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Interview mit Dr. Holger Förster
„Bewegung ist keine verlorene Zeit“
Die WHO empfiehlt Kindern eine Stunde moderater bis stark körperlicher Bewegung pro Tag. Das sei das empfohlene Mindestmaß, hält der Salzburger Kinder- und Sportarzt Dr. Holger Förster fest und untermalt, dass österreichische Kinder und Jugendliche diesen Richtwert spätestens ab dem Volksschulalter weit verfehlen. Außerdem erklärt er im RunUp-Kurzinterview, worauf es bei Bewegung in jungen Jahren besonders ankommt und warum sie wichtig für einen nachhaltig gesunden Lebensstil ist. INTERVIEW_Thomas Kofler//FOTO_privat
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RunUp: Schildern Sie uns bitte das Idealszenario: Welchen Bewegungsumfang haben Kinder und Jugendliche und welche Bewegungsformen üben sie aus? Dr. Holger Förster: „Die WHO-Empfehlung ist lediglich eine Minimalanforderung, die in Österreich maximal in den Kleinkindgruppen und den ersten Volksschuljahren einigermaßen umgesetzt wird bei Buben stärker als bei Mädchen. Danach folgt eine klare Abwärtstendenz. Bis ins Volksschulalter hinein sind bei kleinen Kindern koordinative Spielübungen wie Fangen- oder Suchspiele ideal, genauso wie alle Bewegungsspiele, bei denen sie die Umwelt spielerisch entdecken. Kinder sind von Natur aus extensive Ausdauersportler und bleiben selbst bei Intervallbelastungen immer im aeroben Bereich. Die Spiele müssen so gestaltet werden, dass sie Spaß haben und nie Monotonie aufkommt. Unter diesen Rahmenbedingungen entwickeln sich koordinative Fähigkeiten und Ausdauer gleichermaßen. Erst mit zunehmendem Alter kommt der Wettkampfgeist dazu und rivalisierende Vergleiche werden interessanter. Sportvereine bieten vielfältige Möglichkeiten und bleiben als sozialer Treffpunkt sehr wichtig, wenn die Lust an Bewegung in der Pubertät sinkt.“
Die Langversion des Gesprächs mit Dr. Holger Förster lesen Sie auf RunUp.eu. Folgen Sie einfach dem QR-Code.
Dr. Holger Förster, Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde
Dr. Holger Förster ist Präsident der AVOS GmbH, ein gemeinnütziger Arbeitskreis für Vorsorgemedizin, der u.a. mit gezielten Initiativen Gesundheitsförderungen in Kindergärten und Schulen im Bundesland Salzburg durchführt. In der Österreichischen Gesellschaft für Kinderheilkunde ist er zuständig für Kindersport und außerdem Vize-Präsident der Gesellschaft für pädiatrische Sportmedizin.
Wie viel Luft nach oben sehen Sie im österreichischen Bildungssystem, gute Voraussetzungen für ausreichend Bewegung der Kinder und Jugendlichen zu sorgen? In der heutigen Gesellschaft steht der organisierte Sport immer mehr im Vordergrund und gehört daher auch besser gefördert. Das ist entscheidend. Die Schulen müssen erkennen, wie wichtig ein entsprechendes Maß an sportlicher Bewegung für die Gesamtentwicklung des Kindes ist. Man muss in den Köpfen der Verantwortlichen endlich verankern, dass Bewegung keine verlorene Zeit ist, sondern ganz im Gegenteil zu besserer Aufmerksamkeit und Konzentration führt. Alle Vorstöße von Seiten der Sportmedizin und der Pädiatrie, die Schulsportstunden zu forcieren, werden von der Politik reihenweise abgeblockt.
Wie lautet Ihr Appell an die elterliche Verantwortung? Von Anfang an Bewegung selber mitmachen und vorleben – das ist das A und O. Es ist wichtig, dass diese zitierte Stunde Bewegung nicht den Vorstellungen der Erwachsenen entspricht, die bestimmte Ziele verfolgen und Zeitpläne im Hinterkopf haben. Kinder haben andere Interessen, folglich müssen Eltern sich auf das Niveau des Kindes zurückbewegen, die Aktivitäten der Kinder von der Ausdauer über die Koordination bis hin zur Geschicklichkeit übernehmen und mit ihnen die Freude an neu erlernten motorischen Fähigkeiten teilen. Diese positive Rückmeldung ist für sie enorm bedeutend. Es ist eminent wichtig, das Krabbelgruppen- und Kindergartenalter gut dafür zu nützen, die Freude an Bewegung zu etablieren und Potenziale auszuschöpfen, auf denen das ganze Leben aufgebaut wird. Ist das Kind älter, sind unterschiedliche Aktivitäten bei gemeinsamer Bewegungszeit, die beiden Spaß machen – zum Beispiel läuft Mama oder Papa und das Kind begleitet sie oder ihn mit dem Rad – empfehlenswert.
Kann das Zuwenig an Bewegung im Kindesalter im späteren Leben aufgeholt werden? Energetisch, natürlich. Das geht in jedem Alter und erfordert eine starke Willenskraft. Aber die koordinativen Fähigkeiten nicht. Die Grundlagen dafür, wie Bewegung ablaufen muss, werden im Kindesalter als Schablonen im Kleinhirn abgelegt. Wird diese Chance verpasst, kann man Koordination nicht mehr erlernen. Hat man sie genützt, hat man alle Voraussetzungen für einen bunten, aktiven und gesunden Lebensstil. Lauft weiter und habt Freude daran! Unternehmt Dinge, die euch Spaß machen! Tut jemand anderem etwas gutes und lasst uns füreinander da sein! Passt auf euch auf und vor allem: bleibt gesund!