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Filmgeschichte Teil 10 - Die Achterbahnfahrt des Blockbuster-Kinos

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Filmgeschichte Teil 10

Die Achterbahnfahrt des Blockbuster-Kinos

TEXT: ALEXANDER KORDS

»Der weiße Hai« war der erste Blockbuster der Filmgeschichte – oder? Nicht ganz! Schon in den 1960er-Jahren entstanden Streifen, die so bezeichnet wurden. Im Rahmen unserer Filmgeschichte erzählen wir diesmal, wie das Blockbuster-Kino erst unterging und Mitte der 1970er seine Wiederauferstehung feierte.

Im Zweiten Weltkrieg warfen sowohl die Nazis als auch die Alliierten teilweise tonnenschwere Bomben über gegnerischen Städten ab. Wo sie landeten und detoniert sind, zerstörten sie sämtliche Gebäude in einem Umkreis von etwa 100 Metern. Keine Sorge: Ihr seid nicht versehentlich im falschen Text gelandet, es geht schon weiter mit unserer Filmgeschichte. Interessant an der eingangs beschriebenen Bombe ist allerdings der Name: Während sie im Deutschen als Luftmine bezeichnet wurde, hieß sie nämlich im englischsprachigen Raum »BLOCKBUSTER«. Und die Bezeichnung weckt durchaus Assoziationen mit dem Kino. Noch während des Krieges, nämlich im Mai 1943, wurde der Kriegsfilm »OHNE RÜCKSICHT AUF VERLUSTE« in Magazin-Anzeigen als »The block-buster of all action-thrill-service shows« bezeichnet. Ein Jahr später bekam der Dokumentarfilm »WITH THE MARINES AT TARAWA« das Attribut: »trifft das Herz wie eine zwei Tonnen schwere Blockbuster-Bombe«.

Nach dem Weltkrieg geriet die Bezeichnung zunächst in Vergessenheit, wurde aber spätestens in den frühen 1950er-Jahren wieder aufgegriffen. Fortan wurden Filme als Blockbuster bezeichnet, die viel Geld gekostet haben, ein riesiges Spektakel boten und darauf abzielten, entsprechend hohe Einnahmen zu generieren. Das gelang zum einen mit der Einführung des BREITBILDFORMATS, durch das monumentale Streifen wie »BEN HUR« (1959), »SPAR-TACUS« (1960) und »LAWRENCE VON ARABIEN« (1962) noch viel besser zur Geltung kamen. Zum anderen nahmen die Filmstudios sehr viel Geld für Werbung in die Hand. So investierte METRO-GOLDWYN-MAYER 14,7 Millionen Dollar, um auf den Kinostart von »BEN HUR« aufmerksam zu machen, und damit nur etwas weniger, als der Film selbst gekostet hat – dieser lag nämlich bei knapp 15,2 Millionen Dollar. Der finanzielle Aufwand hat sich allerdings gelohnt, weltweit spielte der Streifen rund 72 Millionen Dollar ein und zählt bis heute zu den finanziell erfolgreichsten aller Zeiten.

Wie immer, wenn viel Geld im Spiel ist, wurde auch bei Blockbustern das Rad schnell überdreht. So schaffte der Film »CLEOPATRA« im Jahr 1963 das in der Filmgeschichte bislang einmalige Kunststück, Verlust zu machen, obwohl er der einnahmenstärkste Film des Kalenderjahres war. Daran schuld waren zum einen die Produktionskosten, die im Laufe der Dreharbeiten von angestrebten zwei auf exorbitante 31 Millionen Dollar anwuchsen. Zum anderen steckte das Studio 20TH CENTURY FOX weitere 13 Millionen ins Marketing – und stand nach »nur« 40 Millionen Dollar Einnahmen an den Kinokassen knapp vor dem Ruin. Erst der Verkauf der TV-Rechte im Jahr 1966 brachte den Film doch noch in die Gewinnzone. Dennoch wurde eines zunehmend klar: Die Filmbranche war an ihre Grenzen gestoßen, bot dem Publikum zwar weiterhin hohe Schauwerte, aber immer weniger Innovation. Daher bildete sich Ende der 1960er-Jahre mit New Hollywood eine Gegenströmung, die sich mit geringen Budgets wieder auf das konzentrieren wollte, was Kino von jeher vorhatte: neue, spannende Geschichten zu erzählen und das Publikum zu überraschen. Ihre Produktionen entstanden unabhängig von den festgefahrenen Studios, weshalb sie als Independent-Filme bezeichnet wurden.

Als Wegbereiter des US-amerikanischen INDEPENDENT-FILMS gilt JOHN CASSAVETES. Schon 1959 drehte er mit arbeitslosen Schauspielern den Film »SCHATTEN«, bei dem sowohl die Handlung als auch sämtliche Dialoge improvisiert waren. Anfang der 1960er-Jahre arbeitete Cassavetes eine Weile für Filmstudios, erkannte dabei aber, dass ihm dies nicht lag. Stattdessen setzte er sein eigenes Geld ein, um 1968 den Film »GESICHTER« zu inszenieren. Dieser wurde für drei Oscars nominiert (unter anderem für Cassavetes Drehbuch) und wurde zur Inspiration für Filmemacher wie Martin Scorsese und Woody Allen. Während »GESICHTER« inzwischen in Vergessenheit geraten ist, hat sich ein anderer früher Independent-Film zu einem Klassiker entwickelt: »EASY RIDER«, den die Schau- spiel-Kollegen DENNIS HOPPER und PETER FONDA mit eigenem Geld drehten. Bei Kosten von 400.000 Dollar spielte der Streifen rund 60 Millionen Dollar ein. Weitere Filme, die New Hollywood hervorbrachte, waren beispielsweise »LIEBE NIEMALS EINEN FREMDEN« (1969) von FrancisFord Coppola und »THX 1138«(1971) von GEORGE LUCAS. Beide Regisseure schufen wenig später mit »DER PATE« (COPPOLA, 1972) und »KRIEG DER STERNE« (LUCAS, 1977) höchst erfolgreiche Filme, was einer Weiterentwicklung in Hollywood zu verdanken war. Die »klassischen« Studios zeigten sich nämlich inzwischen einsichtig und gaben den kreativen jungen Filmemachern die Chance, ihre Visionen zu verwirklichen.

Zum ersten Blockbuster der Moderne wurde jedoch »DER WEISSE HAI«, den STEVEN SPIELBERG 1975 in die Kinos brachte. Bei neun Millionen Dollar Produktionskosten spielte der Film etwa 470 Millionen ein und wurde damit zum erfolgreichsten Film aller Zeiten – zumindest bis zum Erscheinen von »KRIEG DER STERNE« zwei Jahre später. »Der weiße Hai« begründete auch die Tradition des SOMMER-BLOCKBUSTERS, die sich mit Streifen wie »E.T.«(1982), »GHOSTBUSTERS«(1984) und der »ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT«-Trilogie (1985, 1989 und 1990) bis in die 1990er-Jahre fortsetzte. Dann gewann auch der Independent-Film wieder an Bedeutung, wie die Erfolge von »PULP FICTION«, »CLERKS« und »DIE VERURTEILTEN« zeigen, die alle 1994 erschienen. Schaut man sich das heutige Kino an, dann könnte man der Meinung sein, dass es einen massiven Schritt zurück gemacht hat.

Unzählige Superhelden-Verfilmungen, Fortsetzungen und Remakes zeugen nicht gerade von Originalität und scheinen nur ein Ziel zu verfolgen: so viel Geld wie möglich zu verdienen. Aber wenn ihr euch beharrlich auf die Suche begebt, dann findet ihr sie noch immer: die kleinen Perlen, die das Medium Film auch heute spannend und aufregend machen.

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