style in progress 2/2014 – Deutsche Ausgabe

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086 IM GESPRÄCH

„Wer zu modern ist, ist früher alt“ Der 52-jährige Ex-Popper Remo Ruffini fällt aus der üblichen Rolle eines italienischen Luxusunternehmers. Er übernahm eine verstaubte Marke in Frankreich, holte diese nach Italien und verwandelte ein Sport- in ein Luxuslabel. Kaufangebote internationaler Luxuskonzerne lehnte er ab, Geld holte er sich bei einem Börsengang, der Investoren befriedigen und Schulden abbauen sollte. Trotzdem bleibt er Familienunternehmer: Er will seine Anteile an seine beiden Söhne weitergeben. Text: Thesy Kness-Bastaroli. Fotos: Moncler

Wie ist es Ihnen gelungen, eine alte Marke, ein Outfit für Trekker zu entstauben und so zu wandeln?

Der Weg zum Statussymbol erfolgte über viele Minirevolutionen. So verzichtete ich weitgehend auf Händler im FranchiseSystem, sondern zog eigene Boutiquen vor. Der direkte Kundenkontakt ist sehr wichtig, noch wichtiger ist, zuzuhören und zu beobachten. Auch habe ich das Angebot gestrafft, neue Technologien beim Material eingeführt und Wert auf Superqualität gelegt. Alles Operationen, die gegen den Trend verliefen. Ich wurde kritisiert, nicht modern zu sein. Wenn man zu modern ist, besteht die Gefahr, früher alt zu sein. Sie planen, Ihre Beteiligung an Moncler an Ihre Söhne weiterzugeben, bekennen sich damit als Familienunternehmer. Gleichzeitig der Schritt an die Börse. Wie passt das zusammen?

Der Börsengang widerspricht nicht der Tatsache, dass wir ein Familienunternehmen sind. In der Modebranche haben zahlreiche Familienunternehmen den Börsengang gewagt und sind trotzdem ihrer Struktur treu geblieben. Ich denke nur an Prada, Salvatore Ferragamo oder Brunello Cucinelli. Wichtig ist, dass der an der Börse notierte Anteil in Grenzen bleibt. Ich plane, mich in fünf oder sechs Jahren aus dem Management zurückzuziehen. Vorher will ich noch das Konzept von Moncler verbessern. Ich sehe im Unternehmen weiteres Wachstumspotenzial. Danach will ich meine Anteile (32 Prozent) meinen Söhnen (21 und 25 Jahre) übergeben. Beide arbeiten bereits im Unternehmen. Ich will mich danach mehr meinen Hobbys widmen: Skifahren und Segeln. Börsengänge in der Mode haben den schalen Beigeschmack, dass danach das

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Produkt häufig ausgeweidet wird, zugunsten stets zum Steigen verdammter Kennzahlen, die wiederum die Aktien auf Kurs nach oben halten. Wie wollen Sie sicherstellen, dass Moncler seine hohen Qualitätsstandards halten kann?

Es gibt Beispiele, dass Börsengänge zu keinem Qualitätseinbruch führten. Ich denke etwa an Brunello Cucinelli. Gewinnmaximierung zählte nie zu meinen Hauptanliegen und wird auch nie dazu zählen. Obwohl Haifische, wie die PrivateEquity-Gesellschaften genannt werden, bei uns investiert haben, ist uns in den letzten Jahren ein kontinuierlicher Qualitätssprung gelungen.

Was war damals der Grund, die Firma Moncler zu kaufen?

Mich faszinierte die Möglichkeit, neue Technologien bei einer Traditionsmarke anzuwenden, ohne dabei ihre DNA zu ändern. Ich wusste, es würde relativ einfach sein, die Leute auf der ganzen Welt davon zu überzeugen, dass es sich bei Moncler um die Daunenjacke schlechthin handelt. Ich war schon als Jugendlicher ein Fan von Moncler. Mitte der 1970er-Jahre trug ich meine erste Moncler-Jacke. Sie zählte gemeinsam mit der Vespa zum Statussymbol in der hippen Jugendszene unseres Kleinstädtchens Como. Man nannte uns Paninari, weil wir Tag und Nacht in einem Café herumhingen, das Brötchen (Panini) verkaufte. Als die Marke vor zehn Jahren zum Verkauf stand, habe ich sofort zugegriffen. Bevor ich neue Technologien einführte, habe ich das Angebot gestrafft. Einst wogen Moncler-Jacken drei Kilo, inzwischen sind es knapp 150 Gramm. Was ist heute die Voraussetzung für ein Luxuslabel?

Die Zukunft der Luxusbrands hängt meiner Meinung nach vollständig von der Kenntnis der Marke und des Wissens, wie

diese von den Kunden wahrgenommen wird, ab. Wichtiger als Umsatzwachstum ist, dass die Wahrnehmung der Marke wächst. Moncler wurde vorerst als „puffy jacket“, später dann als „jacket“ und inzwischen als Moncler wahrgenommen. Der eigentliche Wert ist heute der Markenname, der für Qualität bürgt. Diese Investition in die Marke garantiert meiner Meinung nach anhaltendes Wachstum in der Zukunft.

Trotz eigenen, erfolgreichen Läden ist Moncler eine Marke, die im Modefacheinzelhandel groß und stark geworden ist. Wie wichtig bewerten Sie die zukünftige Zusammenarbeit mit diesen Geschäften?

Die Zusammenarbeit ist von primärer Bedeutung. Ich benötige ein ständiges Feedback. Und das erhalte ich vom Handel, der Markttendenzen beobachten und bewerten kann. Dank Ihrer Strategie hat Moncler in den letzten Jahren überdurchschnittlich expandiert. Sehen Sie noch weiteres Wachstumspotenzial in der Marke?

Ich kann mich nicht beklagen, wir haben innerhalb von fünf Jahren – trotz Krise – den Umsatz mehr als verdoppelt. Aber das ist nicht nur mein Verdienst. Ich arbeite mit einem exzellenten Team. Wachstumspotenzial ist vorhanden. Ich will künftig noch stärker internationalisieren. Ziel ist, etwa in jedem Kontinent 25 Prozent des Umsatzes zu erwirtschaften. (Anm.: Als Ruffini die Firma 2003 übernahm lag der Umsatz bei 45 Millionen, 2012 bei 489 Millionen Euro. 2003 hatte der Heimatmarkt noch 90 Prozent Umsatzanteil.) Vom Hersteller von Daunenschlafsäcken und Alpinjacken zum Statussymbol. Wie schafft man das?

Dadurch, dass ich mich auf das Kerngeschäft konzentrierte und auf Qualität und Hightech


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