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WarmUp

WARM UP

von Thomas Kofler

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THOMAS KOFLER

Soll einer Krise in einem Anflug von Optimismus etwas Positives abgewonnen werden, fällt der Satz: „Eine Krise ist auch eine Chance.“ Wie oft haben wir ihn 2020 bereits gehört. Der Wahrheitsgehalt dieser Aussage ist argumentativ schwerlich absprechbar. Sie stimmt naturgemäß. Unter dem Eindruck, Fehlentwicklungen zu stoppen und zu korrigieren, trotz aller unangenehmen Begleitumstände. Ob diese Erkenntnis in Zeiten wie diesen den Optimismus auch in der Breite aufflammen lässt, darf massiv bezweifelt werden. Insbesondere in jenen Lebensbereichen, die tief in die Krise gerutscht sind. Völlig unschuldig.

Die Eventszene im Laufsport gehört dazu. Von erleichterndem Aufatmen ist noch keine Spur, die Absagewelle hat den Herbst überschwemmt. Vor Monaten, mitten in der schwersten, weil perspektivunsichersten Phase schlug, ein fast zynisches Phänomen auf das Gemüt. Während die Veranstalter unvermittelt mit kurzfristigen, situativ erzwungenen Absagen mit enormem wirtschaftlichen Schaden konfrontiert waren, wurde das Lau-

fen auf individueller Ebene zum Ventil der fast in den eigenen vier Wänden festgenagelten Bevölkerung. Der Höhepunkt des Tages. Ein Stück Freiheit inmitten der Freiheitsverbotsempfehlung. Studien belegen: Nie zuvor wurden so viele Laufkilometer abgespult. Just in der Zeit, als die angeknockte Eventszene kein passendes Angebot schnüren konnte, um die entfachte Begeisterung an sich heranzuziehen. Um Potenziale proaktiv anzuzapfen.

Laufen war ein Stück Freiheit, der Höhepunkt des Tages.

Es wird nachhaltig im Gedächtnis verankert bleiben, dass der Wert der persönlichen Entscheidungsfreiheit seit Monaten derartig eingegrenzt wird, wie es nicht nur meine Generation nicht kannte. Vielleicht nicht einmal für praktikabel einschätzte. Und definitiv nicht eine derartig zahme Reaktion der Öffentlichkeit erahnte. Aber: In der Zeit, die mit dem harten englischen Begriff „Lockdown“ beschrieben wird, blieb ein Großteil der persönlichen Entscheidungsfreiheit für Läuferinnen und Läufer bei ihrer Freizeitgestaltung erhalten. Wer sich die Laufschuhe schnürte, alleine oder mit der Familie eine Laufrunde drehte, verhielt sich nicht nur verhältnisgemäß, sondern auf vielen Ebenen positiv. Laufen gab dem tristen Alltag unzähliger Menschen Struktur und Halt, lieferte ein Gleichgewichtsangebot gegen Sorgen und Ängste. Es konnte täglich kurzfristig und oftmals in der Summe nachhaltig psychologisch belastende Situationen entspannen, sozialen Konflikten vorbauen und die Gesundheit verbessern.

Es mag dem – unter Anführungszeichen – günstigen Wesen des Laufens als Einzelsport, ausgeübt an der frischen Luft ohne notwendige Kontakte, im situationsbedingten Rahmen geschuldet sein, warum der Laufsport und keine andere Sportart während den Frühlingsmonaten flächendeckend positiv konnotiert war. Nur, die Argumentation ist für Laufen generell gültig. Dieses positive Gefühl des erhöhten Selbstvertrauens sollte der Laufsport in seiner zukünftigen Entwicklung als erwiesener Beitrag zu gesellschaftlicher Gesundheit mitnehmen. Es sollte sich im Gedächtnis verankern. Und vielleicht können am Ende der Wirtschaftskrise auch die Laufveranstaltungen von ihm profitieren und eine viel zitierte Chance nützen.

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