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Die Schauspielerin Brigitte Helm

Die Schauspielerin Brigitte Helm

TEXT: ROBERT EBERHARDT

Eine Femme Fatale, die keine sein wollte

Ein bekanntes Gesicht, der Name dazu vergessen: Brigitte Helm, Star des expressionistischen Meisterwerks »METROPOLIS« (Fritz Lang, 1925), begann ihre Karriere von der Schulbank und beendete sie nach nur zehn Jahren aus eigenem Willen. In kurzer Zeit prägte sie die Leinwände der jungen Weimarer Republik und verkörperte in all ihren Filmen eine widersprüchliche Doppelrolle: hier die zarte, liebende Frau, ein fast ätherisches Wesen, das sich für die Mitmenschen verzehrt, dort der kühle, stahlharte Vamp, als Verkörperung eines todbringenden Lustprinzips. Vanitas versus memento mori. Über das Leben einer femme fatale, die sich gegen das Leben in der Öffentlichkeit entschied.

WER KENNT NICHT DAS SCHARFKANTIGE, SPHINGENHAFTE GESICHT, MIT SEINEN DUNKLEN AUGEN UND DER FESSELN- DEN MIMIK. DIE ARBEITERIN MARIA UND DAS GESICHT DER MENSCH-MASCHINE, GESPIELT VON EINER FRAU, DEREN KARRIERE NUR ZEHN JAHRE DAUERT: Brigitte Helm, das vergessene Ausnahmetalent.

In FRITZ LANGS Meisterwerk »METROPOLIS« (1925) spielt sie die beeindruckendste Rolle des deutschen Films der Zwanzigerjahre. Doch wer ist diese Person, die in der Hauptrolle zwei gegensätzliche Figuren verkörpert, welche für die Sünde und die Keuschheit stehen? Die damals 19-jährige Brigitte Schittenhelm, ein unbekanntes Mädchen aus dem Brandenburgischen, erhält völlig überraschend die Rolle für ein epochales Werk der Filmkunst. 1906 in Berlin geboren, verbringt sie ihre Schulzeit im Internat und spielt in dortigen Aufführungen mit. Legenden ranken sich darum, wie FRITZ LANG letztendlich auf die Helm aufmerksam wurde: er soll sie bei einer Schulaufführung gesehen, oder aber ihre Mutter bzw. sie sich selbst an den Regisseur gewandt haben. Bei einem Vorsprechen in BABELSBERG ist Lang von ihrer Emotionalität und Improvisationsvermögen begeistert, sodass er ihr bei der UFA eine Ausbildung verschafft. Drei Jahre später erfolgt die völlig überraschende Besetzung in der Doppel-Hauptrolle in METROPOLIS.

Doppelrolle

In der Doppelrolle der MARIA und des nach ihrem Ebenbild geformten Maschinenmenschen behauptet die junge, zarte Helm sich in diesem von Architektur, Ausstattung und Kostümen dominierten, monumentalen Werk neben Stars wie GUSTAV FRÖH-LICH und HEINRICH GEORGE. Ein Part jedenfalls, mit dem sie die Extreme des damaligen (wie heutigen) Frauenbildes markiert: auf der einen Seite das von Gefühl, menschlicher Wärme und Mütterlichkeit geprägte Wesen, auf der anderen die entfesselte weibliche Sexualität, die nicht nur die kapitalistische Ordnung ins Chaos stürzt, sondern insbesondere die Mannesherrschaft bedroht. Der nur mäßige Erfolg von Langs Film beim zeitgenössischen Publikum macht BRIGITTE HELM trotz alle-dem über Nacht bekannt. Die UFA, durch den Flop »METROPOLIS« finanziell geschröpft, schließt mit ihr einen Zehnjahresvertrag, der ihr fast ausschließlich Hauptrollen beschert (z. B. »ALRAUNE« (1927), »DIE GRÄFIN VON MON-TE CHRISTO« (1931) oder »THE MISTRESS OF ATLANTIS« (1932)) und der Filmfirma die leeren Kassen füllt. Der Erfolg des Films »ALRAUNE« stellt Helm nicht zufrieden: im Rechtsstreit mit der UFA wehrt sie sich dagegen, immer wieder die ewig Verführende, den Vamp spielen zu müssen. Sie erreicht einen Vergleich und wird fortan in einem breiteren Rollenspektrum engagiert. Eine ihrer letzten »VAMP«-Rollen spielt sie 1932 als Wüstenkönigin Atinea inG. W. Pabsts »DIE HERRIN VON ATLANTIS«. Letztendlich bleibt »METROPOLIS« gleichzeitig sowohl Ausgangspunkt als auch Höhepunkt ihrer Karriere. Mit dem Auslaufen ihres Vertrages 1935 bemüht sich die UFA vergebens, sie für weitere Projekte zu verpflichten. Ihr Leben nach dem selbstgewählten Karriereende verbringt sie als Ehefrau eines Industriellen in ASCONA (Schweiz), wo sie am 11. Juni 1996 stirbt.

Deutsche Ikonen

Im Laufe von 100 Jahren hat der deutsche Film genau zwei Ikonen hervorgebracht, die weltweit sofort Erkennung finden. Die eine heißt MARLENE DIETRICH, die andere steckt in einer Art Ritterrüstung und spielt sich immer wieder in die Herzen der Zuschauer. Nur – anders als bei Marlene – ist der dazugehörige Name in Vergessenheit geraten. Ihre Filme allerdings bleiben bestehen.

BEI EINEM VORSPRECHEN IN BABELSBERG IST LANG VON IHRER EMOTIONALITÄT UND IMPROVISATIONSVERMÖGEN BEGEISTERT, SODASS ER IHR BEI DER UFA EINE AUSBILDUNG VERSCHAFFT.

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