Norddeutsches Handwerk 10/2021

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Betrieb

Suchen, wo andere nicht suchen Studienabbrecher, Quereinsteiger oder Menschen mit Behinderung: Wer Fachkräfte sucht, muss sich bewegen und in Menschen investieren. Oft zahlt es sich aus. KATHARINA WOLF

W

er Fachkräfte sucht, hätte am liebsten gut ausgebildete Gesellen oder Meister mit Berufs­ erfahrung. Doch die sind Mangelware. „Die Zeiten, wo Unternehmen die Topkraft auf dem Silbertablett präsentiert wurde, sind vorbei“, sagt Sibylle Stippler, Expertin im Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung beim Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. Die Betriebe müssten sich öffnen, um neue Zielgruppen für die Mitarbeitergewin­ nung anzusprechen. Studienabbrecher, Quereinsteiger, Menschen mit Behinderung, ältere Arbeit­ nehmer, Geflüchtete – nicht jede dieser Gruppen passt in jeden Betrieb. „Aber es lohnt sich, einmal vorurteilsfrei darüber nachzudenken, was möglich ist“, sagt Sibylle Stippler. Unterstützung und Förderung von verschiedensten Seiten helfen den Unter­ nehmen, Weiterbildungen oder Integrati­ onsmaßnahmen zu finanzieren.

Studienabbrecher suchen Ausbildung

Eine Gruppe, die viel Potenzial bietet, sind die Studienabbrecher. Fast ein Drittel der Studenten bricht das Studium ab – und viele von ihnen sind dann an einer Ausbildung interessiert, in der sie etwas Praktisches leisten können. „Das Klima in den Betrieben öffnet sich für diese Zielgruppe – und man kann nur dafür werben“, sagt Sibylle Stippler. Kontakt knüpfen kann ein Betrieb über Präsenz an

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der Hochschule. „Man kann einfach eine positiv formulierte Stellenanzeige an den Schwarzen Brettern der Universität oder Fachhochschule anbringen“, meint die Beraterin. Viele Hochschulen besitzen einen sogenannten Career Service, der Studie­ rende und potenzielle Arbeitgeber zusam­ menführt. Ebenfalls eine gute Adresse: der Arbeitgeber-Service der Arbeitsagenturen. „Wer nicht mehr als studierend gemeldet ist, kommt irgendwann dort an“, so Stippler.

Geflüchtete und ausländische Azubis

Keine Branche hat mehr Geflüchteten eine Ausbildung ermöglicht als das Handwerk. Wer Kontakt und Unterstützung sucht, findet sie bei den Willkommenslotsen der Handwerkskammern. „Sie sind für nichts anderes da, als die Unternehmen bei der Integration zu unterstützen“, betont Sibylle Stippler. Das Bundesprogramm „Passgenaue Besetzung“ hingegen unterstützt kleine und mittlere Betriebe bei der Besetzung ihrer offenen Ausbildungsplätze mit geeigneten ausländischen Jugendlichen ohne Flücht­ lingsstatus – oder auch mit deutschen Bewerbern. Auch hier sind die Ansprech­ partner in den Handwerkskammern oder Kreishandwerkerschaften zu finden.

Vertrauen in Menschen mit Behinderungen

Natürlich muss die Funktion zum Menschen passen. Aber: Wer offen für Menschen mit Behinderung ist, bekommt dieses Vertrauen durch Loyalität und Engagement zurückgezahlt, sagt Sibylle Stippler.

„Fachkräfte auf dem Silbertablett gibt es nicht mehr.“ Sibylle Stippler, Expertin im Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung beim Institut der deutschen Wirtschaft

Betriebe, die mehr als 20 Arbeitsplätze bereitstellen, sind verpflichtet, auf min­

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