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IM DIENSTE IHRER MAJESTÄT

Im DiensteIhrer Majestät

Text:

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Christian Vanik

Fotos:

Frederik Dulay-Winkler

Wer im September an der Uferpromenade des Tegernsees flanierte staunte nicht schlecht, als er da ein Automobil sah, das mit Wappen und Flagge am Dach alle anderen überragte. Staatsbesuch im Althof Seehotel Überfahrt?

Nun, diese Einschätzung war nicht falsch, denn unter all den automobilen Preziosen, die hier im Zuge des 4. Concours d’Elegance am Tegernsee von RETRO CLASSICS® bewundert werden konnten, fiel eine aus dem üblichen Rahmen: 574 cm, 2.1330 kg, drei Sitzreihen, eine zeitlos elegante Linie und eine Fahrzeughöhe, die aufrechtes Ein- und Aussteigen ermöglicht. Und vor der Flagge und dem Wappen ist da ist noch das Blaulicht am Dach: Der Kenner weiß, dass in England neben den auf der ganzen Welt bevorrangten Einsatzfahrzeugen von Rettung, Feuerwehr und Polizei auch Mitgliedern des Königshauses auf diese Weise Vorfahrt eingeräumt wird.

In diesem Fall war die Erstbesitzerin sogar das Oberhaupt des Vereinigten Königreichs sowie des Commonwealth: Ihre Königliche Hoheit Queen Elizabeth II. Der Fuhrpark des Königshauses war von drei Marken mit klarer historischer Hierarchie bestimmt: Daimler of Coventry war seit 1902 die erste Wahl und bis 1952 auch die einzig vorstellbare Marke. Es galt lange die Überzeugung, dass der Adel Daimler fuhr und nur Neureiche Rolls-Royce. Das änderte sich erst, als sich der Gatte der Kronprinzessin für einen Rolls-Royce stark machte – einen Phantom IV, der jedoch nur den Status eines Privatwagens hatte. Mit der Thronbesteigung von Elizabeth 1952 wechselte er jedoch mit neuer Lackierung in die Flotte der Repräsentationslimousinen. Rolls-Royce wurde also durch die Hintertür zum Hoflieferanten. Ähnliches kann man Bentley attestieren, die wohl 2002 nicht zum Zug gekommen wären, wenn VW nicht vier Jahre zuvor die Rolls-RoyceFabrik in Crewe übernommen hätte.

Als älteste Automobilmarke Großbritanniens leitet Daimler seinen Namen von Lizenz-Motoren von Daimler aus Cannstatt ab, mit denen man –wie etwa auch Peugeot oder Panhard & Levassor – die Produktion begann. Daimler of Coventry ging aber rasch technisch eigenständige Wege und war in der Zwischenkriegszeit die vielleicht renommierteste Marke der Welt. Man hatte durch das Knight-Patent die laufruhigsten Motoren, war der erste Hersteller von Zwölfzylindermotoren in Europa, bot mit dem Vorwahlgetriebe eine Vorstufe zur Automatik und war unbestritten erste Wahl an Königshäusern weltweit mit Aufbauten des vornehmsten Karosseriebauers Hooper of London, einem Tochterunternehmen von Daimler. Diese Vormachtstellung behauptete man auch knapp nach dem 2. Weltkrieg mit den Straight-EightModellen, welche damals die größten und repräsentativsten Automobile weltweit auf dem Markt waren. Doch als der Markt sich von ChauffeurLimousinen zugunsten von Selbstfahrer-Modellen und von Einzelanfertigungen von Karosseriebauern zu uniformen Pontonkarosserien wandelte, kam Daimler außer Tritt und konnte von Glück reden, dass Sir William Lyons die Marke übernahm und zum Edel-Label von Jaguar machte.

Das einzige Modell, das danach kein umgestalteter Jaguar war und damit für viele der letzte Daimler, war die 1968 vorgestellte DS 420 Limousine. Lyons zeichnete persönlich für die gelungenen Linien verantwortlich und orientierte sich dabei am „Razor Edge“-Design der Vorkriegszeit bei der Gestaltung des Wagenhecks, was auch dem Vorsitzenden der Jury des Concours d‘Elegance und ehemaligen Design-Chef von Daimler-Benz Professor Peter Pfeiffer gefiel. Lyons schuf damit ein Automobil, das zum unangefochtenen Favoriten aller Zeiten unter Königshäusern wurde – mit 18 Bestellungen von zehn regierenden Monarchen aus neun Ländern. Bis heute, 20 Jahre nach Produktionseinstellung, dient die Daimler Limousine den Monarchen von Schweden, Dänemark und Luxemburg als State Car.

Ihr Herz ist der legendäre XK-Motor, mit dem Jaguar zu Weltruhm im Motorsport gelangte. Fünf Siege in Le Mans wurden zwischen 1951 und 1957 mit C-Types und D-Types errungen, die von einem XK-Motor angetrieben wurden. 1987, als diese Daimler Limousine an das Königshaus geliefert wurde, betrat Jaguar wieder die Oberliga des Motorsports mit Langstrecken-Rennwagen in der Gruppe C und wurde zum Herausforderer von Porsche und Mercedes. Jochen Mass, die deutsche Rennfahrer-Legende dieser Zeit, ist auch fixer Bestandteil des Concours d’Elegance am Tegernsee und regelmäßig für die Pokalübergabe zuständig. Beim Anblick der königlichen Daimler-Limousine befand er, dass diese zwar der langsamste Jaguar sei, mit dem er je zu tun gehabt hätte, aber gewiss der schönste ...

Dabei war die Aufgabe dieses Wagens, sich in vornehmer Zurückhaltung zu üben. Es war nicht seine Aufgabe zu beeindrucken, sondern vielmehr einen würdigen Rahmen für die Persönlichkeit im Fond zu bieten. Wer diesem Fond entstieg, war bedeutend. Der Daimler war ein würdevoller Dienstwagen, der sich perfekt allein an Stil orientierte und jeglicher Dekadenz enthielt – so wie Ihre Königliche Hoheit.

Und wer saß alles in dieser Limousine? Das kann niemand besser beantworten als Dr. Christian Vanik, der die gesamte Geschichte dieses Fahrzeugs von 1987 penibel recherchiert hat. Er konnte Bildmaterial zu 27 Einsätzen mit Mitgliedern der Königlichen Familie während der Dienstzeit am Königshaus in den Jahren 1987 bis 1992 sicherstellen. Der erste dokumentierte Einsatz nach der Indienststellung am 30. Juni 1987 war die Beförderung von Ihren Königlichen Hoheiten Prince Charles, seiner Gattin Diana und ihrer beiden Söhne William und Harry am

30. August 1987 in Schottland – im Zuge des traditionellen Urlaubes am Landsitz der Königin in Balmoral. Am häufigsten war wohl Ihre Königliche Hoheit in diesem Daimler unterwegs, was 17 durch Bildmaterial verifizierte Einsätze nahelegen. Die Königin selbst saß auch im Fond dieser Limousine, aber eher selten und bei weniger offiziellen Terminen, die keine Vorfahrt mit dem State Car verlangten, aber auch nicht rein privat waren. Ein Beispiel für so einen Termin war am 6. Februar 1992 ihr Besuch in Snettisham in Norfolk nahe ihres Landsitzes Balmoral, wo sie gerne den Winter verbrachte. Das Besondere an diesem Termin mit der Daimler Limousine war, dass er exakt 40 Jahre nach der Thronbesteigung Ihrer Königlichen Hoheit stattfand.

In Summe haben also drei Generationen von Monarchen des Vereinigten Königreichs in diesem Wagen Platz genommen: Queen Elizabeth II, der damalige Prince of Wales und aktuelle King Charles III sowie sein Sohn und Thronfolger Prinz William. „Wenn man die Tür zu dieser Limousine aufmacht, weht einem der Hauch der Geschichte entgegen. Das ruft auch nach zehn Jahren Besitz noch Gänsehaut bei mir hervor“, gesteht Christian Vanik. Der Jurist aus Wien war der Erste in seiner Familie mit Führerschein, sein erstes Auto 1984 ein Fiat Uno. Nach einer vernünftigen Volvo-Phase gab er der Leidenschaft mit sportlichen Jaguars nach und kam über elegante Rolls-Royce schließlich zum automobilen Gipfel: einem Wagen aus dem Königshaus. Dieser war freilich nie dazu bestimmt, je in private Hände zu geraten, aber um die Jahrhundertwende waren Jaguar und die Royal Mews diesbezüglich kurzfristig unaufmerksam.

Bei Jaguar Heritage war man freilich sehr kooperativ, als es 20 Jahre später um die Recherche und Unterlagen zu Details ging. Stellvertretend für viele sei an dieser Stelle Tony Merrygold (curator of vehicles), Anders Ditlev Clausager (chief archivist) und Hendrik Jan Thomassen (volunteer and specialist in all matters Daimler Limousine) gedankt für ihre Hilfe beim Restaurierungsprojekt. Durch sie kann nun das Publikum bei Veranstaltungen ein Automobil aus einer Nähe kennenlernen, die sonst nur Mitgliedern des Königshauses und Staatsgästen vorbehalten ist. Deswegen war die eingangs getroffene Einschätzung „Staatsbesuch beim Concours am Tegernsee“ völlig zutreffend. Dieses Automobil, das sich herkömmlichen Kategorien entzieht, wurde beim 19. Grand Prix von Deutschland mit dem Sonderpreis „Bedeutendste Herkunft“ ausgezeichnet – von einer hochkarätig besetzten Jury, unter denen als Primus inter Pares Siegfried Linke, langjähriger Juror in Pebbles Beach, hervorgehoben sei. Eberhard, Herzog von Württemberg, aus dem Team von RETRO CLASSICS® , ist Experte für die „Bedeutendste Herkunft“ und war der erste Gratulant.

Sie sind neugierig geworden? Wollen Sie wissen, wie man zu so einem besonderen Automobil kommt? Dann stellen wir gerne den Kontakt zu Christian Vanik her, dem Kustos dieser einzigartigen Limousine.

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