The Red Bulletin DE 10/21

Page 92

B O U L E VARD DER HEL DEN

BOB DYLAN & BOBBY FISCHER

KÖNIGSSCHACH

Serie: MICHAEL KÖHLMEIER erzählt die außergewöhnlichen Geschichten inspirierender Figuren – faktentreu, aber mit literarischer Freiheit. Folge 6: Der Sänger und der Schachweltmeister, Treffen zweier Exzentriker.

92

THE RED BULLETIN

BENE ROHLMANN, CLAUDIA MEITERT MICHAEL KÖHLMEIER

D

GETTY IMAGES (2)

R

obin Loggie, einer der Manager­ eine oder zwei Partien auf einem Brett nach von Bob Dylan, wollte dem freier Wahl. Fischer soll sehr aufgeregt gewesen sein, berichtete der Manager. Rockstar zu dessen fünfundvierzigstem Geburtstag eine SchachAm 23. Mai 1986 holte Robin Loggie partie mit Weltmeister Bobby Bobby Fischer mit einer Limousine am Flughafen von Los Angeles ab, und sie fuhren Fischer vermitteln. Loggie hielt die Idee nach Malibu, wo sie in Loggies Haus in der geheim, selbst vor seiner Frau und deren küstennahen Colony Road bis knapp vor Sohn. Denn erstens war es nicht sicher, MICHAEL KÖHLMEIER Der Vorarlberger Mitternacht warteten. Fischer hatte ein Geob er Erfolg haben würde, zweitens war Bestsellerautor gilt schenk mitgebracht, ein altes Schachspiel, in Dylans unmittelbarer Umgebung eine als bester Erzähler nicht sein erstes, aber sein zweites oder Art Wettbewerb ausgebrochen, der umso deutscher Zunge. drittes. Die Figuren waren so abgegriffen, kopfloser wurde, je näher der 24. Mai 1986 Zuletzt erschienen: dass sich Schwarz und Weiß kaum mehr rückte: Wem gelingt es, dem Chef etwas „Die Märchen“, voneinander unterschieden. Ein wertloses zu schenken, das ihn einigermaßen in 816 Seiten, Verlag Carl Hanser. Ding, aber durch den, der es gebraucht ­Erstaunen versetzt? hatte, wertvoll geworden: ein originelles Es ging nicht um wertvolle Dinge, daran Geschenk. Loggie gab Fischer einige Instruktionen, lag diesem Mann nicht viel. Es ging darum, ihn zu und schließlich fuhren sie hinaus zu Dylans Haus, überraschen. Originalität! Der aufbrausenden Entscheidungswut Dylans wäre es zuzutrauen gewesen passierten die Wachen und betraten über den Strand – so Loggie –, dass er als Dank die Hierarchie seines die Veranda. Managements neu ordnete. Loggie war neu im RockDylan sei allein gewesen. Er war auch nicht bezirkus, hatte aber bereits begriffen, dass Mister Dylan trunken. Loggie sagt, er sei auf der Veranda gesessen den Gesetzen dieses Zirkus nicht folgte, ja dass er diese und habe mit sich selbst Schach gespielt. Das habe er geradezu verabscheute. damals oft getan. Er beauftragte eine Detektei in Santa Monica, den ylan erkannte Bobby Fischer sofort. Die Wirkung Schachgroßmeister aufzuspüren und sich mit ihm war überwältigend. Auf beiden Seiten. Es seien in Verbindung zu setzen, verschwieg aber, worum es sich diese zwei Großen, diese Giganten, gegensich handelte. Mr. Bob Dylan wolle Mr. Bobby Fischer sprechen, das war alles. Das musste genügen. Das übergestanden wie kleine Fans – Dylan in einem würde in aller Welt genügen, warum nicht beim schmutzigen T-Shirt und Shorts mit grün-roten Rauten, Fischer in dunklem Anzug, weißem Hemd und ­originellsten Schachspieler der Welt? Der Erfolg war Krawatte – und hätte nicht er, Loggie, eingegriffen, prompt. Es stellte sich heraus, dass Fischer Dylan hätte es geschehen können, dass gar nichts geredet ebenso bewunderte wie Dylan Fischer. Die Detektei worden, dass gar nichts geschehen wäre. organisierte ein Treffen zwischen Loggie und Fischer Loggie nahm den beiden sehr vorsichtig, mit viel in Albuquerque, New Mexico, und Loggie, der es gut Fingerspitzengefühl, die Schüchternheit. Er habe verstand, Menschen in die Augen zu sehen, trug dem Drinks gemixt, die beide abgelehnt, Witze gerissen, Schachmeister sein Anliegen in aller Offenheit vor:


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.