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Über den Wolken

Marcus Meyer war unter anderem als Commercial Director Europe für Induyco, El Corte Ingles in Madrid tätig, sowie neun Jahre als Geschäftsführer für den deutschsprachigen Raum bei der Benetton Gruppe. Zuletzt baute er von 2003 bis 2010 erfolgreich die Marke Geox in den deutschsprachigen Märkten auf.

Highline United Eu rope . Das Headquarter im neunten Stockwerk signalisiert, wohin der Weg führen soll. Marcus Meyer, CEO und President von Highline United Europe steht wortwörtlich über den Dingen. In nur zwei Jahren ist die Tochtergesellschaft der chinesischen Max Oriental Group als international aufgestelltes Schuhunternehmen mit eigenen Produktionsstätten, einem Jahresumsatz auf Gruppenebene von 330 Millionen Euro und einem Portfolio mit sechs Marken überproportional gewachsen.

Text: Isabel Faiss. Fotos: Highline United Europe

Herr Meyer, nach dem erfolgreichen Aufbau der Marke Geox wollten Sie sich erst einmal selbstständig machen. Was reizte Sie am Auftrag von J. C. Chiang, Chairman der chinesischen Max Oriental Group, Highline United Europe zu gründen?

Als mich J. C. Chiang damals in seinen Showroom nach New York einlud, war ich fasziniert. Mich interessierte die Struktur des Unternehmens mit eigenen Produktionsstätten in China und einem international sehr gut ausgebauten Netzwerk von Designern, externen Produktionsstätten und vor allem einer soliden Kundenstruktur. Ich fand die Herausforderung interessant, wegen des ansprechenden Markenportfolios mit hochwertigen Designermarken und einem großen Anteil an Eigenmarken. Die Max Oriental Group ist ja ursprünglich aus dem Geschäftsbereich Private Label heraus entstanden und hat sich erst darüber hinaus zu einem Unternehmen mit eigenen Marken weiterentwickelt. Im November 2011 habe ich dann die Highline United Europe GmbH in München gegründet, im April 2012 in London die Highline United Europe Ltd. als Mutterzentrale.

Gedanklich setzt man China ja nicht automatisch mit Premi umschuhen in Verbindung.

Der chinesische Markt hat sich stark weiterentwickelt. Mit unserem Qualitätsanspruch sind wir in China ideal aufgehoben, weil das Know-how auf einem sehr hohen Niveau ist. Wir sind sozusagen das beste Beispiel dafür, dass Made in China ein Qualitätsmerkmal ist. Die Fabriken der Max Oriental Group sind ethisch, ökologisch und sozial nach höchsten Standards ausgerichtet. Das hat mich letztendlich vom Unternehmen überzeugt.

Das Private Label Business legte den Grundstein für die Max Oriental Group. Welche Rolle spielt es heute für die Europa-Gesellschaft?

Das ist unser zweites Standbein. Mit Großkunden wie beispielsweise Marks & Spencer erzielen wir hier große Erfolge. Mit weiteren Unternehmen in England, aber auch in Deutschland, führen wir Gespräche. Durch unsere Erfahrung und unser Know-how hinsichtlich der Produktion bieten wir unseren Kunden ein Full-Service, der weit über das Produkt hinausgeht. Sie profitieren dabei von unserem internationalen Pool von Kreativteams und Designern und davon, dass wir durch unsere eigenen Marken frühe Barometer für Trends direkt im Markt haben. Mit Marks & Spencer sind wir schon im gut siebenstelligen Paarzahlen-Bereich unterwegs, Tendenz steigend. Weltweit ist das Verhältnis zwischen Private

Die New Yorker Designermarke Elie Tahari vertreibt Highline United in Amerika und Europa als Lizenz.

Mit der weltweiten Lizenz für die Schuhkollektion von French Connection hat Marcus Meyer große Pläne. Bisher war die Kollektion nur in England vertreten.

Label und eigenen Marken fast 50 zu 50. In Europa haben wir noch eine deutliche Gewichtung auf eigene Marken.

Die Max Oriental Group unterhält inzwischen vier Tochtergesellschaften, neben der Highline United Europe auch die Highline United US, Highline United Asia/China und Highline United Asia/Pacific. Inwieweit nutzen Sie Synergieeffekte innerhalb der Gruppe?

Die meisten Synergieeffekte haben wir hinsichtlich der Produktion und unseres Markenportfolios, was natürlich auch zu Überschneidungen führt. Allerdings ist das von Marke zu Marke unterschiedlich, je nach individuellem Besitzverhältnis. Marken wie Ash oder Julian Hakes gehören zur Max Oriental Group und wir führen diese im Joint-Venture. French Connection oder Elie Tahari sind Lizenzmarken. Bei French Connection halten wir beispielsweise die weltweite Lizenz, obwohl das Amerikageschäft über die amerikanische Tochtergesellschaft abgewickelt wird. Die italienische Marke Nylo, die wir gerade erst im Markt launchen und ausbauen, oder Julian Hakes führen unsere Tochtergesellschaften gar nicht, was für uns bedeutet, dass wir auch das Amerikageschäft verantworten.

Mit der Marke Ash führen Sie bereits einige Marken-Stores. Tritt Highline United darüber hinaus auch als Retailer auf?

Nein, Highline United fungiert als Dachmarke, die wir zwar in der Branche kommunizieren, um zu zeigen, was in unserem Portfolio steckt, doch die nicht an den Konsumenten transportiert wird. Unser Ziel ist es, Marken ins Portfolio zu holen, die sich gegenseitig ergänzen und nicht kannibalisieren. Insofern wären wir tatsächlich ein gutes Multibrand-Konzept für eigene Retail-Stores, weil der Konsument im Geschäft ein anspruchsvolles und abwechslungsreiches Produktsortiment vorfinden würde. In China führt unser Mutterkonzern unter dem Namen Villa Rouge vereinzelt eigene Multibrand-Konzepte bestehend aus dem HighlineUnited-Portfolio, aber das ist kein Konzept, das wir für einen weltweiten Roll-out vorbereiten. Für mich steht an erster Stelle, mit den strategisch wichtigen Partnern im Einzelhandel gemeinsam zu wachsen und eine Marke zu entwickeln.

Welche Ziele haben Sie sich für Europa gesetzt?

Im Moment legen wir den Schwerpunkt auf die deutschsprachigen Märkte, gefolgt vom englischen, italienischen und französischen. Für diese strategisch sehr wertvollen Märkte haben wir Büros in London und Paris eröffnet. In anderen Ländern wie Belgien und Holland, in denen wir auch eine sehr gute Entwicklung haben, arbeiten wir wie im Rest Europas mit Distributoren und Agenturen zusammen. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass wir schon da sind, wo wir hin wollen – vor allem mit den neuen Marken wie French Connection, Nylo oder Luxury Rebel, die wir gerade erst anfangen, zu entwickeln bzw. aufzubauen. French Connection haben wir erst mit der Frühjahr-/Sommer-Kollektion 2013 übernommen. Davor war die Marke nur im englischen Markt vertreten. Unser Motto ist, langsam und gesund zu wachsen. Die beste Bestätigung für unsere Philosophie ist, dass viele Marken auf uns zukommen und fragen, ob wir sie produzieren können. Das bestätigt uns in unserer Kernkompetenz.

Worin sehen Sie die größten Herausforderungen für Highline United Europe in den kommenden Jahren?

Die Märkte entwickeln sich heute immer schneller, vor allem modische Themen werden immer schneller umgesetzt. Dafür muss man aufgestellt sein und zur richtigen Zeit das richtige Produkt draußen haben. Uns hilft es, dass wir die gesamte Wertschöpfungskette im eigenen Haus abdecken. Eine kleine Serie können wir innerhalb von sechs Wochen umsetzen. Am Ende macht der den Stich, der die entsprechende Flexibilität hat.

Highline United ist eine Lifestyle-Unternehmensgruppe, die sich auf hochwertiges Schuhwerk im Premiumsegment spezialisiert hat. J. C. Chiang gründete die Max Oriental Group 1994 in Dongguang. Von 2009 bis 2013 erweiterte er das Unternehmen durch die vier Tochtergesellschaften Highline United Asia/China, Highline United US, Highline United Europe und Highline United Asia/ Pacific. 2012 erwirtschaftete die Gruppe 330 Millionen Euro Umsatz und beschäftigte weltweit rund 8.000 Mitarbeiter. Marken Highline United Europe: Ash, Elie Tahari, French Connection, Julian Hakes, Nylo, Luxury Rebel

Neues vom Onlinehandel

Mode 2.0 ist doch total von gestern. Heute ziehen Apps und ganze Webshops in die Ladenlokale ein, während Personal Shopper ins Netz wechseln. Die Kundschaft will sowieso alles auf einmal und sofort und dann auch noch überall Sternchen verteilen. Wohin soll das alles nur führen? Wie lässt sich das Chaos unter den Zukunftstrends im Modehandel bändigen? Wir räumen mal ein bisschen auf – und dabei gleich ein paar Vorurteile aus dem Weg.

Text: Petrina Engelke. Illustration: Gina Müller

Die Neuen sind immer die Bösen?!

Willkommen im Schützengraben! Onlineshops klauen Kundschaft und mehr noch: Sie nutzen die Läden aus. Beratungsklau nennt man das. Da lässt sich eine Dame einen halben Nachmittag lang im Laden beraten, probiert dies und jenes an, verschwindet am Ende aber ohne eine einzige Tüte – und kauft anderswo, nämlich online. Weil Webshops ordentlich an Miete und Personal sparen können und entsprechend billiger sind. So in etwa stellen Sie sich das auch vor? Da liegen Sie mächtig daneben. „Der Anteil des Umsatzes in Fashion-Onlineshops, dem eine Recherche im stationären Handel vorausgeht, liegt bei lediglich 14 Prozent“, sagt Anke Tischler, Projektmanagerin bei ECC Köln am Institut für Handelsforschung. Damit nicht genug: Die schöne neue Internetwelt kurbelt das Geschäft in der Einkaufsstraße sogar an, wie die Studie „Das Cross-Channel-Verhalten der Konsumenten – Herausforderungen und Chance für den Handel“ ergeben hat. „Ungefähr einem Viertel der stationären Käufe von Kleidung und Co geht eine Informationssuche im Internet mit einem Computer voraus. Diese Käufe sind für 31 Prozent des stationären Umsatzes verantwortlich.“

Im Onlinehandel geht alles immer und überall?!

Wir warten nicht mehr. Liebesbriefe kommen binnen Sekundenbruchteilen per SMS und es füllt auch kaum noch jemand eine Bestellkarte aus, sucht nach Briefmarken und wartet dann, bis nach ungewisser Zeit der Paketbote klingelt. Moment mal: Auf den Paketboten müssen wir ja immer noch warten! Das ist eins der großen Probleme, die der Onlinehandel derzeit anpackt. „Same Day Delivery“ reicht als Zauberwort im Onlinegeschäft nicht mehr. Der Müncher OnlineFashion-Vorreiter Mytheresa liefert internationale Luxusmode innerhalb der Stadt binnen drei Stunden. Denn wir wollen alles sofort. Instant Gratification – auf Deutsch in etwa: Sofortgenuss – gehört zu den heißesten Trends, der Zukunftsforschern ins Schmetterlingsnetz geflogen ist. In Zukunft kann man nicht nur in Webshops bequem zu Hause mit ein paar Klicks einkaufen, sondern auch in Onlinemagazinen. In den USA lanciert der Kreditkartendienstleister Mastercard zusammen mit dem Verlag Conde Nast die App „ShopThis!“: Mit ihr kann man auf Artikel oder Anzeigen in Tablet-Ausgaben von Magazinen klicken und damit die abgebildeten Sachen kaufen. Danach muss man allerdings immer noch aufs Paket warten.

Heute läuft alles über Computer?!

Wer sich strategisch nur auf Computer konzentriert, liegt falsch: Die mobile Internetnutzung – per Smartphone oder Tablet – wächst enorm. Das kann Läden Vorteile verschaffen: „Verbraucher nutzen ihre Mobiltelefone, um Produkte, Preise und Standorte zu suchen“, sagte Joelle Kaufmann von BloomReach erst kürzlich der New York Times. Zudem blättern Modefreunde ganz gern – nicht nur auf ihren iPads. „Kataloge spielen weiterhin eine wichtige Rolle als Impulsgeber in der Modebranche“, sagt Tischler. Längst drucken Ketten wie H&M ihre eigenen Magazine. Solche Kataloge lassen sich per QRCodes mit einem Onlineshop vernetzen – und liefern so Daten zum Erfolg bestimmter Produkte und Kampagnen. „Hierbei ist es wichtig, dass die Seiten, die über

„Manche Männer haben keine Lust, sich am Wochenende in ein Kaufhaus zu schlagen.“

Daniela Struwe legt Männern passende Outfits zurecht, ohne sie je getroffen zu haben. Als Senior Stylistin beim Curated-ShoppingAnbieter Modomoto.com stellt sie aufgrund von Fragebogendaten Pakete zusammen. Worauf es bei der Onlinemodeberatung ankommt, erklärt sie im Interview.

Frau Struwe, Sie stylen Männer über Internetfragebogen und Telefon. Was ist anders, als wenn man mit jemandem in einem Laden spricht?

Das direkte Verkaufsgespräch fällt weg. Stellvertretend fügen wir jedem Paket die persönliche Style-Note hinzu. Da verweisen wir etwa darauf, dass man die Outfits untereinander gut kombinieren kann oder dass diese beerenfarbene Chino für den Herbst besonders schön ist.

Ist es Ihnen schon passiert, dass Sie sich beim ersten Versuch, also beim ersten Paket, total verschätzt haben?

Wir sind nicht davor gefeit, uns zu verschätzen. Es kann schon passieren, dass man etwa verschiedene Vorstellungen davon hat, was trendbewusst heißt. Andererseits treffen wir manchmal auch zu gut: Da sagt der Kunde, er hat viele ähnliche Kleidungsstücke schon im Schrank. Aber im Schnitt behalten Kunden ein Drittel der ersten Box.

Ein häufiger Grund für Retouren im allgemeinen Onlinehandel ist: Das Teil passte nicht. Was können Sie tun, um so etwas zu vermeiden?

Wir haben inzwischen viel Erfahrung mit verschiedenen Herstellern, sodass wir im Vorhinein wissen, ob bestimmte Hosenmodelle kleiner ausfallen und wir es dem Kunden deshalb gleich größer einpacken.

Bei Frauen könnte ich mir gut vorstellen, dass sie Kleidergrößen lieber ein bisschen kleiner angeben. Ist das bei Männern auch so?

Ja, zum Teil. Frauen möchten sich damit vielleicht ein bisschen schmeicheln. Bei Männern glaube ich eher, dass es aus Unwissenheit geschieht. Mit Begriffen wie Kragenweiten können sie nicht immer etwas anfangen. Sie wissen auch oft nicht, welche Sakko-Konfektionsgröße sie tragen. Da springen wir als Experten ein: Wir können von der internationalen Größe und von Fotos her ganz gut darauf schließen, welche Konfektionsgröße oder welche Kragenweite wir wählen sollten.

Jetzt mal ketzerisch gefragt: Haben Männer einfach keine Ahnung von Mode?

(lacht) Es gibt zwei Arten von Männern, die diesen Service nutzen. Die einen sind modisch nicht so interessiert und haben keine Lust, sich am Wochenende in ein Kaufhaus zu schlagen. Man darf dabei nicht vergessen, dass viele ja auch gar nicht in einer großen Stadt leben und daher nicht die Möglichkeit haben, auf ganz viele Hersteller zuzugreifen. Dann gibt es den anderen Kundenkreis, der sehr modisch interessiert ist und es als Mehrwert versteht, von einer persönlichen Stylistin beraten zu werden und neue Impulse zu bekommen. die QR-Codes erreicht werden, für den Gebrauch mit Smartphones und Tablets optimiert sind“, rät Tischler.

Beratung funktioniert nur im persönlichen Gespräch?!

Mit Smartphones von unterwegs mal eben in Mode-Webshops vorbeischauen, die eine riesige Auswahl der neuesten Trends aus aller Welt haben – das weckt Sehnsüchte. Nach Überblick zum Beispiel. Also kämpft der Onlinehandel damit, seinen Kunden Orientierung an die Hand zu geben und bittet erst einmal Promis, mit ihrem guten Geschmack eine Vorauswahl für die normalsterbliche Kundschaft zu liefern. Bei The Coveteur wird das glatt zum Unternehmenskonzept. Dann erfindet die Branche Curated Shopping, so eine Art Ferndiagnose in Sachen Mode. Beim US-amerikanischen Personal-Styling-Service KeatonRow.com stellt ein Stylist für jede Kundin ein individuelles Lookbook zusammen, aus dem sie in diversen Webshops gleichzeitig einkaufen kann. Der Service ist derzeit kostenlos und wird von Onlinehändlern wie Shopbop und Piperlime mitfinanziert. Eine Spezialvariante findet sich in Europa: Bei Modomoto füllen Männer online einen Fragebogen aus, den eine persönliche Stylistin auf Wunsch mit ihnen bespricht, oder sie schnürt ihnen direkt ein Paket mit acht bis zwölf Teilen, von denen die Kunden nur das behalten, was sie wollen. „Wir haben mit Modomoto eine echte Bedarfslücke bei shoppingmüden Männern entdeckt“, sagt Gründerin Corinna Powalla. Sie sieht den Service als Schnittstelle zwischen dem klassischen stationären Handel und dem E-Commerce. Das kann auf die herkömmlichen Läden zurückwirken: „Allgemein erhoffe ich mir eine Umorientierung“, sagt Powalla. „Zurück zum Kunden, der wieder in den Mittelpunkt des Service gestellt wird, sei es im stationären oder im Onlinehandel.“

Es gibt klare Grenzen zwischen E-Commerce und Läden?!

Klar, viele Läden haben einen Webshop als Satellit, weil man das mittlerweile eben so macht. Doch neuerdings verflechten sich diese beiden Verkaufsstellen auf filigranste Weise. So lässt etwa J. Crew Mitarbeiter im firmeneigenen Netz suchen, ob eine im Webshop vergriffene Größe noch in einem der Läden liegt, wenn ein Onlinekunde das wünscht. Der US-Modekonzern Gap geht noch weiter: Er gründete neben Webshops für seine Ladenketten Gap, Old Navy und Banana Republic zusätzlich Piperlime, der Fremdmarken verkauft. Dann taucht während der New Yorker Modewoche ein Piperlime-Popup-Shop auf – und schlägt so gut ein, dass das Unternehmen den Kreis schließt. Piperlime ist heute ein Webshop mit einem stationären Laden, in dem man zusätzlich Zugriff auf den Onlinestore hat, in dem man wiederum nachschauen kann, was gerade im Laden hängt (und in welchen Größen). Da kann einem schon einmal schwindlig werden. Auch der europäische Luxus-Onlinehändler Stylebop hat Ende 2012 einen Laden

eröffnet und zieht mit exklusiv dort erhältlichen Kleidern die Kundschaft nach Koblenz.

Läden sind zum Verkaufen da?!

Das US-Herrenmodelabel Bonobos hat sich als reine Onlinemarke mit der Idee durchgesetzt, gut passende Hosen zu liefern. „Wir dachten, das ginge ganz allein über eine Website“, sagt Erin Ersenkal, als Vice President bei Bonobos zuständig für Guideshops und Planung. „Doch nach Gesprächen mit Kunden wurde uns klar, dass manche vor dem Kauf lieber anprobieren.“ Deshalb eröffnete Bonobos in mehreren US-Städten sogenannte Guideshops – die Geburt des Webshop-Showrooms mit exklusiver Beratung. Auf vorherige Terminabsprache kann man dort wie ein VIP auflaufen, anprobieren und sich ausführlich beraten lassen. Das heißt aber auch: Mitnehmen darf man nichts sofort, stattdessen kommt ein Paket. Der Witz an diesem Konzept: „In einem regulären Laden ist das Personal damit beschäftigt, Sachen zu falten und nachzulegen. Da kann man nicht an erste Stelle stellen, was am wichtigsten ist, nämlich Kundenservice und -zufriedenheit“, so Ersenkal.

Technik ist nicht unsere Baustelle?!

Technik ist etwas für Nerds, also ganz bestimmt kein Feld für Geschäfte mit Stil. Wer so denkt, muss womöglich mit einem – stilvollen – Ende rechnen. Zum Beispiel, weil die eigene Website auf Smartphones nicht zu entziffern ist und sich niemand darum kümmert. Auf den Einkaufsstraßen teilt sich die Strategie: Die einen wehren Technik ab, indem sie den Handyempfang stören, um Preisvergleiche zu verhindern. Die anderen statten sich bis in die Umkleidekabine hinein mit Tablets aus, auf denen Kunden nach anderen Farben, Größen und passenden Accessoires suchen können. So manche Modeunternehmen leisten sich inzwischen sogar Heerscharen eigener Programmierer. Etwa der Onlinehändler Zalando: „Die Technologieentwicklung hat sich in den letzten Jahren zu einer Kernkompetenz von Europas erfolgreichstem E-Commerce-Unternehmen entwickelt“, heißt es da stolz. Curated-Shopping-Services und auch so manche Modelabels finden sich bereits direkt unter dem Etikett Start-up wieder. Da geht noch einiges. Schließlich ist die Branche in ihrer alten Form gerade erst gestorben.

Öffnung und Mitbestimmung machen Arbeit (aber keinen Umsatz)?!

Die Modewelt war einmal eine Monarchie. Hinter verschlossenen Türen brüteten die Geschmackskönige die neuesten Trends aus, die sie zusammen mit ihrem Hofstaat aus Mediengräfinnen, Obereinkäufern, Vertriebsgurus und PR-Baronen unters Volk brachten. Dann kam die Revolution. Jetzt schaut sich jedermann Runway-Shows im Livestream an, geht bei Meet & Greets in Läden mit Designern auf Tuchfühlung und gibt überall seinen Senf dazu. Wer deshalb Tränen ums verlorene Krönchen vergießt, übersieht leicht, wo die Geldquelle sprudelt. Dabei gibt es Vorbilder. Esprit etwa lässt Käuferinnen nicht nur Herzchen verteilen, sondern sich auch die Größenangaben bewerten und spart mit Hilfe dieser Big Data im Kleinen eine Menge Retouren. Und weit mehr als 100.000 Twitter-Follower sind für den Vintage- und Retro-Händler Modcloth nicht einfach nur PR-Empfänger: In der Abteilung „Be The Buyer“ präsentiert der reine Onlineshop Entwürfe und lässt Betrachter darüber diskutieren und abstimmen, was ins Programm genommen wird. Damit liefern sie wertvolle Hinweise, was laufen wird und warum. Solche Informationen besorgen sich auch Läden gern. Denn bei allem Gejammer über die Onlinekonkurrenz: In deren „Schaufenstern“ sieht man auf einen Blick, was ausverkauft ist und welche Marken gute Bewertungen anziehen.

Mit persönlicher Note: Ein Paket des Curated-Shopping-Unternehmens Modomoto zeigt, wie sich E-Commerce vom Versandhandel zur Dienst- leistung gemausert hat.

Eine kleine App-Parade

Die kleinen Helfer der Modebranche – eine Miniauswahl.

Fits.me

Nach Angabe einiger Maße mit Fotos zeigt sie, wie welche Größe sitzt. Verwenden u. a. die Onlineshops von Boss, Mexx und Ermenegildo Zegna.

Sproov

Sie berechnet nach Angabe von zwei passenden Jeans die Größen für andere Modelle. Verwenden u. a. Stylebop und VeryPoolish.com.

Hukkster

Sie benachrichtigt, wenn Wunschprodukte online im Sonderangebot sind. Anwendbar u. a. mit Burberry, Net-aPorter, Vans.

Snapette

Sie sendet auf Basis dessen, wo man sich gerade befindet, Fotos von aktueller Ware und Angeboten in umliegenden Läden. U. a. von Blue & Cream in New York, LN-CC in London und Yube in Madrid.

Unter einem Dach

Die PKZ-Gruppe zählt seit Jahrzehnten zu den größten unabhängigen Modehandelsunternehmen mit Multibrand-Stores in der Schweiz. Diese Position soll noch einmal durch Fokussierung und Konzentration auf den Markenkern deutlich ausgebaut werden. Geschäftsführer und Eigentümer Ph. Olivier Burger erklärt im Interview mit style in progress die Beweggründe der Neustrukturierung und die Zukunftsvision für das 133 Jahre alte Familienunternehmen.

Text: Stephan Huber. Fotos: PKZ

Herr Burger, in Ihrem Unternehmen ist einiges in Bewegung. Was waren die Beweggründe für diese Veränderungen?

2014 ist Höhepunkt und Abschluss einer schon seit einigen Jahren laufenden Fokussierung des Unternehmens. An erster Stelle steht dabei die Konzentration der Retail-Marken. Bisher gab es die sechs Marken PKZ, Feldpausch, Blue Dog, Burger, The Look und Paul Kehl. Im Laufe des letzten Sommers haben wir uns entschieden, uns auf zwei Marken zu konzentrieren, auf PKZ men&women und auf Paul Kehl. Mit den sechs Brands hatten wir eine zu breite Aufstellung in einem relativ kleinen Markt. Mit einem Unternehmen, das etwa 200 Mio. Schweizer Franken Umsatz macht, ist es fast nicht möglich, alle diese Brands auch konsequent und differenziert zu positionieren. Also haben wir auch die Führung des Unternehmens angepasst und zusammengeführt, sodass es heute eine Führungsriege mit einem Chef Einkauf, der Damen und Herren unter sich hat, einem Chef Verkauf, einem Chef Marketing und einem Chef Services gibt. Das ist eine Verschlankung und Optimierung. Denn der Markt wird nicht einfacher. Auch die Überschneidungen innerhalb der Zielgruppen haben in den letzten Jahren deutlich zugelegt. Das war für uns ein wichtiges Kriterium für die Zusammenlegung. Früher ging doch kein junger Mann in den gleichen Laden wie sein Vater!

Stimmt ...

Und heute ist das gar kein Thema mehr. Eine 60-Jährige kauft eine coole Premiumjeans und eine 18-Jährige, die sich irgendwo bewerben will, sucht das moderne Kostüm. Der Generation-Gap spielt keine wesentliche Rolle mehr. Der Markt hat sich völlig neu nach Stilgruppen ausgerichtet. PKZ konzentriert sich auf den modernen Mann und die moderne Frau.

Wie ist die Zielsetzung der neuen Struktur?

Wir wollen als MultibrandHändler im mittleren und gehobenen Preissegment ganz klar die Nummer eins auf dem Schweizer Markt sein. Dafür ist es wichtig, als eine Marke aufzutreten. Nicht nur im stationären Handel, sondern vor allem auch im Onlinebusiness, das stark wächst. Das war der eigentliche Anlass unserer Konzentration, weil das Thema Multichannel heute einfach immer wichtiger wird. Wir hatten im letzten Jahr ein starkes Wachstum im Onlinebereich. In der Schweiz sind heute sechs Prozent des Fashionmarktes online, das werden irgendwann mal 15 bis 20 Prozent sein. Wenn sich ein so großer Anteil des Geschäfts in einen anderen Vertriebskanal verlagert, muss man hier von Anfang an vorne dabei sein. Wir forcieren das Wachstum auch im neuen Jahr und treten unter dem neuen Namen pkz.ch statt wie bisher unter thelook.com ganz anders auf. Als starkes Schweizer Multichannel-Unternehmen mit sehr hohem Bekanntheitsgrad.

pkz.ch ist sozusagen die größte Einzelfiliale?

Genau das wird sie. Und mit dem gemeinsamen Namen PKZ men&women hauen wir in die gleiche Kerbe und die Marke PKZ profitiert gleichzeitig von der Modernisierung, die der Onlineshop mit sich bringt. Natürlich gibt es in der Schweiz Pure Players, die größer sind, aber wir sind meiner Meinung nach schon heute der stärkste Player im Multichannel-Fashionbereich – und diese Stellung wollen wir durch die Konzentration auf die Marke PKZ noch festigen.

War das eine einfache Entscheidung? Schließlich handelt es sich bei Marken wie Feld pausch ja um Traditionsunternehmen.

Das war eine sehr emotionale Diskussion, natürlich. Auch die Entscheidung, die Burger-Sortimente bei PKZ men und PKZ women an der Zürcher Bahnhofstraße zu integrieren und damit das Burger-Haus aufzugeben, ist uns nicht leicht gefallen. Das war ein erfolgreiches Haus. Aber längerfristig glauben wir einfach, dass wir mehr Kompetenz unter einem Dach für Mann und Frau präsentieren können und dass uns das große Chancen bringt, um auch die Produktivität der anderen Häuser zu erhöhen. Wir freuen uns sehr darüber, dass das Burger-Team mit großer Stammkundschaft bei PKZ men und PKZ women integriert werden konnte. Das verstärkt die Kompetenz dieser beiden Häuser. Wir haben ja das Glück, dass wir drei Häuser an der Bahnhofstraße hatten und können uns dort in Zukunft auf zwei konzentrieren. Wenn es uns gelingt, die BurgerKunden zu halten, dann bedeutet das auch eine wirtschaftliche Optimierung. In Zukunft werden wir bessere Möglichkeiten haben, zu wachsen, wenn wir Damen- und Herrenmode zusammenführen. Wir haben eine Reihe von Herrengeschäften mit sehr großzügiger Fläche. Dort werden wir auch die Damensortimente passend hinzunehmen und an neuen Standorten werden wir zukünftig bei genügender Fläche Damen- und Herrenmode unter dem Label PKZ men&women anbieten können.

Das Sortiment im Burger-Haus war ja immer deutlich spitzer. Es gab kaum Überschneidun gen mit PKZ oder Feldpausch. Wird das neue Konzept PKZ men&women dementspre chend einen Premiumbereich aufbauen, der das ehemalige Burger-Sortiment abdeckt?

Das ist ein ganz wesentliches Element der Neuaufstellung. Denn damit können wir unsere Marken- und Trendkompetenz im Premiumsegment strategisch gezielt weiter ausbauen.

Was war eigentlich die größte Herausforderung bei diesem ganzen Prozess? Da werden ja nicht nur einfach ein paar Schilder ausgetauscht.

Es ist schon ein historischer Augenblick. Nach 133 Jahren wird PKZ, der in der Herrenmode klar führend ist, ein Überbegriff für Damen- und Herrenmode. Wir haben das Thema übrigens schon einmal geprüft, als

Philippe Olivier Burger gibt die Rich- tung vor. Mit einer präzisen Dachmarken- politik macht sich die PKZGruppe für die Zukunft fit.

Aus Feldpausch wird PKZ women. Der Flagship-Store in der Züricher Bahnhofstraße wird im Frühjahr 2014 nach einem aufwändigen Umbau mit neuem Sortimentskonzept ein Statement setzen.

wir vor 17 Jahren Feldpausch übernommen haben. Und als wir vor zwei Jahren online gestartet sind. Aber jetzt war einfach der richtige Moment, was auch mit dem Standort Zürich zusammenhängt, wo wir gerade einen zweistelligen Millionenbetrag in den Umbau des ehemaligen Feldpausch-Hauses investieren. Das wird unser Flaggschiff für PKZ women. Es ist schon heute das größte Damenmodegeschäft der Schweiz und wir werden es noch vergrößern. Die Fassade wird geändert, der Turm wird erhöht, es gibt neue Flächen. Die Eröffnung soll Anfang März stattfinden. Ein perfekter Zeitpunkt für den Start in eine neue Ära des Unternehmens. In Zürich wird die Eröffnung richtig einschlagen und das gibt uns die Möglichkeit, mit dem neuen Konzept nach außen aufzutreten und uns zu präsentieren – mit einem PKZ men und einem PKZ women Store in der Bahnhofstraße. Gleichzeitig feiern wir aber im März auch die Eröffnung von insgesamt zehn PKZ women Stores unter anderem in Basel, Bern, St. Gallen, Zug, Glatt und Luzern.

Ist das auch ein Moment, in dem man über die Sortiments gestaltung im allgemeinen nachdenkt? Wo man vielleicht noch mal etwas dreht oder verschärft?

Natürlich. Man hat heute unzählige Marken. Jede mit eigener Positionierung. Das ist sehr anspruchsvoll für den Multilabel-Handel, den ich aber gerade aufgrund dieser Differenzierungsmöglichkeiten für ein ganz wichtiges und zukunftsfähiges Geschäftsmodell halte. Trotzdem muss man immer aufpassen, dass man nicht zu breit wird. Es geht wie so oft im Leben um die Balance. Wir machen zwar mit rund 20 Prozent der Marken 80 Prozent unseres Umsatzes. Aber die anderen 20 Prozent sind dennoch essenziell. Der Multibrand-Anbieter muss in Zukunft noch viel mehr überraschende Einkaufserlebnisse schaffen und seine Kompetenz mit den besten Marken unter einem Dach ausspielen.

Warum sind die erwähnten 20 Prozent Trend und Fashion so wichtig?

Um neue Marken zu testen und Trends zu setzen. Bei uns sind alle Einkäufer angehalten, neue Marken und Themen aufzuspüren. Denn sie sorgen für die Spannung und für die modische Positionierung. Wir werden in den großen Häusern eine spezielle Fläche haben, wo wir die Burger-Sortimente führen und das eröffnet unseren Einkäufern auch ganz neue Perspektiven. Wir wären ja nicht mehr auf dem Markt, wenn wir uns nicht in den 133 Jahren unserer Geschichte laufend den Tendenzen und dem Markt mit Innovationen anpassen würden.

Für die Marke Paul Kehl haben Sie im vergangenen Herbst die erste Kollektion für Damen vorgestellt. Ein Erfolg?

Wir wollen damit an den Erfolg der Herrenkollektion anknüpfen. Paul Kehl verfügt über ein sehr gutes Team, dem in den letzten Jahren eine klare Markenpositionierung für Paul Kehl gelungen ist: Swiss Sports Club. Diese drei Begriffe repräsentieren die Werte von Paul Kehl, immerhin die älteste Modemarke der Schweiz. Es gibt sie seit 1881. Den Spirit der Swissness werden wir auch in der Damenkollektion beibehalten. Die beiden Attribute Sports und Club müssen natürlich viel femininer, modischer und schneller interpretiert werden. Das ist der Weg, für den wir uns entschieden haben, und wir sind sehr gespannt, wo er uns hinführt. Paul Kehl hat ein großes Wachstumspotenzial.

Ist die aktuelle Konzentration auch eine Reaktion auf die ver änderten Marktverhältnisse? Schließlich ist der klassische, lokale Multibrand-Fachhandel in den letzten Jahre verstärkt unter Druck geraten – und zwar von verschiedenen Seiten.

Der Markt hat sich stark verändert, nicht zuletzt durch tiefpreisige, vertikale Mitbewerber wie H&M oder die Inditex Gruppe, die einen hervorragenden Job machen. Es gibt viele Marken, die in ihren eigenen Shops ein gutes Business machen, das gab es vor 20 Jahren kaum. Unsere Hauptmarken Armani, Boss, Diesel, G-Star, Marc O’Polo, Tommy Hilfiger oder Zegna, aber auch Paul Kehl haben inzwischen ihre eigenen Läden. Es findet gerade eine natürliche Auslese statt. Sie haben einerseits im unteren Preisbereich sehr tüchtige, sehr schnelle vertikale Anbieter und im oberen Preisbereich Topmarken, die ihre eigenen Läden machen. Und als dritten Faktor haben Sie Online, ein neuer Kanal, der stark wächst. Unsere Antworten auf diese Veränderungen im Markt ist wie folgt: 1. Als Multibrand-Anbieter mit den besten Marken findet unsere Kundin und unser Kunde alles unter einem Dach. 2. Unsere Stärke ist glaubwürdige Qualität und kompetenter Service. Das von uns bevorzugte Marktsegment der Mitte und der oberen Mitte spricht die meisten Schweizerinnen und Schweizer an. Die große Mehrheit will nicht nur Billigmode oder sehr teure Marken. 3. Unser Preis-Leistungs-Verhältnis muss hervorragend sein. 4. Unter der Marke PKZ werden wir im Schweizer Markt der kompetenteste MultichannelAnbieter im Fashionbereich. Mit einem Angebot von über 10.000 Artikeln online und der Möglichkeit, in all unseren rund 50 Geschäften reservieren oder umtauschen zu können, decken wir die Bedürfnisse der modernen Kundschaft online wie offline ab. 5. Mit Paul Kehl haben wir eine eigenständige Marke, die vertikal, schnell und sehr beliebt ist und erst noch exklusiv bei PKZ und in unseren Paul Kehl Stores zu finden ist. Mit der Konzentration auf PKZ und Paul Kehl wird auch in der Kommunikation eine viel stärkere Wirkung entstehen. Wir freuen uns auf diese spannenden Veränderungen.

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