8 minute read

Wer zu modern ist, ist früher alt

„Wer z modern ist, ist fr üher alt“

Der 52-jährige Ex-Popper Remo Ruffini fällt aus der üblichen Rolle eines italienischen Luxusunternehmers. Er übernahm eine verstaubte Marke in Frankreich, holte diese nach Italien und verwandelte ein Sport- in ein Luxuslabel. Kaufangebote internationaler Luxuskonzerne lehnte er ab, Geld holte er sich bei einem Börsengang, der Investoren befriedigen und Schulden abbauen sollte. Trotzdem bleibt er Familienunternehmer: Er will seine Anteile an seine beiden Söhne weiter

geben. Text: Thesy Kness-Bastaroli. Fotos: Moncler

Wie ist es Ihnen gelungen, eine alte Marke, ein Outfit für Trekker zu entstauben und so zu wandeln?

Der Weg zum Statussymbol erfolgte über viele Minirevolutionen. So verzichtete ich weitgehend auf Händler im FranchiseSystem, sondern zog eigene Boutiquen vor. Der direkte Kundenkontakt ist sehr wichtig, noch wichtiger ist, zuzuhören und zu beobachten. Auch habe ich das Angebot gestrafft, neue Technologien beim Material eingeführt und Wert auf Superqualität gelegt. Alles Operationen, die gegen den Trend verliefen. Ich wurde kritisiert, nicht modern zu sein. Wenn man zu modern ist, besteht die Gefahr, früher alt zu sein.

Sie planen, Ihre Beteiligung an Moncler an Ihre Söhne weiterzugeben, bekennen sich damit als Familienunterneh mer. Gleichzeitig der Schritt an die Börse. Wie passt das zusammen?

Der Börsengang widerspricht nicht der Tatsache, dass wir ein Familienunternehmen sind. In der Modebranche haben zahlreiche Familienunternehmen den Börsengang gewagt und sind trotzdem ihrer Struktur treu geblieben. Ich denke nur an Prada, Salvatore Ferragamo oder Brunello Cucinelli. Wichtig ist, dass der an der Börse notierte Anteil in Grenzen bleibt. Ich plane, mich in fünf oder sechs Jahren aus dem Management zurückzuziehen. Vorher will ich noch das Konzept von Moncler verbessern. Ich sehe im Unternehmen weiteres Wachstumspotenzial. Danach will ich meine Anteile (32 Prozent) meinen Söhnen (21 und 25 Jahre) übergeben. Beide arbeiten bereits im Unternehmen. Ich will mich danach mehr meinen Hobbys widmen: Skifahren und Segeln.

Börsengänge in der Mode haben den schalen Beige schmack, dass danach das Produkt häufig ausgeweidet wird, zugunsten stets zum Steigen verdammter Kennzah len, die wiederum die Aktien auf Kurs nach oben halten. Wie wollen Sie sicherstellen, dass Moncler seine hohen Quali tätsstandards halten kann?

Es gibt Beispiele, dass Börsengänge zu keinem Qualitätseinbruch führten. Ich denke etwa an Brunello Cucinelli. Gewinnmaximierung zählte nie zu meinen Hauptanliegen und wird auch nie dazu zählen. Obwohl Haifische, wie die PrivateEquity-Gesellschaften genannt werden, bei uns investiert haben, ist uns in den letzten Jahren ein kontinuierlicher Qualitätssprung gelungen.

Was war damals der Grund, die Firma Moncler zu kaufen?

Mich faszinierte die Möglichkeit, neue Technologien bei einer Traditionsmarke anzuwenden, ohne dabei ihre DNA zu ändern. Ich wusste, es würde relativ einfach sein, die Leute auf der ganzen Welt davon zu überzeugen, dass es sich bei Moncler um die Daunenjacke schlechthin handelt. Ich war schon als Jugendlicher ein Fan von Moncler. Mitte der 1970er-Jahre trug ich meine erste Moncler-Jacke. Sie zählte gemeinsam mit der Vespa zum Statussymbol in der hippen Jugendszene unseres Kleinstädtchens Como. Man nannte uns Paninari, weil wir Tag und Nacht in einem Café herumhingen, das Brötchen (Panini) verkaufte. Als die Marke vor zehn Jahren zum Verkauf stand, habe ich sofort zugegriffen. Bevor ich neue Technologien einführte, habe ich das Angebot gestrafft. Einst wogen Moncler-Jacken drei Kilo, inzwischen sind es knapp 150 Gramm.

Was ist heute die Voraussetzung für ein Luxuslabel?

Die Zukunft der Luxusbrands hängt meiner Meinung nach vollständig von der Kenntnis der Marke und des Wissens, wie diese von den Kunden wahrgenommen wird, ab. Wichtiger als Umsatzwachstum ist, dass die Wahrnehmung der Marke wächst. Moncler wurde vorerst als „puffy jacket“, später dann als „jacket“ und inzwischen als Moncler wahrgenommen. Der eigentliche Wert ist heute der Markenname, der für Qualität bürgt. Diese Investition in die Marke garantiert meiner Meinung nach anhaltendes Wachstum in der Zukunft.

Trotz eigenen, erfolgreichen Läden ist Moncler eine Marke, die im Modefacheinzelhandel groß und stark geworden ist. Wie wichtig bewerten Sie die zukünftige Zusammenarbeit mit diesen Geschäften?

Die Zusammenarbeit ist von primärer Bedeutung. Ich benötige ein ständiges Feedback. Und das erhalte ich vom Handel, der Markttendenzen beobachten und bewerten kann.

Dank Ihrer Strategie hat Moncler in den letzten Jahren überdurchschnittlich expan diert. Sehen Sie noch weiteres Wachstumspotenzial in der Marke?

Ich kann mich nicht beklagen, wir haben innerhalb von fünf Jahren – trotz Krise – den Umsatz mehr als verdoppelt. Aber das ist nicht nur mein Verdienst. Ich arbeite mit einem exzellenten Team. Wachstumspotenzial ist vorhanden. Ich will künftig noch stärker internationalisieren. Ziel ist, etwa in jedem Kontinent 25 Prozent des Umsatzes zu erwirtschaften. (Anm.: Als Ruffini die Firma 2003 übernahm lag der Umsatz bei 45 Millionen, 2012 bei 489 Millionen Euro. 2003 hatte der Heimatmarkt noch 90 Prozent Umsatzanteil.)

Vom Hersteller von Daunenschlafsäcken und Alpinjacken zum Statussymbol. Wie schafft man das?

Dadurch, dass ich mich auf das Kerngeschäft konzentrierte und auf Qualität und Hightech

Für den Erfolg von Moncler ist der 52-jährige Remo Ruffini, Präsident des Aufsichtsrates und Kreativdirektor in Personalunion verant- wortlich. Er hat sich vor zehn Jahren bei Moncler engagiert, das Sortiment bereinigt, die Marke entstaubt und zum Topseller gemacht. Gleichzeitig hat die Marke ein interna- tionales Vertriebs- netz mit weltweit 115 Geschäften, davon 111 unter eigener Regie, aufgebaut.

Brigitte Bardot beim romantischen Winterspaziergang. Begleiter unbekannt, Jacke bekannt.

fokussierte. Erst stufenweise habe ich dann Strickwaren, Brillen und weitere Accessoires eingeführt. Ich habe nie den Anspruch erhoben, modisch zu sein. Supermodische Kleidung hält höchstens eine Saison, unsere Kunden sollen jedoch ihre Monclers fünf Jahre und länger tragen.

Ihre Marke hat das perfekte Gespür bewiesen, stets so viele Menschen zu kleiden, dass ein Must-Have-Effekt entstanden ist, und doch so wenige, dass sie nie zum Massenprodukt und damit für seine ursprüngliche Zielgruppe nicht mehr attraktiv wurde. Wie gelingt das über all die vielen Jahre?

Durch dauernde Beobachtung, durch persönliche Kundenkontakte und enge Verbindung mit dem Handel.

Zählen sie sich zu den Luxuslabels?

Wenn Luxus Qualität bedeutet, dann zählt Moncler zum Luxussegment.

Als erfolgreiche Marke ist man mit Fälschungen, Kopien, unautorisierten Verkäufen etc. konfrontiert. Welche Maßnah men wünschen Sie sich von der Politik im Kampf gegen Fälscher? Was unternimmt Moncler selbst, um das Prob lem in den Griff zu bekommen und können Sie den Schaden, der Ihnen dadurch entsteht, beziffern?

Ich kann den Schaden nicht quantifizieren. Tatsache ist, dass die Raubkopien mit ihrer mangelnden Qualität dem Image unserer Marke schaden. Eine Plage sind auch die zahlreichen Internetplattformen, über die angebliche Moncler-Jacken verkauft werden. Kaum gelingt es uns, diese schließen zu lassen, werden schon wieder neue eröffnet. Italien ist mit der Forderung nach der Etikettierungspflicht, nach der obligatorischen Angabe der Ursprungsbezeichnung, auf dem richtigen Weg.

Was ist der größere Schaden im Zusammenhang mit Fälschungen? Das entgangene Geschäft oder das plötzlich eine ganz andere Zielgruppe Zugang zu den Markenwerten hat?

Zweifellos, dass eine andere Zielgruppe Zugang zu den Markenwerten hat.

Wie wichtig ist Ihnen das „Made in“ Ihrer Produkte?

Das „Made in“ zählt zu meinen Prioritäten. Ich lasse nur in bestimmten Ländern produzieren, wo es eine hundertprozentige Qualitätskontrolle gibt. Das ist nur in Europa möglich. Dasselbe gilt für den Einkauf.

Gamme Rouge fungiert als Kreativitätslaboratorium für Moncler. Wie wichtig ist es, seinem Kreativteam auch Frei heiten jenseits aller Verkäuflichkeit zu erlauben?

Freiheiten jenseits des Verkäuflichen zählen zum Muss, dadurch werden Kollektionen inspiriert.

Sie haben sowohl bei Moncler, aber auch bei den anderen Marken mit prominenten Designern zusammengearbei tet, es aber nie zugelassen, dass diese in den Vordergrund gestellt werden. Es gab nie mals Moncler by Alessandra Fachinetti, Giambattista Valli oder Rei Kawakubo. Erklären

Die 1952 im französischen Alpenort Monestier-de-Clermont entstandene Marke Moncler zählt heute zu den international attraktivsten Luxusmarken. Die Daunenjacke legte in den letzten Jahren einen weiten Weg zurück: Aus den eisigen Höhen runter in die Metropole. Auch in der Substanz hat sich der Anorak verändert. Einst wog er anderthalb Kilo, heute ist er mit 150 Gramm federleicht und noch dazu wasserdicht.

Sie uns die Strategie dieser Zurückhaltung.

Für Moncler ist die Marke des Produktes am wichtigsten.

Ist Moncler noch immer eine Wintermarke?

Der Anteil zwischen dem Verkauf der Winter- und Sommerkollektionen macht 70 zu 30 aus. In Ländern mit immerwährendem Sommer, wie etwa in Indonesien, haben wir kräftig steigende Verkaufszahlen. Ganz einfach: Die Kunden in Asien und Südamerika bereiten sich auf den Urlaub in Europa vor.

Wie sehen die Zahlen und Zeichen für Italien aus? In wel chen Exportmärkten suchen Sie derzeit Ihr Heil?

Der italienische Markt verliert Bedeutung. Anfänglich wurden 90 Prozent des Umsatzes in Italien bestritten, derzeit liegt der Anteil bei 25 und soll auf 20 Prozent sinken. Italien, insbesondere Mailand bleibt aber weiterhin ein wichtiger Standort für kaufkräftige Luxustouristen aus dem Ausland. Made in Italy ist für uns sehr wichtig. Derzeit arbeiten 50 Prozent all unserer Beschäftigten in Italien.

Was braucht Italien Ihrer Meinung nach, um aus dieser Krise wieder herauszufinden?

Italien braucht primär politische Stabilität. Wenn es diese gibt, ist auch ein Wachstumsschub möglich. Eine neue Regierungskrise würde die Situation weiterhin verschlechtern. Ich habe Vertrauen in Italien und bin überzeugt, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, um einen Börsengang zu wagen.

Welchen Stellenwert hat für Sie der deutschsprachige Raum?

Ich habe großes Vertrauen in die Absatzmärkte Deutschland, Österreich und die Schweiz. Die mögen Moncler und ich mag sie. Dieser Raum wird für mich immer wichtiger. In Deutschland haben wir derzeit vier Geschäfte, aber es könnten auch zehn werden.

Moncler

Umsatz 2012: 489 Millionen Euro, 1. Halbjahr 2013: +18 Prozent Gewinnmarge 2012: +33 Prozent Geschäfte: 115 Monomarkengeschäfte, davon 111 in eigener Regie Produktionswerke: Frankreich, Italien, Bulgarien, Rumänien Moncler Präsident und Kreativdirektor Remo Ruffini erwarb vor zehn Jahren das Unternehmen. Der Sohn eines Modeunternehmers aus Como und einstiger Schulversager, Aussteiger und Autodidakt hatte sich bereits vor der MonclerÜbernahme erfolgreich mit Mode beschäftigt. Er betrieb eine eigene Herrenhemdenfirma. Seit je setzt Ruffini auf Topqualität. Der 52-jährige Manager hält über eine Beteiligungsfirma auch Anteile an den Marken Henry Cotton’s, Marina Yachting, 18CRR81 Cerruti und Coast, Weber & Ahaus. Kurz vor dem Börsengang hat die Moncler-Gruppe die Industries Sportswear Company an die Cavalliere Brands abgegeben. Zuvor haben die MonclerAktionäre allerdings 30 Prozent an Cavalliere Brands erworben. Letztere wird von der britischen Private-Equity Emerisque Brands kontrolliert. Der Verkaufspreis wurde nicht genannt. Der Wert der anderen Marken wird auf 135 Millionen Euro geschätzt. Seit 2012 werden die beiden Divisionen Moncler und Sportswear Company getrennt gemanagt.

This article is from: