. Die Vision des Unternehmers ­Marcel Hirscher? hirscher: Den Skisport maßgeblich und nachhaltig zu verändern. Selbständig­ keit, Individualität, mehr Persönlichkeit. Und vor allem, den Sport dort hinzu­ treiben, wo er hingehört, Professionalität reinzubringen. Ich möchte nie wieder ­einen Servicemann auf einer Bierbank Ski präparieren sehen. Also schwebt dir ein Fahrerlager wie im Motorsport vor? hirscher: Genau. Der Unterschied in der Professionalität zwischen Skiund Motorsport hat mich schon immer gestört. Nach meinem Besuch in der F1-­Fabrik von Red Bull Racing in ­Milton Keynes war ich drei Stunden lang ­sprachlos auf dem Flug nach Hause. ­Dagegen ist der Skizirkus Steinzeit. Instagram: @marcel_hirscher, @walknermichael

34

Hier will auch Marcel Hirscher hin: Beim Red Bull Erzbergrodeo (im Bild: Enduro-Profi Jonny Walker, 2019) schafft es von 500 Startern nur eine Handvoll ins Ziel.

Der Fight um den eisernen Giganten Das Red Bull Erzbergrodeo von 16. bis 19. Juni: Alle Fakten zum Hard-Enduro-Race des Jahres „Lasst uns in einem aktiven Bergbaugebiet ein Motorradrennen veranstalten!“ – Was 1995 als Idee einiger österreichischer Motorradjour­ nalisten begann, wurde über die Jahrzehnte zum absoluten Maßstab im Geländesport und hat ein eigenes Genre zumindest mitbegrün­ det: Hard Enduro. Darunter versteht man eine Spielart des Offroad, bei dem es schlicht um das Durchkommen im extremen Gelände geht. Doch genau das ist am Erzberg nur den wenigs­ ten vergönnt. Von den 500 Hoffnungsvollen er­ reichen das Ziel selten mehr als zwei Dutzend innerhalb der Vier-Stunden-Frist. Da am Erzberg nach wie vor Eisenerz abgebaut wird (im Übrigen aktuell wieder mehr denn je), verändert sich auch das Gelände permanent. Einige Streckenabschnitte wie „Wasserleitung“ oder „Badewanne“ sind Klassiker, andere wie die „Grüne Hölle“ verschwinden, weil sie ge­ sprengt oder zugeschüttet werden. Besonders gefürchtet ist die Sektion „Carl’s Dinner“, eine schier endlose Passage auf tischgroßen Geröllbrocken im letzten Streckenabschnitt.

„ Du musst dich permanent auf der Oberseite der Steine bewegen, nur ja nie mit den Rädern dazwischen reinrutschen. Und Stehenbleiben ist überhaupt verboten. Wer hier Schwung verliert, hat ein Problem.“ Motorrad-Profi Michael Walkner

Das Red Bull Erzbergrodeo am Sonntag, 19. Juni: live auf Red Bull TV ab 14 Uhr, bei ServusTV und ServusTV On ab 15 Uhr. THE RED BULLETIN

PHILIP PLATZER/RED BULL CONTENT POOL

Selbstverantwortung bedeutet aber auch … hirscher: … genau – für sich gerade­ zustehen. Die Suppe selbst auszulöffeln. So möchte ich mein Weltcup-Team im Skisport aufbauen: mein Know-how ­einbringen – aber aussuchen müssen sich die Athleten ihre passenden Bau­ steine selber.


Give wings to your career

Jason Paul, professioneller Freerunner

„Meine größte Stärke ist mein Drive.“ Finde auch du heraus, worin deine wahren Stärken liegen und lerne diese mit gezieltem Coaching auszubauen.

redbull.com/wingfinder


Fußball

Sarah Zadrazil kennt die üblichen Frauenfußball-Klischees: fad, irrelevant, zimperlich. Blödsinn, sagt die Mittelfeldspielerin des FC Bayern – und entkräftet für uns sechs Macho-Vorurteile. Text LISA HECHENBERGER

Foto MARKUS BERGER

Fußball war, ist und bleibt Männersache

„In den USA ist das Gegenteil der Fall. Dort ist Fußball ganz klar Frauen­sport, fast jedes Mädchen spielt von klein auf in einem Verein. Und Profis wie Megan Rapinoe ­stehen im Rampenlicht wie männliche Spieler bei uns. Während meiner vier Jahre dort (u. a. bei ­Washington Spirit; Anm.) hat es mich sehr motiviert, zu sehen, welchen Stellenwert ­Frauenfußball haben kann. In Österreich ist das noch anders. Ich habe von der U7 bis zur U14 nur mit Burschen gespielt, weil es einfach keine Mädchenmannschaften gab. Dass ich mich in dem Umfeld noch mehr durchsetzen und beweisen­ musste, war für meine Karriere ­bestimmt kein Nachteil. Trotzdem wünsche ich mir mehr Support für den weiblichen Nachwuchs.“

Frauen sind zu zimperlich

„Ich glaube, dass Frauen sogar schmerzresistenter sind. Bei der EM 2017 habe ich mir im ersten Spiel gegen die Schweiz das Syndesmoseband fast durchgerissen, dann eine Partie pausiert und die rest­lichen mit Tape gespielt. Im Anschluss musste ich mehrere Monate zur Reha, doch das war es mir wert. Generell spielen Frauen einen sehr ehrlichen Fußball. Am Platz gibt es wenig Wehleidigkeit, wenig Drama. Uns ist es wichtiger, die Freude am Sport zu vermitteln, als zu schauspielern.“

36

Frauenfußball ist Standfußball

„Unsere Laufwerte sind denen der Männer sehr ähnlich. Bei guten Spielen renne ich genauso elf bis zwölf Kilometer, aber wir müssen uns nichts vormachen: Frauenfußball wird allein wegen unserer Physis immer langsamer sein. Das heißt ­allerdings nicht, dass der Sport ­weniger anspruchsvoll ist. Wir trainieren genauso viel und hart, aktuell fünf-, sechsmal die Woche, und die Spiele verlangen uns alles ab.“

Frauenklubs sind nur die Feigenblätter großer Vereine

„Als Damenmannschaft sind wir auf den Männerverein angewiesen, besonders aus finanzieller Sicht. Und dass ich irgendwann so viel ­verdiene wie ein Neymar Jr., ist ­sowieso un­realistisch. Aber beim FC Bayern merkt man, dass man mit unserem Team erfolgreich sein will und dafür in unsere Mannschaft investiert. Das Betreuerteam ist top auf­ gestellt, wir haben eine richtig gute Anlage, und unser ChampionsLeague-Spiel durften wir in der ­Allianz Arena absolvieren. Auch das ist ein Zeichen der Wertschätzung von Seiten des Vereins.“

Kein Mensch interessiert sich für Frauenfußball

„Die Damenmannschaft von Barcelona spielte vor kurzem gegen Real Madrid vor 90.000 Zuschauern im ausverkauften Stadion Camp Nou: Ein Rekord – das sagt eigentlich schon alles. Klar, bis wir auch bei uns solche Dimensionen erreichen,

ist es noch ein langer Weg. Andererseits sind bei der Frauenfußball-EM bereits einige Spiele ausverkauft – ­inklusive unseres Eröffnungsspiels gegen England mit 75.000 Leuten im Stadion Old Trafford. Marketing und Sichtbarkeit im Sinne von Plattformen, die unsere Spiele übertragen, sind immer noch Punkte, die Frauen- und Männerfußball unterscheiden. Trotzdem ist schon bei der EM 2017 ein ganz guter Hype entstanden. Und auf einmal waren bei unserem Halbfinale am Rathausplatz in Wien 12.000 Zuschauer beim Public Viewing. Wenn wir uns also gut präsentieren und erfolgreich sind, kann man hier­ zulande auch eine FrauenfußballEuphorie auslösen.“

Der Frauenfußball und die sexuellen Klischees

Viele meiner Freundinnen haben Freundinnen – und auch den Mut, öffentlich dazu zu stehen und der Gesellschaft zu zeigen: Das ist völlig normal. Wer den Sport h ­ auptberuflich ausüben will, wird privat immer ­zurückstecken müssen, speziell als Frau. Anders als bei männlichen Profis, wo sich die Partnerin um den Nachwuchs kümmern kann, muss ich bei der Familienplanung aus biologischen Gründen eine Karriere­ auszeit einplanen. Generell ist beim Frauenfußball­ das Thema sexuelle Orientierung aber kein Tabu – wir sind da viel ­offener. Vielleicht wirkt es auch ­deshalb so, als gäbe es mehr gleich­ geschlechtliche Beziehungen. Aber meiner Meinung nach zeigt das, dass es auch Ebenen gibt, auf denen wir den Männern weit voraus sind.“ Die Fußball-Europameisterschaft der Frauen startet am 6. Juli. Mehr Einblicke in Sarahs Profi­karriere und Leben auf Instagram: @sarah_zadrazil27 Sarahs TikTok-Account: tiktok.com/@sarahzadrazil

THE RED BULLETIN


„Kein Drama – wir Frauen spielen einen ehrlichen Fußball.“ Nationalspielerin Sarah Zadrazil, 29, über den kleinen Unterschied

THE RED BULLETIN

37


Abenteuer

zieht es als Survival-Trainer in die entlegensten Winkel der Welt. Doch was der TV-Star auf seinen Reisen eigentlich sucht, sind Momente der Menschlichkeit. Text RÜDIGER STURM

Der Überlebenskünstler befindet sich in einer Ausnahmesituation: Für gewöhnlich schlägt sich der USamerikanische Survival-Trainer auf seinen Expeditionen auf der ganzen Welt durch die Wildnis, nun sitzt er im klimatisierten Hotel vor einem Zoom-Bildschirm und gibt ein Interview, „und das ist ganz schön anstrengend“. Denn seine Ausnahme­ situation ist die Zivilisation. Für gewöhnlich durchquert der 48-jährige Biologe unerforschte ­Regenwälder. Lebt bei abgeschie­ denen Stämmen auf den SalomonInseln. Trotzt Taifunen und sengender Hitze, Schlangen, Ratten oder Feuerameisen. Oder er sucht (nicht nur zu Ostern) nach Krokodileiern in ­Papua-Neuguinea. All das präsentiert er dann in verschiedensten TV‑Formaten. Als „Superheld“ sieht sich der Mann mit der Zwischen­ destination Hotelcouch aber nicht, ganz im Gegenteil. „Eigentlich kann es mir jeder nachmachen.“

Wenn die Natur zu sprechen beginnt

Eigentlich? Oder wirklich? Die wichtigste Voraussetzung dafür sei freilich, „zu lernen“, sagt Audel. Das war auch seine eigene Erkenntnis, als er mit 19 Jahren auf seinem ersten Trip durch den Dschungel Ecuadors wanderte: „Zu dem Zeitpunkt hatte ich nur Campingerfahrungen und ein paar Bücher gelesen, und ich

38

machte viele Fehler. Aber ich lernte etwas Entscheidendes: Du musst die Einheimischen fragen. Zum Beispiel hatte ich damals eine lebensgefährliche Entzündung am Bein, und eine Frau zeigte mir die richtigen Heilpflanzen. Wenn du bereit bist, ständig neue Erfahrungen zu sammeln, dann spricht die Natur mit dir.“ Und das so deutlich, dass Audel mittlerweile gar keine speziellen­ Trainingsprogramme mehr benötigt. Denn auch daheim, in der 217.000-Einwohner-Stadt Spokane im US-Bundesstaat Washington, ist er ständig aktiv: „Da bin ich dann vom Bäumepflanzen und Garten­ arbeiten außer Atem“, sagt er. Natür­ lich ist er sich im Klaren darüber, dass er jenseits seiner umzäunten Natur jederzeit als Abendmahlzeit eines Raubtiers enden könnte.

Die Relativität der Gefährlichkeit

Aber diese Gefahr relativiert er: Als er von seinem ersten Trip durch die Wildnis in die USA zurückkehrte, traf er seine Freunde aus der Highschool wieder. Darunter auch das Mädchen, mit dem er früher ­einmal ausgegangen war. Sie hatte mittlerweile einen neuen Freund und fuhr mit ihrer Clique zu einer Tanzveranstaltung. Unterwegs hatten die Jugendlichen einen Unfall, bei dem Audels Nachfolger ein Auge verlor und einer der Jungen starb. „Die Welt ist überall gefährlich. Und ich werde lieber von einem Jaguar aufgefressen als von einem Auto überfahren“, sagt Audel. Als „extrem neugieriger Mensch“ will er unbe-

Zwischen innerer Wärme und Aircondition

Da lautet das Audel-Prinzip: „Sich warm halten, das ist das eine. Dann versuchen, an Trinkwasser zu kommen. Aber das Wichtigste ist die ­Einstellung. Wenn wir in eine Stresssituation geraten, die wir noch nicht kennen, glauben wir, wir müssen sterben. Aber wir können viel mehr schaffen, als wir uns zutrauen, unsere Leistungsgrenze ist viel höher, als wir vermuten.“ Die wichtigste Erkenntnis des ­Hazen Audel dreht sich aber nicht um psychische und physische Fitness. „Ich habe gelernt: Die Menschen in den entlegensten Weltgegenden respektieren einander. In unserer Welt dagegen versucht jeder, den starken Mann zu markieren. Wir leben in unserer einsamen Blase und misstrauen einander. Doch eigentlich sind wir hier, um Gemeinschaft und Nächstenliebe zu erleben“, sagt er. Doch jetzt muss er weiter. Ein klimatisiertes Hotel bedeutet mehr menschliche Wärme, als er verträgt. Hazen Audel im TV: Die Serie „Wettlauf durch den Amazonas“ von National ­Geographic ­Wild läuft auf Disney Plus.

THE RED BULLETIN

ICON FILMS/NATIONAL GEOGRAPHIC

Hazen Audel

dingt bestimmte Tiere sehen, einen Riesenameisenbären zum Beispiel: „Ich verfolge dieses Ziel mit einer absoluten Hyperkonzentration und denke nicht mehr daran, wie ich ­leide. Abgesehen davon bin ich eine Kämpfernatur.“ Und da das nun einmal nicht jeder ist, stellen ihm die ganz normalen Überlebenskünstler des Büroalltags oft Fragen wie: Was tun, wenn man in der Wildnis strandet, etwa als Überlebender ­eines Flugzeugabsturzes?


„Ich will einen RiesenAmeisenbären finden. Das ist aktuell mein großes Ziel.“ Survival-Experte Hazen Audel, 48, über einen unerfüllten Traum

THE RED BULLETIN

39


Klettern

Bernd Zangerl ist eine Boulder-Ikone. Nach einem schweren Sturz fand der Tiroler im Himalaya seinen geheimen Kraftplatz. Und das Beste daran: Wir können ihn jetzt dort besuchen. Interview KARIN CERNY

Foto LUKAS MAEDER

Der Wind rauscht im Hintergrund. Bernd Zangerl ist in seiner Wahl­ heimat, dem Schweizer Tessin, ge­ rade auf dem Weg in die Berge. Ein Tag ohne Bouldern, also seilfreies Klettern auf Felsblöcken, ist für den 43-jährigen Tiroler unvorstellbar. Dabei hatte Zangerl 2015 mit einem schweren Rückschlag zu kämpfen: Nach einem Sturz, bei dem er sich den fünften Halswirbel brach und wichtige Nerven verletzte, war er drei Jahre lang in Reha. Seitdem klettert er intensiver, bewusster und nachhaltiger. In Rakchham, einem kleinen Bergdorf in Nordindien, hat er seinen persönlichen Kraftplatz ge­ funden. Zuerst wollte er ihn geheim halten, doch nun änderte er seine Meinung. Warum? the red bulletin: Du nennst dich einen „natural born free climber“. Was heißt das konkret? bernd zangerl: Ich bin schon immer gern geklettert. In der Schule bin ich in den Pausen die Bäume hoch, da mussten mich die Lehrer dann runterholen. Ich bin gern oben, um die Aussicht zu genießen. Es ging dir also nie nur um die Bewegung? Ich bin in einem schmalen Tal auf­ gewachsen – aber auf Gipfeln siehst du, dass es so viel mehr gibt, dass die Welt größer und weiter ist. Für viele ist Klettern ein ultimativer Adrenalinkick. Wie siehst du das?

40

Selbst wenn ich gefährliche Sachen mache, geht es mir nicht um den Kick. Der bringt dich beim Klettern nicht weiter. Den hast du ohnehin nur, wenn du etwas falsch machst. Im Idealfall geht es um das wunder­ bare Flow-Gefühl. Darum, die Ruhe zu bewahren. Schwierige Passagen lässig und mit Bedacht zu lösen. Träumst du auch manchmal vom Klettern? Klar, es ist mir auch schon passiert, dass ich im Schlaf Ideen hatte, wie ich eine Boulder-Line anlegen kann. Am nächsten Tag bin ich sofort hin­ gefahren und habe es ausprobiert. Manchmal hat es tatsächlich funk­ tioniert! Du kommst seit zwölf Jahren regel­ mäßig ins Himalaya-Gebiet. Was fasziniert dich an der Region? Wenn sich zum ersten Mal die Himalaya-Kulisse vor dir auftut, dann fühlst du dich sehr, sehr klein. Die Berge sind doppelt so hoch wie in den Alpen. Und die Felsen sind der Wahnsinn. Und es sind so viele, dass ich bis an mein Lebens­ ende nicht alle anschauen kann. Der Himalaya ist schon ein großer Kinderspielplatz für mich. Ich liebe aber auch die Menschen dort. Diese Einfachheit! Das ist so, wie mein Urgroßvater aufgewachsen ist. Da reduziert sich das Leben auf die ­wesentlichen Dinge. Du möchtest ein Bergdorf zum Bouldern für den „Slow T ­ ourism“ erschließen. Wie hast du es ­entdeckt?

Rakchham ist ein kleines Dorf im nördlichen Indien an der tibetischen Grenze. Nach einem schweren Sturz beim Bouldern war mein Halswirbel gebrochen, meine Kletterkarriere schien vorbei. Im Himalaya habe ich wieder Kraft getankt. Ich war der erste Tourist in diesem Dorf – und wollte ursprünglich gar nicht, dass andere kommen. Warum hast du deine Meinung geändert? Ich bin immer wieder hingefahren, habe mit den Leuten geredet. Sie waren anfangs skeptisch, haben mich dann aber mehr und mehr akzeptiert. Ich wollte einen Touris­ mus ermöglichen, der Natur- und Umweltschutz ernst nimmt. Mittler­ weile gibt es dort rund 500 Boulder-­ und zig andere Routen, die ich angelegt habe. Was sagen die Leute im Dorf dazu? Es war ein langer gemeinsamer Prozess. Aber ich merke gerade bei den Jungen, dass sie den Gedanken verstehen, zu schützen, wovon sie leben. Wir Sportler müssen mehr Verantwortung zeigen: Alle reden von der Natur und wie toll es ist, draußen zu sein. Aber nur wenige kümmern sich wirklich nachhaltig um sie. Ist dir der Himalaya während der Pandemie denn nicht ­ab­gegangen? Schon vor der Pandemie habe ich versucht, nur einmal im Jahr weiter zu fliegen, um mein Leben nachhaltiger zu gestalten. Aber auf die Dauer würde meine Sehnsucht nach dem Himalaya doch zu groß werden. Wahrscheinlich würde ich sogar zu Fuß hinwandern. Hier geht’s zum Action-Clip mit Bernd Zangerl in der Himalaya-Region. Mehr Infos: berndzangerl.com

THE RED BULLETIN


„Es gab dort keine Kletterrouten. Also hab ich selbst 500 angelegt.“ Bernd Zangerl, 43, sorgt an seinem Kraftort in Indien für Infrastruktur.

THE RED BULLETIN

41


F1RST IN STYLE GEWINNE EIN ORACLE RED BULL RACING OUTFIT Ab dem 14. Juni verlosen wir in unseren Red Bull World Stores in Salzburg und Graz vier Outfits im Wert von jeweils 250 Euro.* MEHR INFOS ZUM GEWINNSPIEL

RED BULL WORLD STORE Getreidegasse 34 5020 Salzburg

Hauptplatz 1 8010 Graz

Montag –Freitag 9:30 –18:00 Uhr Samstag 9:30 –17:00 Uhr REDBULLWORLD.AT


Dossier

SPIELPLATZ SPIELBERG

RED BULL RING

Formel 1 und MotoGP erleben – oder sogar selber Rennfahrer sein: Hier kommt der Guide für den Red Bull Ring am steirischen Spielberg. Bitte anschnallen!

Wächter der Strecke: Die monumentale Stier-Figur besteht aus 1228 Stahlteilen und ist das Wahrzeichen am Spielberg.

THE RED BULLETIN

43


Der Red Bull Ring am Spielberg ist Österreichs Fixpunkt im Formel-1- und MotoGP-Kalender. Hier sind die fünf Schlüsselpassagen der Kult-Strecke, auf denen Zehntelsekunden zwischen Triumph und Tragödie entscheiden.

STRECKEN-CHECK

HIER GEHT’S RUND! Text: Gerald Enzinger

2 3

4 1

44

5

THE RED BULLETIN


Dossier 1 Niki-Lauda-Kurve Der schwierige Start

Benannt nach Legende Niki Lauda, ist die Start­ kurve eine der schwierigsten der Formel 1: Erst geht es steil bergauf, dann blind rechts ums Eck. Weil alles so breit wirkt, wählen die Fahrer die unter­schiedlichsten Linien. Das heißt: wenn sie eine Wahl haben. Der Spanier Maverick V ­ iñales musste hier 2020 bei 200 km/h von seiner MotoGPYamaha springen, weil die Bremsen ver­sagten. Apropos M ­ otoGP: Ab heuer fahren die Zweirad-­ Artisten nach der Niki-Lauda-Kurve und einem Teil der Geraden durch eine neu gebaute Schikane. Die Formel 1 bleibt auf dem gewohnten Kurs.

3 Rauch-Kurve Die Mutprobe

Schon zu Österreichring-Zeiten galt diese Passage als größte Mutkurve der Formel 1. Auch wenn die Linienführung nun etwas anders ist: Der Respekt der Fahrer ist groß. Sebastian Vettel (Bild) meint: „Der Scheitelpunkt ist hier extrem schwer zu treffen.“ Denn die Kurven 4 und 5 sind eine Doppelkurve, es geht steil bergab. Angebremst wird bei neun Prozent Gefälle.

4 Jochen-Rindt-Kurve Fight um den Sieg

Mochte den Regen: Vittorio Brambilla, hier 1975 auf der Start-Ziel-Gerade am dem Österreich-Ring.

Wieder eine Doppelkurve, die viel Mut erfordert. Erst die Jochen-Rindt-Kurve, dann die T10 oder Zielkurve. Hier wurden zuletzt vor allem die MotoGP-Rennen erst auf den allerletzten Metern entschieden: Zweimal Márquez gegen Dovizioso, 2020 zog KTM-Star Miguel Oliveira hier noch an seinen führenden Rivalen Pol Espargaró und Jack Miller vorbei.

Der Red Bull Ring am Spielberg, ­Steiermark, aus der Vogelperspektive. Innerhalb des GrandPrix-Kurses liegt die kleinere Driving-­ Center-Strecke.

THE RED BULLETIN

PHILIP PLATZER/RED BULL CONTENT POOL, GETTY IMAGES (2), MOTORSPORT IMAGES (2)

2 Schönberg-Gerade Wo die Schafe grüßen

Hier ist man Gott am nächsten – am ­höchsten Punkt der Strecke gibt es eine für Rennfahrer einzigartige Aussicht: eine ­Kirche, einen Friedhof und hungrige Schafe. Doch die Piloten haben hier schon von ­Anfang an (= Ausgang Turn 3) andere ­Sorgen. Hier werden viele Rennen ent­schieden: etwa 2019 zwischen Max ­Verstappen und Charles Leclerc, das ­allererste Duell um einen GP-Sieg der ­beiden WM-Fighter 2022 in der Formel 1. Spannendes Finish in der Rindt-Kurve 2020: Miguel Oliveira (li.) zieht an seinen Rivalen vorbei.

5 Start-Ziel-Gerade Das Grande Finale

Der Spanier Maverick Viñales sprang 2020 in der Niki-Lauda-Kurve bei 200 km/h von seiner Yamaha.

Hier ereignen sich oft noch Dramen – 1982 gewann der Italiener Elio de Angelis das knappste Rennen in der Geschichte der Formel 1 gegen Keke Rosberg. 1975 siegte Landsmann Vittorio Brambilla, „der Gorilla von Monza“, sensationell im Regen. Er riss die Arme hoch – und versenkte seinen March in der Boxenmauer. Jubeln durfte er trotzdem.

45


Brenzlige Schikane, Hightech-Kontrollzentrum, optimierte Aerodynamik: Dank dieser Updates wird der Red Bull Ring 2022 zum Schauplatz der Renn-Innovationen. Für die Fahrer – und für die Fans an der Strecke.

DIE RING-REVOLUTION

VIER GEWINNT! Text: Gerald Enzinger

3 Sorgt für Spannung: die neue Schikane für die MotoGP-Rennen

1

Eine heikle Schikane für mehr Nervenkitzel

Eine Rennstrecke mit schillern­ der Vergangenheit und moder­ ner denn je – am Spielberg gilt 2022: „Neu ist immer besser.“ Und so sehen hunderttausende Fans, die erwartet werden, heuer den variantenreichsten Red Bull Ring, den es je gab. Für die MotoGP wurde in der Kurve 2 eine Schikane ein­ gebaut (Bild oben). Daraus ergeben sich zwei Vorteile: Mensch und Maschine kommen mit nicht mehr ganz so extremer Geschwindigkeit am Scheitelpunkt zur Kurve 3 an, und den Zuschauern auf der Tribüne bei der Schikane wird ein atem­beraubendes Spektakel aus nächster Nähe geboten. Die Formel 1 und vor­ erst auch alle anderen AutoRennserien fahren aber die ­gewohnte Strecke.

46

2

State of the Art: die neue Race Control

Der Red Bull Ring ist auch in seinem Innersten moderner denn je. Die Race Control wurde erneuert und ist nun weltweit State of the Art. Red Bull RingGeschäftsführer Erich Wolf: „Es wurden 21 Monitore ver­ baut. Aber noch wichtiger ist, dass 34 Kameras auf der Renn­ strecke verteilt wurden, die ­einen 360-Grad-Schwenk­ bereich haben und einzeln be­ dient werden können. So kann man jede Szene analysieren.“ Das erhöht zum ­einen die Sicherheit und macht es zum anderen in stritti­ gen Situationen einfacher, ge­ rechte Urteile über Rennereig­ nisse zu fällen (der Mann in der Race Control kommt auf Seite 53 zu Wort).

F1-Boliden mit neuer Aerodynamik

Für die Formel 1 ist die Saison 2022 eine aufregende. Auto­ konzepte und Regelwerk wur­ den für dieses Jahr so stark verändert wie seit einem Jahr­ zehnt nicht mehr. Die neuen Boliden haben breitere Reifen und ein­fachere Aerodynamik. Ziel: Sie können nun dichter hintereinanderfahren, spekta­ kuläre Zweikämpfe und Über­ holmanöver werden über die ganze Strecke einfacher. Und prompt ergab sich ein neues, faszinierendes Duell um die WM: Weltmeister Red Bull ­Racing gegen Rekord-Welt­ meister Ferrari. Max Ver­ stappen gegen Charles Leclerc.

Breitere Reifen, neue Aerodynamik: der Red Bull Racing RB 18-Bolide

4

„Big Balls“ Binder kehrt zurück

Die Formel 1 und die MotoGP haben eines gemeinsam: In beiden Königsklassen des Rennsports haben sowohl 2021 am Red Bull Ring als auch in den Weltmeisterschaften 2022 österreichische Teams schon gewonnen. Wie Red Bull Racing ist auch KTM am Spiel­ berg höchst erfolgreich: Sieg 2020 mit Miguel Oliveira, Sieg 2021 dank Brad Binder. Der Südafrikaner wird seit jenem Tag im August nur mehr „Big Balls Binder“ genannt. Als einziger Top-Pilot hatte er es bei Anbruch heftiger Regen­ fälle drei Runden vor Schluss gewagt, auf Slicks (!) draußen zu bleiben – mit Mut und Kön­ nen balancierte er so seine KTM RC 16 zum SensationsHeimsieg. Der Mann, der übers Wasser ging: ein Spektakel, das keiner je vergessen wird, der dabei war. THE RED BULLETIN

RED BULL RING/RED BULL CONTENT POOL, PHILIP PLATZER/RED BULL CONTENT POOL, RED BULL RACING/RED BULL CONTENT POOL

MotoGP-Sieger 2021: Südafrikas Brad „Big Balls“ Binder


FLÜÜÜGEL FÜR JEDEN GESCHMACK.

NEU


Der Grand-Prix-Zirkus hat geöffnet! Von 8. bis 10. Juli steigt am Red Bull Ring der Formula 1 Rolex Großer Preis von Österreich. Und hunderttausende Zuschauer verwandeln den Spielberg wieder in einen Hexenkessel.

FANS IM BILD

HIER KOCHT DIE STIMMUNG

4. Juli 2021 Soeben hat Max Verstappen als Sieger die Ziellinie des Red Bull Ring passiert. Die Fans aus den N ­ iederlanden bejubeln seinen dritten Sieg in Folge – ein wogendes Jubelmeer in Orange unter den Hörnern des überdimensionalen Bullen.

48

THE RED BULLETIN


PHILIP PLATZER/RED BULL CONTENT POOL

Dossier

THE RED BULLETIN

49


Stars zu Gast am Red Bull Ring: Auf diese Formel-1-Piloten können wir uns dieses Jahr besonders freuen. Vom Social-Media-Jungstar bis zum Botschafter der Bienen.

PILOTEN IM BLICKPUNKT

DIE GLORREICHEN FÜNF Text: Gerald Enzinger

Lando Norris

Max Verstappen

DER JUNGSTAR

DER CHAMPION

McLaren

Eines Tages wird Lando, zur Jahrtausendwende geboren und in Glastonbury auf­ gewachsen, in einem Satz mit Verstappen und Leclerc zu nennen sein. Ein Wunder­ kind, früher Teamkollege von Fer­dinand Habsburg in der Formel 3. Und 2020 gab es am Red Bull Ring die erste Top‑3-Platzierung für den ­Racer und Social-­Media-Star, dessen Einstieg in den Renn­ sport schnell erzählt ist: Er kam als Fan der MotoGP-Le­ gende Valentino Rossi. Heute ist er der, dem der „Dottore“ zujubelt. Norris hat eine Ge­ meinsamkeit mit Max Verstap­ pen: Beide haben (auch) die belgische Staatsbürgerschaft.

50

Red Bull Racing

Rekord! Max ist der Erste, der am Red Bull Ring schon vier­ mal triumphiert hat. 2019 Sieg im Duell gegen Charles Leclerc, zugleich der erste für Honda mit Red Bull – der Beginn einer erfolgreichen Zusammen­arbeit. 2021 ge­ winnt Max, ebenfalls am Red Bull Ring, gleich zweimal. Er macht 22 Punkte mehr als sein ­Rivale Lewis Hamilton – was am Ende die WM entscheidet. Doch für Max hat hier einst auch alles begonnen, als er am 12. August 2014 am Spiel­ berg seinen bis dahin stärks­ ten Rennwagen testete – einen World-Series-Boliden. So gut, dass er kurz darauf schon im Formel-1-Cockpit saß.


Dossier

Starkes Comeback, aggressive Zweikämpfe: Kevin Magnussen ist der Underdog, den alle lieben.

Charles Leclerc

Kevin Magnussen

Ferrari

DER HERAUSFORDERER

FORMULA 1

Selbst bei regelkonformer Fahrweise schafft man es in sechs Stunden von Maranello zum Spielberg – kein Wunder, dass dieser Parcours für Ferraristi schon immer ein drittes Heimrennen war. Gerade heuer, da die Italiener wieder um die WM kämpfen, sollte sich viel Rot unter das Orange der Verstappen-Fans ­mischen. Der neue Held ist Charles Leclerc, der eine ­offene Rechnung mit Max hat: Denn 2019 stand er vor seinem ersten Sieg, ehe sich Verstappen in Runde 69 von 71 in einem gnadenlosen Manöver vorbeizwängte.

Haas

DER UNDERDOG Sebastian Vettel Aston Martin

DIE LEGENDE Auf 21 Strecken konnte er ­gewinnen – nie aber auf der, mit der er so verbunden ist wie mit keiner anderen: dem Spielberg. Im Juni 2001 und mit einem Sitzpolster (da noch zu klein) hat er als 13-Jähriger hier in einem Formel-König-Boliden von Bernhard Auinger, heute Leiter des Driving Center am Red Bull Ring, seine ersten Runden in ­einem Rennauto ab­ solviert, später den Red Bull Ring 2011 miteröffnet. Von Seriensiegen wie 2013 ist keine Rede mehr, Liebling vieler Fans ist er immer noch, nicht nur in seiner Rolle als Bienen-­ Botschafter der Steiermark.

Kevin tut, was Kevins tun: alle erschrecken! Im Gegensatz zu seinen vier Rivalen wird der blonde Däne wohl nicht als Weltmeister in die Geschichte eingehen – aber mit seiner eigenen Story: Weil er gewinnen wollte, statt hinterherzuschleichen, verließ er 2020 spontan die Formel 1. Doch nun ist ­Magnussen wieder im Rennen und zurück beim Haas-Team. Das Comeback? Ein Spektakel: Platz 5 in Bahrain. Er ist der Underdog, den plötzlich alle lieben – auch wegen seiner Art, sich in Zweikämpfe zu stürzen. Der Typ ist eben aus Danish Dynamite gemacht.


Schaltpunktanzeige

Differenzial­ abstimmung

Beschränkt Geschwindigkeit in Boxengasse

Leerlauf für Boxenstopps

Boxenstopp bestätigen

Datenanzeige: Geschwindigkeit, Gang, Delta, Bremsentemperatur, Batterieladung etc.

Sensor­ daten löschen

Funk­ kommunikation Bremsbalance nach vorn oder hinten verlegen

Hinterreifen aufwärmen

Rückwärts­ gang (mit Kupplung)

Leitet Flüssigkeit durch einen Schlauch aus einem Gefäß in der Cockpitwand durch den Helm in den Mund des Fahrers

Veränderbare Reifen­ einstellungen Kraftstoff­ verbrauchs­ anzeige

Batterieladungsrädchen (füllen oder ablassen) Motor­ betriebsauswahl

Rädchen zur Kupplungs­einstellung

Auf der Lenkradrückseite: Gangschaltungen und Kupplungshebel

Was Formel-1-Piloten sehen, während sie mit 300 km/h über den Red Bull Ring rasen. Und was die vielen Knöpfe auf ihrem Lenkrad wirklich können.

IM F1-COCKPIT

52

GETTY IMAGES

DIE VOLLE KONTROLLE THE RED BULLETIN


Egal ob Formel 1, MotoGP oder DTM: Als Rennleiter am Red Bull Ring sorgt Andy Meklau für Recht und Ordnung auf den Strecken. Der Sheriff hinter den Monitoren über Stürze, Speed und seinen tierischen Begleiter.

SAFETY FIRST

DER HERR DER RINGE Text: Nina Kaltenböck

The red bulletin: Was macht ein Rennleiter eigentlich genau? Ist das ein wenig wie die Arbeit eines ChefLotsen oder eines Regisseurs? andreas meklau: Ja, wir sitzen in der Race Control vor einer Monitor­wand, ­sodass wir einen Überblick über die ge­ samte Strecke haben. Ein Rennleiter ist verantwortlich für die sportliche Durch­ führung und schaut, dass die Marshals, also die Streckenposten, alle richtig po­ sitioniert sind und ob die Fahrer die ­Regeln einhalten. Bei einem Vergehen wird mit dem Renndirektor geklärt, ob es einen Abbruch oder den Einsatz des Safety Cars zur Folge hat.

KRONEN ZEITUNG/SEPP PAIL

Du selbst hast 1993 am Superbike (Ren­nen auf seriennahen, straßen­ zugelassenen Bikes; Anm.) am damaligen Österreichring gewonnen. Hilft dir das, die Sichtweise der Piloten zu verstehen? Natürlich! Der Fahrer will gewinnen oder die schnellste Rundenzeit haben. Den­ noch muss es Richtlinien für einen fairen Sport und die Sicherheit der Fahrer und Mitarbeiter geben. 1997 hattest du in Hockenheim einen schweren Crash. Welche Erkenntnisse hat er dir gebracht? Keine – ich kann mich nicht daran erin­ nern. Ich hatte einen Schädel­basis­bruch und war im künstlichen Koma. Der Drang, wieder aufs Motorrad zu steigen, war dennoch sehr groß. Das ist auch heute noch so: Frakturen sind Standard, ein paar Tage später sitzen die Jungs wieder am Motorrad und fighten um den Sieg. Wir sind nicht „die Wilden“, aber es wer­ den einfach alle Register gezogen. Es ist ein harter Sport, aber er gibt einem auch sehr viel zurück. THE RED BULLETIN

Andreas „Andy“ Meklau, 55, in der Race Control des Red Bull Ring. Der ehemalige Motor­rad­renn­fahrer lebt seine Faszination für Speed heute als Rennleiter aus.

„Erkenntnisse aus meinem eigenen Crash? Keine, ich kann mich nicht erinnern.“

wichtigste Unterstützung, so wie ich es für sie bin. Wir beide lieben Motorräder und den Motorsport – auch unser Hund Meki, ein Coton de Tuléar, ein sogenann­ ter Baumwoll­hund aus Madagaskar, ist oft mit uns auf dem Bike unterwegs.

Was denn? Es ist eine Gratwanderung. Wenn man mit 200 Stundenkilo­metern einen schö­ nen schwarzen Strich auf der Rennstre­ cke zieht, hat man einen breiten Grinser unterm Helm. Es geht um Leidenschaft und Perfektion, wie in jedem Sport. Ich bin neben der Rennstrecke auf­ gewachsen, deswegen hat es immer schon diese Faszination gegeben – die hat nie irgendwer bremsen können.

Wohnst du immer noch neben der Rennstrecke? Scheppert da nicht das Geschirr im Küchenkastl? Ich verbringe die meiste Zeit am Red Bull Ring – wenn ich nicht gerade mit meiner Frau in Istrien lebe. Ich kenne den Spiel­ berg gar nicht anders. Wenn’s laut ist, sit­ ze ich eh in der Race Control. Mich stört der Lärm nicht, außerdem ist der Sport ja leiser geworden. Eines kannst du mir glauben: Vor dreißig Jahren hat das noch ganz anders geklungen. (Lacht.)

Auch nicht die, die sich arg Sorgen um dich machten? Es ist ein riskanter Sport wie fast j­ eder andere. Meine Frau Patrizia ist meine

Der Große Preis von Österreich findet von 8. bis 10. Juli statt, der Motorrad-­ Grand-Prix von 19. bis 21. August und die DTM von 23. bis 25. September 2022.

53


Trainieren wie die Motorrad-Profis – am Red Bull Ring kann jeder an seine Grenzen gehen. Gehen? Unser Autor macht im Windschatten von Renncoach Roland Resch auf einem Moto2-Bike Tempo.

MOTO2-CHALLENGE

MEIN RITT AUF DER RAKETE Text: Werner Jessner Fotos: Philip Platzer

ERSTE RUNDE

Unser Autor Werner Jessner (re.) und Renncoach Roland Resch auf ihren Moto2-KTM-Bikes am Red Bull Ring

54

THE RED BULLETIN


Dossier

THE RED BULLETIN

55


Dossier

N

ach dem Mittagessen vor dem Fernseher sieht das alles noch total nachvollziehbar aus: jede Kurve gleich bremsen, Bike umlegen, bis das Knie am Boden wetzt, beschleunigen. Die anderen überholen oder schlimmstenfalls überholt werden, irgendwann winkt dann einer mit der karierten Fahne. Live vor Ort, auf der Tribüne, wirkt das Ganze schon nicht mehr so ganz wie ein Selbstläufer: Sooo spät bremsen die? Sooo laut ist das? Sooo schnell fliegen die vorüber? Die Bikes tänzeln in den Kurven wirklich so delikat herum? Und zwischen den einzelnen Fahrern ist echt sooo wenig Platz? Es gibt drei Klassen in der MotorradWM: Moto3 ist für Einsteiger. MotoGP ist der Ritt auf lupenreinen Prototypen. Ultra-unbezahlbare, mit High-Tech vollgestopfte Raketen, die auf jeder Strecke des Zirkus zentimetergenau genau wissen, wo das Bike sich befindet, und genau so viel Leistung freigeben, wie der Fahrer gerade noch bändigen kann. Hoffentlich. Und dann gibt es Moto2, die Stufe dazwischen. 130 PS, aber nur 144 Kilo. Moto2 ist, wo man sich durchsetzen muss, wenn man ganz nach oben will. Moto2 ist die harte Schule. Es gibt keine Elektronik, kein ABS, keine Wheelie-­ Control. Um die Kosten gering zu halten, fahren alle mit denselben Motoren, die auf Serienaggregaten basieren. Den Unter­ schied machen Chassis und Fahrwerk. Und vor allem die Fahrer. Verdammt, und einer von denen bin plötzlich ich! Am Red Bull Ring kann man Fahrerlebnisse mit jenen Moto2-KTM buchen, auf denen Miguel Oliveira und Brad ­Binder 56

IN DER BOX Ex-Profi Roland Resch (re.), 37, gibt dem ambitio­nierten Hobbyfahrer Werner Jessner, 47, präzise Anweisungen.

LAST CHECK Jessner beäugt die Verkleidung der KTM. Es ist das Modell, mit dem Brad Binder den Weg in die Königsklasse schaffte.

den Aufstieg in die Königsklasse geschafft haben. Es sind Bikes der vorigen Generation mit KTM-Stahlrahmen und HondaVierzylindermotor. Mittlerweile wird mit Alu-Rahmen und Triumph-Drei­zylindern gefahren, aber ehrlich: Der größte Unterschied für den Fan ist der Klang. Und der ist Geschmackssache. Als sich an dem Morgen zwei orange­ farbene Bikes, die Heizdecken noch auf den Reifen, warmknurren, fällt mir mein Freund Andrzej ein. Er ist Inhaber des größten polnischen Motorradmagazins und hat sich die Moto2-Experience letzten Herbst selbst zum Geburtstag ­geschenkt. Nach dem Absteigen machte er seine Prioritäten im Leben klar, verkleidet als Kompliment: „Österreich ist ein so zivilisiertes Land. Hier kann man jeden Tag Moto2 fahren, wenn man will.“

„ALLE HABEN DEN­SELBEN MOTOR. NUR DIE FAHRER MACHEN DEN UNTERSCHIED. VERDAMMT, UND EINER VON DENEN BIN ICH!“

THE RED BULLETIN


FLIEGENDER START

Ein Moto2-Bike hat keinen Elektrostarter. In der ­Boxengasse schiebt ein Mechaniker Gefährt plus Fahrer an.

THE RED BULLETIN

57


DER KNIEFALL

Resch berührt mit Ellbogen und Knie den Asphalt. Das Mantra: Körper runter, um das Bike oben zu halten

58

THE RED BULLETIN


Dossier

NEUE SCHIEFLAGE Werner Jessner legt sich in die Kurve – es ist der Moment, in dem der Protektor seines Knies den Boden küsst.

Jeden Tag vielleicht nicht, lieber Andrzej, aber an guten Tagen schon. Heute ist so ein guter Tag. Das liegt auch daran, dass meine Nerven ein wenig blank liegen und ich ohnehin um halb fünf Uhr aufwache, wenn ich weiß, dass der Wecker um halb sechs Uhr klingeln wird. Es sind Tage, an denen man sich bis in die letzte Faser spürt. An meiner Seite: Roland Resch, 37, Freund, Coach, moto­ risches Genie. Der Niederöster­reicher war vom fahrerischen Niveau stets für größere Aufgaben bereit als seine Teams für finanzielle. Für Siege und Titel auf europäischem Niveau hat es auch so gereicht, selbst in der WM gingen sich einige Starts aus. Heute bringt der zwei­ fache Familienvater mehr oder weniger hoffnungsvollen (oder -losen, je nach Perspektive) Amateuren wie mir das Fah­ ren auf der Rundstrecke bei. Sein Ansatz: die Basis mit kleineren Bikes trainieren und verinnerlichen, erst dann auf die Rennstrecke. Moto2 ist auch für ihn bei­ nahe eine Premiere (okay, einmal hatte er bereits ein paar Runden gedreht). Im vergangenen Winter übten wir im Rahmen seiner Motorradtrainings mit Enduro-Bikes für Jugendliche in der Kart­halle die korrekte Sitzposition ein. Es sind die kleinen Tricks aus Rolands Kiste, die dich fit machen gegen wegrutschende Räder: Greif von außen an den Lenker, dann gehen die Ellbogen automatisch nach oben. Achte stets darauf, dass beide oben bleiben, vor allem der kurveninnere. Lässt du ihn hängen, kannst du im Falle eines Rutschers nicht mehr reagieren, THE RED BULLETIN

„ALLES, WAS ICH TRAINIERT HABE, IST PLÖTZLICH IM HINTERKOPF WEGGESPERRT.“

HÖCHSTE KONZENTRATION

Werner Jessner streift die Motorradhandschuhe über, geht im Kopf noch einmal den Kurs durch.

weil dir die eigenen Rippen im Weg sind. Roland nennt es das „Racing-V“, das sich öffnet, aber nie ganz schließt. Nächste Stufe: mit 300-Kubikzenti­ meter-Bikes und Rennreifen Runden auf einer Freiluft-Kartbahn abspulen, ein Gefühl für die Körperposition auf Rennbikes kriegen. Das Mantra diesmal: „Du musst dem Motorrad helfen.“ Was Roland damit meint: Der Körper muss zu Boden, damit das Bike möglichst aufrecht bleiben kann. Weniger Schräg­ lage bedeutet mehr Reserven. Wenn die Fußraster am Asphalt Funken schlagen, herrscht höchste Sturzgefahr. Ach, und noch etwas: In der Kurve will das Becken parallel zur Bike-Achse verschoben, nicht bequem gekippt werden. Private Hausübungen: selbst im ­Winter bei jedem Wetter mit dem 24‑PSAlltagsbike unterwegs sein, ­Fitness aufbauen und regelmäßig an der Blick­ technik arbeiten, vor allem mit dem Mountainbike im Gelände – du fährst, wohin du schaust.

Der Tag der Entscheidung

Am entscheidenden Tag aber schaute ich ziemlich blöd. In der Nacht hatte es geregnet. Die Strecke sah trocken aus, doch Roland warnt: Die Gummischicht auf der Ideallinie des Red Bull Ring ist noch leicht feucht, der Grip trügerisch. Schlagartig fühlte ich mich unsicher. Alles, was wir im Winter gelernt und trainiert hatten, ist irgendwo ganz weit hinten im Kopf weggesperrt. Dazu dieses­ wirklich infernalisch laute Bike, bei dem ich mich von jetzt auf gleich auf zwei Besonderheiten einstellen muss. Erstens: Wie bei allen Rennmotorrädern ist das Schaltschema verkehrt, funktio­ niert also genau gegensätzlich zu dem, was Normalos verinnerlicht haben. Auf Rennbikes ist der erste Gang oben, alle weiteren unten. Das hat den Vorteil, beim Rausbeschleunigen in Schräglage durch einen einfachen Tritt auf den ­Hebel – noch dazu ohne Kupplung – hoch­schalten zu können und den Stiefel nicht unten reinfädeln zu müssen. Ver­ wirrend ist es trotzdem. Die zweite Eigenheit offenbarte sich in der ersten Kurve: Du denkst sie bloß, und das Bike kippt rein. Nichts ist so scharf wie ein GP-Motorrad. Jede winzige Bewegung des Körpers lässt eine Moto259


DER AUFSTAND 130 PS bei nur 144 Kilo, kein ABS, keine Wheelie-Control. Resch zieht sein Bike hoch, Jessner beschleunigt aus der Kurve.

„JE SCHNELLER, DESTO STABILER. ABER WAS HEISST SCHNELLER? ‚SECHSTER GANG, VOLLGAS‘, SAGT MEIN COACH.“

DAS FOTO-FINISH Resch und Jessner (re.) am Ende der Challenge. Unser Autor hat sich ziemlich respektabel gehalten – sagt der Profi.

60

KTM Haken schlagen. Roland, einst KTM-Werksfahrer in der SupermotoKlasse, fühlte sich sofort an jene Zeit erinnert. „Das ist die KTM-DNA. Aber mit höherer Geschwindigkeit wird es stabiler.“ Was heißt höhere Geschwindigkeit? „An drei Stellen sechster Gang, Vollgas.“ Jedenfalls eiern wir ziemlich rum am Anfang, die Moto2-Maschine und ich. Das Schlimmste: die ratlose Zwischenphase, in der du dich bereits fürchtest, sich das beruhigende Kratzen am Knie aber noch nicht einstellt. Erst mit dem Kontaktpunkt zur steirischen Scholle (okay, Asphalt) bekommt man einen ­Referenzpunkt für die eigene Körper­ position und kann langsam beginnen, das Bike zu verstehen und an der Körper­ position zu arbeiten. Dem Bike helfen und so. Gelerntes unter Stress abrufen halt. Der Prozess verläuft über mehrere Runden, wobei ich nur die Kapazität habe, mich auf einzelne Kurven zu kon­ zentrieren. Eine flüssige, fehlerlose – ­immer noch langsame – Runde will nicht gelingen. Dann kommt mir Roland so: „Auf den Geraden sitzt du drauf wie ein Tourenfahrer.“ Bis jetzt hatte ich die THE RED BULLETIN


Dossier

Entspannungsphasen am Red Bull Ring gelobt und gepriesen, erlaubten sie mir doch, mich in Ruhe auf die Kurven vorzubereiten. Damit ist jetzt Schluss: Für optimale Aerodynamik gehört der Hintern nicht auf den Sattel, sondern in einer Art Schranz-Hocke auf den Sitzhöcker, damit die Ellbogen vor (nicht neben) den Knien positioniert werden können. In dieser unbequemen Haltung schielt man dann bei ziemlich deutlich jenseits der 200 km/h an die obere Helmkante und versucht, den Bremspunkt korrekt zu erraten.

RED BULL RING

Varianten des Undenkbaren

Das, was man unter keinen Umständen will, hat viele Varianten. Einwerfen. Ab­ ledern. Kugeln. Einschlagen. Detonieren. Absitzen. Schlicht: stürzen. Man will sich aber auch nicht überfordern. Was man will: es genießen. Typen wie Roland Resch sieht man auf dem Moto2-Bike in allen Lagen an, wie sie jeden Meter, jede Kurve mit Genuss aufsaugen. Endlich ein Bike, das alles macht, was sie sich schon immer gewünscht haben, und noch mehr! Eines, das glasklares Feedback liefert, Selbstvertrauen gibt, das Limit zu suchen und zu pushen, bis der Ellbogen am Asphalt streift. So weit ist es bei mir noch nicht, und das ist auch gut so. I­ mmerhin gehen sich ein paar geschmei­dige, schöne Runden aus, bei denen ich das Gefühl habe, einigermaßen zu wissen, was ich tue (samt einer zwanzig­prozentigen Reserve in der Hinterhand gegen das Einwerfen, Ab­ ledern, was auch­immer). Ich bin happy, zu sehen, dass sich die Vorbereitung im Winter gelohnt hat. Dass man sportliche Ziele selbst im vorgerückten Alter von 47 Jahren noch er­reichen kann, wenn man hartnäckig genug dranbleibt, nicht zu faul zum Lernen ist – und sich von Profis wie Roland etwas sagen lässt. Und dann – ist die Konzentration weg. Wir lassen es gut sein. Nacken und Schultern schmerzen, der Kopf ist leer. Wie leer, bemerkte ich auf der Heimfahrt, als ich am Semmering ­stehen bleiben muss und auf der Stelle am ­Parkplatz einschlafe – am helllichten Mittag. Vor dem Fernseher ist mir das bei der Moto2 noch nie passiert. Moto2-Experiences (15 Minuten) beginnen ab 239 Euro. Mehr auf redbullring.com THE RED BULLETIN

Zwei Räder für ein Halleluja: Dein Programm am Red Bull Ring Trainieren wie die Profis: Einspur-Experiences für jede Gemüts- und Straßenlage – und jedes Alter.

Trial

KTM Street Bikes

Ob im neuen GASGAS Trial Park beim Enduro-­ Gelände oder winters im Boxen­gebäude: Trial schult Balance und Koordination bei minimalem Risiko – und macht großen Spaß bei geringem Tempo. Natürlich stehen auch hier Leih-Bikes zur Verfügung. Ab 25 Euro.

Mit Serienbikes so schnell fahren, wie man will (oder sich traut): Ob KTM Duke oder ­Superduke, am Red Bull Ring ist für Liebhaber jedes Schärfegrades etwas vorrätig. Gefahren wird wahlweise am Red Bull Ring oder im Driving Center. Ab 457 Euro.

KTM RC4R

Enduro

Kids

Ohvale MiniGP

Das Einheitsmotorrad für den Austrian ­Junior Cup, bei dem sich Kids zwischen 11 und 17 Jahren ausmachen, wer der nächste Marc Márquez ist. Die KTM RC4R hat nur 92 Kilo und wird von einem 250-ccmEin­zylindermotor angetrieben. Ab 155 Euro.

Kinder können unter sicheren Bedingungen auf speziell für sie gebauten Strecken erste Geländeerfahrung sammeln. Gefahren wird dabei mit KTM SX-E 5. Bei diesen Elektrobikes kann nicht nur die Sitzhöhe eingestellt, sondern auch die Leistung in sechs Stufen variiert werden. Ab 24 Euro.

Im Wald bei der Bergauf-Gerade des Red Bull Ring befindet sich das Enduro-Gelände mit mehreren Strecken in diversen Schwierigkeitsgraden. Hier kann man sich mit dem ­eigenen Enduro-Bike austoben – oder vor Ort eine KTM oder GASGAS mieten. Ab 15 Euro.

Racen wie die Großen, aber in klein: Minibikes sind ein riesiger Spaß und schulen all jene Fähigkeiten, die man später auch auf dem Red Bull Ring braucht. Gerüchten zufolge wurden letzten Sommer sogar aktive MotoGP-Piloten damit im Driving Center gesichtet. Ab 55 Euro.

Detaillierte Infos zu allen Angeboten: redbullring.com

61


Der Red Bull Ring hat ein eigenes Driving Center, einen Test­parcours für alle: Ex-Formel-1-Pilot Patrick Friesacher und Motorsport-Moderatorin Andrea Schlager fahren ihn für uns.

DIE RENN-FAHRSCHULE

HIER GIBST DU GAS! Text: Isabella Großschopf Fotos: Konstantin Reyer

ES HAT GEFUNKT!

Ex-Formel-1-Pilot Patrick Friesacher gibt ServusTV-Moderatorin Andrea Schlager über das Walkie-Talkie Fahrtipps.

62

THE RED BULLETIN


Dossier Red Bull Ring

STARKER STROM

204 PS, vollelektrisch: Friesacher (rechts) und Schlager jagen ihre Cupra Borns über den Driving-Center-Parcours, der innerhalb der Formel-1Rennstrecke liegt.

THE RED BULLETIN

63


G 64

RUNTERKOMMEN!

Angespannt und doch entschleunigt: Andrea Schlager muss möglichst nahe an einem Hindernis zum Stillstand kommen.

„STRAFZETTEL WEGEN ÜBERHÖHTER GESCHWINDIGKEIT ZÄHLEN ZU DEN MONATLICHEN FIXKOSTEN.“ Andrea Schlager

Der sonore Sound der Motoren ringsherum am Red Bull Ring verstärken Schlager und Friesacher aber trotz alldem nicht. Denn der Cupra Born ist ein vollelektrisches Auto, zwar mit satten 204 PS – allerdings Flüsterpferdchen, die man spürt, aber kaum hört. Zumal nebenan gerade benzingetriebene Rennboliden unter den wachsamen Augen potentieller Sponsoren in Anzug und Krawatte ihre Runden drehen. Die eleganten Herren thronen auf der Terrasse und schauen genau, wie schnell ihre möglichen Schützlinge unterwegs sind und ob es sich überhaupt lohnt, in sie zu investieren. Das Geschäft mit der Geschwindigkeit ist hart. Und der Spielberg ist Spielplatz für eigentlich alles. Hierher kommt man zum Kräftemessen. Wie eben jetzt am Gelände des Driving Center. THE RED BULLETIN

MAKE-UP: MICHAELA SCHMIDSEDER

eschwindigkeit kann beides, berauschen und ernüchtern. „Grad vorhin bin ich wieder in eine Radarfalle getappt“, giftet sich Andrea Schlager. Doppelt ärgerlich: Das nachtragende Ding lauert seit Jahr und Tag an genau derselben Stelle an ihrer Heimstrecke zwischen Knittelfeld und Spielberg. Und die ist gerade einmal 2,4 Kilometer lang. „Aber ich hab halt ­gerade mit der Mama telefoniert, und sie hat mich gefragt, was ich abends essen möchte. Und dann hab ich’s schon im Rückspiegel gesehen – zack! Blitz!“ Strafzettel wegen überhöhter Geschwindigkeit zählen aber ohnehin schon länger zu Schlagers monatlichen Fixkosten, wie sie etwas verlegen einräumt. Sie hat es eben gerne eilig. Auch, wenn nicht gerade die Frau Mama ihre Menüvorschläge ausrollt. Keine Scheu vor Geschwindigkeit zu haben wird hier und heute am Spielberg aber nur eine der Herausforderungen an die toughe Motorsportjournalistin sein – wenn sie vom ehemaligen Formel1-Piloten und bisher einzigen Kärntner in dieser Disziplin, Patrick Friesacher, bei der Cupra Born Challenge gecoacht wird. Drei Herausforderungen gilt es dabei zu meistern: eine hohe Durchschnittsgeschwindigkeit am Parcours; dann die sogenannte „Punktlandung“, die vorsieht, möglichst nahe vor einem Hindernis zu bremsen; und, drittens, auch noch effizient, also spritsparend zu fahren.


Dossier

Andrea Schlagers Top-5-Songs beim Autofahren Wenn sie genug vom kernigen Sound der Rennmotoren hat, hört sie … 1. Don’t Stop Believin’ Journey 2. Whiskey in the Jar Metallica 3. Santeria Sublime 4. To Be with You Mr. Big 5. Jesse James Cher

sein und sie per Funk durch die Prüfungen lotsen, was er als Instruktor am Red Bull Ring auch beruflich macht. Wer war damals eigentlich sein Lieblingskontrahent, wer inspirierte ihn? „Abgesehen davon, dass es zwischen Formel-1-Piloten gar keine oder nur wenige Freundschaften gibt, mochte ich Michael Schumacher gerne. Mit ihm konnte man sich wunderbar unterhalten.“ Spricht’s und macht sich startklar für den ersten Teil der Challenge.

Frau Schlager hat sich hier längst schon eingegroovt, sie stammt aus dem benachbarten Knittelfeld. „Mit 14 bin ich am Gelände schon Motocross gefahren. Wir Kinder sind praktisch am Ring aufgewachsen.“ Ein Heimspiel auf Rädern also. Wenngleich sie mittlerweile nicht mehr so oft wie früher vorbeischaut. Schlager ist weltweit unterwegs und moderiert für ServusTV Sportveranstaltungen wie etwa den Moto GP oder die Formel 1.

Die rasende Reporterin

Patrick Friesacher, 41, wiederum fuhr vor Schlagers TV-Karriere als rasende ­Reporterin, nämlich 2005, in insgesamt elf Rennen in der Königsklasse. Man kennt einander trotzdem gut, weil die 40-jährige Schlager mit Friesachers Frau zur Schule ging. Heute wird er ihr Lehrer THE RED BULLETIN

Friesacher schaut, was sich Schlager traut – und ob der Kurvenradius präzise genug gesetzt ist.

65


Dossier

Seine Anweisungen kommen ruhig und sachlich, doch deren Wirkung erfolgt ziemlich plötzlich: Schlager schmeißt sich mit atemberaubender Geschwindigkeit in die Kurven. Wahnsinn! Die Frau liebt Autofahren! Und sie liebt grenzenlos. „Nach dem Grand Prix bei Budapest fahre ich zum Beispiel in einem Stück die 550 Kilometer heim nach Salzburg. Das entspannt mich. Ich kann bei langen Autofahrten herrlich abschalten“, erzählt sie später. Das Radio bleibt dann auch für eine gewisse Zeit lang aus. Zu sehr hallt ihr das Motorengedröhne der Boxengasse noch im Kopf nach. Aber zurück zur Challenge: Patrick Friesacher ist höchst zufrieden mit seiner Schülerin. Die zierliche Moderatorin hat das Auto fest im Griff. Zimperlich sollte man als etwaiger Beifahrer aber nicht sein. Denn wenn Schlager Gas gibt, verschwimmt schon mal die Land­ schaft. Und erstarrt, wenn sie bremst, wie bei der Punktlandung. Auch wenn die nicht beim ersten Mal klappt – was

Patrick Friesachers Tipps für eine ökonomische Fahrt Sein Job war die Hochgeschwindigkeit. Doch er kann auch ganz, ganz anders … 1. Vorausschauend fahren: Jähes Abbremsen und Beschleunigen kostet Sprit bzw. Strom. 2. Beim Beschleunigen nicht jeden Gang bis zum Anschlag ausreizen, sondern zügig in einen höheren schalten. 3. Die Klimaanlage verbraucht genau wie die Sitzheizung vieles an Leistung. 4. Mit Start-Stopp-Automatik lässt sich vor allem innerstädtisch Geld sparen. 5. Auf der Autobahn immer im höchsten Gang fahren.

66

„ES GIBT DIESEN EINEN MOMENT, WO NUR DU ALLEIN ENTSCHEIDEST.“ Patrick Friesacher die Pilotin maßlos ärgert. „Da packt mich der Ehrgeiz! Das gibt’s ja net, dass das nicht gleich funktioniert.“ Apropos nicht gleich funktionieren, wie hat sie’s denn mit dem Einparken? Schlager entspannt sich. „Das kann ich wirklich gut. Immer aufs erste Mal. Ich seh die Lücke und weiß sofort, wie ich sie nehme. Hundert Mal vor und zurück gibt’s bei mir nicht.“

Der hauptberufliche Hetzer

Ja und überhaupt: Kann man vom Fahr­ stil Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des Fahrers, der Fahrerin ziehen? Klare Antwort: jein. Für Friesacher verhält sich die Sache so: „Ein Auto ist für mich privat ein Fortbewegungsmittel, mehr nicht. Austoben kann ich mich auf der Rennstrecke. ­In Zivil fahr ich sehr rück­ sichtsvoll und vorausschauend.“ Freilich, als er, damals für M ­ inardi, noch hauptberuflicher Hetzer war, ver­ hielt sich die Sache anders. „Als Renn­ fahrer musst du Ziele vor Augen haben, und diese Ziele gilt es beinhart zu errei­ chen. Die Formel 1 funktioniert nur als Teamwork. Da sind hunderte Menschen im Hintergrund für zwei Fahrer im Einsatz. Und es wird alles gemeinsam entschieden. Trotzdem gibt es diesen einen Moment, wo nur du – und das im Bruchteil einer Sekunde – entscheidest, ob du jetzt einen Boxenstopp machen musst. Weil du als Fahrer entgegen allen theoretischen Berechnungen weißt, dass es genau jetzt notwendig ist.“ Friesacher schmunzelt. Heute hat der Mann die Ruhe weg. Auch im alltäg­ lichen Straßenverkehr. In Großstädten wie Wien zum Beispiel ist es ja mittler­ weile zur Unart geworden, Ausparkende nur in Ausnahmefällen in den Fließ­ verkehr reinzulassen: Da sieht jemand, du willst ausparken, an der Kreuzung ist ohnedies die Ampel rot, aber viele Fahr­ zeuglenker starren stur nach vorne und machen dicht. Friesacher lacht. „Haha! Im Gegenteil: Ich lass die Leut’ natürlich

rein. Weil ich mir immer denke, das war jetzt eine gute Tat, und somit hab ich was gut im Leben. Karma, you know?“ Andrea Schlager wiederum hasst „Drängler – und wenn mir jemand hinten auffährt“. Auch hier pure Leidenschaft. Aber wer kann Drängler schon leiden? Nach den schweißtreibenden Challen­ ges am Ring ist Frau Schlager nun etwas erschöpft. Viele andere an ihrer Stelle wären wohl komplett erledigt aus dem Cockpit gepurzelt. „Sie war gut“, streut Friesacher der Ermatteten Rosen, „sie war richtig gut!“ – Na gut, aber wozu das alles? Zum einen ist es mehr als vernünf­ tig, immer wieder einmal ein professio­ nelles Fahrtraining zu absolvieren und seine Grenzen auszuloten. Zum anderen ist es die Vorbereitung für ein packendes Duell am 30. September mit (noch) un­ bekannten Gegnern – denn: Wer Andrea Schlager persönlich kennenlernen möchte­ und mutig genug ist, sich mit ihr am Red Bull Ring in einem vollelektrischen Auto zu messen, sollte sich rasch be­ werben (Näheres unter: cupraofficial.at/ born-challenge).

400 wiehernde Pferdchen

Nun geht’s für Andrea Schlager aber erst einmal ab nach Hause, zur Mama nach Knittelfeld. Auch die wenigen Stunden mit der Familie gilt es vollgas zu genießen. Friesacher begleitet sie zum Abschied zu ihrem Auto. Und das ist, wie’s der Zufall will, ebenfalls ein Cupra. Aber halt einer mit fast doppelt so vielen Pferdestärken wie jener heute am Ring, nämlich 400. Daher w ­ iehern also all die Strafzettel! Sie selbst sieht das etwas differen­ zierter. „Das Ding sind nicht die 400 PS, ­sondern die vielen Achtziger- und Hun­ derterzonen in der Umgebung. Man kommt ja schon ganz durcheinander, was wo gilt. Vor allem, wenn man n ­ ebenbei auch noch einen Blick auf d ­ iese wunder­ schöne Natur hat!“ Doch trotz der landschaftlichen Reize geht Langsamkeit gar nicht. Denn mittler­ weile hat Mama daheim fertig gekocht.

THE RED BULLETIN


Ganz privat: Andrea Schlager Patrick Friesacher Sportjournalistin

Geboren am 16. Juni 1982 Ist mit F1-Pilot Fernando Alonso liiert Würde gern Sängerin Cher treffen Wahlheimat Portugal Hobbys Tennis, Skifahren

THE RED BULLETIN

Ex-Formel-1-Pilot und Instruktor

Geboren am 26. September 1980 Ist Vater von zwei Kindern (15 und 9 Jahre) Liebt Pasta und Pizza („Ich habe gottlob keinen Diätplan mehr“) Leidenschaft Mountainbiken

67


Motorsportfans kommen nicht nur wegen spannender Rennen an den ­Spielberg. Abseits der Großveranstaltungen locken die Tauroa-Hotels und die Bull’s Lane. Ein kleiner Guide zur Orientierung.

HOTELS, CAMPING UND CO

SPIELBERG FÜR ALLE SINNE Text: Nina Kaltenböck

Ein MotoGP-Fan gibt den Nachbarn am Campingplatz Gummi. Viele Gäste buchen ganze Wochen und erkunden das Murtal.

HOLLÄNDISCH-CRASHKURS FÜR ZELT-NACHBARN

50 Prozent der Spielberg-Camper kommen aus den Niederlanden. So klappt die Kommunikation: Hast du noch ein kaltes Bier?

Heb je nog een koud biertje?

Dreh die Musik leiser!

Zet die muziek zachter!

Hast du mein Fahrrad gesehen?

Heb je mijn fiets gezien?

Ich hab dein Fahrrad nicht.

Ik heb je fiets niet.

68

CAMPING-ERLEBNIS Die Qual der Wahl

Wer erdig und nah am Red Bull Ring übernachten möchte, hat 17 zentral gelegene Campingplätze zur Auswahl. Eine Rarität! In der MotoGP oder der Formel 1 ist diese Nähe zum Spektakel einzigartig. Weltoffenheit, Gleich­mut und ein paar Phrasen Niederländisch machen sich gut, denn 50 Prozent der Besucher kommen aus den Niederlanden, gefolgt von Gästen aus Öster-

reich und Deutschland. Die Anreise zu den Motorsport-Events beginnt mittwochs, mittlerweile hängen Stammgäste auch noch den Montag zur Regeneration an. Festivalstimmung herrscht bei der Partybrigade auf den Plätzen bei Flatschach, Ruheoasen sind eher die, die östlich bei der Red Bull Ring-Einfahrt liegen. 2022 sind alle Campingplätze mit bis zu 40.000 Gästen ausverkauft. Für 2023 geht’s hier lang: redbullring.com THE RED BULLETIN


Dossier

Bull’s Lane: Buffet und „Spielburger“ mit Blick auf die Strecke

Im Schönberghof verfolgen Fans die Rennen von der Terrasse.

Gasthof Seetalblick: Hier findet, wer will, auch Ruhe.

Menü im Hotel Steirerschlössl: Drei-Hauben-Küche in Zeltweg

PICTUREDESK.COM, HARALD EISENBERGER, PHILIP PLATZER, GASTHOF SEETALBLICK, LUCAS PRIPFL

GUT ESSEN UND SNACKEN Bull’s Lane

Der Hotspot für Gaumenfreuden direkt an der Rennstrecke im Boxengebäude. Im Sommer hat man auf der überdachten Terrasse der Bull’s Lane mit der großen Außenbar einen 1-a-Blick auf die Start-Ziel-Gerade. Der BullenGrill und steirische Schmankerl halten perfekt als Unterlage für das Rennwochenende her.

Eisdiele Perko

Perko-Eis kennt im Murtal jeder. Das Traditionsunternehmen gibt es seit 1914. Für alle, die aus der Gegend kommen, das beste Eis der Welt. Suchtgefahr nicht ausgeschlossen. Joghurt-Orange und Joghurt-Kirsch sind sehr beliebt, Butterkeks und VanilleNero auf der Überholspur. Seckauer Straße 2, 8720 Knittelfeld

bulls-lane.at

DIE BESTEN HOTELS

Bachwirt

Landhotel Schönberghof

Die ServusTV-Moderatorin ­Andrea Schlager verrät ihren ­Geheimtipp in Knittelfeld: „Der Bachwirt ist legendär und einzigartig. Jeder Besucher der Gegend muss einmal in seinem ­Leben einen Backhendlsalat im Gastgarten probiert haben. Sämtliche F1- und MotoGP-Stars schwören darauf.“ bachwirt.at THE RED BULLETIN

Grand-Prix-Besucher schätzen die schmucke Bleibe wegen des spektakulären Blicks auf den gesamten Red Bull Ring. Die Zimmer sind mit einer eigenen Terrasse oder einem Balkon ausgestattet. Der wird dank Room­service oft zur privaten VIPLounge mit freier Sicht auf die Rennstrecke umfunktioniert. landhotel-schoenberghof.at

Hotel Steirerschlössl

Elf Suiten zwischen 25 und 110 Quadratmetern, der Boden aus geräucherter Buche, die ­Bibliothek mit ihrem offenen Kamin – das renovierte Jugend­ stilgebäude im Zentrum von Zeltweg, sechs Kilometer vom Red Bull Ring entfernt, spielt alle Stückeln. Und auch die Weinkarte liest sich wie ein spannendes Buch. Ein Grund, aber nicht der einzige neben all dem Komfort, warum im Hotel Steirerschlössl – wie auch im Schloss Gabelhofen und im G’Schlössl Murtal – oft und gerne F1-Piloten absteigen. hotel-steirerschloessl.at

Schloss Gabelhofen

Zeitgeist statt Schlossgeist. Stilvoll und detailgetreu restau­ riert, ist dieses ehemalige Was­ serschloss ein beflügelnder Ort in Fohnsdorf. „Märchenhaft“

– wie Gäste einhellig urteilen, die den begrünten Burggraben und die lichtdurchflutete Galerie bestaunt haben. Internationale zeitgenössische Kunst und ausgesuchte Antiquitäten sind ebenfalls gut platziert. Die Küche kann mit der Optik mit­ halten. Der Saibling kommt aus der Region, das Wild aus der eigenen Jagd. gabelhofen.at

Seetalblick

Der Gasthof und die Pension ­liegen nicht direkt im Raum Spielberg, sondern 35 Autominuten entfernt in St. Wolfgang. Das Filet­ steak ist aber die Anreise vom Red Bull Ring in jedem Fall wert. Erholsamer Schlaf auf 1260 Metern in dieser herrlich abgelege­ nen Lodge, umgeben von den Seetaler Alpen, kann nach dem Brummen der Motoren durchaus zu einer wünschenswerten Entschleunigung führen. seetalblick.at

69


Der Comedian Alex Kristan wurde als Stimmenimitator von Formel-1-Stars wie Niki Lauda berühmt. Hier erinnert sich der Motorsport-Fan an die rauchenden Motoren (und Fahrer) von damals.

SCHLUSSRUNDE

MEIN BOXENSTOPP IN DER KINDHEIT Text: Alex Kristan Illustration: Claudia Meitert

H ALEX KRISTAN

Der Parodist, Stimmenimitator (Niki Lauda, Heinz Prüller etc.) und Comedian Alex Kristan bereitet sich gerade auf sein viertes Soloprogramm „50 Shades of Schmäh“ (Premiere im ­Oktober) vor.

aller Vergangenheits­verklärung natürlich nicht die Gefährlichkeit des Sports jener Tage mit den diversen Unfällen und Tragödien ausblenden. Diesen Ritt auf der Kanonenkugel, diesen Balanceakt auf dem Drahtseil mit bis zu 1400 PS im Qualifying waren nur eine Handvoll Männer zu bewältigen imstande – dieses Wissen war ein weiteres Element zur Bildung des Mythos Formel 1. Allein die schlichte Schönheit der damaligen Autos! In meinem persönlichen Ranking ist der Lotus 98 T von 1986 in der legendären JohnPlayer-Special-Lackierung der vielleicht schönste Formel-1-Wagen überhaupt und das schrille Kreischen des 12-Zylinder-Ferrari-412-T2 aus der Saison 1995 genau das, was ich mir unter „Sound“ bei einem Formel-1-Boliden wünsche.

einz Prüller würde sagen: „Sie erinnern sich sicher …“ Und ja, ich erinnere mich, dass meine erste Wahrnehmung in Sachen Formel 1 ein schwarz-goldenes Rennauto war, das ich anlässlich meines sechsten Geburtstages bekommen hatte: den ­Lotus von Mario Andretti der damaligen Saison 1978. Heute Über den greatest of ist es völlig undenkbar, all time unter den Spielzeug mit Zigaretten­Piloten lässt sich werbung darauf zu schentrefflich diskutieren, ken, aber ­damals rauchfür mich ist es Ayrton ten in der Formel 1 nicht Senna. Legendäre nur die Motoren, sondern Traditions­strecken auch die Fahrer. wie Kyalami, Brands Mit dem Begriff Hatch, Zolder oder „Spielberg“ verband ich Dijon sind nicht mehr in jenen Tagen aber eher zeitgemäß und aus den großen Sandhaufen dem Rennkalender in unserem Garten, wobei verschwunden. Umso Spielberg damals ja noch erfreulicher, dass Alex Kristans Held der Kindheit: nicht Austragungsort Österreich einen Ayrton Senna 1986 am Österreichring. des Grand Prix von ÖsFormel-1-­Grand-Prix terreich war. Aber auch hat. Abgesehen von bei „Zeltweg“ hätte ich der regionalen Wert­ zuerst wohl eher an das schöpfung ist das Verschwinden eines CamRennen am Red Bull ping-Unterschlupfs als Ring eine groß­artige an die Formel 1 gedacht. Werbung für den Die Hosen waren damals Österreich-Tourismus. unten noch breiter als oben, und Autofarben Die Rennstrecke – eingebettet ins steirische ­hießen Zitro­nengelb, Viperngrün oder Blut­ Landesgrün und gesäumt von in Zeitlupe wiederkäuenden Kühen – erfreut sich nach wie vor orange und nicht wie heute Leasinggrau, Restwertschwarz oder Wiederverkaufssilber. größter Beliebtheit bei F ­ ahrern und Teams. Und wenn der Grand-Prix-Zirkus seine Zelte­ Ich bin mir sehr sicher, dass ich seit damals Benim Murtal aufschlägt, dann wird nicht nur auf zin im Blut habe. Auf mich als sogenannten­car der Strecke Vollgas gegeben. Angeblich sind guy hat die Formel 1 immer eine ganz b ­ esondere dann auch die trägen Rinder plötzlich so schnell, Faszination ausgeübt – und da vor allem die Ära dass sie beim Melken Joghurt statt Milch geben. der Achtziger- und Neunziger­jahre. Man darf bei Rasant im Job wie damals Senna.

70

THE RED BULLETIN

PICTUREDESK.COM

„Nur ganz wenige beherrschten den Ritt auf der Kanonenkugel.“


© GEPApictures

D I E FO R M E L 1 A M R E D B U L L R I N G DA S R E N N WO C H E N E N D E 08. – 10. JULI | LIVE Mehr Live-Sport bei ServusTV On


5-M IN U TE N-C OACH

00:00

01:59

Die Kraft des Morgens Musikerin und Mentalcoach DIANA LUEGER erklärt, wie aus dem Frühstress ein freundlicher Tag wird. Und aus einem freundlichen Tag ein entspanntes Leben.

00:18

Weniger ist mehr Alles raus, was keine Miete zahlt! ­Gehen wir auf Ressourcenforschung und überlegen: Wovon brauche ich wie viel? Was kann weg, was entpuppt sich bei näherem Hinsehen als Ballast, als ein weiterer Punkt auf der inneren Liste, als Energieräuber? Detox ist mehr als eine grüne Saftkur oder Schwitzen in der Sauna. Mediengewohnheiten, Arbeitspensum, Alkoholkonsum und Ernährung sind nur einige mögliche Stellschrauben, die Stressreduktion fördern können. Unsere Amygdala (Hirnregion, Anm. d. Red.) springt leider sehr gut auf Mangelbewusstsein an, das haben Social Media und die Werbung bestens für sich genützt. In dem dauernden Gefühl, zu wenig zu sein, zu ­haben, zu leisten, zu wissen, ist eine Rekalibrierung des gesunden Maßes oft eine Herausforderung.

Gesunde Routinen

Gedanken beobachten

Bei vielen von uns beginnt der Tag mit zwei Dingen: zu wenig Schlaf und dem Blick aufs Mobiltelefon. Das Erste, was wir tun, ist, uns durch die Social ­Media Feeds oder die Nachrichten zu scrollen. Damit setzen wir den Anker für den Tag im Außen, befeuern Geist und Gehirn gleich nach dem Aufwachen mit leider oft schlechten News, Instagram-Ideal­bildern, denen wir nicht entsprechen, oder Geschehnissen um uns herum, die uns sorgen und ­bedrohen – etwa einer weltweiten Pandemie, Krieg oder der Wirtschaftsund Klimakrise. Das erzeugt Stress. In kleinen Schritten können wir ­diese Muster durchbrechen und neue Morgenroutinen entwickeln: Ich achte auf ausreichend Schlaf, frühstücke in Ruhe oder wage zur Abwechslung eine richtig kalte Dusche. Auch bewusste Atemübungen wirken Wunder und erden. Widmen wir uns zuerst uns selbst, bevor wir uns dem Außen zuwenden.

Wenn ich meine Gedanken „beobachte“, frage ich mich: Welche Qualität hat das, was sich in meinem „Oberstübchen“ abspielt? Drehen sich die 03:07 Gedanken ängstlich um die Zukunft? Hänge ich der Vergangenheit nach, oder bin ich ungehalten mit mir selbst? Folgendes passiert im Gehirn, wenn wir denken: Die Zirbeldrüse ist quasi unser Sparringspartner – Gedanken Lerne deine eigenen Werte kennen! beeinflussen die Neurochemie. Der dadurch gemixte „Cocktail“ wird durch Meistens spüren wir ganz genau, wenn Neurotransmitter und das Blut ins wir etwas tun, was uns widerstrebt ganze System gespült und von uns als oder eigentlich zu viel ist, und das ist Gefühl wahrgenommen. Wir können nicht immer der innere Schweinehund. Wenn wir über unsere Grenzen also Einfluss darauf nehmen, wie wir gehen, somit uns selbst übergehen, uns fühlen, indem wir bewusst auf handeln wir respektlos uns selbst ­positive Qualitätsveränderung unserer gegenüber. Gedanken setzen. Ich arbeite mit meinen Klienten auf wissenschaftlicher Das beginnt bei Arbeitszeiten Basis, denn diese biochemischen (­kenne ich auch von mir!), betrifft ­Vorgänge sind rational greifbar und aber auch Bereiche wie die Ernährung unterstützen den Gedankenswitch. oder Bewegung. Yoga beispielsweise

72

01:58

THE RED BULLETIN

DIANA LUEGER

BARBARA BALEN

Grenzen setzen


03:42 ist toll. Ich bin selber Yogini und unterrichte seit vielen Jahren, aber die ­Verhältnismäßigkeit muss realistisch passen. Du hast nichts davon, wenn du nach einem anstrengenden Tag noch den Yogaflow inklusive Kopfstand reinquetschst, obwohl du schon streichfähig bist. Oder wenn du auf ­einer strikt veganen Ernährung bestehst, obwohl du merkst, dass du kraftlos bist. Es ist schwer, in die ­Aktivphase zu kommen, wenn du ­andauernd Verzicht üben musst – egal, ob Verzicht auf Nahrung, Schlaf, Freizeit oder Entspannung.

04:15

Runterkommen

DER ROCKSTAR UNTER DEN COACHES

Diana Lueger (Sängerin, Song­writerin, Drummerin, Moderatorin, Frontfrau von „Zweitfrau“) hat ihr Leben selbst komplett um­gekrempelt. Mit ihrer CoachingMethode „The Change“ begleitet die 42-Jährige nun Menschen und Unter­ nehmen auf dem Weg zum persön­lichen Erfolg. Weitere Informationen unter: thechange.vision

„Die Energie für die eigenen Ziele bündeln: Das ist Effizienz.“ Diana Lueger

In entspanntem Zustand wird der ­Zugang zur Innenwelt frei. In meinen Coachings baue ich dazu gern Atemübungen und Meditation ein. Man dringt in tiefere Schichten vor und ­gewinnt Orientierung. Ein häufiges Thema: das Annehmen, das NichtKämpfen. Die US-amerikanische ­Lehrerin und Bestsellerautorin Katie Byron sagt: „Love, what is.“ Versuche, den Ist-Zustand zu akzeptieren! Überprüfe, ob du ihm etwas Positives ab­ gewinnen kannst oder ob er dir nicht bereits zeigt, was du bräuchtest. Mit der „The Change“-Methode schaue ich gemeinsam mit meinen ­Klientinnen und Klienten genau dorthin. Wir entwickeln Möglichkeiten, wie Veränderung konkret gelingt, und bringen die Vision auf den Boden. Ich arbeite mit integralen Techniken, Spiral Dynamics und ganzheitlichen Ansätzen. Der Weg führt über den Geist, das Klarheitschaffen und das Vertrauen in sich und darin, dass wir unser Leben selbst gestalten. Wir tragen den Schatz der Antworten bereits in uns. Wir müssen ihn nur ausgraben.

05:00 THE RED BULLETIN

73


ANZ EIGE

must-haves

1

2

3

4

1 SPITZENZEIT

Designt für die besonderen Momente, die für immer in Erinnerung bleiben. Die ultraflache und robuste Suunto 9 Peak überzeugt mit bis zu 7 Tagen GPS-Laufzeit, Routennavigation und mehr als 80 verschiedenen Sportmodi. Von Athlet:innen ausgiebig getestet und in Finnland mit 100 % erneuer­ barer Energie hergestellt, ist sie der ­perfekte Begleiter für jedes Abenteuer. suunto.com

2 LIGHTS ON!

Der 18-Volt-Akku-Handstrahler DML812 von Makita lässt dich nicht im Dunkeln stehen. Ob am Campingplatz, in der Werkstatt oder in der Wildnis: Der DML812 ist besonders vielseitig dank vier wählbarer Leuchtmodi und bis zu 640 Meter Leuchtweite. Heraus­ragende Lichtqualität in einem prak­tischen Handstrahler für unterwegs. Lieferung ohne Akku. makita.at

3 EINE BERGLEGENDE WIRD 80 4 ALL BLACK FOR ENDURO Zusammen mit Reinhold Messner gelang Peter Habeler im Jahr 1978 die Erstbegehung des Mount Everest ohne zusätzlichen Sauerstoff. Zum 80. Geburtstag schaut er zurück auf eine ereignisreiche Vergangenheit. Vor allem aber blickt er nach vorn und erzählt, welche Berge er noch zu versetzen plant. Demnächst im Handel erhältlich. beneventobooks.com

Von Kopf bis Fuß – von Helm bis Schuh. Mit der Black Edition von KTM stichst du garantiert aus dem bunten Allerlei heraus. Moderne Schnitte und technische Materialien treffen auf Komfort und Funktionalität. Entdecke ein großes Sortiment an MTB-Bekleidung und -Zubehör, speziell für die Anforderungen von ambitionierten Trail- und Offroad-Fahrern entwickelt. ktm-bikes.at


GUIDE Tipps für ein Leben abseits des Alltäglichen

ATEMLOS IN DAVOS

DAVOS KLOSTERS BERGBAHNEN AG

Lauf-Weltmeisterin Judith Wyder nimmt uns mit auf ihre drei Lieblingstrails.

75


GUIDE Reisen

„Als Belohnung für die anfangs wirklich steilen 600 Höhen­ meter winkt ein Blick auf den Davoser See.“ Judith Wyder, 33, Weltmeisterin im Orientierungslauf, erzählt hier in eigenen Worten von ihrem Lieblings-Laufgebiet.

D

76

eine halbe Stunde. Der W ­ eiterweg über die Kuppen der F ­ lüela-Gruppe ist mar­ kiert und technisch nicht sehr schwierig – aber lang. Er endet schließlich fast ­direkt am Pischahorn auf 2980 Metern.

Teste dein Alpin-Know-how Die Belohnung für die anfangs wirklich sehr steilen 600 Höhenmeter dieser Stre­ cke ist der Blick hinunter auf den Davoser See, die Weissfluh (2843 m) und hinüber zur Strela-Alp. Über den Bergrücken kann man eine knappe Stunde ins Tal Richtung Klosters weiterlaufen.

Auf das Pischahorn selbst führt keine Bergbahn, du solltest also schon vorab dein alpines Know-how abwägen: Wie ­bewege ich mich sicher auf felsigem ­Terrain? Bin ich in der Lage, das in dieser Höhenlage rasch wechselnde Wetter ­richtig einzuschätzen? Das sind Fragen, mit denen du dich beschäftigen solltest, bevor du losläufst. Da es hier oben wenige Bäche hat, ­solltest du genügend zum Trinken mit­ nehmen, zumindest einen bis anderthalb Liter Flüssigkeit. Ich habe auch immer Energieriegel dabei. Zum Material: THE RED BULLETIN

SIMON SCHREYER

Sommertraining über Davos: Judith Wyder und ihr Mann Gabriel auf dem Jakobshorn

DAVOS KLOSTERS BERGBAHNEN AG

avos bietet allen etwas: Einer­ seits ist da die mondäne Stadt, andererseits aber ist die Natur extrem nah: Du tauchst in sie ein, indem du direkt vom Zentrum aus in die maleri­ sche Bergwelt losziehst – oder auch per Gondel als „Starthilfe“, um steile Höhen­ meter zu sparen. Auf beide Arten erschließt sich gerade uns Bergläufern eine große Auswahl an Routen, die woanders, wo es keine so gut ausgebaute Infrastruktur gibt, ­ungleich schwerer erreichbar sind. In ­Davos Klosters bringen dich die Berg­ bahnen sehr schnell hinauf auf die Ridges der Bündner Berge. Die Natur dort oben bietet großartige Aussichten und viel Abwechslung zwischen offenen Grünflächen und schattigen Waldwegen. Mein erster Tipp für gut trainierte Trailrunner ist eine Route, die von ihrer Distanz her in etwa drei bis vier Stunden mach­bar ist. Sie nimmt ihren Anfang in Davos auf 1560 Meter Seehöhe und führt auf direktem Weg aufs Seehorn, einen 2238 Meter hohen Aussichtsberg. Bis hierher brauche ich, zügig gelaufen,


Zürich Bern Davos

Schweiz

KANTON GRAUBÜNDEN

Anreise Mit dem Auto: Von Wien aus gelangt man in ungefähr 7 Stunden und 30 Minuten nach Davos. Dazu auf der A1 über Salzburg fahren, der A8 und A12 bis Tirol folgen. In der Schweiz auf der Kantonsstrasse 27 und 28 weiter nach Davos. Mit dem Flugzeug: Der Flug von Wien nach Zürich dauert 1 Stunde und 20 Minuten. Vom Flughafen aus gelangt man mit dem Auto in knapp 2 Stunden über die A3/A13 nach Davos. Mit der Bahn: Von Wien kommt man in 8 Stunden und 20 Minuten via Salzburg über Feldkirch und Landquart nach Davos.

Bei den Mountain Hotels (hier das Hotel Strela) ist das Bergbahnticket im Package dabei.

Gut zu wissen Es lohnt sich, in einem der Mountain Hotels, etwa dem Hotel Strela (im Bild), zu übernach­ ten. Das Ticket für die Bergbahnen gibt’s im Package inklusive. Wer die Pracht der Bündner Berge genießen will, dem sei der Weissfluh­ gipfel auf Parsenn empfohlen. Von dort star­ ten auch einige Trails für Läufer oder Biker.

Davos ist ein Magnet für Mountainbiker: Ein Bike Shuttle verkehrt jeden Freitag beim TGIF (Thank God it’s Friday) Run zum Flüelapass. THE RED BULLETIN

Das Wander- und Trailrunning-Package (ab CHF 74) beinhaltet Übernachtungen, ­Bergbahntickets für die Region, kostenlose Benutzung der Ortsbusse, Wanderkarten, die Davos Klosters Premium Card und mehr. Am Davoser See lässt es sich außerdem hervorragend wakeboarden und windsurfen. Mehr Infos: davosklostersmountains.ch Instagram: @davosklostersmountains

77


GUIDE Reisen

Ich empfehle Trailrunning-Schuhe mit gutem Profil, vor allem im Frühling oder Herbst, wenn es auf den Steinen oder im feuchten Gras rutschig ist. Es ist ­immer von Vorteil, ein zweites T-Shirt und eine Windjacke dabeizuhaben. ­Außerdem sind Trailrunning-Stöcke von Nutzen, besonders in den steilen Passagen dieser Strecke.

Der richtige Flow Tipp 2: Ein weniger fordernder und sehr flowiger Trail hat seinen Ausgangspunkt in Teufi im Dischmatal, etwa vier Kilometer von Davos entfernt. Zu Beginn ein etwas langweiliger Kiesweg, gewinnt die Strecke ab der Mitte an Reiz. Hast du einmal die Tällifurgga erreicht, folgst du der aussichtsreichen Ridge bis aufs Jakobshorn (2590 m). Auf diesem Grat hat übrigens letztes Jahr der Trailrunning-Wettbewerb Red Bull Ridges stattgefunden – nur in die andere Richtung. Vom Jakobshorn kann man entweder die Bergbahn ins Tal nehmen, oder man läuft die 78

„Ich laufe am liebsten morgens los, weil da das Licht am schönsten ist.“ Lauf-Weltmeisterin Judith Wyder

5,2 Kilometer lange Strecke des 1k Vertical Run zurück nach Davos. Dieser Trail, nur bergauf, ist auch gleich mein Tipp 3: Er ist die kürzeste der drei Routen und führt direkt vom Restaurant Bolgenplaza in Davos auf die Jschalp und über einen schmalen Pfad bis aufs Jakobshorn. Achtung auf Biker! Der 1k Vertical Run ist der einzige meiner vorgeschlagenen Trails, auf dem du auch Bikern begegnen kannst. Die Strecke ist technisch einfach, und weil sie tausend ­Höhenmeter überwindet, bietet sie auch eine gute Vergleichsmöglichkeit und gibt dir Auskunft über deine Kon­ dition und Tagesverfassung. Ich persönlich laufe am liebsten morgens los, weil da das Licht am schönsten ist. Wenn du lieber später unterwegs bist, solltest du zur Talfahrt spätestens um 16.30 Uhr bei der je­ weiligen Station sein oder eine Stirnlampe mithaben. Mehr über Judith: indurance.ch, Instagram @judithwyder, redbull.com THE RED BULLETIN

DAVOS KLOSTERS BERGBAHNEN AG, ROMINA AMATO FOR WINGS FOR LIFE WORLD RUN

Unterwegs auf dem Jatzhorn: Judith Wyder läuft mit ihrem Mann Gabriel der Sonne entgegen.



GUIDE Biohacking MEHR ENERGIE

Zurück zum Ur-Sprung! Profi-Biohacker Andreas Breitfeld verrät uns jeden Monat einen Trick, der dein Leben verbessert. Dieses Mal: So setzt ein wenig Auf und Ab dein inneres Kraftwerk in Bewegung.

In der Luft kurz schwerelos, dehnt sich der Körper aus, ehe er sich beim Landen zusammenzieht. Resultat: alle Zellen werden aktiviert.

W

er kennt sie nicht, diese Tage, an denen bereits die Schritte vom Bett ins Bad bleiern schwer wirken? An denen eine innere Antriebslosigkeit jedes Denken, jedes Handeln verlangsamt und hemmt? Doch keine Sorge, der Weg aus dem Tief ist tatsächlich nur einen Sprung – oder ein paar wenige Sprünge – entfernt. Glücklich ist, wer über ein Trampolin verfügt, aber auch ohne reichen etwa drei Minuten lockeres Hüpfen auf der Stelle, um dein Energieniveau im Nu aufzupeppen.

Winzige Untermieter

Kickstarter für Zellen Springen aktiviert die Protonen­pumpe im Mitochondrium („Zellkraftwerk“) und sorgt so für mehr Energie in Form von Adenosintriphosphat (ATP).

ANDREAS BREITFELD, 49, ist Deutschlands bekanntester Bio­hacker. Er forscht in seinem speziellen Lab in München. BIOHACKING umfasst, ver­einfacht gesagt, alles, was Menschen eigenverantwortlich tun können, um Gesundheit, Lebensqualität und Langlebigkeit zu verbessern.

DIE BIOHACKING-PRAXIS Der Performance-Lifestyle-Podast für alle, die mehr über Biohacking (und sich selbst) erfahren wollen. QR-Code scannen und reinhören.

80

THE RED BULLETIN

SASCHA BIERL

ATP

ANDREAS BREITFELD

Mitochondrium

PRIVAT

Zelle

Um zu verstehen, was da vor sich geht, müssen wir kurz zurück in die Schule, in den Biologieunterricht. (Wer jetzt schon gähnt, liest den Text besser erst nach dem Springen weiter.) Denn damals haben wir gelernt: In der Zelle gibt es kleine Mitbewohner namens Mitochondrien; und die sind die Kraftwerke unserer ­Zellen, sie erzeugen Energie, die unsere Lebenskraft stärkt. Eine molekulare ­Protonenpumpe ist dabei entscheidend: Sie setzt eine Kette von Reaktionen in Gang und erzeugt Adenosintriphosphat, kurz ATP, den Brennstoff der Zelle. Das Hüpfen bzw. die Auf-und-Ab-Bewegung wirkt wie ein Kickstarter, da jede einzelne Zelle aktiviert und mit Nährstoffen, ­Sauerstoff und Wasser gefüllt wird.


GUIDE Playlist

FONTAINES D. C.

„Damon Albarn ist der Größte“

Auch wenn er sonst ziemlich zornig ist – mit seinen Lieblingssongs hebt Carlos O’Connell, Gitarrist der irischen Post-Punk-Band, unsere Laune.

FILMAWI

MARCEL ANDERS

Der QR-Code führt dich zu unserer Spotify-Playlist mit Fontaines D.C. fontainesdc.com

Als Fontaines D. C. dieses Jahr im April ihr drittes Album, „Skinty Fia“, herausbrachten, wurde es als ihr bisher wütendstes bezeichnet. Nach dem Erfolg von „Dogrel“ 2019 und der Grammy-Nominierung für „A Hero’s Death“ 2020 hatte das irische PostPunk-Quintett offenbar immer noch viel zu bemängeln. Unzufrieden mit dem Umgang der irischen Regierung mit der Covid-Krise und enttäuscht von der skandalumwitterten katholischen Kirche zogen die fünf nach London, um festzustellen, dass es dort um nichts besser war. Aber es ist nicht alles ­düster im Leben von Fontaines D. C.: ­Gitarrist Carlos O’Connell (im Bild der Zweite von links) macht uns mit vier erbaulichen Songs seiner Plattensammlung bekannt.

THE SMASHING PUMPKINS

WUNDERHORSE

KENDRICK LAMAR

BLUR

TODAY (1993)

TEAL (2021)

HUMBLE (2017)

OUT OF TIME (2003)

„Als Teenager stand ich extrem auf Grunge. Extrem! Einfach so als Lärm. Dann entdeckte ich die Smashing Pumpkins mit ihrer unglaublichen Empfindsamkeit: Die sind gleichzeitig sanft und total böse, es gibt meines Wissens keine andere Band, die das kann. ,Today‘ ist einer der schönsten Songs, die ich je gehört habe. Besonders toll sind die Gitarren.“

„Wunderhorse, auch bekannt als Jacob Slater, war früher in der Rockband Dead Pretties. Das Tolle an ihm ist, dass er wieder richtige Songs schreibt. Das hat mir gefehlt. Viele neue Bands der letzten Jahre achten zu wenig auf Gesang, Melodie und Harmonie. Diese formelhaft-steife Musik mit Sprechgesang darüber habe ich total satt.“

„Dieser dritte Song in meiner Auswahl geht ein bisschen in eine andere Richtung. Mit der Single ,Humble‘ vom supererfolgreichen Album ,DAMN‘ hat Lamar drei Grammys gewonnen. Ich finde den Song einfach perfekt ausgeführt. Er ist stark, furchtlos und punktet mit Groove und Attitude. Ehrlich gesagt kann ich den nicht oft genug hören.“

„Damon Albarn von Blur ist einer der größten lebenden Songwriter, wie diese Nummer perfekt zeigt. Am besten gefällt mir daran das östlich klingende Gitarrensolo. Vielleicht ist es gar keine Gitarre, sondern eine Sitar? Aber das Zusammenspiel zwischen diesem Sound und der konventionellen Musik im Stil der Neunzigerjahre ist wunderschön.“

THE RED BULLETIN

81


GUIDE Tipps & Trends FUNKENFLUG HUBLOT

STRAHLKRAFT RIMOWA CABIN FLAMINGO-ROT Wer Afrika bereist hat, weiß, dass dort alles ein bisschen strahlender, einen Tick sonni­ ger ist. Tansanias Farben hat Rimowa nicht in seine Koffer gepackt, sondern sich von ­ihnen inspirieren lassen. Das Ergebnis: eine Neuerschei­ nung in Flamingo-Rot. rimowa.com

Der französische Ausnahme­ kicker Kylian Mbappé trägt eine Luxusuhr von Hublot am Handgelenk. Fotograf Ezra Petronio meinte, sein Ziel sei es, den Funken einzufangen, der jeden von uns einzigartig macht. hublot.com

120 JAHRE EXPERTISE Robustes, lang­ lebiges und leichtes Polycarbonat

Richtig gutes Zeug Kultdesign zum Fahren, Tragen und Rollen. Von der Redaktion gefunden und für einzigartig befunden.

82

THE RED BULLETIN


GUT GERÜSTET STAHLHANDSCHUHE

EZRA PETRONIO, KHM MUSEUMSVERBAND

Was einst ein Ritter war, ist heut’ ein „Iron Man“. Wer Harnisch trug, so lernen wir in der Schau im Kunsthistorischen Museum in Wien, zog damit keineswegs nur ins Gefecht. Manch Edler wollte einfach modisch glänzen. Im Shop des Museums zu erstehen. khm.at

3D-KUNST BENZINKOPF Das Making-of des Porsche3D-Logos gibt es auf YouTube zu begutachten, weitere Werke von Stefan Pfeiffenberger aus Holz, Carbon, Palladium und Epoxidharz von Lamborghinis, Harley-Davidsons oder KTMs finden sich in seinem Atelier in Wiener Neustadt und auf: artofvehicles.com

RITTER-REPLIKAT Die Nachbildung eines Handschuhs aus Stahl

KULTDESIGN MIT ZUKUNFT RAY-BAN STORIES Zeitloser Stil trifft nun auf Future Touch: Die Smart Glasses haben zwei HD-Kameras und Lautsprecher an der Innenseite der Bügel integriert. Die Modelle Wayfarer, Meteor und Round gibt es exklusiv bei sehen!wutscher. rayban.com

ANGRIFFSLUST FERRARI 296 GTS Dieser Ferrari 296 GTS sieht so aus, als würde er jeden Moment zubeißen. Was angesichts der 830 PS des V6-Hybrid-Motors nicht verwundert. Wer Elektro pur probiert, wird feststellen, dass das Cabrio schnell an Power verliert – Reichweite: 25 Kilometer. ferrari.com

PRETTY IN PINK LANCÔMES BLÜTEN Hier, in der 500 Jahre alten „Domaine de la Rose“ in der Duft-Welthauptstadt Grasse an der Côte d’Azur, lässt Lancôme Lavendel, Jasmin und Rosen auf nachhaltige Art sprießen: 33 Vogel-, 31 Schmetterlings- und 12 Fleder­ mausarten genießen hier ihr Dasein. lancome.com

THE RED BULLETIN

83


GUIDE Lesestoff

Yippie-ya-yay, Schweinebacke! Chris Landow fräst mit seiner „Parceval“-Romanreihe eine breite Schneise durch das US-amerikanische Action-Pantheon – und betritt dennoch Neuland. Text JAKOB HÜBNER

E

in entscheidendes Merkmal dieser Buchreihe findet man auf Seite 3. Genauer gesagt, findet man es eben nicht. Denn dort steht normalerweise der Name des Übersetzers. Im Fall der „Parceval“-Romane von Chris Landow fehlt diese Zeile. Das ist aber keineswegs einer Schludrigkeit des Verlags geschuldet, sondern dem Umstand, dass sich hinter dem Pseudonym Chris Landow ein deutscher Autor verschanzt,

84

der im Klappentext als „Bestsellerautor, dessen Romane sich millionenfach verkauft haben“ angepriesen wird – und der es ganz offensichtlich darauf anlegt, mit voller Härte in einem angloamerikanischen Hoheitsgebiet der Spannungsliteratur zu wildern: dem klassischen „One Man Army“Actionthriller. Mit einem Ritter ohne Furcht und Tadel hat dieser Parceval also wenig zu tun, hier heißt’s nicht „Einer für alle“, hier heißt’s „Einer gegen alle“.

Ralf Parceval, 36, ist ein Ex-Bundespolizist, der im Rahmen des „German Police Project Team“ in Afghanistan als Ausbilder der dortigen Nationalpolizei stationiert ist. Als beim Angriff einer Terrormiliz auf das Trainingscamp seine Rekruten wie Tiere ­abgeschlachtet und seine Schwester und seine Nichte entführt werden, brennen bei Parceval die Sicherungen durch. Der Elitepolizist switcht in den Rambo-Modus, spürt die Mörder in ihrem Unterschlupf auf und richtet dort im Alleingang ein knöcheltiefes Blutbad an. Seitdem sitzt Parceval als 15-facher Mörder in einem deutschen Bundesgefängnis, geplagt von SelbstTHE RED BULLETIN

VINZ SCHWARZBAUER

ACTIONTHRILLER


„Parceval – Zwischen den Fronten“, Kapitel 1, erster Absatz Die Dealer hatten ein intelligentes Verkaufssystem entwickelt. Wenn man es von ihrem Intelligenzniveau aus betrachtete. Von Parcevals Niveau aus war es nur einen Schritt weit von totaler Amateurhaftigkeit entfernt. Nicht, dass Parceval sich darüber beklagt hätte. Es machte es ihm leichter, die Dealer auszurauben. Allerhöchstens fühlte er eine leichte Empörung, dass derartige Geistesakrobaten mit ihrem Tun auch noch Geld verdienten.

vorwürfen – allerdings nicht wegen der 15 Toten, sondern wegen der zwei Verwandten, die immer noch spurlos verschwunden sind. Bis Parceval eines Tages (wer hätte es ­geahnt?) die Flucht gelingt … Das ist der Zeitpunkt, an dem wir als Leser in die Story einsteigen. Band 1 dieser vierteiligen Reihe erschien 2019 unter dem Titel „Parceval – Seine Jagd beginnt“. Und sie beginnt etwas holprig. Landow legt zwar ein beeindruckendes Tempo vor, bekommt im Eifer des Gefechts seine Titelfigur charakterlich aber nicht ganz in den Griff. Da gibt’s jede Menge harte Schale, aber wenig Kern. Trotzdem lohnt es sich, dranzubleiben. Denn bereits in Teil 2, „Auf der Flucht“ (2020), sieht die Sache deutlich anders aus. Landow hat sich in dem Genre akklimatisiert. Und man darf getrost davon ausgehen, dass er nebenbei intensiv bei „Jack Reacher“ (bekanntlich das ­Alphatier der Neigungsgruppe Harte Hunde) nachgelesen hat, bevor er Parceval hier mitten in den brutalen Krieg zwischen zwei rivalisierenden Mafiabanden geschickt hat. Plötzlich hat dieser Kerl neben dem physischen auch das psychische Relief, um angesichts einer .357 Magnum noch eine lässige Lippe riskieren zu können. So richtig „Yippie-ya-yay, Schweinebacke“ ist dann im dritten Teil angesagt, in dem Ralf Parceval in allerbester THE RED BULLETIN

John-McClane-Manier („Die Hard“) eine groß angelegte Geiselnahme in der Ham­ burger Elbphilharmonie entschärft – wobei „entschärft“ in Anbetracht der Tatsache, dass die Hälfte des berühmten Konzerthauses bei diesem „Spiel mit dem Feuer“ (2021) heiß abgetragen wird, vielleicht nicht ganz treffend ist. Ob es im letzten Teil, „Zwischen den Fronten“ (2022), zu einem Happy End kommt, sei hier nicht verraten. Wohl aber, dass sich Landow abermals ganz ungeniert in der GenreSchatztruhe bedient und seinen großen Showdown als rasante „Mission: Impossible“ anlegt … Klar kann man jetzt sagen, das gab es alles schon mal. Stimmt. Aber eben nicht mitten in Deutschland. Und genau das verpasst dieser Highspeed-Thrillerreihe eine neue, durchaus reizvolle Würze.

CHRIS LANDOW „Parceval – Zwischen den Fronten“ Blanvalet

BUCHTIPPS

Recht-Schreibung Vier internationale Bestsellerautoren, die Gesetzes­ texte in Spannungsliteratur verwandeln.

JOHN GRISHAM Der unangefochtene König des Justizthrillers lässt auch nach über 30 Bestsellern mit einer Gesamtauflage von rund 300 Millionen Exempla­ ren keine Spur von Amts­ müdigkeit erkennen. In sei­ nem neuesten Genre-Streich sägt Grisham, 67, an den Grundpfeilern des US-Rechts­ systems, indem er den Bock zum Gärtner macht – was in seinem Fall heißt: Er macht den Richter zum Mörder. „Der Verdächtige“ Heyne

STEVE CAVANAGH In seinem vierten Roman rund um den unkonventionel­ len Rechtsanwalt Eddie Flynn zieht der gefeierte irische ­Autor Steve Cavanagh, 46, ein perfides Katz-und-MausSpiel auf, das paradoxerweise immer mehr Fahrt aufnimmt, je enger das Labyrinth wird, durch das er seine Leser hetzt. Der Ausgangspunkt: Cavanagh setzt den Killer nicht auf die Anklagebank, sondern in die Jury … „Thirteen“ Goldmann

GIANRICO CAROFIGLIO Bevor sich der 1961 in Bari geborene Gianrico Carofiglio der Fiktion widmete, machte er sich sehr real als Antimafia-Staatsanwalt einen Namen. Der Mann weiß also ganz genau, dass in der Arena des Gerichtssaals jedes Wort zählt. Und genauso schreibt er auch. Bisher lieferte sein Avvocato Guerrieri sechs Plädoyers für Justizkrimis, die literarisch jedem Kreuz­ verhör standhalten. „Reise in die Nacht“ Goldmann

MICHAEL CONNELLY Der zigfach ausgezeichnete US-Autor Michael Connelly, 65, ist eigentlich für seine „Hieronymus Bosch“-Psycho­ thriller und knallharten TrueCrime-Storys bekannt. Mit der Figur von Mickey Haller gelang ihm darüber hinaus das Kunststück, einen recht windigen Winkeladvokaten, der sein Büro auf dem Rück­ sitz eines Lincoln Town Car aufschlägt, zum Sympathie­ träger zu machen. „Der Mandant“ Heyne

85


GUIDE Kalender

Bis 16. Oktober LA GACILLY-­ BADEN PHOTO FESTIVAL

7 bis 9. Juli LOVE, PEACE AND M-ZZZ, M-ZZZ, M-ZZZ

Seit 9. Juni stellt Europas größtes Open-Air-Foto­ festival 1500 Fotografien von Künstlern aus zehn Ländern auf sieben Kilometer langen Rund­ gängen in den Gassen von Baden bei Wien aus. Der Biker auf den Lofoten (oben) wurde von Olivier Morin festgehalten. Infos: festival-lagacillybaden.photo

23

Juli TRICKS OHNE ENDE Eine Ledge ist ein Hindernis zum Grinden und Sliden – essenziell für Skater der Extraklasse. Beim dritten Red Bull LEDGEnd gilt es, die Jury mit Style, Tech, Innova­ tion und Kreativität zu überzeugen. Zwölf Rider sind zum Skate Contest am Copa Beach Plaza in Wien geladen, alle ­weiteren Spots werden via Open Quali vergeben. Unter redbull.com könnt ihr euch dafür anmelden. 86

2 24 bis 26. Juni UNTER STROM Drei Tage, die elektrisieren: Beim Flachau E-Bike Festival mit 30 Ausstellern und 400 E-Mountainbikes stehen Bike-Tests, Discovery-Trails und eine Bosch-E-MTB Challenge auf dem Programm. Highlight am Samstag: das Finale des Elite-Race „E-Tour of SalzburgerLand“. Infos: flachauebikefestival.com

Juli DUELLE DER CHAMPIONS Red Bull Solo Q kürt im Messezentrum Salzburg im 1v1-Modus den besten „League-of-Legends“Spieler Österreichs (Foto: Gewinner 2021 WKR Marth), der im Europa- und Weltfinale mit den besten Gamern um den Gesamtsieg kämpfen wird. redbull.com THE RED BULLETIN

ELECTRIC LOVE 2017/FELIX BAPTIST, ARMIN WALCHER, OLIVIER MORIN/ LA GACILLY PHOTO FESTIVAL, LEO ROSAS/RED BULL CONTENT POOL

Fünf Bühnen, 160 internationale Artists aus den Bereichen Hardstyle, Techno oder Tech House und ein endloser Tanz in die bunte Nacht – beim Electric Love Festival am Salzburgring, auch ELF Festival genannt, kommen Fans elektronischer Musik voll auf ihre Kosten. Untertags lassen sich die Batterien am brandneuen Organics Beach am Fuschlsee aufladen. Mehr Infos dazu: electriclove.at


Das „R“ ist kein Barbershop. Kein Tattooparlour. Das „R“ ist ein Ort der Begegnung an dem Menschen auf Kunst und aufeinander treffen. In einer Atmosphäre, die diese Kunst mit dem täglichen Leben in der Stadt verbindet. Das „R“ ist ein Versteck inmitten der Stadt, für Menschen jeden Hintergrunds, Alters und aller Kulturen. Das „R“ ist ein Traum, den sich der Künstler RAF Camora gemeinsam mit seinem Team verwirklicht. Ein Weg seine Kreativität bedeutungsvoll einzusetzen und seiner Heimatstadt seinen Stempel aufzudrücken.

www.r-vienna.com www.r-vienna.shop @r.tattoo.barber @r.tattoo.barber

R. / TATTOO X BARBER Nussdorfer Straße 8, 1090 Wien Mail: office@r-vienna.com Tel: +43 1 969 49 31

Auf 250 Quadratmetern im Ecklokal eines klassischen Wiener Jahrhundertwendehauses am Alsergrund präsentiert das „R“ 6 Barber- und 9 Tattooplätze zwischen authentischen Backsteinwänden hinter vollverglasten, einladenden Fassaden. Die Gelassenheit der Gestaltung mit dem Anspruch zur urbanen Landmark eines modernen Wien zu werden, fällt das „R“ am Alsergrund auf, ohne sich aufzudrängen. Ein Anspruch, der sich auch in der intelligenten, flexiblen Gestaltung des Innenraums fortsetzt, der zugleich einladend ist und es Gästen mit gehobenen Ansprüchen ermöglicht, sich zurückzuziehen und das gewünschte Maß an Privatsphäre zu genießen. Neben dem VIP-Corner und einer Hangout-Area für Begleiter und Wartende, sind eine Shop- und eine Posting-Areaintegraler Bestandteil eines gesamtheitlichen Konzepts, das in dieser Form in Wien kein Pendant kennt.


Endlich draußen! Die Camping-Saison 2022 ist eröffnet. Hier kommt die passende Urlaubsausrüstung für alle Outdoor-Junkies. Text JULIAN VATER

EIN SHIRT, DAS AUCH KÜHLT Modell aus Merino­ wolle, zu 100 % biokompostierbar

SOMMERWOLLE ALS KLIMAANLAGE DEVOLD NORANG MERINO SHIRT Das Shirt aus 100 Prozent feiner, reiner ­Merinowolle überzeugt mit den klima­ regulierenden Eigenschaften des Materials – es kühlt und absorbiert Feuchtigkeit. Das Teil der norwegischen Marke Devold gibt es wahlweise mit kurzen oder ­langen Ärmeln. 85 Euro; devold.com

88

THE RED BULLETIN


GUIDE Outdoor

FEST IM SATTEL

ÜBER ALLE BERGE

NIE WIEDER LADEN!

NORRØNA FJØRÅ FLEX1 SHORTS

SALEWA MOUNTAIN TRAINER 2 MID

GARMIN INSTINCT 2 SOLAR

Die Damenshorts „fjørå flex1“ bieten ­Be­wegungsfreiheit und sind an Knien und ­Gesäß verstärkt. Außerdem wurde die Hose mit ­recycelten Materialien verbessert. ­Gegen einen kalten Rücken beim Hinunter­ sausen von den Bergen hat Hersteller ­Norrøna auch noch einen höheren Hosenbund ein­gearbeitet. 159 Euro; norrona.com

Das Wichtigste für ein Aben­teuer in den Bergen? Ein verlässlicher Schuh – wie der Mountain Trainer von Salewa. Robust und leicht, ausgestattet mit Gore-Tex-Performance-Comfort-Wetterschutz und einer ­Vibram-Sohle. Diese Kombi macht den Mountain Trainer zum meistverkauften Schuh von Salewa. 250 Euro; salewa.com

Diese schlaue Uhr ist ein Dauerbrenner. Die solarbetriebene Instinct 2 Solar hat im Smartwatch-Modus unbegrenzte Akkulaufzeit. Wer modisch – also farblich – ­mitmischen will, kann zwischen einer Vielzahl an Armbändern wechseln. Optisch an­sprechend und multifunktional: die Uhr, die niemals schläft. 450 Euro; garmin.com

KOFFEIN-KICK TO GO

Fahrrad fürs Handgepäck QiO EINS P-5

Am Campingplatz aufwachen und schnell mal zum Bäcker gehen kann vielerorts eine echte Herausforderung sein. Um solche Wege komfortabler zu erledigen, ist das EINS P-5 von QiO genau richtig. Ein verblüffend vielfältiges E-Kompaktrad, das bequem in jeden Campingbus passt. 3.799 Euro; qio-bikes.com THE RED BULLETIN

MAKITA AKKU-KAFFEEMASCHINE Ob auf einem Festival, beim Campen am See oder im Boot ­irgendwo am Meer – die Makita Reisekaffee­maschine macht immer und überall frischen Kaffee. Auch mit handelsüblichen Kaffeepads läuft dieser praktische Reisebegleiter perfekt. Messlöffel und Edelstahlhäferl sind ebenfalls serienmäßig. 89 Euro; makita.at

89


GUIDE Outdoor

AUF TAUCHGANG

WIE GESTOCHEN

PREMIERE EINER IKONE

SUUNTO D5

INDIANA 12'6 TOURING LTD INFLATABLE

VW ID. BUZZ

Sag niemals Tauchuhr zu diesem Tauchcomputer, denn die D5 ist ein Allrounder: Der Flaschendruck wird kabellos angezeigt, ein digitaler Kompass ist abrufbar, und auch eine Mobilfunkverbindung ist über Wasser möglich. Die Suunto-App zaubert alle Daten im Nachhinein auch noch auf dein Handy. 649 Euro; s­ uunto.com

Einzigartiges Stand-up-Paddle-Board ­ge­fällig? Die diesjährige Limited Edition, von der es nur 50 Stück gibt, wurde von ­einem Tattoo-Artist entworfen. Die Motive sollen die Verbindung zwischen Mensch und Natur versinnbildlichen. Ein schnelles High-­ Performance-Board für geübte Paddler. 1.239 Euro; indiana-paddlesurf.com

Der Bulli ist zurück: und zwar vollelek­trisch. Ab September soll der neue VW ID. Buzz auf dem europäischen Markt erhältlich sein. Ein multifunktionaler Transporter mit bis zu 500 Kilometer Reichweite, der sowohl als Familienkutsche wie auch als Liefer­wagen hervorragende Figur macht. volkswagen.com

Wenn das Abenteuer ruft

Hymer Grand Canyon S CrossOver Der perfekte Begleiter für den Trip ins Blaue. Zehn Tage kann man mit dem Grand Canyon S CrossOver autark verreisen. Dank Solar­ anlage und umfangreicher Serienausstattung regiert die Freiheit. Mit Allradantrieb, Höherlegung und Geländebereifung sind dem Abenteuer (fast) keine Grenzen gesetzt. 116.200 Euro; hymer.com

DES CAMPERS THRON SNOWLINE PENDER WIDE Ein Sessel, der in keinem Kofferraum fehlen darf. Dank der „shock cord“-Technologie ist er binnen Sekunden auf- und abgebaut. In den Stuhlbeinen verläuft eine elastische Schnur, die alle Elemente auf Knopfdruck zusammenzieht. Außerdem ist der Pender Wide nur 1,56 Kilo schwer und ganz easy zu verstauen. 130 Euro; kochalpin.at

90

THE RED BULLETIN


ANZEIGE

GOLDENE ZEITEN IN DEN EIGENEN VIER WÄNDEN Immobilien-Verrentung: Die innovative und sichere Altersvorsorge von deaurea. Leben Sie schon, oder träumen Sie noch? Endlich in die Arktis? E ­ ndlich Richtung Südseeinsel? Endlich Bergwelten erleben oder einfach nur Servus sagen zu einer neuen Stadt in einem bislang unbekannten Land? Mit deaurea, dem ersten österreich­weiten ­Anbieter für Immobilienverkauf mit lebenslangem Wohnrecht, können Sie goldene Zeiten erleben und mit dem dafür notwendigen Geldpolster zu neuen Ufern aufbrechen, ohne Ihren gewohnten Heimat­ hafen zu verlieren. Sie allein bestimmen, ob Sie Ihre I­ mmobilie zeitlich begrenzt oder ­lebenslang ­nutzen wollen.

DEAUREA

Das Thema hat höchste gesell­schaftliche Relevanz Bis 2040 wird die Altersgruppe 65+ in Österreich auf über 2,5 Millionen anwachsen. Einerseits steigt die Lebens­erwartung stetig an, andererseits schnellen die Kosten für das tägliche Leben in lichte Höhen. ­Carpe diem? Dolce Vita? Das bleibt Illusion, wenn die Inflation die Preise treibt wie zuletzt vor mehr als 40 Jahren. Gleich­zeitig gewinnen Immobilien mehr und mehr an Wert. Das innovative Modell der Immo­ bilien-Verrentung wird damit attraktiver denn je!

Immobilien-Verrentung zahlt sich doppelt aus: Sie bekommen sofort Kapital und behalten Ihr grundbücherlich gesichertes Wohnrecht.

Und so funktioniert es Mit deaurea können Sie Ihre Immobilie gegen finan­ zielle Unabhängigkeit und gesichertes Wohnrecht ­eintauschen. deaurea als finanzstarker Partner kauft Ihr Haus oder Ihre Eigentumswohnung. Als Verkäufer erhalten Sie neben dem im Grundbuch verankerten Wohnrecht auch einen von Experten bemessenen Geldbetrag, der sofort ausbezahlt wird. In diesem Sinne: Träumen Sie nicht, leben Sie Ihre Träume!

RECHENBEISPIEL Einfamilienhaus in Salzburg­ Immobilienwert Wohnrecht für 10 Jahre

€ 800.000 – € 240.000

Kaufpreis (wird sofort ausbezahlt)

€ 560.000

Info-Telefon: 0664/80 74 07 10

deaurea.at


B O U L E VARD DER HEL DEN

REINHOLD BILGERI

DER STÄRKSTE MANN DER WELT

Serie: MICHAEL KÖHLMEIER erzählt die außergewöhnlichen Geschichten inspirierender Figuren – faktentreu, aber mit literarischer Freiheit. Folge 26: Wie sein bester Freund unversehens zum Lebensretter wurde.

92

THE RED BULLETIN

BENE ROHLMANN, CLAUDIA MEITERT MICHAEL KÖHLMEIER

G

PICTUREDESK.COM (3)

W

as alles in einem Menschen alles konnte aus uns werden. Der Sternen­ himmel war die Karte der gangbaren Wege. steckt – man möchte nicht Wir gründeten eine Band. Schlagzeug, ­aufhören zu staunen! Da wird Bass und zwei Gitarren – wie bei den Beatles. gesagt, wir verwenden höchs­ tens zehn Prozent unserer Mein Freund und ich waren wie George Har­ rison und John Lennon die Gitarristen. Der Hirn­kapazität, der Rest liege Schlagzeuger war Automechaniker, er besaß brach und warte. Worauf? Jeder Mensch ein potenzielles Genie? Aber wie steht es mit einen VW Bus, den klassischen Bully. Mit MICHAEL KÖHLMEIER Der Vorarlberger ­unserem Körper? In jahrelangem Training dem wollten wir von Auftritt zu Auftritt Bestsellerautor gilt wird aus einem mittelstarken Mann ein star­ ­fahren. Der Bus war billig gewesen, aber er als bester Erzähler ker Mann, das ist wahr. Aber dann gibt es war schlecht beieinander. Am Motor musste deutscher Zunge. ­Situationen, Sternstunden des Menschseins, ­herumgeschraubt, die Hinterräder mussten Zuletzt erschienen: da sammeln sich alle Kräfte des Körpers in ausgetauscht werden und so weiter. Das war der Roman „Matou“, einem einzigen Moment, und aus einem durch­ kein Problem, wir hatten ja einen Mechaniker 960 Seiten, Hanser Verlag. schnittlichen mittelstarken Mann wird nicht in der Band. ein starker Mann, nicht ein sehr starker Mann, ilbert, so hieß der Mechaniker, bockte das Heck sondern ein Superman. Dein Lebensretter. Ein Held. des Busses auf Ziegelsteine auf, dann nahm er Ich möchte Ihnen die unglaubliche Geschichte vom die Räder ab. Wir anderen, Ludwig, der Bassist, stärksten Mann der Welt erzählen. Fünf Sekunden lang mein Freund und ich, wir schauten zu, saßen in Garten­ war er der stärkste Mann der Welt. Und ich war dabei. stühlen rundherum und spielten und probierten, erzähl­ Ich war Zeuge. ten Witze, lachten, notierten Textzeilen. Gilbert kroch Dieser Mann war und ist immer noch mein bester unter den Bus – dort, wo der Motor war, also hinten, Freund. Wir beide können uns nicht erinnern, einander beim schweren Teil. Er hätte zuerst die Räder montieren jemals nicht gekannt zu haben. Als wir Kinder und sollen – warum er sich unter den Motor legte, bevor die ­Jugendliche waren, war in unserer Küche immer ein neuen Räder eingesetzt waren, weiß ich nicht, und wir ­Sessel frei für ihn, zwei-, dreimal in der Woche hat er wollten später auch nicht darüber sprechen. Wir anderen bei uns gegessen. In seinem Elternhaus war immer spielten, sangen, träumten laut vor uns hin – von Auf­ ein Bett frei für mich, wenn wir eine Nacht durch reden tritten in der Royal Albert Hall in London oder im Star­wollten. Wir waren wie Brüder. Wir waren Brüder. Als die Beatles aufkamen, begannen wir schnurstracks, Club in Hamburg, ein Auftritt in Zürich im Hirschen war Gitarre zu lernen. Wir wollten sein wie John Lennon fix ausgemacht; das war nicht nichts, immerhin war dort und Paul McCartney. Nach drei Akkorden bereits war es auch schon Jeff Beck aufgetreten. Von Geld träumten möglich, eigene Songs – bald hätte ich gesagt: zu schrei­ wir, von schönen Frauen und dass wir die ganze Welt ben, nein, Noten konnten wir nicht. C-Dur, F-Dur, G-Dur. sehen, dass wir Stars werden würden. Wir waren siebzehn Jahre alt und wussten nicht, was Ludwig drehte eine Tüte und ließ sie herumgehen, einmal aus uns werden würde, und das war schön, denn mein Freund spielte eine Akkordfolge auf der Gitarre,


THE RED BULLETIN

93


B OU L EVAR D DE R HE L D E N

aus der man etwas würde machen können – plötzlich schrie Gilbert unter dem Bus auf. Öl war ihm ins Gesicht geronnen. Dabei hatte er sich bewegt. Was heißt bewegt! Er hatte vor Schreck einen Satz gemacht, hatte mit den Beinen ausgeschlagen und war an die aufgeschichteten Ziegelsteine gestoßen, auf die der hintere Teil des VW Busses aufgebockt war. Die Ziegelsteine neigten sich – ich sah es vor mir wie in Zeit­ lupe –, erst langsam, dann war klar, sie würden kippen, unaufhaltsam, und der Bus würde mit seiner schweren Hälfte zu Boden krachen. Auf Gilbert. Ich habe es ge­ sehen, Ludwig hat es gesehen. Wir waren gelähmt vor Entsetzen. Nicht mein Freund.

E

r warf die Gitarre von sich, rannte zum Bus und hielt ihn an der Stoßstange fest. Dabei brüllte er, wie ich eine menschliche Stimme noch nie hatte brüllen hören. Hinterher waren wir uns einig, dass da tatsächlich nicht ein Mensch gebrüllt hatte. Es müsse irgendetwas anderes gewesen sein, was aus dem Mund meines Freundes gebrüllt hatte. Etwas Außerirdisches oder so. Fünf Sekunden, vielleicht weniger, hielt mein Freund den Bus in die Höhe. Die Adern und Sehnen an seinem Hals traten hervor wie Schlangen, sein Gesicht flammte rot auf. Mein Freund hielt den Bus. Er hielt ihn, bis Gilbert herausgekrochen war. Hinterher sagte Gilbert, er habe gar nicht mitgekriegt, was geschehen sei. Er habe nur diesen unheimlichen Schrei gehört. Ihm sei nicht einmal die Idee gekommen, mein Freund sei es, der so schrie. Auch ihm war gar nicht die Idee gekommen, dass es ein Mensch sein könnte. Ein Tier. Aber was für ein Tier? Er habe noch nie ein Tier gehört, das so schreit. Ein ­ausgestorbenes Tier. Ein Säbelzahntiger … Nach fünf Sekunden oder auch weniger ließ mein Freund die Stoßstange los, und der Bus krachte zu Boden. Gilbert war gerettet. Erst geschah gar nichts. Mein Freund setzte sich ­wieder auf seinen Gartenstuhl, hob die Gitarre auf, kon­ trollierte ihren Körper, ob alles in Ordnung sei, nachdem er sie zu Boden geworfen hatte, und dann klimperte er, als wäre nichts gewesen, und summte vor sich hin. Heute sage ich: Der Held, der nicht wusste, dass er ein Held war, musste sich erst von dem Schock, ein Held zu sein, erholen. Ludwig und ich klimperten nicht mit. Der Schrei war noch in meinen Knochen, es war, als spürte ich den Widerhall als Schmerz. Ich glaube, ich war nicht einmal in der Lage aufzustehen. Jetzt erst er­ kannte Gilbert, in welcher Gefahr er gewesen war. Dass es den Tod hätte bedeuten können, wenn der Bus auf

Hinterher waren wir uns einig, dass da kein Mensch gebrüllt hatte. Es musste was anderes gewesen sein.

94

ihn gefallen wäre. Nach einer Weile sagte mein Freund, ihm sei ein bisschen schlecht, er müsse vielleicht kotzen. Wir saßen in der Einfahrt zu Gilberts Elternhaus. Mein Freund fragte, ob er eventuell in eines der Blumenbeete kotzen dürfe, wenn er eventuell müsse. Gilbert sagte, ja klar, sowieso. Es kam aber nicht so weit. Und dann haben wir es ausprobiert. Wir alle zu­ sammen, gemeinsam. Ein Bassist, ein Schlagzeuger und zwei Gitarristen. Wir stellten uns nebeneinander, spuckten in die Fäuste, jeder ergriff mit beiden Händen die hintere Stoßstange von dem Bully, und auf Kom­ mando versuchten wir ihn zu lupfen. Ging nicht. Nicht die geringste Chance. Jetzt trat Gilbert vor meinen Freund, jetzt hatte er kapiert, er hielt ihm die Hand hin, sagte: „Du hast mir das Leben gerettet, Ray. Dank schön.“ Verlegenes Händeschütteln. Dann noch einmal Gilbert: „Du hast etwas gut.“ Mein Freund: „Passt schon.“ Gilbert: „Wär mir recht, ich könnte auch deines … ­irgendwann …“ Mein Freund: „Passt schon.“ Gilbert. „Also dann noch einmal: dank schön, Ray.“ „Passt schon.“

L

udwig machte den Vorschlag, man solle den Vorfall doch der Zeitung erzählen. Jetzt gleich anrufen. Schräg gegenüber war ein Laden, die hatten ein Telefon und ein Telefonbuch. Wenn die von der Zeitung eine Geschichte daraus machen, sagte er, mit Fotos und Interviews und so, das wäre doch eine gute Werbung für unsere nächsten Auftritte. Gitarrist rettet Schlag­ zeuger das Leben! Das wäre doch eine Sensation. Wir diskutierten darüber. Wir waren eine Band, die wie die Beatles in einem einheitlichen Bühnenoutfit auftraten. Ludwigs Mutter hatte für jeden von uns eine Bluse mit üppig bunten Blumenmustern genäht. Dazu trugen wir schwarze Jeans und spitze schwarze Halbschuhe und jeder eine Goldkette am linken Handgelenk. Ludwig sagte: „Wenn die von der Zeitung kommen, dann wollen die den Bus fotografieren. Da wäre es güns­ tig, wenn wir unsere Sachen anhätten.“ Ich sagte: „Meine sind gerade in der Wäsche.“ Mein Freund sagte, ihm sei das eigentlich un­ angenehm. Auch Gilbert sagte, es sei ihm eigentlich unangenehm. Ich sagte: „Die werden uns die Geschichte eh nicht glauben. Sie werden sagen, er soll es noch einmal tun. Vor ihren Augen. Für ein Foto.“ Mein Freund sagte: „Eben.“ Gilbert sagte: „Eben.“ Außerdem würde er sich nicht mehr unter den Bus legen. Nie wieder. Ich kann es nicht anders ausdrücken: Die Sache war uns peinlich. Das hätte sich natürlich keiner zu sagen getraut. Heute denke ich darüber nach, was daran pein­ lich war. Was kann an einer heldenhaften Lebensrettung peinlich sein? Wir vier waren plötzlich eine mythische Gemeinschaft geworden, in einem Drama von fünf ­Sekunden. Wir waren nicht wir selbst. Da war ein Opfer,

THE RED BULLETIN


Wir vier waren Teil einer mythischen Gemeinschaft geworden, in einem Drama von fünf Sekunden. da war ein Held, da waren die Zuschauer, der antike Chor. Es war wie in einer Tragödie von Aischylos. Nur dass es keine Tragödie war. Der Held hat gesiegt. In der Tragödie geht er unter. Das Leben ist – manchmal, selten, sehr selten – gnädiger als die Dichter. Die Situation – das ist meine Deutung heute – war uns peinlich, weil wir in diesen wenigen Sekunden nicht mehr Individuen waren, das war nicht mehr mein Freund, das war nicht mehr Ludwig, der Bassist, und nicht mehr Gilbert, der Schlagzeuger und Auto­ mechaniker, und das war nicht mehr ich, wir waren Ar­ chetypen. Als wir wieder zu uns zurückgekehrt waren, war es uns peinlich, dass wir unsere kleine, fehlerhafte, ganz und gar unheldische, aber geliebte Persönlichkeit je verlassen hatten – für ein Spiel, ein Spiel des Schick­

sals. Das klingt pathetisch. Aber angesichts einer helden­ haften Lebensrettung darf man ein bisschen pathetisch sein. Wann denn sonst? Ich habe später oft mit meinem Freund über diesen Nachmittag in dem Sommer Mitte der Sechzigerjahre gesprochen. Als für uns noch alles möglich war. Als der Sternenhimmel die Wege durch die Welt wies. Er meint, ich übertreibe. Was er getan habe, würde jeder tun, hätte jeder getan. Ich sage: „Vielleicht würde es jeder tun wollen. Selbst das bezweifle ich. Ganz sicher würde es nicht jeder tun können.“ Er sagt: „Das passt schon. Lass es gut sein.“ Übrigens: Der Name meines Freundes ist Reinhold Bilgeri. – Ja, der …

Michael Köhlmeiers Geschichten gibt es auch zum Anhören im Podcast-Kanal von The Red Bulletin. Zu finden auf allen gängigen Plattformen wie Spotify, auf redbulletin.com/podcast oder einfach den QR-Code scannen.

DAS JAHRESABO

12 The Red Bulletin Ausgaben

FÜR NUR €25,90

getredbulletin.com


IMPRESSUM

THE RED BULLETIN WELTWEIT

Aktuell erscheint The Red Bulletin in sechs Ländern. Unsere Kolleginnen und Kollegen in Los Angeles widmen sich in der Coverstory dem Hochsprung-Genie Vashti Cunningham. Die 24-Jährige zählt seit sechs Jahren zu den besten Hochspringerinnen der Welt. Bei der Leichtathletik-­ WM im Juli hat sie nur ein Ziel: endlich Gold! Mehr Geschichten abseits des Alltäglichen findest du auf: ­redbulletin.com

96

Gesamtleitung Alexander Müller-Macheck, Sara Car-Varming (Stv.) Chefredaktion Andreas Rottenschlager, Andreas Wollinger (Stv.) Creative Direction Erik Turek, Kasimir Reimann (Stv.) Art Direction Marion Bernert-Thomann, Miles English, Tara Thompson Textchef David Pesendorfer Grafik Martina de Carvalho-Hutter, Kevin Faustmann-Goll, Cornelia Gleichweit Fotoredaktion Eva Kerschbaum (Ltg.), Marion Batty (Stv.), Susie Forman, Tahira Mirza, Rudi Übelhör Digitalredaktion Christian Eberle-Abasolo (Ltg.), Lou Boyd, Marie-Maxime Dricot, Melissa Gordon, Lisa Hechenberger, Elena Rodríguez Angelina, Julian Vater Head of Audio Florian Obkircher Chefin vom Dienst Marion Lukas-Wildmann Managing Editor Ulrich Corazza Publishing Management Ivona Glibusic, Bernhard Schmied, Melissa Stutz Managing Director Stefan Ebner Head of Media Sales & Partnerships Lukas Scharmbacher Head of Co-Publishing Susanne Degn-Pfleger Projektmanagement Co-Publishing, B2B-Marketing & Communication Katrin Sigl (Ltg.), Katrin Dollenz, Thomas Hammerschmied, Teresa Kronreif (B2B), Eva Pech, Valentina Pierer, Stefan Portenkirchner (Communication), ­Jennifer Silberschneider, Sophia Wahl Creative Services Verena Schörkhuber-Zöhrer (Ltg.), Sara Wonka, Tanja Zimmermann, Julia Bianca Zmek, Edith Zöchling-Marchart Commercial Management Co-Publishing Alexandra Ita Editorial Co-Publishing Raffael Fritz (Ltg.), Gundi Bittermann, Michael Hufnagl, Alexander Klein, Irene Olorode, Mariella Reithoffer, Wolfgang Wieser Executive Creative Director Markus Kietreiber Senior Manager Creative Elisabeth Kopanz Art Direction Commercial & Co-Publishing Peter Knehtl (Ltg.), Luana Baumann-Fonseca, Silvia Druml-Shams, Erwin Edtmayer, Simone Fischer, Andreea Gschwandtner, Lisa Jeschko, Araksya Manukjan, Carina Schaittenberger, Julia Schinzel, Florian Solly, Sophie Weidinger, Stephan Zenz Head of Direct to Consumer Business Peter Schiffer Direct to Consumer Business Marija Althajm, Victoria Schwärzler, Yoldaş Yarar (Abo) Retail & Special Projects Manager Klaus Pleninger Anzeigenservice Manuela Brandstätter, Monika Spitaler Herstellung & Produktion Veronika Felder (Ltg.), Martin Brandhofer, Walter O. Sádaba, Sabine Wessig Lithografie Clemens Ragotzky (Ltg.), Claudia Heis, Nenad Isailović, Sandra Maiko Krutz, Josef Mühlbacher Finanzen Mariia Gerutska (Ltg.), Elisabeth Maier MIT Christoph Kocsisek, Michael Thaler IT Service Desk Maximilian Auerbach Operations Alice Gafitanu, Melanie Grasserbauer, Alexander Peham, Thomas Platzer, Raphaela Pucher Projekt Management Dominik Debriacher Assistant to General Management Sandra Artacker Herausgeber & Geschäftsführer Red Bull Media House Publishing Andreas Kornhofer Verlagsanschrift Am Grünen Prater 3, A-1020 Wien Telefon +43 1 90221-0 Fax +43 1 90221-28809 Web redbulletin.com Medieninhaber, Verlag & Herausgeber Red Bull Media House GmbH, Oberst-LepperdingerStraße 11–15, A-5071 Wals bei Salzburg, FN 297115i, Landesgericht Salzburg, ATU63611700 Geschäftsführer Dkfm. Dietrich Mateschitz, Dietmar Otti, Christopher Reindl, Marcus Weber

THE RED BULLETIN Österreich, ISSN 1995-8838 Länderredaktion Nina Kaltenböck Lektorat Hans Fleißner (Ltg.), Petra Hannert, Monika Hasleder, Billy Kirnbauer-Walek, Belinda Mautner, Klaus Peham, Vera Pink Publishing Management Bernhard Schmied Media Sales & Partnerships Thomas Hutterer (Markenlead), Michael Baidinger, Franz Fellner, Ines Gruber, Wolfgang Kröll, Gabriele Matijevic-Beisteiner, Alfred Vrej Minassian, Nicole Okasek-Lang, Britta Pucher, Jennifer Sabejew, Johannes Wahrmann-Schär, Ellen Wittmann-Sochor, Ute Wolker, Christian Wörndle, Sabine Zölß Sales Operations & Development Anna Schönauer (Ltg.), David Mühlbacher Abo Abopreis: 25,90 EUR, 12 Ausgaben/ Jahr, getredbulletin.com, abo@redbulletin.at Druck Quad/Graphics Europe Sp. z o. o., Pułtuska 120, 07-200 Wyszków, Polen Offenlegung gemäß § 25 Mediengesetz Informationen zum Medien­inhaber sind ständig und unmittelbar unter folgender Web-Adresse auffindbar: redbull.com/im/de_AT Redaktionsadresse Am Grünen Prater 3, A-1020 Wien Telefon +43 1 90221-0 Fax +43 1 90221-28809 Kontakt redaktion@at.redbulletin.com

THE RED BULLETIN Deutschland, ISSN 2079-4258 Länderredaktion Maximilian Reich Lektorat siehe entsprechenden Eintrag bei Österreich Country Project Management Nina Hahn Media Sales & Partnerships Thomas Hutterer (Markenlead), Michael Baidinger, Franz Fellner, Ines Gruber, Wolfgang Kröll, Gabriele Matijevic-Beisteiner, Alfred Vrej Minassian, Nicole Okasek-Lang, Britta Pucher, Jennifer Sabejew, Johannes Wahrmann-Schär, Ellen WittmannSochor, Ute Wolker, Christian Wörndle, Sabine Zölß

THE RED BULLETIN Frankreich, ISSN 2225-4722 Länderredaktion Pierre-Henri Camy Country Coordinator Christine Vitel Country Project Management Alexis Bulteau

THE RED BULLETIN Großbritannien, ISSN 2308-5894 Länderredaktion Ruth Mcleod (Ltg.), Tom Guise Lektorat Davydd Chong Publishing Management Ollie Stretton Media Sales Mark Bishop, mark.bishop@redbull.com

THE RED BULLETIN Schweiz, ISSN 2308-5886 Länderredaktion Stefania Telesca Lektorat siehe entsprechenden Eintrag bei Österreich Country Project Management Meike Koch Media Sales & Brand Partnerships Christian Bürgi (Ltg.), christian.buergi@redbull.com Marcel Bannwart, marcel.bannwart@redbull.com Jessica Pünchera, jessica.puenchera@redbull.com Goldbach Publishing Marco Nicoli, marco.nicoli@goldbach.com

THE RED BULLETIN USA, ISSN 2308-586X Länderredaktion Peter Flax, Nora O’Donnell Lektorat Catherine Auer, David Caplan Publishing Management Branden Peters Media Sales Todd Peters, todd.peters@redbull.com Dave Szych, dave.szych@redbull.com Tanya Foster, tanya.foster@redbull.com

THE RED BULLETIN


DUSCH DICH FIT

Wie du lernst, die kalte Dusche zu lieben. Mit welchen Tipps & Tricks du dein Leben verbesserst. Der Biohacking-Podcast von The Red Bulletin. Jeden Dienstag neu.

m Andrea it s Breitf eld Profi-B iohacke r und Red Bull etinKolumn ist


NICOLAS MAHLER

N IC OL AS M A HL ERS SPI T ZF ED ERL ICHES CHA R A K T ER-K A BINE T T

Die nächste Ausgabe des RED BULLETIN erscheint am 12. Juli 2022.

98

THE RED BULLETIN



UNLOCK GREAT STORIES

DEIN SCHLÜSSEL ZU GROSSARTIGEN EUROPÄISCHEN SERIEN UND FILMEN JETZT STREAMEN IN DER c+ APP

Jetzt neu bei A1 Xplore TV:

CANAL+ 6 Monate inkludiert

Neu: A1 Xplore TV SmartTV App

Bei gleichzeitiger Bestellung des CANAL+ Dienstes mit A1 Xplore TV entfällt für Xplore TV Neukunden das Grundentgelt für CANAL+ in den ersten sechs Monaten. Danach kommt das Grundentgelt von € 8,99/Monat (inkl. USt.) zur Verrechnung. Produkt ist monatlich kündbar. Falls A1 Xplore TV vor Ablauf von 6 Monaten gekündigt wird, entfällt der Rabatt für CANAL+. Details auf A1.net/tv-entertainment


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.