Die Spielzeit 2021&2022

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Liebes Publikum, Theaterintendanten sind manchmal seltsame Vögel, nicht selten überwältigt von ihrer eigenen Bedeutung und der des Theaters. Das sichert ihnen in der Theaterliteratur den Status einer komi­schen Figur. Vor über 20 Jahren schrieb der skurrile Literaturaußenseiter Gert Jonke die theatrale Phantasie „Es singen die Steine“. Im Reich der Poesie ist eben alles möglich, da können sogar Steine singen. Weil alles möglich ist, darf sich dort ein Theaterintendant nach einer Zeit ganz unpandemischer Theater- und Büchereischließungen in eine aberwitzige Phantasterei hochschrauben und von seinem Pub­ likum schwärmen, das durch Kulturverzicht fast verrückt und irre geworden sei. Vor die Wahl zwischen Buch und Wurst gestellt, entscheiden sich die Menschen hier natürlich gegen die Wurst und für das Buch! Für geistige Nahrung statt Ernährung! Ja, mehr noch: Sie wollen lieber ausgemergelt, aber mit klarem Kopf leben als fettleibig und mit einschrumpfendem Hirn! Und so geht es immer weiter: Eine Theaterkarte ist ihnen deutlich wichtiger als ein neues Hemd, und wenn alle Stricke reißen, verzichten sie auch noch auf das Hemd und sitzen sogar halbnackt im Zuschauerraum – so die Phantasie dieses wahnwitzigen Theaterintendanten… Nun denn ….????.....????? ….. ????? ……????.....???????......???.... Wir freuen uns auf Sie, wenn wir uns – alle etwas durchgeschüttelt, aber vielleicht dann doch „weder ausgemergelt noch halbnackt“ – wiedersehen und der Satz „Wir kennen uns vom Sehen!“ wieder stimmig wird. Wenn das Leben in der Stadtgesellschaft wieder losgeht und wir uns gemeinsam auf die Suche nach neuer Lebensfreude machen: Leben, Lieben, Feiern, Arbeiten, Gemeinschaft suchen – viel mehr brauchen wir nicht, das aber unbedingt. Und die Kunst: Als Spiegel zu dem, was wir sind, was wir leben und erleben – ästhe­ tische Bewältigung von Welt. In Geschichten und Erzählungen. Im Erzählen und Erinnern bleibt zurück, was das Leben nicht halten kann. Es sind Geschichten gegen unsere Vergänglichkeit, gegen den Tod. Insofern ist das Theater eine Feier des Lebens. Ich freue mich, wenn unser großes Repertoire wieder gezeigt werden kann, ich freue mich aber auch auf viele neue Projekte – soviel Neues gab es ja noch nie! Ich freue mich z.B. auf Dostojewskijs „Der Idiot“, der wie ein naives Kind an das Gute glauben will – eine vollkommen altmodisch-überholte, „uncoole“ Idee, dieses „Gute“, und doch Zielpunkt von gesellschaftlicher wie persönlicher Sehnsucht


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