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Brennpunkt Wirtschaft und Gesellschaft

Urs Saxer Thomas Tobler Heinz Rüfenacht

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Volkswirtschaftslehre Ausgewählte Kapitel Ausgabe für Lehrperson

Wirtschaftskreislauf Marktwirtschaft Arbeitslosigkeit Sozialer Ausgleich (AHV) Preisstabilität Ökologische und energiepolitische Herausforderungen Globalisierung Konjunkturzyklus Fiskal- und Geldpolitik Wachstum und Strukturwandel Wirtschafts-, Sozial- und Umweltpolitik

KBZ St. Gallen, Ausgabe 2022 / 2023

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Urs Saxer Thomas Tobler Heinz Rüfenacht

Brennpunkt Wirtschaft und Gesellschaft

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Volkswirtschaft

Konjunkturzyklus Ausgabe 2022 / 2023

Ausgabe für Lehrperson

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Konjunkturzyklus

Die aktuelle wirtschaftliche Gesamtlage eines Landes bezeichnen wir als Konjunktur. Sie wird bestimmt durch den Auslastungsgrad der zur Verfügung stehenden Ressourcen, der Produktionsfaktoren Arbeit, Wissen, Kapital und Boden. Die Konjunkturentwicklung, d. h. der Verlauf der gesamtwirtschaftlichen Aktivitäten, durch­läuft immer wieder Phasen des Aufschwungs, mit hoher Auslastung der Produktionsfaktoren, und Phasen des Abschwungs, in denen nicht alle Produktionsfaktoren vollständig ausgelastet sind.

Theorie 1 2 3 4

Wachstumspolitische Massnahmen zielen auf die Ausweitung der vorhandenen Produktionsfaktoren und zeichnen einen entsprechenden Wachstumspfad vor. In der Praxis gelingt es jedoch nicht immer, diese Ressourcen auch tatsächlich auszu­ lasten, und es kann zu unerwünschten Effekten wie Arbeitslosigkeit oder Teuerung kommen. Anhand von Konjunkturprognosen versucht die Politik, solche Störungen frühzeitig zu erkennen, um vorausschauend geeignete Massnahmen ergreifen zu können.

Übungen

Der Konjunkturzyklus ............................................................................................ Die Konjunkturindikatoren .................................................................................... Konjunkturprognosen und Konjunkturpolitik ......................................................... Zielkonflikte in der Konjunkturpolitik ..................................................................... Das haben Sie gelernt ........................................................................................... Diese Begriffe können Sie erklären ........................................................................

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Konjunkturzyklus (Ausgabe für Lehrperson)

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Aufgaben 1 2 3 4

Brennpunkt Volkswirtschaft

Konjunkturzyklus .................................................................................................. Konjunkturindikatoren .......................................................................................... Konjunkturprognose und Konjunkturpolitik ........................................................... Zielkonflikte in der Volkswirtschaft ........................................................................

ifo Konjunkturprognose Frühjahr 2022 .................................................................. Konjunkturindikatoren – der Zeit voraus ................................................................ Zielkonflikte in der Konjunkturpolitik ..................................................................... Merkmale der einzelnen Konjunkturzyklen ............................................................

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Brennpunkt Volkswirtschaft

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Konjunkturzyklus (Ausgabe für Lehrperson)

Der Konjunkturzyklus

Die Wirtschaftsentwicklung ist gekennzeichnet durch Phasen des Auf- und Abschwungs. Der Konjunkturzyklus beschreibt sich wiederholende Phasen der wirtschaftlichen Entwicklung. Ein vollständiger Zyklus kann in vier typische Phasen unterteilt werden: Konjunkturaufschwung, Hochkonjunktur oder Boom, Konjunkturabschwung und schliesslich eine Rezession. Ist diese besonders stark, sprechen wir von einer Depression. BIP in Mia. CHF

Wachstum bei optimaler Auslastung der Produktionsfaktoren, Produktionspotenzial oder Trend-Wachstum

Hochkonjunktur, Boom

Konjunkturelle Entwicklung (mit Aufschwungs- und Abschwungsphase)

Konjunkturabschwung Rezession, Depression

Konjunkturabschwung

Konjunkturaufschwung

Rezession, Depression Zeit Vollständiger Konjunkturzyklus

Die einzelnen Phasen dauern in Wirklichkeit unterschiedlich lang; sie verlaufen nicht gleichmässig, wie dies aufgrund der schematischen Darstellung einer vollständigen Wellenbewegung den Anschein erweckt. In einer Hochkonjunktur (Boom) sind die vorhandenen Produktionsfaktoren vollständig ausgelastet, und die gesamtwirtschaftliche Leistung erreicht Rekordwerte. In gewissen Branchen kann es trotz des Ausbaus der Kapazitäten und Überzeitarbeiten zu Produktionsengpässen kommen. Dies kann bei anhaltend hoher Nachfrage zu Preiserhöhungen führen. Boomphasen weisen deshalb oft inflationäre Tendenzen auf. Der Arbeitsmarkt ist ausgetrocknet, und es herrscht beinahe Vollbeschäftigung, weil die Unternehmungen alle verfügbaren Arbeitsplätze besetzen. Die Unternehmungen benötigen viel Kapital, um Investitionen zu tätigen. Als Folge davon steigen die Preise für ausgeliehenes Geld: die Zinsen. Die guten Unternehmungsergebnisse führen zu hohen Steuererträgen des Staates. Gleichzeitig können in dieser Phase die staatlichen Ausgaben zurückgefahren werden, weil z. B. weniger Mittel für den sozialen Ausgleich aufgewendet werden müssen. Allfällige Haushaltsüberschüsse können zum Abbau von Staatsschulden verwendet werden.

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In der Talsohle, einer Rezession Rezession, sind dagegen die gesamtwirtschaftlichen Aktivitäten stark eingeschränkt. Weil Unternehmungen zunehmend sinkende Umsätze verzeichnen, werden Kapazitäten abgebaut und Personal wird entlassen; entsprechend steigt die Arbeits­losigkeit an. Offiziell sprechen wir von einer Rezession, wenn das reale BIP (nach Berücksichtigung allfälliger Veränderungen des Preisniveaus) in zwei aufeinander folgenden Quartalen stagniert oder abnimmt.1 Wenn das reale BIP mehr als 10 % abnimmt oder wenn die Phase des Negativwachstums mehr als 3 Jahre beträgt, spricht man von einer Depression. Beispiele für Depres­ sionen sind die Grosse Depression in den USA (1929 – 33), der Zusammenbruch der Sowjetunion (1989 – 98) und die Währungs- und Regierungskrise in Argentinien (1998 – 2002). Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer befinden sich in dieser Situation gegenüber den Unternehmungen in einer schwächeren Position und müssen in solchen Phasen Lohneinbussen oder gar Kündigungen in Kauf nehmen. Dies führt insgesamt zu stagnierenden oder gar sinkenden Einkommen, was die Gesamtnachfrage vermindert. Aufgrund der schwachen Nachfrage versuchen Unternehmungen, ihre Produkte zu tieferen Preisen abzusetzen, was in deflationäre Tendenzen 2 münden kann. Die staatlichen Einnahmen gehen zurück, weil sowohl Unternehmungen als auch P­ rivate aufgrund der geringeren Gewinne und sinkender Einkommen weniger Steuern bezahlen. Gleichzeitig nehmen die Staatsausgaben im Bereich der sozialen Wohlfahrt zu (z. B. infolge vermehrter Arbeitslosigkeit), was die Gefahr von Haushaltsdefiziten erhöht. Konjunkturschwankungen entstehen nicht einfach aus dem Nichts, sondern werden durch Veränderungen im sozialen, ökonomischen und / oder ökologischen Teilsystem ausgelöst. Allerdings treten solche Veränderungen meistens überraschend auf, oder sie können aussergewöhnlich heftig sein, sodass sie kurzfristig nicht durch entsprechende Gegenmassnahmen aufgefangen werden können. Aus der Vielzahl möglicher Auslöser für Konjunkturschwankungen werden hier einige typische aufgeführt: ■ Ökonomische Ursachen – Die Zentralbank weitet die Geldmenge aus oder schränkt sie ein. In der Folge verändern sich Preise, Löhne und Zinsen, mit entsprechenden Konsequenzen auf dem Kapital-, Arbeits- und Gütermarkt. – Irgendein Element der Nachfrage nach Gütern (staatlicher oder privater Konsum, Export­nachfrage) nimmt zu oder ab. Das kann z. B. aufgrund von Wechselkursschwankungen, einer konjunkturellen Veränderung im Ausland oder haushaltspolitischen Massnahmen des Staates geschehen. – Das Gesamtangebot wird grösser oder kleiner, z. B. weil das Arbeitskräfteangebot durch Zu- oder Abwanderung schwankt oder weil aus politischen Gründen massive Aufgabe 1 Kapitalzuflüsse oder -abflüsse erfolgen. Übung 1 1

Oft wird von Ökonomen dabei der Begriff «technische Rezession» verwendet.

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Unter Deflation verstehen wir einen Rückgang des durchschnittlichen Preisniveaus.


■ Soziale Ursachen – Aussen- oder innenpolitische Veränderungen bewirken Optimismus oder Pessimismus in der Gesellschaft. – Religiöse oder kulturelle Veränderungen beeinflussen die Grundhaltungen der Menschen, z. B. in Bezug auf Sparen und Konsum.

Hinweis für Lehrpersonen ▼ PPT-Folie / Tafelbild: Folien 3 / 4 (animiert) 2

Konjunkturzyklus

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Ursachen für Konjunkturschwankungen

■ Ökologische Ursachen – Naturkatastrophen, Rekordernten oder der Fund neuer Rohstoffvorkommen können vorübergehend zu einem massiv veränderten Güterangebot mit entsprechenden Konsequenzen für das Preisniveau sorgen.

Soziale Ursachen Kulturelle …

Religiöse … Politische … … Veränderungen

Ökonomische Ursachen

Angebots-

Nachfrage-

änderungen

änderungen Änderung der Geldmenge

Rekordernten

Natur- und Umweltkatastrophen

Rohstofffunde

Ökologische Ursachen Band 3

Rüfenacht/Saxer/Tobler: Brennpunkt Wirtschaft und Gesellschaft © Verlag SKV

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▼ Hinweis zum Begriff «technische Rezession»: Der Begriff Rezession wird heute in Analysen eher vorsichtig verwendet, um nicht durch diesen Begriff alleine schon schlechte Konjunkturaussichten zu implizieren. Dies auch deshalb, weil gemäss der «strengen» Definition bereits mit sehr geringen Wachstumsraten des realen BIP in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen (z. B. – 0,2 % in ­einem und – 0,1 % im folgenden Quartal) «technisch» bereits eine Rezession vorliegen würde, in Wirklichkeit aber andere Indikatoren wie z. B. die Auslastung in der Industrie oder die Beschäftigungs­lage durchaus noch in einem günstigen Bereich liegen können und deshalb die Einschätzung als «Rezession» (noch) nicht angezeigt ist.

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Konjunkturzyklus (Ausgabe für Lehrperson)

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Die Konjunkturindikatoren

Die konjunkturelle Entwicklung lässt sich in erster Linie am Bruttoinlandprodukt ablesen. Allerdings lassen sich die einzelnen Konjunkturphasen anhand der BIP-Entwicklung nur schwer voneinander abgrenzen. Deshalb betrachten wir auch andere Messgrössen, die Aussagen über die wirtschaftliche Entwicklung zulassen. Diese sogenannten Konjunkturindikatoren lassen sich in drei Gruppen unterteilen:

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Veränderung des Indikators

Höhepunkt des Indikators

Konjunkturtiefpunkt

Höhepunkt des Indikators

Konjunkturtiefpunkt

Gleichlaufende Indikatoren Z. B. – Privater Konsum – Investitionen – Umsätze von Unternehmungen – Exporte

Konjunkturentwicklung Konjunkturhöhepunkt

Tiefpunkt des Indikators

Zeit

■ Vorauseilende Indikatoren nehmen den konjunkturellen Verlauf vorweg. Sie sind deshalb besonders geeignet, um Konjunkturprognosen zu erstellen. Typische Beispiele dafür sind Umfrageergebnisse zur Konsumenten- und Unternehmerstimmung, der Auftragseingang von Industrie- und Bauunternehmungen oder die Entwicklung des Geld­ umlaufs. Wenn es gelingt, nicht nur die Richtung der kommenden konjunkturellen Entumlaufs wicklung frühzeitig zu erkennen, sondern auch die ungefähre Stärke und zeitliche Verzögerung, bilden vorauseilende Indikatoren ein wichtiges Instrument zur Planung v­ on konjunkturpolitischen Massnahmen. Veränderung des Indikators

Tiefpunkt des Indikators

Konjunkturentwicklung Konjunkturhöhepunkt

■ Gleichlaufende Indikatoren weisen etwa den gleichen zeitlichen Verlauf wie der Konjunkturzyklus auf. Typische Beispiele dafür sind der private Konsum sowie die Investitionen von Unternehmungen, Unternehmungen die beide in Boomphasen deutlich ansteigen, während sie in einer Rezession stagnieren oder gar sinken. Auch für die Umsätze von Unternehmungen sowie für die Exporte eines Landes gilt: Die Daten bewegen sich etwa im Gleichschritt mit der konjunkturellen Entwicklung. Veränderung des Indikators

Nachhinkende Indikatoren Z. B. – Lohn-, Zins- und Preisentwicklung – Arbeitslosigkeit

Vorauseilende Indikatoren Z. B. – Konsumentenstimmung – Auftragseingänge – Geldumlauf

Höhepunkt des Indikators

Zeit

■ Nachhinkende Indikatoren zeichnen den Konjunkturverlauf mit einer gewissen Verzögerung nach. Typische Beispiele dafür sind die Lohn-, Zins- und Preisentwicklung sowie die Arbeitslosenzahlen Arbeitslosenzahlen. Dies erklärt sich durch das Verhalten von Unternehmungen und privaten Haushalten im Konjunkturverlauf. Nach einer Rezession dauert es eine bestimmte Zeit, bis das Vertrauen in einen konjunkturellen Aufschwung zunimmt. Eine leicht steigende Nachfrage wird mit dem Abbau von Lagerbeständen befriedigt, ohne dass deswegen die Preise ansteigen. Investitionen werden vorerst aus eigenen Mitteln finanziert und wirken sich erst nach einiger Zeit auf die Kreditnachfrage in Form von steigenden Zinsen aus. Erst wenn zusätzliche Produktionskapazitäten vorhanden sind, werden neue Arbeitskräfte benötigt, und die verbesserte Beschäftigungssituation wirkt sich auch positiv­ auf die Löhne aus.

Konjunkturtiefpunkt

Konjunkturentwicklung Konjunkturhöhepunkt

Tiefpunkt des Indikators

Zeit

Aufgabe 2 Übung 2


Ordnen Sie die folgenden Aussagen zum Konjunkturzyklus den richtigen Ziffern in der schematischen Darstellung zu.

Ordnen Sie die folgenden Begriffe den richtigen Ziffern in der schematischen Darstellung des Konjunkturzyklus zu. a ) Trendwachstum

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g ) Konjunkturerholung

b) Zeit

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h) Hochkonjunktur

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c ) Depression

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i ) Konjunkturelle Entwicklung

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d ) Konjunkturaufschwung

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j) Konjunkturabschwung

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e ) Rezession

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k ) Boom

2

f ) BIP, real

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l ) Wachstum bei optimaler Auslastung der Produktionsfaktoren

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Ziffer des zutreffenden Begriffs

Übung 1 Konjunkturzyklus

m) In diesen Phasen sind die Produktionsfaktoren vollkommen ausgelastet, möglicherweise sogar überlastet.

2

n) Unternehmen verzeichnen während zwei Jahren stark sinkende Umsätze und entlassen deshalb viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

4

o) Es werden viele Überstunden geleistet, und die Maschinen laufen rund um die Uhr.

2

p) Zeigt die Gesamtheit aller innerhalb eines Jahres in einem Land hergestellten Güter und Dienstleistungen.

1

q) Zeigt die mögliche, langfristige Entwicklung der Wirtschaftsleistung aufgrund der Produktionsfaktoren, die zur Verfügung stehen.

6

r) Die Wirtschaftsleistung steigt markant an; Unternehmungen investieren kräftig und stellen neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein.

5

s) Die Wirtschaftsleistung stagniert. Überstunden werden abgebaut und Produkte an Lager gelegt.

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t) Die Wirtschaftsleistung sinkt infolge einer Bankenkrise um mehr als 10 %.

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Aufgabe 1 ifo Konjunkturprognose Frühjahr 2022 Das ifo-Institut wurde im Jahr 1949 als Informations- und Forschungsstelle (Ifo) für Wirtschaftsbeobachtung gegründet und beschreibt sich wie folgt:

Die Eskalation des russisch-ukrainischen Konflikts und der Ausbruch des Krieges am 24. ­Februar 2022 änderte die wirtschaftliche Lage auch in Deutschland.

«Das ifo Institut will die wirtschaftspolitische Debatte in Deutschland und in Europa mitgestalten. Das können wir, weil wir exzellente Forschung mit wirtschaftspolitischer Relevanz verbinden. Die Forschungsergebnisse bieten Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft ei-ne Grundlage für sachorientierte Entscheidungen. Wir bereiten wissenschaftliche Er-kenntnisse so auf, dass Medien und die Öffentlichkeit das aktuelle ökonomische und poli-tische Geschehen verstehen und einordnen können.»

a) Prof. Dr. Wollmershäuser erläutert in der Pressekonferenz vier verschiedene ­Aspekte, welche die Konjunktur massgebend beeinflussen. Notieren Sie stichwortartig die angesprochenen Aspekte und deren Auswirkungen auf die ­Konjunktur.

1) Die Weltmarktpreise vieler Rohstoffe sind drastisch gestiegen. à Inflationsrate steigt, reduziert Kaufkraft der Haushalte 2) Sanktionen gegen Russlan werden beschlossen à beeinträchtigt Warenhandel und Exporte von Unternehmungen 3) Produktionsausfälle in der Ukraine à Lieferengpässe bei Beschaffung von Vorprodukten 4) Zunahme der Unsicherheit über Dauer und Ausgang des Krieges à Haushalte und Unternehmungen kaufen und investieren weniger b) Das ifo hat für die Konjunkturprognose zwei Szenarien (siehe Seite 17) in Betracht gezogen. Welches ist das positivere Szenario? Begründen Sie Ihre Antwort.

Basisszenario ist positiver, weil ... Bruttoinlandprodukt schneller wieder wächst Mit dem nebenstehenden QR-Code können Sie das Video der Presse­ konferenz zur ifo Konjunkturprognose vom 23. März 2022 aufrufen.

... weniger Arbeitslose aufweist ... weniger Inflation aufweist


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Aufgabe 2 Konjunkturindikatoren – der Zeit voraus Lesen Sie die Ausschnitte aus einem Artikel der Zeitschrift «Bilanz» und beantworten Sie anschliessend die Fragen dazu.

Indikatoren: Der Zeit voraus Investoren gieren nach Konjunkturdaten. Neue Indikatoren wie Google-Suchabfragen oder Luftfrachtraten können Anlegern für die Börse richtungsweisende Anhaltspunkte geben. Hans Peter Arnold Zu ungenau, zu optimistisch, zu langsam: Das ist der wenig löbliche Kommentar von Klaus Zimmermann, Professor für Wirtschaft an der Universität Bonn, zu Konjunkturprognosen. Wie hoch die Prognoserisiken sind, offenbaren die teilweise erheblichen Revisionen. Zum Beispiel beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco): Im März 2012 sagte das Seco der Schweiz für das laufende Jahr ein reales Wirtschaftswachstum von 0,8 Prozent voraus. Nur drei Monate später korrigierte die Expertengruppe des Bundes das Wachstum um 0,6 Prozentpunkte auf 1,4 Prozent nach oben. […] Um zuverlässigere Prognosen zu generieren, werden heute neue Datenquellen und Erhebungsmethoden evaluiert. Bereits gibt es mehrere Studien, die auf Basis von Suchabfragen auf Google eine Prognosekraft ableiten. So haben die Forscher Concha Artola und Enrique Galán in der Studie «Tracking the Future on the Web» den Zusammenhang zwischen Google-Abfragen nach Automarken und den tatsächlichen Autoverkäufen nachgewiesen. Auch im Tourismussektor sind solche Korre­

lationen offensichtlich. Der Reiz solcher Analysen besteht sowohl in der hohen Aktualität der Daten wie auch in der Beinahe-Repräsentativität – aufgrund der breiten Internetnutzung. […] Längst nicht nur das Verhalten von Internetnutzern bietet sich für Real-Time-Analysen und als Baustein für Frühindikatoren an. Getestet werden derzeit unter anderem EchtzeitAnalysen von Handels- und Verkehrsströmen. Dies geschieht zum Beispiel mithilfe von Satel­ liten, welche die Zahl der auf den Weltmeeren verkehrenden Frachtschiffe sowie ihre Geschwindigkeit aufzeichnen. Die Gegenwart hier und jetzt beobachten: «Now-Casting» heisst dieser Trend, dem sich allerdings die etablierten Prognoseinstitute nur zögerlich zuwenden. Für David Marmet, Leiter Volkswirtschaft Schweiz bei der ZKB, steht aber fest, dass Real-Time-Analysen ein grosses Potenzial haben. Umfragebasierte Erhebungen könnten so ins Hintertreffen geraten: «Von der Durchführung von Umfragen bis zur Publi­ kation der daraus gewonnenen Resultate verstreicht bekanntlich viel Zeit.» In der Kritik stehen insbesondere Fragen, die in die Zukunft gerichtet sind, allerdings erheblich vom aktuellen Zeitgeist beeinflusst werden. So befragt die Credit Suisse beispielsweise im sogenannten ZEW-Indikator des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung Analysten in der Schweiz nach der Konjunktur­ten­ denz der kommenden Monate. Oder das Seco

erhofft sich von Konsumenten Aufschluss über künftige grössere Anschaffungen. «Wir müssen neue kurzfristige Indikatoren gewinnen», fordert Klaus Zimmermann angesichts der voranschreitenden Internetökonomie. Die aktuelle Standortbestimmung sei ja schon höchst anspruchsvoll. «Internetdaten, die praktisch kontinuierlich erhoben werden können, helfen uns, die gegenwärtige Lage zu bestimmen.» Als Leiter des Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) hat Zimmermann den Toll-Index lanciert, der Maut-Daten aus dem Gütertransport auf den Autobahnen verwendet. Neben realwirtschaftlichen Fakten sollten Daten zu Finanzströmen ein stärkeres Gewicht haben, meint Susanne Haury von Siebenthal von Publica, der Pensionskasse des Bundes. Haury von Siebenthal steht mit dieser Aussage nicht allein. Auch andere Experten wie Finanzmarktprofessor Erwin Heri sehen gerade die Börsenindizes als wertvolle Signalgeber Schliess­lich seien in den Aktienkursen alle zurzeit verfügbaren Informationen unmittelbar enthalten. Viele Prognostiker vernachlässigen diesen Sektor jedoch sträflich. […] Neben Daten aus einzelnen Ländern und Zonen sind globale Konjunkturdaten besonders wertvoll. Dazu gehören etwa die Fracht- und Passagierdaten der IATA, des internationalen Branchenverbandes der Luftfahrtindustrie. Die Daten zur Luftfracht weisen derzeit kaum auf eine Expansion der Wirtschaftsaktivität hin,

was Investoren eher zu Vorsicht mahnt und dazu, mit Zukäufen zu warten. Aufschlussreich ist schliesslich das Geschäft der Halbleiterindustrie. Nicht nur in DesktopPCs, Notebooks und Smartphones stecken Halbleiter. Immer mehr Konsum- und Industriegüter sind von Prozessoren durchsetzt. Der Geschäftsgang dieser Branche ist ein verlässlicher Signalgeber für die Weltwirtschaft. Aktuell sind etwa die Daten der in Nordamerika ansässigen Investitionsgüter-Unternehmen (www.semi.org). Im Juni schwächten sich die Aufträge sowohl gegenüber Mai wie auch gegenüber dem Vorjahresmonat erheblich ab. Die schlechten Halbjahreszahlen der meisten IT-Konzerne waren vor diesem Hintergrund eine logische Folge. Selbst unter Einbezug der neuen Generation von Indikatoren ist es höchst anspruchsvoll, den Konjunkturverlauf zuverlässig abzuschätzen. Die Zyklen werden kürzer, die Ausschläge grösser. Vor allem: Der Einfluss der Politik und der Zentralbanken ist exponentiell gestiegen. Nebst Zinssenkungen hätten die wichtigsten Zentralbanken mit unkonventionellen Massnahmen auf die jüngste Wirtschafts- und Finanzkrise reagiert, erklärt David Marmet von der ZKB. Die Modelle, deren sich die Ökonomen in der Vergangenheit bedient hätten, büssten einen Teil ihrer Prognosekraft ein. Marmet: «Ökonomie und Politik hängen heute wesentlich stärker zusammen.» Quelle: «Bilanz», 14.09.2012


a ) Warum werden die bisher üblichen Konjunkturprognosen kritisiert?

Sie sind zu ungenau, zu optimistisch, zu langsam. Die Zahlen müssen häufig nach einer bestimmten Zeit nach unten

Aufgabe 3 Zielkonflikte in der Konjunkturpolitik Lesen Sie den Abschnitt zu den Zielkonflikten in der Konjunktur- und Wirtschaftspolitik (Theo­ rie, S. 8) aufmerksam durch und beantworten Sie die folgenden Fragen. a) Zwischen welchen Zielgrössen werden beispielhaft drei Zielkonflikte beschrieben?

korrigiert werden.

Vollbeschäftigung und ausgeglichener Staatshaushalt

b) Was unterscheidet die bisherigen Prognoseindikatoren grundsätzlich von den neuen Indikatoren?

Bisherige Indikatoren basierten in erster Linie auf Umfragen. Neue Indikatoren stützen sich auf Real-Time-Analysen, also auf Daten, die sofort verfügbar sind.

Vollbeschäftigung und Preisstabilität Sozialer Ausgleich und Wirtschaftswachstum b) Fassen Sie die Inhalte der beschriebenen Zielkonflikte in eigenen Worten zusammen; Sie können dabei mit Stichworten und Folgepfeilen arbeiten.

1. Vollbeschäftigung – ausgeglichener Staatshaushalt

c ) Warum sollen neben realwirtschaftlichen Fakten vermehrt auch Daten zu Finanz­ strömen (z. B. Aktienindizes) in Prognosen einfliessen?

Ausgangslage = Rezession (Folge Arbeitslosigkeit)

In Börsenindizes sind alle aktuell verfügbaren Informationen

Ziel Vollbeschäftigung à Staat erhöht Ausgaben und senkt Steuern

unmittelbar enthalten.

à Staatsdefizite / werden im folgenden Konjunkturaufschwung nicht ausgeglichen; Ziel ausgeglichener Staatshaushalt verfehlt

d) Nennen Sie drei neue Indikatoren, die im Text erwähnt werden.

2. Vollbeschäftigung – Preisstabilität Ausgangslage = Rezession (Folge Arbeitslosigkeit)

Bestimmte Suchabfragen bei Google

Ziel Vollbeschäftigung à SNB weitet Geldmenge aus: à Inflation

Daten zur Luftfracht Daten zum Geschäftsgang der Halbleiterindustrie e ) Interpretieren Sie die Aussage, dass der Einfluss der Politik und der Zentralbanken gestiegen und Prognosen deshalb schwieriger seien.

(falls Geldstrom > Gütermenge), Ziel Preisstabilität verfehlt 3. Sozialer Ausgleich – Wirtschaftswachstum Ziel sozialer Ausgleich gefährdet: Furcht vor Nachfrageeinbruch,

Wenn der Staat und die Zentralbank auf Prognosen direkt mit

Arbeitslosigkeit und sozialen Spannungen.

politischen Mitteln reagieren, beeinflussen sie die konjunkturelle

Staat unterstützt Branchen / Firmen à führt zu ineffizientem

Entwicklung und verhindern so das Eintreten der Prognose.

Einsatz von Ressourcen: à Ziel Wirtschaftswachstum gefährdet

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