DIE ERNÄHRUNG VOLUME 46 | 03/04.2022

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Höchste Zeit für Bioökonomie Die Ernährung sprach mit Hans Mayrhofer, Generalsekretär des Ökosozialen Forum Österreich & Europa, über Bioökonomie, das Denken und Wirtschaften in Kreisläufen, die Situation in Europa und wo Defizite und Chancen liegen. Oskar Wawschinek

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ie Ernährung: Was genau verstehen Sie unter Bioöko­ nomie? Hans Mayrhofer: Bio­ ökonomie steht für ein Wirtschaftskonzept, das fossile Ressourcen (Rohstoffe und Energieträger) durch nachwachsende Rohstoffe in möglichst allen Bereichen und Anwendungen ersetzen soll. Weil wir aber auch nicht unbeschränkt nachwachsende Rohstoffe zur Verfügung haben, muss die Bioökonomie in eine Kreislaufwirtschaft eingebunden sein. Also 1. weniger verbrauchen, 2. sogenannte Abfall- oder Reststoffe als wertvolles Material begreifen und nutzen, 3. Ressourcen im Kreis führen, d. h. so lange wie möglich in verschiedenen Formen nutzen, wiederverwenden, recyceln, und 4. für die Ressourcen, die wir brauchen, nachwachsende und erneuerbare Ressourcen verwenden. Dieses Wirtschaftskonzept verlangt von Produkten und Materialien, dass diese so gestaltet werden, damit man sie so effizient wie möglich, so vielfältig wie möglich und so lange wie möglich nutzen kann. Und dass sie – und hier kommt die Bioökonomie ins Spiel – möglichst auf erneuerbaren Rohstoffen und Energie basieren. Innovative Beispiele dafür reichen von Verbandsmaterial oder Kleidung aus Holz über Dämmstoffe aus Hanf bis zu Treibstoffen aus Mikroalgen oder Lebensmittelabfällen. Welche Maßnahmen hat das ÖSFO dazu gesetzt? Mayrhofer: Das Ökosoziale Forum setzt sich seit 33 Jahren für ein Wirtschaftssystem ein, das die Wirtschaft stützt, die Umwelt schützt, uns Men-

österreichweite Netzwerk „Bioeconomy Austria“ gemeinsam mit vielen weiteren Partnern aus Wirtschaft, Forschung, Politik und Gesellschaft auf. Hier steht die Kreislaufwirtschaft im Holzbereich im Mittelpunkt.

© Ökosoziales Forum Österreich & Europa

Hans Mayrhofer

schen nützt und auch morgen noch funktioniert. Kreislaufwirtschaft und Bioökonomie sind die Übersetzung der Ökosozialen Marktwirtschaft in die Realwirtschaft. Wir bringen uns in die politische Debatte ein: Wir haben aktiv an der Erstellung der FTI- und der nationalen Bioökonomiestrategie sowie bei der Kreislaufwirtschaftsstrategie mitgearbeitet. In den letzten Jahren waren wir Hub-Leader für Österreich und Deutschland im EU-Projekt „BLOOM“. Ziel war es, das Wissen und Bewusstsein der europäischen Bevölkerung in Zusammenhang mit der Bioökonomie zu erhöhen. In unserem Projekt „fragen säen. antworten ernten.“ fördern wir den Austausch zwischen Wissenschaft, Land- und Forstwirtschaft sowie Konsumentinnen und Konsumenten, um eine fossilfreie und nachhaltige Land- und Forstwirtschaft im Sinne der Kreislaufwirtschaft zu unterstützen. Aktuell bauen wir im Auftrag des Waldfonds das

ERNÄHRUNG | Nutrition volume 46 | 03/04. 2022

Wohin geht aus Ihrer Sicht derzeit der Trend? Mayrhofer: Versorgungssicherheit, Resilienz, Risikovorsorge, Klimaschutz und Erhöhung der regionalen Wertschöpfung. Die aktuellen Herausforderungen zeigen uns, dass sämtliche Sektoren nachhaltiger und unabhängiger von fossilen Ressourcen werden müssen. Bioökonomie ist hier eine wichtige Stellschraube und muss in unserem gesamten Wirtschaftssystem als Prinzip verankert werden: von Nahrungs- und Futtermitteln über Materialien wie Biopolymere oder Chemikalien bis zur Bioenergie. Welche Aktivitäten gibt es auf europäi­ scher Ebene? Mayrhofer: Die Europäische Union positioniert sich als Vorreiterin. Etwa mit der neuen milliardenschweren Ausschreibung im „Circular Bio-based Europe Joint Under­ taking“ soll die Wettbewerbsfähigkeit von Innovationen weiter gefördert werden. Das ist nur ein Beispiel von vielen. Im Rahmen unseres von der Europäischen Kommission finanzierten Horizon 2020 Projekts „BLOOM“ haben Trinkbecher aus Stärke, Glukose & Lignin


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