Fokus
A L P I NE SKI W E LT ME I STERSCHAF TEN 2021, CORT IN A D'AMPEZZO
«Ich vermisse die Fans mehr, als ich gedacht hätte» Wendy Holdener gehört zu den erfolgreichsten Skirennfahrerinnen des Swiss-Ski-Teams und wird hoffentlich auch bei den bevorstehenden alpinen Ski-Weltmeisterschaften in Cortina d'Ampezzo die Herzen der Ski-Fans höherschlagen lassen. Im Interview blickt die zweimalige Kombinations-Weltmeisterin auf den Saisonhöhepunkt voraus, und die 27-Jährige erzählt, wie sie mit den speziellen Umständen in dieser Corona-Saison umgeht. Ausserdem verrät die Athletin aus Unteriberg SZ, die die Schweiz bereits zum sechsten Mal an Weltmeisterschaften vertritt, was typisch schweizerisch an ihr ist.
Was genau vermisst du am meisten? Ist es der Applaus, wenn du über die Ziellinie fährst? Die Nähe zu deinen Liebsten? Bei den Vorbereitungen vor dem Start gibt es keinen grossen Unterschied: Man hat die gleichen Leute um sich und spürt die Spannung und den Druck. Aber sobald ich am Start 8
SNOWACTIVE
FEBRUAR 2021
stehe, fehlen mir die Fans, die mir zujubeln und «Hopp Wendy» rufen. Diese Unterstützung vermisse ich, genauso wie man auch im Ziel seine Freude nicht teilen kann mit den Fans. Auf das freue ich mich – und auch nur schon darauf, dass es hoffentlich bald wieder ein paar Skifahrer am Pistenrand hat, die uns anfeuern. Was es zu Genüge gibt in dieser Saison sind Corona-Tests. Es wäre bitter, wenn man ein Rennen aufgrund eines positiven Testergebnis verpassen würde. Wie gehst du damit um? Bist du jeweils angespannt vor den Tests? Es gibt Tests, bei denen ich mir fast sicher bin, dass sie nicht positiv ausfallen können. Dann gibt es aber auch Tests, bei denen ich angespannt bin. Nachdem man zu Hause war beispielsweise, fängt man sich schon an zu überlegen, dass man sich hätte anstecken können, weil man Leute getroffen hatte. Diese Ungewissheit, wenn man nach Hause geht und die Bubble vom Team verlässt, finde ich fast schlimmer als die unangenehmen Tests selbst. Man muss gut überlegen, wen man trifft, denn es wäre schade, wenn man wegen dem Virus Rennen verpassen würde. Man muss deshalb sehr vorsichtig sein und versuchen, die Kon-
takte zu reduzieren. Das ist zwar schade, aber damit muss man in dieser Saison leben. Die alpinen Ski-Weltmeisterschaften in Cortina d'Ampezzo finden trotz der CoronaPandemie statt. Hat die WM für dich den gleichen Stellenwert wie in anderen Jahren oder ist dieser kleiner? Nein, eigentlich nicht. Es ist unser Highlight in dieser Saison. Es fühlt sich bis jetzt zumindest noch genauso wichtig an. Ich weiss zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht, ob und wie viele Zuschauer zugelassen sein werden. Wenn keine dort sein werden, werden wir sie sicher vermissen, aber sonst hat die WM für mich bis jetzt die gleiche Bedeutung wie in den vergangenen Jahren. Zum ersten und bisher einzigen Mal bist du vor zwei Jahren (Januar 2019) in Cortina am Start gestanden. Im Super-G bist du damals auf Platz 6 gefahren. Darf man deshalb von guten Erinnerungen sprechen, die du an diesen Ort hast? In der Abfahrt hatte ich damals noch Mühe, aber beim Super-G gelang mir ein Exploit. Nicht nur deshalb verbinde ich mit Cortina sehr schöne Erinnerungen und Gefühle,
FOTOS: KEYSTON E-SDA
Wendy Holdener, das Coronavirus beeinflusst auch den Skizirkus. Wenn man die Rennen im Fernsehen schaut, nimmt man in erster Linie wahr, dass es keine Zuschauer hat und dass deshalb auch keine Stimmung aufkommt im Zielgelände. Gibt es auf der anderen Seite aber auch Vorteile, die man als Zuschauer nicht sehen kann? Beispielsweise, dass der Rummel um euch Fahrerinnen kleiner ist? Wendy Holdener: Ja, wir gewinnen dadurch ein wenig Zeit. Die Startnummernauslosung fällt beispielsweise weg, und man muss auch keine Zeit mehr einberechnen, um den Fans Unterschriften zu verteilen oder mit ihnen Selfies zu machen. Aber ich vermisse die Leute mehr, als ich gedacht hätte. Ich habe gemerkt, dass mir die Zuschauer jeweils geholfen haben, mich in die Rennstimmung zu versetzen. Es hat mir richtig gutgetan, wenn sie mich angefeuert haben. Das vermisse ich.