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SIR PAUL SMITH
from RETROWELT #23
Text: Jasmin Wörz ∙ Fotos: Paul Smith PR, BMW AG
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Der legendäre Modedesigner Sir Paul Smith wird zwar dieses Jahr 76 Jahre alt, aber mit drei neuen Kollektionen in den Bereichen Möbel, Düfte und Haushaltswaren zeigt er, warum er zu Recht immer noch ein Begriff ist. Und 24 Jahre nach seiner ersten Zusammenarbeit mit MINI trifft er erneut auf den legendären Klassiker. Eine Hommage an den farbenfrohen Briten!
zeigt seine Streifen
ir Paul Smith gilt als der erfolgreichste Designer Großbritanniens. Seit den 70er-Jahren entwirft der Gentleman für Gentlemen Mode, die er als „classic with a twist“ bezeichnet, also als „klassisch mit dem gewissen Etwas“. Seine Designs sind bekannt für den Einsatz bunter Farben und floraler Muster, kombiniert mit klassischen Anzügen aus edlen Stoffen. Weltberühmt ist sein Markenzeichen: Ein Muster aus schmalen bunten Streifen in 14 Farben. Den internationalen Durchbruch verschaffte ihm in den frühen 80erJahren seine Idee, Hemden und Shirts mit Hilfe der Technik des Fotoprint zu bedrucken. Heute gibt es zwölf verschiedene Linien, alle von Paul Smith persönlich geleitet werden, unter anderem Accessoires, Schuhe und Möbel. Aber fangen wir von vorne an. Während hinter anderen, international renommierten Mode-Marken wie etwa Gucci ein großer Konzern steht, bekommt man bei Paul Smith genau das: Paul Smith. Er ist nicht einfach nur ein Firmenname oder eine erdachte Figur, sondern der reale, sehr lebendige Designer und Geschäftsinhaber, der seit 1970 Mode und vieles mehr entwirft. Bis heute hält der kreative Kopf die Mehrheitsbeteiligungen des Unternehmens. Individualität ist für Paul sehr wichtig. Diese Eigenschaft teilt er mit seinen bevorzugten Künstlern, Musikern und anderen unabhängigen Köpfen, die ihn im Laufe der Jahre inspiriert haben. Indem er die Unabhängigkeit der Marke bewahrt besitzt Paul die Freiheit, Dinge zu tun, die größere Unternehmen nicht tun können. Eigentlich hatte sich der Brite, der am 5. Juli 1946 in Beeston, einem kleinen Ort in der englischen Grafschaft Nottinghamshire, geboren wurde, ein ganz anderes Lebensziel gesteckt. Bis zu seinem 17. Lebensjahr drehte sich alles um das Rennrad und er strebte eine Karriere als professioneller Fahrer an. Ein schwerer Unfall beendete jedoch von jetzt auf gleich seine Träume – ein Schicksalsschlag, der sein ganzes Leben verändert sollte.
SHeute könnte man sagen, seine Karriere als Designer begann mit dem Unfall und dem Ende seiner Profikarriere als Radfahrer. Während seiner Genesung lernte Paul neue, interessante Freunde kennen, die ihm die Augen für eine ganz andere, noch fremde und bunte Welt voller Ideen und Begeisterung öffneten. Vorbei war die Jagd nach Tempo und Technik, nun ging es mehr um Warhol, die Rolling Stones und Mondrian. Der Unfall änderte zwar die Laufbahn von Paul, nicht aber die Liebe zum Radfahren. Als Anfang der 2000er der Radsport immer mehr an Beliebtheit gewann, ließ er 2014 mit der „Paul Smith 531“-Kollektion den klassischen Brit-Style mit modernen Details am Zweirad aufleben. Das Meisterstück war eine Sonderanfertigung von Mercian Cycles: ein puristisches City-Bike in mattem Schwarz, dazu passend leuchtende Jacken und coole Accessoires wie ein Rucksack und eine Kappe. Sechs Jahre stattete Paul der Fahrradwelt erneut einen Besuch ab und baute zusammen mit der Firma Hummingbird das Paul Smith Fahrrad Single Speed: das leichteste faltbare Fahrrad der Welt – natürlich im prägenden Look mit den sofort erkennbaren Artist Stripes, die Paul Smith weltweit so bekannt machten. Nachdem er sich sechs Monate lang von seinem Unfall erholt hatte, beschloss Paul, als Modedesigner Teil der kreativen Welt zu werden. Mit Hilfe seiner damaligen Freundin und heutigen Ehefrau Pauline Denyer, einer Absolventin des Royal College of Art, nahm er seine Ersparnisse in Höhe von 600 Pfund und eröffnete 1970 sein erstes Geschäft in Nottingham in der Byard Lane Nr. 6. Der Laden maß nicht mehr als drei auf drei Meter, es war ein sehr kleiner Raum ohne Fenster, den er „Paul Smith Vêtements Pour l’Homme“ nannte: „Paul Smith Bekleidung für den Mann“. Sein afghanischer Windhund Homer war der erste Ladenmanager. Während er neben seinen eigenen Entwürfen auch etablierte Marken führte, wurde ein Teil zu einem frühen Erkennungszeichen: Das Charm-Shirt. Dessen Geschichte nahm seinen Lauf, als eines schönen Tages Paul in der Via Montenapoleone in Mailand auf seine Frau Pauline wartete. Paul kaufte dort einige Anhänger von einem Verkaufsstand, die eigentlich für Armbänder gedacht waren, aber er hatte die Idee, sie auf die Knopfleiste zu nähen. Die kleinen Glücksbringer – unter anderem Peace-Symbole und Regenbögen – passten hervorragend zu Pauls Botschaft von Frieden und positivem Denken.
Paul Smith ist nicht einfach nur ein Firmenname oder eine Figur: Er ist der reale, sehr lebendige Designer, der nicht ans Aufhören denkt
Im Jahr 1976 reiste Paul erstmals nach Paris und präsentierte in der Wohnung eines Freundes seine Herrenkollektion – die auf Anhieb erfolgreich war. Sein zweites Geschäft eröffnete er 1979 in Covent Garden in London und aus diesen Anfängen entwickelte sich ein bis heute aufsteigendes, globales Unternehmen in über 70 Ländern und mit weit über 17.000 Fachhändlern. Dass Paul Smith ein Visionär der Mode ist, stellte er immer wieder aufs Neue unter Beweis. In den 1980er-Jahren war er der erste Designer, der Fotos auf Textilien druckte. Das Verfahren spiegelte Pauls große Leidenschaft für die Fotografie wider. Für frühe Drucke wurden eigene Fotografien von Paul verwendet, Motive wie etwa Äpfel, Blumen, Efeu oder bewachsene Wände.
Während das Geschäft stetig wuchs, war Paul neben Giorgio Armani für seinen lässigen Schnitt und eine zwanglose Silhouette des Herrenanzuges bekannt. Einmalig war allerdings Pauls Freude an eigenwilligen Details und kontrastreichem Futter. Dieser verspieltere, weniger formelle Ansatz für klassische Schnitte fing das neu gefundene Selbstbewusstsein der Dekade ein und brachte Paul treue Kunden auf der ganzen Welt ein. Paul hatte diese Idee von einem Anzug, der elegant aussah, gleichzeitig aber bequem genug war, um den ganzen Tag Bewegungsfreiheit und Komfort zu bieten. Mit „A Suit To Travel In“ („ein Anzug für die Reise“) verkörperte er diese Vorstellungen und der Anzug wurde im August 2015 von dem britischen Olympiaturner Max Whitlock vorgestellt, der die Flexibilität und Knitterfestigkeit des Kleidungsstücks auf beeindruckende Art demonstrierte, indem er damit scheinbar mühelos eine Reihe eindrucksvoller Turnübungen absolvierte.
Nachdem er feststellte, dass rund 15 Prozent seiner Kleidung von Frauen gekauft wurden, die sowohl Schnitte als auch Qualität schätzten, entschied sich Paul im Jahr 1993 dazu, auch ein Angebot für Damenmode einzuführen. Seine erste Damenkollektion stellte er 1998 auf der Londoner Fashionweek vor und seither hat er das Repertoire um Jeans, Schuhe, Accessoires, Parfüm, Kinderkleidung und Haushaltswaren erweitert. Im Jahr 2020 feierte die Marke ihr 50-jähriges Bestehen mit der Veröffentlichung von „Paul Smith“, einem Buch mit 50 Objekten, die den Designer inspiriert haben, und dem Start der „Paul Smith's Foundation“, einem Online-Archiv mit den besten Ratschlägen, die Smith im Laufe der Jahrzehnte gegeben und erhalten hat, um junge Kreative zu unterstützen.
Doch Großbritanniens größter Designer brennt nicht nur für Mode, sondern auch für Autos. Es ist kein Geheimnis, dass Paul Autos liebt. Bereits 1998 kollaborierte er mit Rover und die Sonderedition Paul Smith Mini wurde vorgestellt, damals beschrieben als „klassisch britisch mit einem schelmischen Twist“. Ein einzigartiger Farbton, der raffiniert Paul-Smith-Blue genannt wurde, wurde durch anthrazitfarbene Minilite Felgen, einen Umriss der britischen Insel auf dem Kühlergrill und ein mit 9-karätigem Gold emailliertes Abzeichen auf der Motorhaube ergänzt. Der Innenraum war mit schlichtem schwarzen Leder ausgekleidet, doch im Kofferraum, im Handschuhfach und auf der Schwellerabdeckung fanden sich geheime Akzente in fluoreszierendem Grün. 24 Jahre später hat der legendäre Designer diesen ebenso legendären Klassiker für eine neue Generation wieder aufleben lassen. Er ist Teil des MINI Recharged Projects, das die Verschmelzung von Tradition und bahnbrechender Technologie zelebriert, indem es das klassische Modell mit einem elektrischen Antrieb ausstattet. Bei dem Projekt geht es auch darum, das Erbe und das zeitlose Design zu respektieren, insbesondere die ikonische Arbeit von Sir Alex Issigonis, der den MINI als Reaktion auf die Ölkrise im Jahr 1958 entwickelte. Der neue MINI wird durch den Einbau eines 72-Kilowatt-Elektromotors in ein emissionsfreies Fahrzeug verwandelt. MINI bietet mit dem vollelektrischen Cooper SE und dem Countryman mit Plug-inHybrid-Antrieb bereits serienmäßig lokal emissionsfreies Fahren an und ist ebenfalls auf dem Weg in eine vollelektrische Zukunft. Ebenso radikal und fortschrittlich ist das Interieur dieses neuen Projekts, das durch den bewussten Verzicht auf Ausstattungselemente einen reduzierten und nachhaltigen Ansatz verfolgt. Paul Smiths Design lässt an anderen Stellen ganze Instrumente weg, ein Magnet neben dem Lenkrad beherbergt das Smartphone, das bis auf den Tacho fast alle alten Knöpfe und Funktionen auf dem Armaturenbrett ersetzt. Auch das Lenkrad kann abgenommen werden, um das Ein- und Aussteigen zu erleichtern. Es gibt viele clevere Ideen und alles zusammen ist etwas sehr Beeindruckendes entstanden.
Paul Smith‘ Liebe zu Autos geht noch weiter: Die Zusammenarbeit mit MINI ist nicht sein einziger Ausflug in die Automobilindustrie. Als 2015 der letzte Defender übers Band lief, ließ es sich Land-Rover-Fan Paul nicht nehmen, aus dem Geländewagen ein kunterbuntes Einzelstück zu machen. Der Defender wurde nach dem Entwurf von Paul im Land Rover Special Vehicle Operations gefertigt und dann in einem Shop des Designers im Londoner Stadtteil Mayfair enthüllt. Wie von Paul Smith gewohnt, fiel die Sonderedition besonders farbenfroh aus – insgesamt zählte man nicht weniger als 27 Farbtöne. Als Inspiration für die Farbwahl nannte Smith die britische Natur, doch auch die Defender der englischen Armee sollen Pate gestanden haben.
Bei so viel Autoaffinität darf ein Klassiker wie der 911er nicht fehlen: Ein Modell aus dem Jahr 1965 hat vor vier Jahren die berühmte Paul-Smith-Streifenkur erhalten und damit ein kunterbuntes neues Gesicht – und sorgte bei den Le Mans Classic für mächtig Aufsehen. Der Wagen war ein persönliches Projekt von James Turner, dem Gründer des Porsche-Spezialisten Sports Purpose. Ein Auto in ein fahrendes Kunstwerk zu verwandeln, das an Porsches Art Cars aus den 70ern und 80ern erinnert – das ist Paul mit dem 911er gelungen! Denn der Wagen wurde innen und außen mit lustigen, wunderschön gemalten Streifen überzogen und sogar am Überrollbügel wurde nicht gespart, der in Dunkelgrün erstrahlte. Und nach wahrer Porsche-Manier nahm dieser 911er am Porsche Classic und dem 2018er Le Mans Classic auf dem Circuit de la Sarthe teil. Die petrolblauen Rennsitzkissen aus feuerfestem Material und eine signierte Gangschaltung runden das Innenraumkonzept ab.
Von der originalen Paul Smith Edition des MINIs wurden im Jahr 1998 insgesamt 1.800 Stück produziert. Einer davon ist nun elektrifiziert und von Paul persönlich gestaltet worden.
Paul Smith gilt als klassischer Gentleman. Er mag sein Image. Vielen jungen Menschen sind Manieren ein Fremdwort. Sie seien nicht mehr cool und zeitgemäß, glauben sie. Aber ist Paul Smith nicht der lebende Beweis, dass auch beides geht?
Seit den Anfängen des Unternehmens waren Streifen ein zentrales Element der Designarbeiten von Paul Smith. Der Artist Stripe, der im Herbst/Winter 2016 eingeführt wurde, war die neueste Inkarnation des Paul-Smith-Streifens. Der Artist Stripe findet sich bis heute auf Manschetten, Taschenfutter oder Zierstreifen im Inneren von Jacken.
Das Paul-Smith-Imperium ist so vielfältig wie der Britische Designer selbst. Von Kleidung über Homeware und Düfte bis natürlich zu seinen Looks für Autos: Mit Paul Smith wird es nie langweilig. Seine Kreativität teilt der visuelle Denker auch auf seinem Instagram-Profil. Sein erstes Bild veröffentlichte er 2012, heute hat er knapp 300.000 Follower.