Recht 18 - SV

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Strafrecht

Jene Beziehungen zwischen Menschen, deren Grundlagen nicht wirtschaftlicher Art sind, zählen wir zum sozialen System. Auch hier besteht Bedarf an rechtlichen Regelungen. Einerseits muss die staatliche Organisation in einen rechtlichen Rahmen gestellt und andererseits die Tätigkeit der Verwaltung mit gesetzlichen Grundlagen versehen werden. Solche Rechtsnormen sind im Staats- und Verwaltungsrecht zusammengefasst.

Daneben gibt es andere soziale Problemstellungen, um die sich der Rechtsstaat kümmern muss: Wenn eine Person den sozialen Frieden stört, indem sie Straftaten begeht, muss im Strafrecht festgelegt werden, mit welchen Sanktionen die betreffende Person belegt wird.

Theorie

Aufgaben

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Voraussetzungen für die Strafbarkeit einer Handlung.......................................... 4 Zweck einer Bestrafung ..................................................................................... 6 Mögliche Sanktionen ......................................................................................... 8 Strafzumessung ............................................................................................... 10

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Was sagt das Strafgesetzbuch?.......................................................................... 12 Welche Strafe halten Sie für angebracht?........................................................... 14 Ist «Strafbarkeit» gegeben?................................................................................ 16 Was ist das richtige Strafmass?.......................................................................... 18

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Beispiel zum Strafrecht: 1 Voraussetzungen für die Verkehrsunfall Strafbarkeit einer Handlung Die fünfköpfige Familie A. ist auf dem Nachhauseweg von einem Veloausflug, als ein Automobilist wegen übersetzter Geschwindigkeit sein Fahrzeug nicht mehr unter Kontrolle halten kann. Ausgangs des Dorfes W. kommt der Wagen von Marco L. ins Schleudern, gerät auf die Gegenfahrbahn und erfasst frontal die korrekt auf dem Radstreifen fahrende Gruppe von Velofahrern. Der Vater wird schwer verletzt und wird vermutlich querschnittgelähmt bleiben. Die 10-jährige Tochter erliegt ihren schweren Verletzungen noch auf dem Weg ins Spital, die Mutter sowie der 8½-jährige Sohn liegen in besorgniserregendem Zustand im Spital, einzig die auf dem Kindersitz des Vaters mitfahrende jüngste Tochter kommt wie durch ein Wunder mit leichten Schürfungen davon. Junger Automobilist verursacht einen tragischen Verkehrsunfall Abb. 1: Junger Automobilist verursacht einen tragischen

Verkehrsunfall

 Der Staat ahndet Straftaten Für viele Leute liefern Straftaten wie dieses Beispiel die Hauptbegründung für vom Staat erlassene rechtliche Regelungen, für das Recht schlechthin. Bei einem Zivilrechtsverfahren («Zivilprozess») geht es «lediglich» um einen Streit zwischen zwei Privatpersonen, bei dem zur Schlichtung ein neutrales Gericht angerufen werden kann, beispielsweise um die Interpretation von Lieferbedingungen in einem Kaufvertrag zu beurteilen. Strafrechtsfälle beinhalten dagegen vom sozialen System nicht tolerierte Verletzungen von gesellschaftlichen Werten. Die Rechtsordnung des Staates muss die einzelnen Mitglieder der Gesellschaft vor Verletzungen von grundlegenden Werten schützen und die Täter bestrafen.

Die Justiz hat im geschilderten Unfall den Streit zwischen der betroffenen Familie A. und dem Verursacher Marco L. zu beurteilen. Nach unseren Auffassungen des gesellschaftlichen Zusammenlebens dürfen Verletzungen wichtiger Rechtsgüter, wie Vergehen gegen die körperliche Integrität durch Körperverletzung, Mord und Totschlag oder Vergewaltigung, aber auch Vermögensverletzung wie Raub oder Diebstahl, nicht willkürlich beurteilt werden.

 Grundsätze im Strafgesetzbuch Die Grundsätze des Strafrechts sind im Schweizerischen Strafgesetzbuch (StGB) festgelegt. Dieses Gesetz enthält in einem ersten, allgemeinen Teil Grundlagen, die für jeden Straffall gelten, auch für solche Handlungen, die nicht im StGB, sondern in anderen Bundesgesetzen geregelt werden. Im zweiten Teil des StGB werden die einzelnen strafbaren Handlungen explizit aufgeführt.

 Weitere strafbare Handlungen im Nebenstrafrecht Neben dem StGB enthalten auch weitere Gesetze (als «Nebenstrafrecht» bezeichnet) Rechtsnormen, die für ein bestimmtes menschliches Verhalten Strafen vorsehen. So kommt beispielsweise für unser einleitendes Beispiel das Strassenverkehrsgesetz (SVG) zur Anwendung. Menschen, die durch den Konsum von Haschisch oder anderen Drogen straffällig werden, verstossen gegen das Betäubungsmittelgesetz (BMG). Die Anstellung eines ausländischen Pizzaiolos in einem Restaurant betrifft juristisch nicht nur das Arbeitsrecht, sondern erfüllt, falls keine Arbeitsbewilligung für Ausländer vorliegt, auch einen Straftatbestand aus dem Ausländergesetz (ANAG). Ferner enthalten auch viele Bestimmungen des Umweltrechts Straftatbestände. Es ist einleuchtend, dass es nicht genügen kann, wenn der Staat im Gewässerschutzgesetz (GSchG) den Grundsatz aufstellt, die Gewässer vor nachhaltigen Einwirkungen zu schützen. Regeln zum Schutz der Umwelt können nur dann durchgesetzt werden, wenn Verstösse dagegen auch bestraft werden.


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Problemlöseschema im Strafrecht

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Voraussetzungen für die Strafbarkeit einer Handlung

Damit eine Tätigkeit zu einer strafbaren Handlung wird (die Juristen sprechen von einem «Delikt»), müssen verschiedene Voraussetzungen geprüft werden.

(1)

Tatbestandsmässigkeit

Ein gesetzlicher Tatbestand umschreibt die tatsächlichen Voraussetzungen für seine rechtlichen Konsequenzen. Im Strafrecht unterscheiden wir objektive und subjektive Tatbestandsmerkmale.

 Subjektive Tatbestandsmerkmale: Vorsatz, Eventualvorsatz, Fahrlässigkeit? Bestraft werden kann nur, wer für sein Verhalten eine Schuld trägt. Im Strafgesetzbuch wird für das Verschulden zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit unterschieden (Art. 12 StGB). Während beim Vorsatz ein «Verbrechen oder Vergehen mit Wissen und Willen» ausgeführt wird, handelt ein Täter dann fahrlässig, wenn er «die Folgen seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit» nicht bedacht hat. In unserem Eingangsbeispiel kann davon ausgegangen werden, dass Marco L. den Unfall nicht vorsätzlich verursacht hat. Die Tatsache, dass er mit übersetzter Geschwindigkeit in die Kurve raste, macht ihn aber trotzdem schuldig, sein Verhalten war fahrlässig. Man würde in diesem Fall sehr wahrscheinlich von grober Fahrlässigkeit ausgehen; eine solche ist dann gegeben, wenn wir den Satz «so etwas darf nicht passieren» anwenden können. Falls gilt, «so etwas kann passieren», sprechen wir von leichter Fahrlässigkeit. Gemäss Art. 12 Abs. 2 StGB handelt bereits vorsätzlich, wer die Verwirklichung der Tat für möglich hält und in Kauf nimmt (Eventualvorsatz).

 Objektive Tatbestandsmerkmale: Täter, Handlung, Kausalzusammenhang? Eine erste Voraussetzung beinhaltet das so genannte Legalitätsprinzip, das im ersten Artikel des Strafgesetzbuches festgehalten ist: «Eine Strafe oder Massnahme darf nur wegen einer Tat verhängt werden, die das Gesetz ausdrücklich unter Strafe stellt.» Ein Verhalten muss danach durch einen Gesetzesartikel als strafbar erklärt sein. Genau diese Aufzählung von strafbaren Handlungen enthält der zweite Teil des Strafgesetzbuches. Die Marginalien zu den Artikeln 111ff. StGB lesen sich denn auch wie eine Anleitung zu einem Kriminalroman: Mord und Totschlag, schwere Körperverletzung, Veruntreuung, Diebstahl, Raub, Betrug, Freiheitsberaubung und Entführung, Vergewaltigung, Geld- oder (2) Rechtswidrigkeit Urkundenfälschung sind nur einige Beispiele daraus. Die folgende Abbildung mit den Spontan wird man zwar sagen, dass eine Straftat wie Mord oder Totschlag grundsätzlich Kapitelüberschriften des zweiten Teils des Strafgesetz-buches vermittelt eine Übersicht über immer rechtswidrig sei. Wenn eine angegriffene Person aber aus Notwehr einen Angreifer mögliche Straftatbestände. verletzt, so ist die Rechtswidrigkeit nicht gegeben. • Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben  Rechtfertigungsgrund: Notwehr und Notstand? • Strafbare Handlungen gegen das Vermögen Gemäss Art. 15 StGB ist eine angegriffene Person ausdrücklich berechtigt, den Angriff in «einer • Strafbare Handlungen gegen die Ehre und den Geheim- oder Privatbereich • Verbrechen und Vergehen gegen die Freiheit den Umständen angemessenen Weise» abzuwehren. Eine Frau, die sich gegen eine drohende • Strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität Vergewaltigung wehren kann, indem sie durch heftige Gegenwehr mit einem harten • Verbrechen und Vergehen gegen die Familie Gegenstand das Auge ihres Peinigers verletzt, begeht demzufolge keine strafbare Handlung. • Gemeingefährliche Verbrechen und Vergehen Ebenfalls keine strafbare Handlung begeht diejenige Person, die für eine bestimmte Tat einen • Verbrechen und Vergehen gegen die öffentliche Gesundheit Notstand geltend machen kann (Art. 17 StGB). Wenn D. Schmid unbefugt in den Keller der • Verbrechen und Vergehen gegen den öffentlichen Verkehr Liegenschaft seiner Nachbarin eindringt (die momentan ortsabwesend ist), um drohende • Fälschung von Geld, amtlichen Wertzeichen, amtlichen Zeichen, Mass und Gewicht • Urkundenfälschung Wasserschäden infolge einer Überschwemmung zu verhindern, so wird er sich im Falle eines • Verbrechen und Vergehen gegen den öffentlichen Frieden Streites auf Notstand berufen können und deshalb den Straftatbestand des Hausfriedensbruchs • Straftaten gegen die Interessen der Völkergemeinschaft nicht erfüllen. • Verbrechen und Vergehen gegen den Staat und die Landesverteidigung Die Überprüfung einer strafbaren Handlung auf Rechtswidrigkeit bedeutet folglich, dass eine • Vergehen gegen den Volkswillen Tat nur dann strafbar ist, wenn die Handlung weder aus Notwehr noch im Notstand erfolgte. • Strafbare Handlungen gegen die öffentliche Gewalt • Störung der Beziehungen zum Ausland • Verbrechen und Vergehen gegen die Rechtspflege • Strafbare Handlungen gegen die Amts- und Berufspflicht • Bestechung • Übertretungen bundesrechtlicher Bestimmungen Straftatbestände aus dem Strafgesetzbuch (StGB)


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(3) Schuldfähigkeit Damit jemand für ein Verhalten – wie etwa eine Körperverletzung – bestraft werden kann, muss der Täter gemäss Art. 19 StGB fähig sein, «das Unrecht seiner Tat einzusehen oder gemäss dieser Einsicht zu handeln.»

 Schuldunfähigkeit: Jugendliches Alter, schwere psychische Störungen? Für Jugendliche zwischen dem 10. und dem 18. Altersjahr gelten die besonderen Bestimmungen des Jugendstrafgesetzes (JStG). Darin gilt der Grundsatz «Erziehung kommt vor Strafe», und entsprechend werden Jugendliche nicht im Sinne des StGB bestraft, sondern es werden mehrheitlich erzieherische Massnahmen ausgesprochen, um damit die Jugendlichen wieder auf den «rechten Weg» zu bringen. Kinder unter 10 Jahren sind grundsätzlich nicht strafmündig. In solchen Fällen werden die Eltern von den zuständigen Stellen informiert und eventuell vor-mundschaftliche Massnahmen in die Wege geleitet. Ursachen fehlender Schuldfähigkeit sind häufig Psychosen, wie etwa die Manie, Depression oder Schizophrenie. Daneben können auch Persönlichkeitsstörungen (z. B. Neurosen), mangelnde Intelligenz oder schwere Bewusstseinsstörungen (Alkoholoder Drogenrausch) die Schuldfähigkeit beeinträchtigen. Bestehen ernsthafte Zweifel an der Schuldfähigkeit müssen die Strafbehörden die Täterin oder den Täter von einer Fachperson begutachten lassen. Bei verminderter Schuldfähigkeit mildert das Gericht die Strafe.

Zweck einer Bestrafung 2 2Zweck einer Bestrafung Der Zweck der Bestrafung einer Tat liegt einmal in der Vergeltung (oder Sühne) eines verübten Unrechts. Die Strafe soll einen gerechten Schuldausgleich bewirken. Aus dieser Begründung leitet sich der Grundsatz des Verschuldensstrafrechts ab. Ferner soll im individuellen Fall ein überführter Täter durch die abschreckende (präventive) Wirkung einer Strafmassnahme von weiteren Straftaten abgehalten werden (Spezialprävention). Die präventive Wirkung kann sich aber nicht nur auf einen individuellen Fall, sondern auf die Allgemeinheit ganz generell beziehen. Wenn eine in Aussicht stehende Bestrafung für eine Tat (zum Beispiel das Wissen, dass eine Geschwindigkeitsübertretung von 18 km/h innerorts mit einer Busse von 400 Franken bestraft wird) einen Dritten von dieser Tat abhält, sprechen wir von der «Generalprävention» einer Strafe. Diese allgemeine abschreckende Wirkung darf allerdings nicht überschätzt werden. Potenzielle Täter (in unserem Beispiel die Raser) ziehen in aller Regel bei Übertretungen nicht so sehr die abschreckende Wirkung einer möglichen Bestrafung, sondern vielmehr die Wahrscheinlichkeit einer Überführung, d.h. die Wahrscheinlichkeit des Erwischtwerdens in Betracht.

Hätte der Täter die Schuldfähigkeit vermeiden oder zumindest voraussehen können, kann er keine Milde der Richter erwarten. Typischer Anwendungsfall ist der Automobilist, der bedenkenlos Alkohol konsumiert, obwohl er weiss, dass er noch nach Hause fahren muss.

(4) Weitere Voraussetzungen Für eine Bestrafung ist ein Strafantrag notwendig und die Fristen müssen ebenfalls beachtet werden.

 Strafantrag: Offizial- oder Antragsdelikt? Bei schweren Verbrechen wird der Staat von sich aus aktiv; wir sprechen dort von Offizialdelikten. Geringfügige Delikte wie beispielsweise Sachbeschädigungen werden nur dann geahndet, wenn das Opfer dies auch beantragt, entsprechend heissen solche Tatbestände Antragsdelikte.

 Fristen: Ist die Tat verjährt? Schliesslich muss noch eine allerletzte Voraussetzung erfüllt sein, damit ein menschliches Verhalten bestraft wird: die Verfolgung einer Tat darf nicht verjährt sein (Art. 97 101 StGB). Schwerwiegende strafbare Taten, die mit lebenslänglichen Freiheitsstrafen bestraft werden können, zum Beispiel ein skrupelloser Mord, verjähren nach 30 Jahren. Für andere, weniger schwerwiegende Taten gelten Verfolgungsverjährungsfristen von 7 bis 15 Jahren.

Für die Stiftung RoadCross sind repressive und präventive Massnahmen drinAbb.nötig: 3: Für die ist Stiftung sind Menschen repressiveprogrammiert.» und präventive gend «Sonst der Tod RoadCross zahlreicher junger

Massnahmen dringend nötig: «Sonst ist der Tod zahlreicher junger Menschen programmiert.»


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Aufgabe 3 3 Aufgabe

Ist «Strafbarkeit» «Strafbarkeit» gegeben? Ist gegeben?

Damit eine Tätlichkeit zu einer strafbaren Handlung wird, müssen die folgenden Aspekte geprüft werden:

Überprüfen Sie mit Hilfe der StGB-Artikel, ob für den hier beschriebenen Fall die Voraussetzungen für die Strafbarkeit gegeben sind.

1)

Sachverhalt:

Tatbestandsmässgkeit  Objektive Tatbestandsmerkmale: Täter, Handlung, Kausalzusammenhang?  Subjektive Tatbestandsmerkmale: Vorsatz, Eventualvorsatz, Fahrlässigkeit?

2) Rechtswidrigkeit  Rechtfertigungsgrund Notwehr?  Rechtfertigungsgrund Notstand?

3) Schuldfähigkeit  Schuldunfähigkeit: Jugendliches Alter?  Schuldunfähigkeit: schwere psychische Störungen?

4) Weitere Voraussetzungen  Antrags- oder Offizialdelkt?  Verjährung?

Als der Ex-Ehemann, Matthias F., die Wohnung seiner geschiedenen Frau betritt, flüchtet ihr Freund, Beda K., ins Schlafzimmer. Matthias F. schlägt die Schlafzimmertüre ein und bedroht seinen vermeintlichen Widersacher nicht mit blossen Fäusten, sondern mit einem Stellmesser. Als sich der Angreifer auf Beda K. stürzen will, zieht dieser unvermittelt eine Gaspistole und gibt aus nächster Nähe einen Schuss in das Gesicht von Matthias F. ab. Dieser bricht mit einem Schrei zusammen, worauf Beda K. nochmals zwei Schüsse in Richtung Gesicht des Angreifers abgibt. Matthias F. muss aufgrund ernsthafter Verletzungen im Gesicht für zwei Wochen ins Spital eingeliefert werden.


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Was ist das richtigegegeben? Strafmass? Ist «Strafbarkeit»

Sachverhalt: Ein angetrunkener, zu schnell fahrender Automobilist kommt auf einer Autostrasse zwischen zwei Dörfern ins Schleudern und fährt in eine fünfköpfige Familie hinein, die sich auf einer Velotour befindet. Eines der Kinder stirbt, der Vater wird lebensgefährlich verletzt und ist seither querschnittgelähmt. Das Bezirksgericht findet den Autofahrer der fahrlässigen Tötung sowie der fahrlässigen schweren Körperverletzung für schuldig und verurteilt ihn zu einer bedingten Gefängnisstrafe von zehn Monaten und einer Busse von 1'000 Franken (zuzüglich der amtlichen Kosten). Ergebnis dieses Urteils sind emotionale Reaktionen in den Leserbriefspalten der Regionalpresse mit Überschriften wie «Skandalurteil» oder «Lächerliches Strafmass».

Lösen Sie die nachstehenden Fragen zu diesen Ausführungen.

a)

Wie beurteilen Sie das Strafmass gemäss Ihrem persönlichen Empfinden?

b) Wie ist das Strafmass aufgrund der massgebenden StGB-Artikel zu beurteilen? c)

Wie wäre der Täter unter einem Erfolgsstrafrecht bestraft worden?

Die Justiz (Bezirksgerichtspräsident Christoph Keller und der zuständige Staatsanwalt André Zürcher) reagiert in einem Gespräch mit der regionalen Presse wie folgt:

d) Suchen Sie nach Gründen, weshalb eine Bestrafung nach den Grundsätzen des Schuld-

Das Urteil ist aus Sicht von André Zürcher durchaus schuldangemessen. Der Staatsanwalt sieht deshalb keinen Grund, das Urteil des Bezirksgerichts an das Kantonsgericht weiterzuziehen – ein Recht übrigens, das gemäss kantonaler Strafprozessordnung der betroffenen Familie nicht zustehen würde.

e)

Welches ist gemäss den Ausführungen des Bezirksgerichtspräsidenten der Unterschied zwischen der general- und der spezialpräventiven Wirkung einer Strafe?

f)

Wie beurteilen Sie persönlich die beiden unter e) genannten Wirkungen einer Strafe?

Der Bezirksgerichtspräsident ist überrascht von den Reaktionen Unbeteiligter. Im Interview führt Keller aus: «Die schwierigste Frage für uns Richter ist doch jene nach der Angemessenheit der Strafe: Was können wir dem Angeklagten konkret vorwerfen? In unserem Fall fuhr der Mann angetrunken mit 0,89 Promille und einer Geschwindigkeit von 110 km/h, gerät ins Schleudern und rast in eine Velofahrergruppe. Das Gericht muss jetzt das Fehlverhalten einer Person beurteilen, einen Vorfall, der nur wenige Sekunden gedauert hat. Auf die Folgen des Fehlverhaltens stellt sowohl das Gesetz als auch ein Gericht als Anwender dieses Gesetzes nur beschränkt ab.» Dies sei ein Ausfluss des Wechsels vom Erfolgsstrafrecht zum Schuldstrafrecht, sagt Keller. Danach wird nicht primär auf das Opfer, sondern auf den Täter geschaut. Christoph Keller glaubt übrigens nicht, dass hohe Strafen generalpräventiv wirken, d.h. geeignet sind, Übertretungen zu verhindern. «Einem Delinquenten geht es in erster Linie darum, nicht erwischt zu werden.» Ein Urteil von zehn Monaten Gefängnis ist zudem, gemäss den Ausführungen von Keller, kein mildes Urteil, auch wenn es bedingt ausgesprochen worden ist. Eine bedingte Strafe sei nämlich die herausragendste Möglichkeit, spezialpräventiv zu wirken, d.h. einen bestimmten Delinquenten hinsichtlich seines künftigen Verhaltens zu beeinflussen. Abschliessend nimmt der Bezirksgerichtspräsident zu dem in vielen Leserbriefen geforderten Führerscheinentzug Stellung: «Der Führerscheinentzug ist nicht Sache des Gerichtes», stellt er klar. «Ein ‹Billett-Entzug› wird zwar von den Betroffenen durchaus als Strafe empfunden, aus rechtlicher Sicht handelt es sich dabei in unserem Kanton jedoch um eine Administrativmassnahme, für die das kantonale Strassenverkehrsamt und nicht das Bezirksgericht zuständig ist.»

strafrechts als gerechter angesehen wird.

a) Individuelle Antworten Sehr wahrscheinlich wird das Urteil als «zu milde» empfunden.


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