Norddeutsches Handwerk 10/2021

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Betrieb

Trotz neuer Regeln: Betriebe dürfen die Lohnfortzahlung in der Quarantäne nicht einfach einstellen.

Jetzt also doch? Covid-19: Wer ungeimpften Mitarbeitern in Quarantäne die Lohnfortzahlung verweigert, geht ins Risiko. Denn ein Gericht könnte Arbeitgeber zur Zahlung zwingen. JÖRG WIEBKING

K

eine Entschädigung auf Kosten der All­ gemeinheit“ – so hat es die Gesund­ heitsministerkonferenz (GMK) fünf Tage vor der Bundestagswahl beschlos­ sen: Es gebe ausreichend Impfstoffe und Impf­ angebote gegen Covid-19. Daher sollen die zustän­ digen Behörden vom 1. November an ungeimpften Arbeitnehmern keine Entschädigung mehr zahlen, wenn sie als Kontaktperson eines Infizierten oder als Rückkehrer aus einem Risikogebiet in Qua­ rantäne müssen. Für Arbeitnehmer und Arbeitgeber ändert sich dadurch jedoch vorerst nichts. Arbeitgeber waren in der Quarantäne bisher schon in der Pflicht zur Lohnfortzahlung – und werden es nach Stand der Dinge auch erst einmal bleiben. Denn die Rechtslage ist nicht so einfach, wie der Beschluss der Gesund­ heitsminister klingt. Das zeigt ein Statement des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH): „Aktuell ist zu befürchten, dass Arbeitgeber im Qua­ rantänefall eines ungeimpften Mitarbeiters weiter­ hin zur Vorleistung der Lohnzahlung verpflichtet sind“, teilt der Verband mit. Folglich liefen Betriebe Gefahr, „auf ihren Kosten sitzen zu bleiben“.

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Arbeitgeber weiter in der Pflicht zur Lohnfortzahlung

Aktuell ist zu befürchten, dass Arbeit­ geber im Quarantäne­ fall eines ungeimpften Mitarbeiters weiterhin zur Vorleistung der Lohnzah­ lung verpflich­ tet sind.

Das liegt an zwei Gesetzen: Gemäß Infektions­ schutzgesetz (IfSG) haben Arbeitnehmer in der Quarantäne Anspruch auf eine behördliche Ent­ schädigung – vorausgesetzt, sie hatten einen Ver­ dienstausfall und keine Impfmöglichkeit. Zudem müssen Arbeitgeber gemäß IfSG Löhne in der Qua­ rantäne weiter zahlen und können sich das Geld erstatten lassen. Praktisch jedoch bleiben Arbeitgeber häufig auf den Kosten sitzen. Das liegt an § 616 BGB: Der verpflichtet Betriebe zur Lohnfortzahlung, wenn ein Mitarbeiter „ohne sein Verschulden“ für eine kurze Zeit ausfällt. Die Auslegung des § 616 ist umstritten, doch Gerichte und Behörden entschieden zulasten der Betriebe: Beschäftigte seien nicht schuld an der angeordneten Quarantäne, die zudem nur kurz sei. Folglich hätten sie Anspruch auf Lohnfortzahlung durch den Betrieb. Das bedeutete gemäß Infektions­ schutzgesetz: kein Verdienstausfall, kein Entschä­ digungsanspruch, kein Ausgleich für Arbeitgeber. Doch nun gibt es flächendeckende Impf­ angebote und die Gesundheitsminister haben die

NDH 10/2021


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