Hyperpop in Österreich
Wie Anthea, Kenji Araki & Co jedes Genre catchy machen
Wie Anthea, Kenji Araki & Co jedes Genre catchy machen
Nachdem ich im letzten Editorial von den positiven Seiten geschrieben habe, über Jahrzehnte mit einer Szene verwachsen zu sein, möchte ich diesmal etwas selbstkritischer werden. Als ich neulich ein*e Interviewpartner*in fragte, ob er*sie gerne ein Belegexemplar hätte, kam die Antwort: »Voll gerne! Das kann ich dann meiner Oma zeigen.« Es war kein böse gemeinter Kommentar, einfach eine Feststellung. Für mich war es aber eines der besten Beispiele für den Disconnect zwischen Jugend und klassischen Medien.
Ein Jugendmedium sein zu wollen, ist natürlich Blödsinn. Im besten Fall ist es herablassend. Ein Teil der Kultur wird zur »Jugendkultur« erklärt und damit quasi als »Kultur light« von der »richtigen Kultur« abgegrenzt. Als könnte sich außer jungen Menschen niemand dafür interessieren. Im schlimmsten Fall ist es der zynische Versuch, ein lukratives Marktsegment zu pflegen. Zielgruppe jung, hip und konsumfreudig. Darüber hinaus tut der Begriff Jugendmedium ja so, als gäbe es so etwas wie eine kohärente Jugend und nicht eine Vielzahl von Gruppierungen, die sich oft viel mehr über gemeinsame Erfahrungen, Hintergründe und Interessen definieren denn über ihr Alter.
Trotzdem scheint es mir als Medium – und im Speziellen als Popkulturmedium – wichtig, an dieser nebulösen Jugend dranzubleiben. Die Jungen sind diejenigen, die am schnellsten und flexibelsten auf neue Technologien, neue Medien, neue Trends reagieren. Und sie sind allzu häufig auch diejenigen, die diese neuen Trends überhaupt kreieren.
Als alteingesessenes, arriviertes Medium kann diese Aufgabe nicht immer ganz einfach sein. Über die Jahre laufen Geschmäcker, Abläufe und Personal zunehmend Gefahr, unbeweglich zu werden. Industriekontakte liefern so viel Material, dass in der Flut neue Horizonte oft schwer zu überblicken sind. Gleichzeitig birgt auch die ständige Jagd nach Neuem um des Neuen willen Gefahren. Ein Balanceakt eben.
Kurz gesagt heißt die Devise also, nicht faul zu werden. Weiter neugierig zu bleiben und Ausschau zu halten. Neue Stimmen abzubilden, zu fördern und aufzunehmen. Als Autor*innen wie Beschriebene. Dann ist das Magazin vielleicht nicht nur für die Oma relevant. Noch läuft The Gap, denke ich, jedoch nicht Gefahr, im eigenen Sumpf zu ertrinken. Aber wir müssen auch in Zukunft ein Auge darauf haben, unseren Kopf stetig herauszuziehen – wenn nötig am eigenen Haarschopf.
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Herausgeber
Manuel Fronhofer, Thomas Heher
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Leitender Redakteur
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Gestaltung
Markus Raffetseder
Autor*innen dieser Ausgabe
Victor Cos Ortega, Barbara Fohringer, Susanne Gottlieb, Oliver Maus, Sandro Nicolussi, Dominik Oswald, Helena Peter, Felix Schmidtner, Mira Schneidereit, Jana Wachtmann
Kolumnist*innen
Josef Jöchl, Christoph Prenner
Fotograf*innen dieser Ausgabe
Kerstin Musl, Daniel Hill
Coverfoto
Daniel Hill
Lektorat
Jana Wachtmann
Anzeigenverkauf
Herwig Bauer, Manuel Fronhofer, Sarah Gerstmayer (Leitung), Thomas Heher, Martin Mühl
Distribution
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Druck
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Bernhard Frena Alexander Galler008 Hyperpop in Österreich
016 Ein Raum schafft Möglichkeiten
Community-Spaces, offene Bühnen und Studiokollektive
020 Immer irgendwie Rock
Noise Appeal Records feiert
20. Geburtstag
016
022 Gift im Getränk Wie gefährlich sind K.-o.-Tropfen?
026 Digitale Mündigkeit per Lehrplan Das neue Pflichtfach
Digitale Grundbildung
Helena Peter
Allzu gerne würden wir in Helenas AllTime-Wunsch-Interview lesen, wie sie mit Johanna Dohnal über die Audacity gewisser Männer bondet. Da das aber ohne Séance schwer wird, lesen wir in diesem Heft über kollektiv verwaltete Kulturräume. Für DIY-Veranstaltungen hat sie spätestens seit einem magischen Festival im Votivpark ohnehin ein Faible. Sonst manifestiert Helena in ihrer Freizeit die Abschaffung kapitalistischer und patriarchaler Strukturen – wir hoffen auf Erfolg und manifestieren eifrig mit.
Um seinen Schatz an Trivialitäten für die nächste Party zu mehren, schaut sich unser aktueller Cover-Fotograf in Pausen gern wahllos Ted-Ed-Videos an. Der gebürtige Kalifornier ist seit 2012 in Wien unterwegs, nicht zuletzt mit der Kamera. Hierbei weckt alles Daniels Interesse, was mit Menschen, ihrem Leben, ihren Körpern und ihren Geschichten zu tun hat. Für sein Projekt »Queer as a Daffodil« lichtet er queere Künstler*innen ab, stets auf der Suche nach der Bedeutung von Queerness und queerer Kunst.
Generalintendant Alfons Haider
032 Workstation: Johannes Auly / Henriette Lersch
036 Prosa: Jopa Jotakin
13. Juli bis 19. August 2023
054 Screen Lights: Christoph Prenner
058 Sex and the Lugner City: Josef Jöchl
Musik und Gesangstexte von BENNY ANDERSSON / BJÖRN ULVAEUS
(und einige Songs mit STIG ANDERSON) Buch von Originalkonzept von CATHERINE JOHNSON JUDY CRAYMER
Die Übertragung des Au ührungsrechtes erfolgt in Übereinkunft mit MUSIC THEATRE INTERNATIONAL: www.mtishows.eu Bühnenvertrieb für Österreich: JOSEF WEINBERGER WIEN, GESMBH.
seefestspiele-moerbisch.at
Unter dem Motto »Express Yourself« findet von 6. bis 12. August das diesjährige Pink Noise Camp in Hollabrunn statt. ———— Wer nach patriarchalen Strukturen in der Musikbranche sucht, wird dafür nicht allzu lange brauchen. Männerüberhang findet sich fast überall, von Festival-Line-ups bis hin zu Band-Besetzungen besteht dringend Nachholbedarf, besonders wenn’s rockiger wird. Um dem Klischee des männlichen Gitarrengenies, das sich voll Virtuosität das tiefe Weltverständnis aus der Seele spielt, entgegenzuwirken, gibt es zum Glück das Pink Noise Camp. Dort können Mädchen, junge Frauen, trans, inter* und nicht-binäre junge Personen zwischen 15 und 21 Jahren aus ganz Österreich ohne notwendige Vorerfahrung Musik machen oder machen lernen. Dieses Jahr findet das Camp von 6. bis 12. August statt, im Alten Schlachthof in Hollabrunn, Niederösterreich. Die Anmeldung ist vor Kurzem gestartet. Wer teilnehmen möchte, sollte schnell sein, die Plätze sind limitiert. Dafür einfach auf die Website pinknoise.or.at/anmeldung gehen und das Formular ausfüllen.
Der Kostenbeitrag kann – je nach finanziellen Möglichkeiten – frei gewählt werden und liegt zwischen 50 und 200 Euro. Hinzu kommen 170 Euro für die Übernachtung in einem Mehrbettzimmer, falls gewünscht. Für diesen geringen Betrag wird einiges geboten: unterschiedliche Workshops (Fußball, Speed-Songwriting, BandMerchandise kreieren, DJing, Band-Management, Filmabend mit Diskussion), Musik-Coaching (Gesang, Gitarre, Bass, Schlagzeug, Keyboard, mit Crashkursen von Instrumenten-Coaches), tägliche Probeeinheiten mit Musiker*innen als Band-Coaches und täglich frisch gekochtes veganes Essen. Die Liste der Coaches ist lang und illuster: Dora de Goederen (Dives, Schapka, Vereter, Manul), Sakura Katsuura, Luí Matias (W1ze, Kerosin95), Pete Prison IV (Bosna, Vereter, Mekongg), Sara Wilnauer (Dua Plicity), Lilian Kaufmann (Zinn, Schapka, Potato Beach), Xing Li, Ines Kolleritsch, Arlett Sebatware (Café Sekt), Sushila Mesquita (Vereter, Holly May, Plaided) und viele mehr. Abgeschlossen wird das Ganze am 12. August mit einem gemeinsamen öffentlichen Konzert der am Camp gegründeten Bands. Bernhard Frena
Das Pink Noise Camp findet von 6. bis 12. August in Hollabrunn statt. Die Anmeldung ist ab sofort möglich.
Beim Slash Filmfestival sollen Fantastische Filme künftig nicht nur auf die Kinoleinwand, sondern auch in die Filmproduktion kommen. ———— Das »fantastischste Festival des Fantastischen Films« geht dieses Jahr in die 14. Runde. Und wie üblich startet das Slash-Jahr nicht erst im Herbst beim Haupttermin, sondern mit dem Slash 1/2, der Kurzversion knapp vor dem Sommer. Von 4. bis 6. Mai heißt es wieder: gruseln, schaudern und zusammenzucken. Neu dieses Jahr ist das Projekt »Slash (the) Industry«, mit dem man spezifisch die Produktion von Fantastischem Film in Österreich fördern möchte. In Kooperation mit dem Österreichischen Filminstitut sollen nicht nur bereits in der Filmszene etablierte Menschen, sondern – möglichst niederschwellig – Amateur*innen und Semi-Professionalist*innen adressiert werden. Das Programm ist dabei breit gefächert: »In Vorträgen, Diskussionen, Pitching-Sessions und weiteren mehr oder wenigen klassischen Modulen sollen Kontakte geknüpft und Fachwissen vermittelt werden, sollen Erfahrungen ausgetauscht und in Österreich noch wenig etablierte Techniken in Grundlagen vermittelt und in Grundsätzen verstanden werden.«
Für das heurige Pilotprojekt bildet die Aktion »Campfire Tales« das zentrale Element. Noch bis 30. April können Interessierte auf der Website slashfilmfestival.com Pitches für die »spannendsten, aufregendsten, wildesten, fantastischsten, furchteinflößendsten Story-Ideen für Spielfilme aus Genres wie Horror, Science-Fiction und Fantasy« einreichen. Ansprechen wollen die Verantwortlichen damit explizit alle Personen, die eine spannende Geschichte auf Lager haben, egal welche Vorerfahrungen diese haben oder wie detailliert ihre Geschichten schon ausgearbeitet sind. Eine deutschsprachige Fachjury wählt die sechs besten Einreichungen aus, diese werden dann mithilfe von Mentor*innen zu vollständigen Film-Treatments entwickelt. Anhand der Treatments und Pitches vor einer internationalen Fachjury werden schließlich im Rahmen des diesjährigen Slash-Haupttermins von 21. September bis 1. Oktober drei Projekte gekürt, die jeweils eine Stoffentwicklungsförderung vonseiten des Österreichischen Filminstituts in Höhe von mindestens 10.000 Euro erhalten.
Bernhard Frena Das Slash 1/2 findet von 4. bis 6. Mai statt. Einreichschluss für die Aktion »Campfire Tales« ist der 30. April.TOP 10
Weird Movies
01 »Tetsuo: The Iron Man« (Shinya Tsukamoto, 1989)
02 »Dogtooth« (Giorgos Lanthimos, 2009)
03 »Taxidermia« (György Pálfi, 2006)
04 »Auch Zwerge haben klein angefangen« (Werner Herzog, 1970)
05 »Der Leichenverbrenner – Spalovac mrtvol« (Juraj Herz, 1969)
06 »Pink Flamingos« (John Waters, 1972)
07 »Possession« (Andrzej Żuławski, 1981)
08 »Sweet Movie« (Dušan Makavejev, 1974)
09 »Un chien andalou« (Luis Buñuel, 1929)
10 »Videodrome« (David Cronenberg, 1983); »Eraserhead« (David Lynch, 1977)
TOP 03
Unpraktisches
01 Dosen, die nur mit Dosenöffner aufgehen
02 Blusen
03 Kochen
Auch nicht schlecht: Pinguine
Karoline Kuttner ist Zeichnerin sowie Lektorin. Bei Luftschacht erschien soeben der Comic »Unique« von Clemens J. Setz, gezeichnet von Kuttner.
TOP 10
Lieblingstischtennisspieler*innen
01 Xu Xin
02 Joo Se-hyuk
03 Kasumi Ishikawa
04 Kenta Matsudaira
05 Ma Long
06 Liu Shiwen
07 Truls Möregårdh
08 Miu Hirano
09 Wang Manyu
10 Seo Hyo-won
TOP 03
Die besten Filme von Studio Ghibli
01 »Prinzessin Mononke«
02 »Nausicaä aus dem Tal der Winde«
03 »Pom Poko«
Auch nicht schlecht
Endlich ein freilaufendes Wildschwein im Lainzer Tiergarten treffen.
Vinz Schwarzbauer ist Comic-Künstler und Illustrator. Diesen Monat erschien seine erste Graphic Novel »Mäander« bei Edition Moderne. Präsentation und Lesung am 11. Mai im Literaturhaus Wien.
Hyperpop ist derzeit in vielerlei Munde. Die Musikpresse krönt Hyperpop-Queens, PRAgenturen proklamieren den nächsten Hyperpop-Hit und auf Spotify reißen sich alle darum, auf die Hyperpop-Playlist zu kommen. Doch eine Suche nach Hyperpop in Österreich gestaltete sich schwerer als gedacht. Kein Wunder, bei Musik, die kaum Genre- und Ländergrenzen kennt. Gemeinsam mit Anthea, Kenji Araki, Filly, Cinnemane, Tony Renaissance und dem Label Ashida Park fanden wir jedoch mögliche Antworten. ———— Wenn wir über Musik sprechen, ist es schwer, keine Grenzen zu ziehen. Zwischen guter und schlechter Musik. Zwischen unterschiedlichen Genres. Zwischen verschiedenen Nationen. Kaum ein anderer musikalischer Trend stellt diese Grenzziehungen allerdings derart infrage wie Hyperpop, wo die Unterschiede zwischen Ländern, Genres und Geschmacksurteilen verschwimmen. Die Ursprünge von Hyperpop finden sich um 2010 im Dunstkreis der Plattform Soundcloud. Eine Kombination aus immer einfacheren Produktionsmöglichkeiten, einer vergleichsweise offenen Plattform und einer – daraus resultierend – aktiven Community, sorgten für rege Experimente mit neuen musikalischen Formaten. Vaporwave nahm zum Beispiel Samples aus ohnehin schon recht gemütlichen Genres wie Smooth Jazz oder Lounge und verlangsamte sie zusätzlich. Nightcore machte das Gegenteil. Energiege -
ladene Popsongs der 90er- und Nullerjahre übertrieben beschleunigt. Staccato-Beats und Chipmunk-Stimme. Diese Formel angewandt auf selbstproduzierte Tracks, mit einem blubbernden Dance-Beat unterlegt, ergibt Bubblegum Bass. Was uns zum britischen Label und Kollektiv PC Music bringt.
Die Entstehung von PC Music wird häufig als Ursprungsmythos von Hyperpop angeführt. 2013 von A. G. Cook gegründet und tief verwurzelt in der Soundcloud-Community,
Aufmerksamkeit von Öffentlichkeit und Musikpresse auf sich zogen.
Nicht zuletzt ist das vermutlich Sophie zu verdanken, die vor ihrem tragischen Tod 2021 für viele der bekanntesten Produktionen verantwortlich zeichnete. Zunehmend bildete sich rund um das Label ein Netzwerk aus Features, Remixes und Kollaborationen. Ein sehr buntes und queeres Netzwerk im Übrigen, aus dem zunehmend ein Genre –Hyperpop – mit einer Vielzahl an internationalen Stars wurde: Charli XCX, Rebecca Black, Caroline Polachek, Dorian Electra, Rina Sawayama, 100 Gecs und vielen mehr.
All dies war auch eine Gegenentwicklung zu damaligen Trends in der elektronischen Musik, wie Antonia Matschnig aka Antonia XM vom Internet-Label Ashida Park beschreibt: »Eine Zeit lang sollte elektronische Musik nur nicht zu aufdringlich sein. Hyperpop ist das genaue Gegenteil davon. Du übertreibst eigentlich alles.« Ihr Label-Kollege Markus Blahus aka Amblio pflichtet bei: »Es ging darum, Emotionen wieder zurück auf den Dancefloor zu bringen. Nicht mehr alles schwarz und gleich.«
veröffentlichte das Label Tracks, die maximalistisch, experimentell, fast parodistisch klangen. Teils extrem überhöht und artifiziell, manchmal fast unhörbar für unerfahrene Ohren. Musiker*innen von PC Music waren nicht die ersten, die Musik in diese Richtung produzierten. Aber die ersten, die damit die
Die beiden gründeten Ashida Park 2016. Nicht als Label für Hyperpop, sondern für »Hybrid Club Music«, so Markus: »Wir kommen von der Clubmusik und entwickeln uns davon in verschiedene Richtungen. Hyperpop ist definitiv etwas, das da reinspielt. Es ist nicht unser Hauptfokus, aber wir haben Releases, die da eindeutig reinfallen.« Laut
»HyperpopMusiker*innen sind Super-Nerds und wissen genau, wie sie ihre Mittel einsetzen.«
— Anthea
Antonia sei Hyperpop nicht unbedingt immer hyper: »Viele Leute nehmen es einfach als Popmusik wahr, die mit elektronischen Einflüssen gemischt ist. Das passt dann sehr gut in das Konzept unseres Labels.«
Teil dieses Konzepts ist die demnächst bei Ashida Park erscheinende EP »White Sundial« von Kenji Araki und Anthea. Anthea lässt sich fast als Urgestein der österreichischen Hyperpop-Szene bezeichnen. Trotz einer eher kurzen Geschichte: »Ich habe erst in der Pandemie angefangen, Hyperpop genauer zu verfolgen. Da bin ich draufgekommen, dass Pop super vielschichtig sein kann und gar nicht so plain wie viele Musiknerds immer tun. Hyperpop-Musiker*innen sind nämlich selbst Super-Nerds und wissen genau, was sie machen und warum sie ihre Mittel so einsetzen.«
So schnell geht die Entwicklung bei Hyperpop, so frisch ist die österreichische Szene.
Antheas erste Single »Crime« erschien dann im Herbst 2020. Die EP »XEA« folgte 2021. Die Tracks auf »XEA« machen Spaß. Antheas Stimme schwebt über den treibenden, energiegeladenen Beats, die zum Tanzen einladen: »Meine Musik verhandelt emotionale Themen in einem energetischen Kontext. So entsteht ein Kontrast von Tiefe zu Leichtigkeit. Inhaltlich immer sehr intensiv, gleichzeitig musikalisch pulsierend und uplifting.« Auf den neueren Tracks wird Anthea zum Teil experimenteller, fordert musikalische Grenzen heraus.
Das liegt vermutlich nicht zuletzt an der Zusammenarbeit mit Produzent*innen wie Kenji Araki: »Hyper wird es dann, wenn ir-
gendwas Neues passiert. Hyperpop heißt etwas herzunehmen, das nicht catchy sein sollte, und es catchy zu machen. Diese Gratwanderung macht es aus.« Kenji ist ein musikalischer Tausendsassa. Solo wird elektronische Musik de- und mit erstaunlicher Verve wieder rekonstruiert, bei Kollaborationen mit beispielsweise Anthea geht es an die Grenzen von Pop und dann sei da noch ein Bandprojekt, das derzeit in den Startlöchern stehe: »Je nachdem, mit wem ich zusammenarbeite, habe ich einen anderen Hut auf«, erklärt Kenji.
Das Solodebütalbum »Leidenzwang«, das letztes Jahr erschienen ist, sei jedenfalls allen ans Herz gelegt, die gerne spät in der Nacht mit Kopfhörern im Bett liegen, in weirde Soundspaces abdriften und bei einem Track auch zweimal hinhören wollen. Trotzdem fühlt Kenji sich nicht fremd in poppigeren Gefilden: »Ich habe einen soft Spot für catchy Hooks. Wenn ich mit Anthea zusammenarbeite, nenne ich das einfach Popmusik, nicht einmal Hyperpop.«
Das Label Hyperpop sieht Kenji nämlich nicht völlig unkritisch: »Hot Take: Für mich ist Hyperpop kein Genre, sondern ein Playlist-Name.« Die Playlist, von der Kenji hier spricht, befindet sich auf Spotify. Sie wird vielfach mit der Popularisierung des Genres und spezifisch des Begriffs Hyperpop in Verbindung gebracht. Verwaltet wird die Playlist von Spotify selbst, mit regelmäßigen GastKurator*innen. Sie existiert seit 2019 und hat derzeit etwas über 375.000 Likes. Das macht sie zwar zu keinem Schwergewicht im Spo -
tify-Ökosystem, in der relativ kleinen und familiären Hyperpop-Szene spielt sie aber dennoch eine zentrale Rolle. »Eine Playlist kann der Unterschied zwischen 100.000 und 10.000 Streams sein, je nachdem, wie gut und lang du da drin bist. Das hängt nur an einer Person, nur weil es einen persönlichen Geschmack getroffen hat. Da ist sehr viel Macht dahinter«, so Markus von Ashida Park.
Andere sehen das ambivalenter: »Als Artist ist es wichtig sich nicht einzuschränken, um auf eine Playlist zu kommen. Andererseits können solche Playlists bestimmte Leute highlighten, aber es ist halt wieder Kategorisierung, was Vor- und Nachteile haben kann«, meint Tony Renaissance, ein Name, der bei den ersten Gesprächen zu diesem Artikel erstaunlich häufig fiel. Erstaunlich, weil Tony aufs erste Hören wohl von vielen nicht Hyperpop zugeordnet werden würde. Zu kontemplativ, zu melancholisch ist der Vibe.
Tony selbst sieht das ähnlich: »Meine Arbeit würde ich nicht in erster Linie als Hyperpop bezeichnen, am ehesten als Experimental Pop. Meine Musik wurde auch schon irgendwo als Fairycore beschrieben, was ich auch ganz schön finde. Allerdings geht es mir eigentlich darum, über die Grenzen von Labels und Genres zu gehen und sie aufzulösen. Ich spiele gerne mit gegensätzlichen Sounds: ätherisch, aber auch noisy. Sehr viel Chorales und Voice-Layering. Aber dann auch härtere Clubsounds.«
Derzeit arbeitet Tony an einer neuen EP und managt zudem das Label Tender Matter mit Mel Antunes de Menezes. Trotz aller Widersprüche ergibt der Bezug zu Hyperpop bei Tony dennoch Sinn. Verzerrte Stimmen, elektronische Musik, überraschend eingängige Hooks. Sogar die Noise-Elemente sind bei Hyperpop durchaus üblich.
Es ist eben schwer, bei Hyperpop genaue Grenzen zu ziehen, wie Cinnemane erklärt: »Hyperpop ist sehr facettenreich. Es ist ein bisschen wischiwaschi, was Hyperpop überhaupt ist, weil es so viele verschiedene Arten von Hyperpop gibt. Es gibt Sachen wie Charli XCX oder 100 Gecs, so diese Pop-HyperpopSachen. Und dann gibt es mehr diese RapHyperpop-Sachen, wie Ericdoa.«
Cinnemanes Musik zählt zu letzteren. Er kommt aus der deutschsprachigen Underground-Rap-Szene und hat Hyperpop als Stilrichtung für die Beats entdeckt: »Hyperpop besteht aus bekannten Musikrichtungen, aber überspitzt. Zum Beispiel Rap, aber auf ein fast schon übertriebenes Level gebracht. Für mich heißt das aber vor allem mehr Substanz, Hyperpop geht voll nach vorne.« Auf diese drängenden Beats setzt er dann seine Lines, deren melodischer Flow nicht zuletzt Autotune mit deutlich hörbarem Pitch-Shift zu verdanken ist: »Als ich angefangen habe Deutschrap zu hören, war Autotune extrem verpönt. Dann hat Dat Adam ›700 Main St.‹ rausgebracht. Ich wollte das am Anfang nicht einmal mögen, weil halt Autotune droben war. Aber ich fand es einfach zu geil. Als ich selbst Rap machen wollte, war dann von Anfang an klar, dass ich
mit Autotune arbeite. Mittlerweile ist Autotune für mich schon meine normale Stimme, weil ich immer so aufgenommen habe.«
Pitch-Shift gibt es auch bei einem anderen Act, wo oft Hyperpop drauf steht: Filly. Filly macht, was auch als Pop im HyperpopKostüm beschrieben werden könnte: »Ich versuche in der klassischen Struktur von Popsongs zu arbeiten. Das Soundbild drum herum klingt aber ein bisschen anders als gewohnt. Es macht jedenfalls hoffentlich Spaß zuzuhören und dazu zu tanzen. Es ist eine Mischung aus Pop und Hyperpop. Auf jeden Fall beeinflusst von Hyperpop, aber ich würde es schon noch als Pop kategorisieren.«
Wer die Hooks von Filly nicht noch Tage nach dem Hören im Kopf hat, sollte sich dringend zur Ohrenärzt*in begeben. Die erste EP »Watching Strangers Smile« ist über die letzten Monate erschienen, Single für Single. Jeder Track wie gemacht für die Dauerschleife. Den eigenen Prozess beschreibt Filly so: »Es ist, glaub ich, wichtig die Leichtigkeit nicht zu verlieren. Ich finde die Vorstellung schön, dass Ideen einfach im Raum herumschwirren. Du sitzt dann zufällig gerade am Laptop oder am Mikrofon, dann kommt so eine Idee und du bist fähig, das irgendwie einzusingen oder niederzuschreiben. Es soll nicht zu mathematisch werden.«
»Ich bin sehr dafür, jede Art von Grenze komplett aufzulösen. Für mich ist der Fokus auf einen nationalen oder Stadt-Sound nicht relevant.«
— Tony Renaissance
Wenn Pop, experimentelle Elektronik, Clubmusik, Hip-Hop und vieles mehr Teil von Hyperpop sind, wo sind dann die Grenzen des Genres? Ist alles Hyperpop? Markus von Ashida Park sieht jedenfalls eine Entwicklung, die in diese Richtung geht: »Hyperpop wird immer größer. Andere Genres wurden einfach einverleibt und dazu wird jetzt auch Hyperpop gesagt.«
Tony Renaissance hingegen sieht Hyperpop, nach nicht einmal einem Jahrzehnt im Rampenlicht, schon wieder überholt: »Ich finde, wir sind schon einen Schritt weiter als Hyperpop. Mit Charli XCX und Sophie war da so der Peak erreicht. Nach Sophies Tod hat Hyperpop angefangen, sich in viele Genres aufzulösen. Viele junge Artists waren inspiriert, sich in neue, unterschiedliche Richtungen zu bewegen. In Richtung Noise und Ambient, experimentelle elektronische Musik, Instrumental, Hardcore, Post-Club, Rap, Screamo und die ganzen Cores. Mein favourite Subgenre ist ja Trans-Rage-Wave.«
Vielleicht trifft Antonia diese Entwicklung am besten: »Simpel gesagt, wird Hyperpop inzwischen einfach als Popmusik wahrgenommen, die nicht Mainstream ist. Vielleicht ist es eh schön, dass es dafür jetzt einen Begriff gibt und dadurch auch das Verpönte des Pop etwas wegfällt.«
Die Schnelllebigkeit von Hyperpop hängt nicht zuletzt mit dem Medium zusammen, in dem das Genre geboren und aufgewachsen ist: dem Internet. Dieses bot eine zuvor ungeahnte Möglichkeit an kreativem Potenzial. »Im Internet lässt sich sehr viel sourcen und createn. Es gibt so viele Subkulturen, zu denen man unterschiedliche Beziehungen aufbauen kann. Für mich ist das Internet aufgrund seiner Vielfältigkeit sehr inspirierend und spannend. Durch das Internet ist es viel einfacher geworden mit unterschiedlichen Artists auf der ganzen Welt zusammenzuarbeiten, nicht nur städte- und länder- sondern auch genreübergreifend«, erklärt Tony.
Auch für Filly bot das Internet ein Fenster zur Welt: »Ich bin im tiefsten bayrischen Wald aufgewachsen. Da war einfach tote Hose. Dadurch, dass ich Aufnahmen online gestellt habe, sind Leute aus verschiedensten Ländern auf mich zugekommen. Da hat sich für
mich eine Welt eröffnet.« Trotzdem ziehe Filly das Arbeiten im Studio vor, dass sei »einfach cooler«. Der Drang zurück zu Offline zeigt sich auch bei Anthea: »Ich freu mich auf den Moment, wenn Dinge wieder analog werden. Immer dieses Internet Brain zu feeden macht mich auf Dauer nicht glücklich. Wir sollten nicht vergessen, in der Realität zu leben und uns umzuschauen, was neben uns passiert.«
Auf dieses »neben uns« fokussiert auch Kenji Araki: »Wir müssen mehr Vertrauen haben in das, was lokal passiert. Schau dich um. Schau, was deine Freund*innen links und rechts machen, nicht die Big Acts auf der Hyperpop-Playlist. Um dich herum passiert eigentlich der freshe Shit. Da ist das noch kein Produkt, da geht es noch nicht um Kommerzialität. In Wien passiert so viel spannende Musik, wir müssen uns da echt nicht verstecken. Wir müssen keine Copycats sein. Oder ›die österreichische Version von …‹. Immer wenn ich das höre, dann stirbt ein kleiner Teil in mir.«
Filly denkt hingegen weniger lokal: »Ich finde megageil, was in Wien gerade passiert, aber mein Fokus ist schon, internationaler zu denken. Ich mache englischsprachige Musik, damit sie internationaler gehört werden kann.«
Tony schließlich stellt Grenzen an sich infrage: »Ich bin sehr dafür, jede Art von Grenze komplett aufzulösen. Für mich ist der Fokus auf einen nationalen oder Stadt-Sound nicht mehr relevant. Oder eigentlich gar nicht relevant. Von Anfang an nicht. Natürlich ist es gut, die Leute um sich herum zu fördern. Allein schon wegen des Community-Feelings.
Aber es ist wichtig, dass ein reger Austausch mit Leuten von außen stattfindet. Und dass auch marginalisierte Gruppen oder Regionen gefördert werden.«
Macht es also Sinn von »Hyperpop in Österreich« zu schreiben? In gewisser Weise nein. Zu schwammig ist das Genre, zu fließend die Übergänge, zu international die Kooperationen. Hyperpop arbeitet aktiv daran (Genre-)Grenzen aufzulösen. Seine Ästhetik ist digital, er ist ganz Kind des Internets. Kollaborationen passieren weltweit, Labels agieren international. Allerdings war all unseren Gesprächspartner*innen klar, was mit Hyperpop gemeint ist. Es gab einen gewissen Kern, einen Vibe, für den »Hyperpop« das Kürzel war. Es gab ein Gefühl für die Szene.
Ob dieser Vibe jetzt mehr nach Soundcloud, nach PC Music, nach Spotify oder nach der österreichischen Szene klingt, scheint da nebensächlich. Wichtig ist, dass es als Label funktioniert, als Punkt der Zugehörigkeit um den sich eine Nische, eine Community bilden kann. Community braucht keine Grenzen, aber sie braucht einen Ort. Einen Ort, der eine lokale Szene sein kann oder ein weltweites Genre. Oder sogar beides.
Bernhard FrenaDas letzte Tape von Cinnemane »All Gas No Breaks« kam Anfang dieses Jahres heraus. Fillys erste EP »Watching Strangers Smile« ist seit 7. April vollständig verfügbar. Anthea und Kenji Araki veröffentlichen am 14. April die erste Single »Seven Eyes« ihrer gemeinsamen EP »White Sundial«, die dann am 2. Juni erscheinen wird. Bei Tony Renaissance müssen wir leider noch bis Herbst auf die neue EP warten.
»Hot Take: Für mich ist Hyperpop kein Genre, sondern ein Playlist-Name.«
— Kenji Araki
Zeitgenössische Kunst im angemessenen Rahmen
In einem untypischen Ausstellungsraum sind mehrere Stahlstelen aufgestellt. Sie sind Teil einer Ausstellung, die »On/« heißt. Ein Ausschalten hätte fatale Folgen. Für den Moment aber fließt der Strom. ———— Einst wurden in den Rüsch-Werken Turbinen für Wasserkraftwerke gefertigt. Im Zweiten Weltkrieg wurde der Betrieb dann umgestellt, fortan produzierte man dort vor allem im Auftrag der Luftwaffe. Die rund 450 Kopf starke Belegschaft bestand dabei zu einem Drittel aus Zwangsarbeiter*innen. Über die Geschichte der Rüsch-Werke ist die mittlerweile darin angesiedelte Ausstellungshalle des Kunstraums Dornbirn mit einem Thema verwoben: Strom. Strom als Material und Strom als eine Kraft im Hintergrund. Auch die Künstlerin Judith Fegerl setzt sich intensiv mit Strom auseinander und ringt ihm in ihren Arbeiten Materialität ab. Manchmal leitet sie die zerstörerische Wucht dieser Naturgewalt in eine schaffende Kraft um. Es entstehen Werke wie gegossene Blitzschläge, gewaltige Schönheiten. Manchmal aber hebt sie die andere Seite des Stroms hervor, sein flüchtiges Wesen, seine Eigenart, Dinge wie auf magische Weise –unsichtbar – zu durchdringen.
In der ehemaligen Montagehalle in Dornbirn hat Fegerl eine Reihe massiver Stahlstelen aufgestellt. Drei Meter hoch und 30 Zentimeter stark, überlebensgroß und Ehrfurcht einflößend stehen sie unter alten Kränen, mit denen sie über eine dünne Kette verbunden sind. Bedrohlich neigen sie sich vor. Trotz ihrer Größe und Masse hängt ihnen etwas Fragiles an, ein Wanken. Und tatsächlich: Die zwei Teile jeder Stele werden über einen starken Elektromagneten zusammengehalten. Nur darüber. Wenn der Strom ausfällt, wird die Verbindung gekappt und die oberen Teile fallen. Das Fortbestehen des Systems ist abhängig von seiner Versorgung mit Energie. Der Magnet ist das kritische Moment, der der Arbeit ihren Titel gibt. Am ihm hängt das Überleben, von Augenblick zu Augenblick.
Am Boden verlaufen Kabel von den Skulpturen zu Verteilerkasten, Batteriespeicher und Wechselrichter und von dort weiter nach draußen, wo sie an Solarpaneele angeschlossen sind, die an der Außenwand der Halle lehnen. Das alles ist offen sichtbar. Fegerl holt die Technik aus ihrem Versteck und zeigt sie her, was dahintersteckt, die immense Kraft – aber eben auch, wie zerbrechlich diese Ordnung ist.
Victor Cos OrtegaDie Werke Judith Fegerls, geboren 1977 in Wien, zeichnen sich nicht nur durch ihre Materialität aus, sondern auch durch die besondere Zuwendung, die sie den Stoffen zuteilwerden lässt. Strom – eigentlich ein Nicht-Stoff – nimmt dabei eine besondere Rolle ein. Fegerl wird von der Galerie Hubert Winter in Wien vertreten. Die aktuelle Ausstellung »On/« ist bis 18. Juni im Kunstraum Dornbirn zu sehen.
Sendeschluss, Lot und Mark – drei Vereine, die sich zum Ziel gesetzt haben, junge Kunst und Kultur abseits des Kommerziellen, abseits des Mainstreams zu fördern. Eine Geschichte über Community-Arbeit, die Liebe zum Experiment und zur Musik. ———— A woman must have money and a room of her own if she is to write fiction.« – Vor fast 100 Jahren hat Virginia Woolf auf den Punkt gebracht, was es braucht, um künstlerisch-kreative Arbeit möglich zu machen: einen Raum zur Selbstentfaltung und ausreichend finanzielle Mittel.
Der Mythos von der leidenden Künstler*innen-Seele, die gar nicht anders kann, als Kunst zu produzieren, hält sich seit Jahrhunderten hartnäckig. Dieses gängige Narrativ stellt künstlerisches Schaffen als Bestimmung dar und versteckt so gekonnt, dass hinter Kunstproduktion eine Menge Arbeit steckt. Kunst ist ein Prozess, dem stetiges Experimentieren, Scheitern und Neuprobieren zugrunde liegt. Denn statt der Universalgenie-Erzählung stimmt doch viel eher: Noch kein*e Meister*in ist vom Himmel gefallen. Doch wo wird geprobt, bevor ein Stück die etablierten Theaterhäuser entert? Wer gibt jungen Bands schon vor dem ersten Album eine Bühne? Welche Räume nutzen Nachwuchskünstler*innen zum Ausprobieren, Proben, Scheitern und Lernen? Wo findet man den room und das money, die ja die Grundbausteine sind, um überhaupt künstlerisch-kreativ tätig sein zu können?
Einen Raum haben, um Musik machen zu können. Das war der Gründungsgedanke des Kulturvereins Sendeschluss im zwölften Wiener Gemeindebezirk. »Tobi und ich haben gemeinsam angefangen Musik zu machen und dann stand im Raum, dass ein Raum cool wäre«, sagt Maria Herold, Mitbegründerin und Obfrau des Kulturvereins. Aus einem gemeinsamen Freund*innenkreis im Umfeld des Wiener Radia Kollektivs sei dann die Idee zum Sendeschluss entstanden. »Zu Beginn war’s eigentlich ein Proberaum. Es ist dann relativ schnell auch ein Veranstaltungsort geworden«, ergänzt Karl Schönswetter, der sich im Verein um die Finanzen kümmert.
Obwohl der Ursprung klar in der Musik liegt, sei der Sendeschluss von Beginn an interdisziplinär orientiert gewesen. Aktuell ist er für zwölf Musiker*innen und Kunstschaffende aus den Bereichen Performance und bildende Kunst Arbeits- und Vernetzungsort. So auch für den Musiker Tobias Dankl, der im vergangenen November als Olgas Boris sein Debütalbum veröffentlicht hat. Er nutzt den Sendeschluss nicht nur als Proberaum, sondern hat hier auch schon Videos gedreht und Musik produziert.
Mit drei multifunktionalen Werkstatt / Studio / Atelier-Räumen, einer Küche und Zugang zum grünen Innenhof hat das Ganze WG-Charakter. »Es ist ein ziemlicher DIY-Space«, sagt Maria Herold. Während der Pandemie wur-
de das Souterrain in Eigenregie renoviert: Schimmel entfernt, Fließen verlegt, Studios eingerichtet. Auch die erste SendeschlussEventreihe ist ein Pandemiekind. Als Auftrittsmöglichkeiten extrem limitiert waren, haben die drei Musiker*innen kurzerhand begonnen, selbst Veranstaltungen im öffentlichen Raum zu organisieren. Daraus sind die mittlerweile jährlich stattfindenden »Summer Sessions« entstanden, die mit Musik, Performance und Kunst die Straßen Meidlings bespielen.
Auch die Gründer*innen des Lot haben während der Pandemie ihre Räumlichkeiten in Favoriten selbst ausgebaut. Heute ist es ein lichtdurchfluteter hoher Raum in Industrieästhetik: rote Ziegel, eine Galerie und ein multifunktionaler Erdgeschoßraum, der schon zahlreiche Tanzperformances, Installationen, Konzerte und zuletzt auch eine Fotoausstellung beherbergt hat.
Der ehemalige Getreidespeicher der Ankerbrotfabrik wurde als Rohbau übernommen. Das habe dem sechsköpfigen Leitungsteam des Kulturvereins Echolot – neben über einem Jahr Renovierungsarbeiten – auch die Möglichkeit verschafft, den Raum ganz nach den unterschiedlichen Bedürfnissen zu gestalten. Und im Lot sind diese vielfältig: Im Leitungsteam kommen zwar alle aus der Kunst- und Kulturbranche, allerdings aus den verschiedensten Sparten – Tanz, bildende Kunst, Theater, Literatur, Musik und Journalismus. Zusammengebracht hat sie ihr gemeinsames Schicksal als junge Kunstschaffende, frisch vom Studium,
die sich in einer von Lockdowns ausgebremsten Kulturlandschaft wiederfanden. »Wir haben uns in der Coronakrise zusammengesetzt und gesagt: ›Lasst uns mal aufhören, uns zu beklagen, und lasst uns selber wieder Täter*innen werden.‹ Dann haben wir eben gesehen, dass es irre viele Galerien und Bühnen gibt, aber keinen Ort, wo unserer Meinung nach diese ganz verschiedenen Disziplinen zusammenfinden können«, erzählt Hans-Christian Hasselmann, Gründungsmitglied und Regisseur.
Die transdisziplinäre Ausrichtung des Vereins war also von Beginn an in dessen DNA eingeschrieben. Auch Jana Macks Arbeit als Journalistin wird von dieser Diversität bereichert: »Das Schöne ist, vom Umfeld zu profitieren. Ich kann mich mit einer Tänzerin austauschen, wie sie eine Szene, die ich
in einer Reportage unterbringe, für sich interpretieren würde. Dadurch entstehen neue Formate und auch eine Einzigartigkeit dieser Formate.« Das Lot wurde als »durchlässige Plattform und vernetzendes Umfeld« gegründet, wie es auf der Homepage heißt, und soll Ort der Begegnung sein, wo Experimentieren, Sich-Trauen und »einfach einmal ausprobieren« auf dem Programm stehen.
Auch im Kulturhaus Mark am Stadtrand von Salzburg wird dem Gemeinschaftsgedanken ganz explizit Raum gegeben: Veranstaltungen, wie die wöchentlich stattfindende »Community Kitchen«, bei der frischgekochtes Essen um drei Euro ausgegeben wird, oder die soziale Haar- beziehungsweise Radlwerkstatt bieten eine niederschwellige Möglichkeit, sich auszutauschen und zu vernetzen. Der Ursprung des Vereins in der Jugend- und Sozialarbeit bleibt dabei spürbar, jedoch nicht seine kirchliche Vergangenheit. Das Mark ist in den 60er-Jahren als Jugendzentrum im kirchennahen Umfeld entstanden, mit dem Ziel, die Arbeitssituation junger Menschen zu verbessern. Wegen des namensgebenden Veranstaltungssaals, des Markussaals unterhalb der Kirche, waren Konzerte und Events immer schon ein zweites Standbein. Das sei auch nach der Abspaltung vom kirchlichen Elternhaus so geblieben. »Verändert hat sich dieses ganz klar pädagogische und kirchliche Angebot im Bezug auf Entwicklung von Jugendlichen. Es gibt keine Sozialarbeit bei uns. Das Mark ist ein Kulturzentrum zur Förderung
»Ich finde, dass Kunst und Kultur niederschwellig sein sollen, damit sie erreichen, wen sie erreichen sollen: das breite Spektrum.« — Gerd Pardeller, Mark SalzburgVon den Wurzeln des Mark als kirchliche Einrichtung ist kaum noch etwas zu merken.
von jungen Nachwuchskünstler*innen«, sagt Gerd Pardeller, künstlerischer Leiter und Geschäftsführer des Vereins.
Mit Proberaum, Tonstudio und Veranstaltungssaal samt Barbetrieb, stellt das Mark eine umfassende Infrastruktur für junge Bands und Musikschaffende zur Verfügung. Auf 620 m² ist Platz für den gesamten Prozess: Von der ersten Idee über die Probenzeit bis hin zur fertig produzierten Platte kann hier tatsächlich der Grundstein für eine musikalische Karriere gelegt werden. Und das Angebot wird auch angenommen: An den Wochenenden gibt es laufend Veranstaltungen und die Proberäume werden von über 40 Bands genutzt.
Dabei sei es Gerd Pardeller besonders wichtig, ein möglichst diverses Publikum anzusprechen, und den Raum für Austausch zu öffnen. Denn Kunst und Kultur funktionierten nicht ohne den sozialen Aspekt: »Ich finde, dass Kunst und Kultur niederschwellig sein sollen, damit sie erreichen, wen sie erreichen sollen: das breite Spektrum. Der einfachste Weg wäre, den Zugang niederschwellig zu machen. Niederschwellig im Bezug auf finanzielle Grenzen, aber auch niederschwellig in Bezug auf die Inhalte.« Zugang für alle, das bedeute, Partizipation zu ermöglichen, Leistbarkeit sicherzustellen und Vielfalt zu fördern. Im Mark schaut das konkret so aus: soziale Events wie die »Community Kitchen«, um ein Miteinander zu ermöglichen, und niedrig gehaltene Kosten für die Nutzung von Proberäumen und Equipment.
Beim Verein Echolot steckt das Senden und Empfangen ja schon im Namen. Der Austausch sei hier gelebte künstlerische Praxis. Beispielsweise hat das Gründungsteam noch vor Beginn der Umbauarbeiten in Straßeninterviews die Wünsche und Bedürfnisse der in Favoriten lebenden Menschen abgefragt, um diese dann in die Konzeption des Kulturraums einfließen zu lassen und »nicht an den Menschen vorbei zu produzieren«, wie Hans-Christian Hasselmann erklärt. Erst nach diesem Prozess des Empfangens sei es an die Umsetzung gegangen. Mit dem Opening-Event wurde dann die Phase des Aussendens eingeleitet.
Auch dem Format »Mosaïque«, das gezielt unfertigen Projekten gewidmet ist, liegt der Gedanke des Austauschs zugrunde. Dabei öffnet das Lot seine Türen explizit für Kunstschaffende, die sich mitten im Schaffensprozess befinden. Es gehe darum, den Prozess ins Zentrum zu stellen, Konkurrenzdenken abzubauen und Early-Stage-Feedback zu ermöglichen. Hasselmann: »Das Publikum, das wir auch als Teilnehmer*innen verstehen, kann dann ungefiltert, aber durch uns moderiert, konstruktives Feedback geben.«
Auch Maria Herold vom Sendeschluss gehe es bei ihren Events vor allem darum, Kunstschaffende aus unterschiedlichen
Sparten zusammenzubringen, das Grätzl zu connecten und eine offene, angenehme Atmosphäre herzustellen. »Die Veranstaltungen, die wir hier machen, dienen dem Zweck, Sachen, die erst im Entstehungsprozess sind, vorzuführen und so ein bisschen Feedback zu kriegen. Da ist der Mehrwert nicht nur das Produzieren, sondern auch der Austausch und das Ermöglichen von Räumen, wo man etwas präsentieren kann.«
Bei einer Veranstaltung auf der Meidlinger Hauptstraße im vergangenen Sommer habe man außerdem gemerkt, wie viel Spaß auch die Bewohner*innen Meidlings an Musik und Performances im öffentlichen Raum haben. »Die haben das schon echt gefeiert«, sagt Tobias Dankl. Passant*innen hätten sich spontan den durch die Straße ziehenden Musiker*innen angeschlossen, Kinder hätten gesungen und mitgetanzt.
Eines ist also klar: Kunst dient nicht nur dem Selbstzweck. Sie bleibt nicht in einer elitären Bubble, versteckt in abgeschlosse -
nen Räumen. Kunst erzeugt ein Echo, sie hallt nach, hat das Potenzial, zu bewegen und die Menschen einer Straße, eines Grätzls oder einer ganzen Stadt miteinander zu verbinden. Innovative Kunst- und Kulturevents entstehen eben oft abseits der etablierten Einrichtungen, in unscheinbaren Kellern, auf einem alten Fabriksgelände oder ganz einfach auf der Straße. Denn Kunst braucht vor allem eines: Inspiration und offene Räume, um denken, tun und sich ausprobieren zu können.
Sendeschluss, Echolot und Mark freuen sich jederzeit über Besuch. Der Sendeschluss hat im Sommer eine neue Eventreihe namens »Beats and Breakfast« am Start. Im Lot finden immer mehr Musikveranstaltungen statt, so zum Beispiel das »Technolot« mit dem Wiener DJ-Label Subtract. Das Mark hostet jedes Wochenende Konzerte aus dem Punk-, Rock-, Metal- oder Alternative-Bereich.
Über 150 Releases und kein bisschen leise: NoiseAppeal-Gründer Dominik Uhl (rechts) und sein Kompagnon
Michael Marlovics säuberlich – die Releases aus zwanzig Jahren Noise Appeal Records einsortiert. An der Wand gegenüber erinnert ein Poster an den zehnten Geburtstag des Labels. Seitdem ist also ein weiteres Jahrzehnt vergangen und wieder darf gefeiert werden: An drei Tagen Ende April geben sich zwölf Bands aus dem Noise-Appeal-Roster im Chelsea in Wien die Ehre. Ein kleines, aber feines Festival für ein kleines, aber feines Label, das sich durch außergewöhnliche Beständigkeit auszeichnet.
Als Indie-Label in einem kleinen Land wie Österreich zu bestehen, und das noch dazu ganze 20 Jahre, erfordert eine gewisse Hingabe, gleichzeitig aber auch Abgeklärtheit und die Bereitschaft zur Selbstausbeutung – oder halt die Aufgabe der eigenen Ideale. Für die beiden Betreiber von Noise Appeal Records ist Letzteres jedenfalls keine Option. ———— Dominik Uhl hat gerade noch das Telefon am Ohr, als wir uns zum Interview im Noise-Appeal-Büro im Souterrain eines Hauses im 16. Wiener Gemeindebezirk treffen. Das Grazer Label Rock Is Hell ist am anderen Ende der Leitung. Es gilt zwei, drei Details zu einer gemeinsamen Veröffentlichung zu klären. Uhls Kompagnon Michael Marlovics sorgt in der Zwischenzeit für Wasser und Kaffee.
Wir nehmen am Besprechungstisch Platz. In den Regalen hinter uns sind – fein
Ein-,
Alles begann mit der Wiener Hardcore-Band Fresnel. Deren Minialbum »Scenario« ziert der Aufdruck »noise01«. Es war der erste, aber natürlich nicht der einzige Release, den Uhl und Marion Brogyanyi für ihr gemeinsam gegründetes Label im Auge hatten. Die
Katalognummern sind mittlerweile dreistellig und zu Dominik Uhl, der Noise Appeal ab 2008 alleine beziehungsweise zwischendurch gemeinsam mit Peter Balon betrieb, stieß Michael Marlovics.
»Wir lernten uns vor langer Zeit über eine Stellenanzeige auf austriahardcore.com kennen: ›Schlagzeuger sucht Gitarrist für Hardcore-Punk‹«, erinnert sich dieser zurück an den Beginn ihrer Freundschaft. »Michi und ich spielten zusammen in Bands und machten Europa unsicher«, ergänzt Uhl. Danach, im Jahr 2013, als das Label gerade zehn Jahre alt geworden war, übernahm Marlovics die digitalen Agenden von Noise Appeal Records. Und 2019 wurde die Zusammenarbeit noch einmal vertieft: Eine gemeinsame GmbH bildet seitdem das Fundament ihrer Aktivitäten, die neben dem Label auch den Buchverlag Text / Rahmen, Marlovics’ fleißig bespielte Konzertfoto-Website attheshow.org sowie die Kreativagentur Design & Code umfassen.
»Alles Haptische betreue ich, also wenn es um die Produktion geht – ob das jetzt Bücher, Platten, CDs oder Tapes sind«, erläutert Uhl die Arbeitsteilung zwischen den beiden. »Michis Job ist das Digitale: Websites, Öffentlichkeitsarbeit, die Kommunikation mit den Künstler*innen.« – »Und Pakete packen wir beide«, legt er schmunzelnd nach.
Liebe zur Musik
Dass sich der Traum, das eigene Label einmal ohne zusätzlichen Brotjob betreiben zu können, in der Größenordnung und mit dem Selbstanspruch von Noise Appeal nur als Mischkalkulation ausgeht, nehmen sie der Liebe zur Musik wegen in Kauf. Davor sei die Situation schließlich noch schwieriger gewesen, erklärt Uhl: »Die Überschlagsrechnungen sagen, dass das Label wirtschaftlich eine sch w arze Null ergibt – wenn man die Arbeitszeit nicht miteinbezieht. Also die Releases tragen sich, es bleibt ein bisschen was hängen. Als die finanzielle Last noch auf meinen privaten Schultern lag, war das teilweise schon fast erdrückend. Etwa wenn mehrere Produktionen auf einmal zu bezahlen waren und ich hoffen musste, dass sich das mit dem Überziehen meines Kontos und der Kreditkarte ausgeht.«
Apropos Größenordnung: Bei den Verkaufszahlen steht Katalognummer »noise02«, die CD »Fallow Fields Of Hope« der Emocore-Band Once Tasted Life, mit mehr als 1.000 verkauften Exemplaren an erster Stelle. Das sei damals aber auch eine andere Zeit gewesen, so Uhl, und die Band habe sehr viele Konzerte gespielt. Dahinter folgen mit »Geisterbahn« (2021) von Die Buben im Pelz und mit »Synthetik Athletik« (2020) von
Heckspoiler zwei Veröffentlichungen jüngeren Datums, bei denen die Vinylversion jeweils nachgepresst werden musste.
»Wenn die zweite Pressung weg ist, sind in Summe 500 Vinyls verkauft. Das ist schon eine super Zahl, da gibt’s nichts zu bemäkeln«, freut sich Uhl.
Bandbreite und Qualität
Bleibt noch die Frage nach dem Anspruch, den die beiden an Noise Appeal Records haben. Marlovics: »Wir machen genug Sachen, von denen wir genau wissen, dass sie wirtschaftlich eher weniger gut funktionieren werden. Das hängt schon auch mit unserer Sozialisation in der DIY-Hardcore-Szene zusammen.« Das, was ihre Bands dabei trotz der großen musikalischen Bandbreite verbinde, sei deren »außerordentliche Qualität«. Wobei, so Uhl: »Auch wenn es mal soft ist, ist es immer irgendwie Rock. Egal wie er gespielt wird, ob elektronisch oder mit 25 Gitarren.«
The Skopje
Solidarity Collection
20/4 2023 — — 28/1 2024
Brook Andrew
Yane Calovski & Hristina Ivanoska
Siniša Ilić
Iman Issa
Aber nicht nur die Musik ihrer Acts, sondern auch deren Attitude sei »so ein bissl Rock«, meint Marlovics: »Da gibt es schon Gemeinsamkeiten. Etwa die politische Einstellung – manchmal ausgeprägter, manchmal weniger ausgeprägt – und diese Handson-Mentalität. Wir sind eine kleine Bude und wir arbeiten halt gerne mit Leuten zusammen, die auch gerne anpacken.«
Manuel FronhoferNoise Appeal Records feiert sein 20-jähriges Bestehen von 25. bis 27. April im Chelsea in Wien. Live zu sehen sind: Maiija, The New Mourning, Convertible und Die Buben im Pelz am ersten Tag, Phal:Angst, Lausch, Fuckhead und Dun Field Three am zweiten Tag sowie Scarabeusdream, Hella Comet, Heckspoiler und
Gülsün Karamustafa
Barbi Marković
Elfie Semotan & Künstler*innen der Sammlung des MoCA Skopje
Gift in Getränken hat eine lange Geschichte. Von mythologischen Giftbechern über mittelalterliche Giftringe bis hin zum filmischen Topos von Gift im Tee reicht die Spanne. Was in solchen Erzählungen nicht immer realistisch ist, wird in Form von K.-o.-Tropfen zur aktuellen Realität. K.-o.-Mittel sind heimlich verabreichtes Gift. Welche Konsequenzen sie haben können – persönlich wie gesellschaftlich –, beleuchten wir hier. ———— Wenn von K.-o.-Tropfen die Rede ist, kann das vieles bedeuten, denn der Begriff ist eigentlich eine Sammelbezeichnung. Der Rechtsmediziner Burkhard Madea hat gemeinsam mit dem Toxikologen Frank Mußhof 134 Substanzen ausgemacht, die als K.-o.-Mittel missbraucht werden. Bei der Zahl wird klar, dass es weniger um eine konkrete Substanz geht, sondern um die Straftat, nicht-konsensual Getränke mit Substanzen zu versetzen, die das Bewusstsein beeinträchtigen. Ziel ist es, dass Betroffene sich nicht wehren können und womöglich ihre Erinnerung verlieren. Die Betroffenen finden sich oft als Opfer von Vergewaltigung oder Raub wieder. Prominente Vertreter unter den Wirkstoffen sind Gammahydroxybuttersäure (GHB, »Liquid Ecstasy«), Gammabutyrolacton (GBL) und Rohypnol. Unter den 134 Substanzen gibt es allerdings eine Vielzahl an Wirkmechanismen, Symptomen und –mitunter lebensbedrohenden – Nebenwirkungen (siehe Kasten aus Seite 24).
Nicht nur die Substanzen unterscheiden sich, auch die Geschichten der Betroffenen. Anna und Lukas (Namen von der Redaktion geändert) sind beide Betroffene von K.-o.-Tropfen. Lukas ist 16 Jahre alt. Im Jänner war er gemeinsam mit zwei Freund*innen bei einer Hausparty eingeladen. Die Eltern waren ausgeflogen, man durfte Leute mitbringen. Bisher habe das immer funktioniert, aber diesmal sei
es aus dem Ruder gelaufen. »Es waren einfach viel zu viele Leute da«, erzählt Lukas. Irgendwann meinte eine Freundin zu ihm: »Kost’ mal, nicht dass da K.-o.-Tropfen drin sind.« Er kostete. Es habe zwar nicht gut geschmeckt, aber er habe dennoch nicht geahnt, dass K.-o.-Tropfen im Getränk waren. Die beiden mussten sich übergeben. »Es hat sich für mich angefühlt, als würde alles zusammenbrechen«, erzählt er. Später habe er ein Blackout gehabt. Dabei dachte er zuerst, er habe einfach zu viel getrunken. Glücklicherweise kamen die zwei ohne weitere Komplikationen nach Hause. »Aber ich find’s arg, dass es mir so schlecht ging, obwohl ich nur einen Schluck genommen hatte«, so Lukas.
nicht mehr richtig artikulieren, als ich von Freund*innen angesprochen wurde.«
Sie legte sich dann kurz im Außenbereich des Clubs hin, ihr war schwindelig und sie musste sich übergeben. Auffällig sei auch ihre Desorientierung gewesen: »Als unser Taxi nach Hause an der Haustür hielt, lief ich zuerst in die falsche Richtung.« Weil Anna und ihr Ex-Partner ihr Getränk geteilt hatten, teilten sie auch ihre Erfahrungen. Auch ihm wurde nachher schwindelig und auch er musste sich – trotz geringem Alkoholkonsums – übergeben.
Schlimmeres ist zum Glück nicht passiert. Vermutlich auch, weil die beiden nicht alleine waren. Im Nachhinein ärgert sich Anna trotzdem, dass sie den Vorfall nicht gemeldet hat: »Ich hätte eigentlich zur Polizei und ins Spital gehen und dem Club Bescheid geben müssen, aber in dem Moment dachte ich nur: ›Wenn nichts Schlimmes passiert ist, was soll da verfolgt werden?‹« Beim Einsatz von K.-o.-Mitteln handelt es sich aber grundsätzlich um eine Straftat.
Hohe Dunkelziffer
Bei Anna ist es zwar schon sechs Jahre her, sie erinnert sich aber noch gut: »Ich war mit meinem damaligen Partner in einem Wiener Club tanzen und wir haben uns ein Bier geteilt. Da war dann ein älterer Typ, der mich angestiegen ist. Wir haben uns nichts weiter gedacht und halt geschaut, dass der Typ weggeht.« Eine Stunde später habe sich Anna komisch gefühlt: »Ich konnte mich gar
Anna ist mit ihrem Zögern nicht alleine. Betroffene verstehen häufig erst zu spät, was ihnen widerfahren ist, oder haben nur noch unklare Erinnerungen. Das Bundeskriminalamt mutmaßt, dass sich viele Betroffene schämen oder die Ereignisse auf zu viel Alkohol oder Suchtmittel zurückführen. Im Jahr 2022 wurden laut seiner Statistik 115 Personen Opfer von Straftaten mit Betäubungsmitteln. Die Zahlen sind leicht steigend, die Dunkelziffer dürfte um ein Vielfaches höher sein.
Wolfgang Bicker vom Forensisch-Toxikologischem Labor ist mit toxikologischen Tests vertraut. »Wir bekommen derzeit jährlich etwa 200 Proben von Krankenhäusern zur Abklärung – oft einfach, um bei einem bewusstlosen Patienten auszuschließen, dass
»Es hat sich für mich angefühlt, als würde alles zusammenbrechen.«
— Lukas, Betroffener von K.-o.-Tropfen
es K.-o.-Tropfen sind. Und auch Fälle von Staatsanwaltschaften«, so Bicker. Viele Tests seien negativ oder wiesen nur Alkohol aus, was allerdings am Zeitpunkt der Probennahme liegen könne. Bicker: »Rasche Probennahme ist prinzipiell das Wichtigste.« Dennoch mache es mitunter auch nach zwei Tagen noch Sinn, Tests durchzuführen. GHB sei zwar dann nicht mehr nachweisbar, aber genügend andere Substanzen. Zur Dunkelziffer meint er: »Viele Fälle kommen nicht zur Analyse und bei denen, die zur Analyse kommen, ist fraglich, wie viele zur Anzeige gebracht werden. Aber ich kann die Betroffenen natürlich schon verstehen. Sie sehen in ihren Ergebnissen neben Cannabis
noch Schlafmittel, was sie sich nicht erklären können. Zur Polizei wollen sie dann aber wegen dem Cannabiskonsum nicht gehen.«
Orte, an denen K.-o.-Tropfen immer wieder für Probleme sorgen, sind Clubs. Der Vienna Club Commission (VCC) sei das Problem bewusst, so Martina Brunner, deren inhaltliche Leiterin. Eine der Aufgaben der VCC, sieht sie darin, das Clubleben sicherer zu machen, damit sich Menschen unabhängig von Gender, sexueller Orientierung und Background in den Clubs wohlfühlen. »Aktuell können wir nicht abschätzen, wie viele Fälle von K.-o.-Tropfen es in Wiener Clubs gibt. In einer aktuellen Umfrage wollen wir
das aber – mitsamt anderer Diskriminierungserfahrungen – abklären«, so Brunner. »Ziel ist es, einen respektvollen und wertschätzenden Umgang im Club zu etablieren. Bevor etwas passiert.« Hierbei spiele Awareness-Arbeit vor und während Events eine bedeutende Rolle.
Viele Clubs kennen mittlerweile keine Grauzone mehr bei verdächtigen Substanzen. »Wenn ich jemanden mit Liquid Ecstasy erwische, bekommt er lebenslanges Hausverbot«, erklärt Sebastian Schatz vom Wiener Club Sass. »Die Leute können das Zeug nicht dosieren, die Wirkung ist teuflisch und manche benutzen es, um andere zu vergewaltigen.« Auch Geschichten von Männern, die zu Vergewaltigungsopfern wurden, seien ihm bekannt. Die letzten Jahre habe er keine Fälle mehr in seinem Club miterlebt, wobei das Sass da glimpflich davongekommen sei, wie er meint.
Um Aufklärung bemüht sich auch der 24-Stunden-Frauennotruf der Stadt Wien: Letzten Herbst wurde eine Kampagne zum Thema K.-o.-Tropfen gestartet. »Seitdem haben sich 25 Personen nach konkretem Verdacht gemeldet. Rund die Hälfte wurde auch Opfer sexueller Gewalt, der Rest konnte dank Support von Freund*innen oder Zeug*innen sicher nach Hause oder ins Spital kommen«, wie Heidemarie Kargl, Leiterin des Notrufs, auf Anfrage erklärt. Mit ihrer Kampagne hofft die Stadt Wien, unter anderem die Dunkelziffer zu verringern.
Die Wichtigkeit von Aufklärungskampagnen betont auch Ursula Kussyk vom Verein Frauenberatung Notruf bei sexueller Gewalt. Ein Problem sieht sie aber darin, dass sich Prävention immer noch primär an (potenziell) Betroffene und weniger an (potenzielle) Täter richte. »Da wird schon wieder die Verantwortung Frauen übergestülpt. Es kann
»Die Verantwortung wird Frauen übergestülpt. Es kann nicht sein, dass die Hälfte der Bevölkerung sich beim Ausgehen und Feiern einschränken muss.«
— Ursula Kussyk, Frauenberatung Notruf bei sexueller Gewalt
nicht sein, dass sich die Hälfte der Bevölkerung beim Ausgehen und Feiern einschränken muss«, so Kussyk.
Generell scheinen die möglichen Maßnahmen und Aussichten dürftig. Der Hinweis, auf die eigenen Getränke aufzupassen, klingt wie »Hände waschen gegen Corona« – eine Verschiebung in die wirkungsarme Selbstverantwortlichkeit. Auf den eigenen Geschmackssinn zu vertrauen, ist gerade bei alkoholhaltigen und geschmacksintensiven Getränken schwer möglich. Armbänder gegen K.-o.-Tropfen sind teuer und Kritiker*innen argumentieren, diese würden nur unter Laborbedingungen funktionieren. Es braucht wohl mehr Support füreinander, mehr gegenseitige Achtsamkeit. Bei Verdacht auf K.-o.Tropfen muss jedenfalls eingegriffen werden. Security, Barpersonal oder Awareness-Team müssen involviert werden, bevor Schlimmeres passiert. Betroffene sollten auf ihren Körper vertrauen, wenn sie ein mulmiges Gefühl haben; im Zweifelsfall nach Hause gehen oder das nächste Spital aufsuchen.
Kaum Lösungen
Gleichfalls braucht es mehr Problembewusstsein. K.-o.-Mittel zu verwenden, muss als die potenziell lebensbedrohende Straftat verstanden werden, die es ist. Gerade auch von potenziellen Täter*innen. Staatsanwaltschaften müssen hier aktiver werden und es braucht eine bessere Finanzierung, damit Fälle von Vergewaltigung adequat weiterverfolgt und häufiger Haaranalysen angefordert werden. Diese können auch nach Wochen noch Ergebnisse zeigen, sind aber eben teurer. Fest steht: Jede Anwendung von K.-o.-Tropfen ist eine Körperverletzung mit düsteren Motiven, kein Kavaliersdelikt. Schließlich zielen die Täter*innen meist auf sexuelle Gewalt oder Raub ab und nehmen dabei den möglichen Tod der Betroffenen in Kauf. Was die Täter*innen dazu treibt, wird sich freilich auch vom besten Awareness-Team nicht innerhalb der Clubtüren auflösen lassen.
Felix SchmidtnerDie Frauenberatung Notruf bei sexueller Gewalt hilft auch klientinnenorientiert, wenn sich Betroffene unsicher sind, ob sie eine Anzeige machen sollen, und bietet Prozessbegleitung an. Aktuell organisiert die VCC eine Umfrage zum Thema »Sicherheit im Wiener Nachtleben«. Weitere Details unter viennaclubcommission.at/feiernsafe.
Notrufnummern:
24-Stunden-Frauennotruf: 01 / 71 71 9
Frauenberatung Notruf bei sexueller Gewalt: 01 / 523 22 22
Männernotruf: 0800 / 246 247
Rund um K.-o.-Tropfen gibt es viele Mythen, Unklarheiten und Halbwahrheiten. Hier versuchen wir, nach Rücksprache mit Expert*innen, die wichtigsten Fragen zu beantworten.
Bis zu 134 Substanzen fallen unter den Sammelbegriff K.-o.-Mittel. Zumeist werden jedoch Liquid Ecstasy (GHB, GBL) oder Rohypnol damit verbunden. Praktisch sind alle bewusstseinstrübenden Mittel gemeint, die anderen Menschen ohne deren Wissen verabreicht werden. Ziel ist eine Minderung ihrer Urteilsfähigkeit, ihrer Fähigkeit, Konsens auszudrücken, oder ihres Bewusstseins. Insofern kann es sich dabei auch um zusätzlich verabreichten Alkohol oder legal erhältliche Medikamente handeln.
Als Symptome gelten Beeinträchtigung des Bewusstseins, Schwindel und Desorientierung. Die Symptome treten in der Regel plötzlich auf und passen nicht zur Menge an bewusst konsumiertem Alkohol (oder anderweitigen Freizeitdrogen). Einige Mittel können auch zu kurzzeitigem Gedächtnisverlust, Minderung der Artikulationsfähigkeit, Übelkeit oder Regungslosigkeit führen.
Unter den 134 erfassten Substanzen gibt es mehr als einen Wirkmechanismus. »Was wir aber wissen ist, dass Rohypnol, ein Benzodiazepin, eine Bindungsstelle am GABA-Rezeptor hat. Alkohol steuert diesen an einer anderen Stelle an, dadurch kann sich die Wirkung unvorhersehbar verstärken, schließlich wirkt Alkohol auch über andere Wege«, so Margot Ernst, Neuropharmakologin mit Fokus auf GABA-Rezeptoren an der Medizinischen Universität Wien. GABA, kurz für Gamma-Aminotbuttersäure, ist der wesentliche inhibitorische Botenstoff im Gehirn. »Die Narkosewirkung kommt durch eine Hemmung des Hirnstamms zustande. Die Amnesie womöglich durch eine Funktionsbeeinträchtigung des Hippocampus, der für die Überführung von Informationen aus dem Kurzzeit- ins Mittelzeitgedächtnis zuständig ist«, erklärt Ernst.
Praktisch alle K.-o.-Mittel können in Überdosis lebensgefährlich sein, eine Kombination mit Alkohol erhöht diese Gefahr. K.-o.-Tropfen können zur Atemdepression, also zu reduzierter bis gestoppter Atmung führen und damit zum Tod.
Nicht generell. »Bei Benzodiazepin-Vergiftung gibt es ein Gegenmittel, das intravenös gegeben werden kann, ein One-pill-cures-it-all-Antidot für K.-o.-Tropfen gibt es aber nicht«, so Ernst. Betroffene mit Verdacht auf Benzodiazepin-Vergiftung sollten also das nächstgelegene Spital aufsuchen. Sollte bereits eine Atemdepression eingetreten sein, kann es aber schon zu spät sein.
Die Verabreichung von K.-o.-Tropfen stellt eine Körperverletzung dar, die mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr geahndet wird. Kommen noch sexuelle Handlungen oder Raub hinzu, kann sich das Strafmaß auf bis zu zehn Jahre erstrecken. Zudem ist der Besitz mancher Substanzen unter dem Suchtmittelgesetz verboten.
3 Konzerte im Mozart-Saal
2 Konzerte im Berio-Saal
18/10/23
Mi, 19.30 Uhr
12/11/23
Douglas Dare & Manu Delago
Douglas Dare Gesang, Klavier, Manu Delago Handpans, Electronics
Asaf Avidan
So, 19.30 Uhr Gesang, Gitarre, Klavier
05/12/23
Di, 19.30 Uhr
01/02/24
Anna Mabo Band & Gäste
Anna Mabo Gesang, Gitarre, Clemens Sainitzer Violoncello, Alexander Yannilos Schlagzeug & Gäste
LYLIT
Do, 19.30 Uhr Lylit Gesang, Klavier, Ricarda Maria, Anja Om Backing Vocals, Phoebe Violet, Maria Orininskaya Violine, Zsófia Günther-Mészáros Violoncello, Felipe Javier Medina Kontrabass
25/05/24
OSKA
Sa, 19.30 Uhr Maria Burger aka OSKA Gesang, Gitarre, Clemens Bäre Gitarre, Michael Stark Keyboard, Alex Pohn Schlagzeug
Veranstaltungen im Abonnement und einzeln erhältlich. Weitere Informationen unter konzerthaus.at/2324SIN
In den Mittelschulen und AHS-Unterstufen vermitteln Lehrkräfte seit diesem Schuljahr verpflichtend technische und soziale Me dienkompetenz im Fach Digitale Grundbildung. Wir haben recherchiert, was das Bildungsminist erium damit will und wie Lehrer*innen das neue Fach einschätzen. ———— Was machen die Menschen mit den Medien? Und was machen die Medien mit einem selbst? Fragen, die sich vor ein paar Jahren vielleicht noch Erstsemestrige der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft gestellt hätten, haben Einzug in den österreichischen Schulalltag gehalten. Längst geht es nicht mehr nur darum, Schüler*innen die grundsätzliche Handhabung von Computern oder das Erstellen von Ordnern und ExcelListen beizubringen, sondern um Kernkompetenzen im Umgang mit Medien, digitalen Realitäten und Kommunikation.
Digitale Grundbildung heißt das Fach, das seit dem Schuljahr 2022/23 verpflichtend an allen Mittelschulen und AHS-Unterstufen in Österreich unterrichtet wird. Ziel sei, so das Bildungsministerium, »die Förderung von Medienkompetenz, Anwendungskompetenzen und informatischen Kompetenzen, um Orientierung und mündiges Handeln im 21. Jahrhundert zu ermöglichen«. Das sei wichtig in einer Welt, in der die Digitalisierung »Selbstbilder, Lebenswelt, Kommunikation, Kultur, Weltverständnis und Gesellschaft, Arbeitswelt, Wirtschaft, Produktion und Technik« dominiere.
Die Notwendigkeit, jungen Generationen eine kompetentere Nutzung von digitalen Medien zu vermitteln, ergibt sich auch aus der Tatsache, dass diese als Digital Natives aufwachsen. Warum? Technik ist für sie von klein auf präsent, der Umgang damit intuitiv. Gleichzeitig ist sie so konsument*innenfreundlich in der Bedienung wie komplex in ihren Hintergründen, was es schwierig macht, sie kritisch zu hinterfragen.
Der Lehrer Paul Glanzer, der neben Mathematik und Chemie auch Digitale Grundbildung unterrichtet, bemerkt hier immer wieder die Welten, die sich zwischen ihm und seinen Schüler*innen auftun. »Mit Begriffen wie Arbeitsspeicher, Display oder Pixel ist meine Generation noch mitgewachsen. Die Schüler*innen, die ich jetzt unterrichte, sind reine Anwender*innen. Wenn man ihnen zum Beispiel sagt, sie sollen ihr Telefon ausschalten, dann schalten sie es auf stumm und glauben, es ist damit ausgeschaltet. Oder man sagt, sie sollen etwas speichern, und wenn man dann fragt, wo sie es gespeichert haben, haben sie keine Ahnung.«
Die Thematik der Digitalisierung mag zwar vor allem in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen haben, den Diskurs dazu gab es aber schon in den Nullerjahren. Damals noch geprägt von einer wenig im Austausch stehenden Dualität einer medienbildnerischen und einer informatisch-technischen Perspektive. So gab es in Österreich auch lange keine Positionierung hinsichtlich Medienbildung und/oder/versus informatischer Bildung. Erst mit der Adaptierung einiger Lehrpläne entstanden erste Verknüpfungsversuche von Medienbildung mit Informatik.
Die Kombination beider Disziplinen findet auch Glanzer wichtig: »Wenn man sich ansieht, warum Tiktok so gut funktioniert, dann ist die Antwort der Algorithmus. Bei sehr vielen von diesen Fragen kommt man also sofort wieder in die technische Seite hinein. Das kann man nicht komplett voneinander lösen.« Es ergibt sich somit die Notwendigkeit, Aspekte der digital vernetzten Welt in enger Anknüpfung an Informationstechnologie zu vermitteln.
Der an der Universität Wien lehrende Medienwissenschaftler Thomas Waitz sieht diese enge Verknüpfung eher kritisch. Digitalisierung sei ein kultureller Vorgang und nicht etwas, dessen Bedeutung sich in technischen Zusammenhängen erschließe: »Wo es um technische Vorgänge geht, ist die Rede von der Digitalisierung banal. Es braucht eine kulturwissenschaftliche Perspektive, Adobe
»Die Schüler*innen, die ich jetzt unterrichte, sind reine Anwender*innen.«
— Paul Glanzer, Lehrer
Sollen Schüler*innen lernen, wie Computer denken oder wie Computer zu denken?
Diese Frage illustriert zwei unterschiedliche Ansprüche an Medienkompetenz. um zu verstehen, wie sich kulturelle Sinnstiftung durch digitale Medien verändert.«
Kritisches Hinterfragen, verantwortungsvolles Nutzen und ein sicherer Umgang sind im wachsenden Social-Media-Dschungel aber nicht nur für die Jugendlichen eine Herausforderung. Auch das Lehrpersonal muss sich hier immer wieder anpassen, wie Glanzer erklärt. »Es ist nicht so wie in der Mathematik, wo man etwas einmal lernt, und das ändert sich dann 1.000 Jahre kaum. Vor allem im Bereich künstliche Intelligenz, wie jetzt zum Beispiel bei Chat GPT, gehen die Entwicklungen sehr schnell.« Es sei daher nicht immer einfach, am Ball zu
bleiben, oft lasse er sich neue mediale Trends auch von seinen Schüler*innen erklären.
Bevor das Pflichtschulfach Digitale Grundbildung 2022 startete, durchliefen Schüler*innen ab 2018/19 im Rahmen einer verbindlichen Übung an Mittelschulen und in der Unterstufe der AHS über vier Schuljahre hinweg eine Grundausbildung zum Thema. Dabei konnten Schulen selbst entscheiden, ob sie diese Grundausbildung als eigenes Fach oder fächerintegrativ mit anderen Schulfächern umsetzen.
Die neue Digitale Grundbildung soll nun, so das Ministerium, »die Begleitung von Kin-
dern und Jugendlichen zu einem sicheren, selbstreflexiven, kritischen und kreativ-gestalterischen Medienhandeln« bieten. Auch hier wird erneut auf eine Verzahnung der informatischen Bildung mit der Medienbildung gesetzt. Digitale Medien, so das Ministerium weiter, könnten die Vermittlung von Informatikkonzepten von einer abstrakten auf eine praktische Ebene heben. Umgekehrt brauche es auch Konzepte der Medienbildung, damit sich Jugendliche nicht nur als Medienkonsument*innen verstehen, sondern als an der Medienlandschaft aktiv teilhabende Individuen.
Thomas Waitz von der Uni Wien sieht darin recht hohe Forderungen an die Schulen: »Es gibt einen Unterschied zwischen der historischen Erwartung an Medienkompetenz im Hinblick auf Fernsehen oder Computerspiele und im Hinblick auf die Digitalisierung. Denn diese betrifft nicht einen Teilbereich kultureller und sozialer Lebenswelt, sondern erweist sich als ein maßgeblich durch große Konzerne getriebenes und an konkrete politische Vorstellungen geknüpftes politisches Projekt, das alle Bereiche des Lebens betrifft.«
Ein didaktisches Prinzip, das in dieser sich ständig ändernden Medienwelt Beständigkeit bringen soll und das auch auf der Website des Ministeriums wiederholt angepriesen wird, ist Computational Thinking. Die Informatikprofessorin Jeanette Wing verwendete diesen Begriff erstmals 2006 und zeigte damit die damals noch oft eingeschränkte Sichtweise von informatischer Bildung auf. Es gehe dabei nicht bloß um das Beherrschen von Programmierfähigkeiten, sondern auch um analytisches Denken, Abstraktionsfähigkeit, Musterkennung und Problemlösefähigkeit. Die bereits erwähnten Kernthemen, die die Digitale Grundbildung behandeln soll.
Wie Computer denken
Computational Thinking soll es den Schüler*innen idealerweise ermöglichen, Mediengestaltung aktiv zu erleben oder die digital vernetzte Welt zu verstehen. Hierbei haben die Schulen wie schon bei der verbindlichen Übung viel Autonomie im Schreiben des Lehrplans. Die Vorgaben sind, dass das Fach von der fünften bis zur achten Schulstufe mit jeweils mindestens einer fixen Stunde im Stundenplan umgesetzt wird und dass die Thematik aus drei Blickwinkeln betrachtet wird: Wie funktionieren digitale Technologien? Welche gesellschaftlichen Wechselwirkungen ergeben sich durch ihren Einsatz? Sowie eine Einweisung in Orientierung, Information und Kommunikation. Weitere Kompetenzen, die das Fach vermitteln soll, sind Produktion, also Inhalte digital zu
erstellen und zu veröffentlichen, sowie Programmieren, also Algorithmen zu entwerfen.
Neben dem neuen Schulfach will das Bildungsministerium zudem für Lehrende eine dreistufige Aus-, Fort- und Weiterbildungsinitiative forcieren. Aktuell wird ein Onlinekurs zur Vorbereitung auf den neuen Lehrplan des Pflichtgegenstandes angeboten. Im Studienjahr 2022/23 startete an den Pädagogischen Hochschulen zudem auch ein Hochschullehrgang im Umfang von 30 ECTS. Im Dienst stehende Lehrende sollen so die Lehrbefähigung zum Unterrichten des
auftuenden Zusammenhänge allein der Informatik überlassen werden würde. Auch wenn es diese als einen Teil des Ganzen unbedingt brauche. »Es würde auch niemand auf die Idee kommen, die Bedeutung einer automobilen Gesellschaft und die Probleme, die das angesichts der Klimakrise verursacht, durch, sagen wir, Ingenieurswissenschaften erklären zu lassen, die Personen ausbildet, die Motoren oder Auspuffrohre entwickeln.«
Glanzers Perspektive ist eine andere: »Ich lege den Fokus stärker auf das Technische, weil das für mich ein persönliches Anliegen
neuen Pflichtgegenstands erwerben können. Auch Paul Glanzer absolviert gerade eine Ausbildung in Digitaler Grundbildung. Dabei sei laut Glanzer essenziell, »wirklich die fachliche wissenschaftliche Basis zu legen. Es müssen Grundlagen der Informatik drinnen sein sowie Medienwissen und Ethik.« Ebenso wichtig sei aber die Vermittlung von Didaktik: »Wie kann ich die Inhalte am besten mit Schüler*innen thematisieren? Worauf sollte ich da Wert legen? Man sollte einen möglichst großen Methodenkoffer mitbekommen.«
Zu viel Technik?
Kritisch hinterfragen könnte man hier, welchen fachlichen Hintergrund das Lehrpersonal hat und welchen Teilbereichen der Digitalen Grundbildung es daher seine Aufmerksamkeit widmet: 50 Prozent der Lehrpersonen unterrichten auch das Fach Mathematik. Beim integrativen Unterricht zur Digitalen Grundbildung wurde Mathematik ebenfalls am häufigsten als jenes Fach genannt, das sich für eine Kombination der Disziplinen eignen würde. »Mein Eindruck ist, dass das Thema Ausbildung – zumindest hier an der Uni Wien, aber ich höre Ähnliches aus Innsbruck – von der Lehrer*innenbildung und Informatik alleine bespielt wird, die das gerne unter sich ausmachen wollen«, gibt sich auch Thomas Waitz kritisch.
Er sähe das Projekt zum Scheitern verurteilt, erklärt der Medienwissenschaftler weiter, wenn die Vermittlung der sich hier
ist.« Dass es ein Problem mit einer MINT-Fächer-Dominanz, also Lehrenden vor allem aus den Fächern Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik, gebe, könne er so nicht bestätigen. Er sei an seiner Schule einer der wenigen, die aus der Naturwissenschaft kämen: »Wir haben zum Beispiel auch einen Religionslehrer und eine Deutschlehrerin, die Digitale Grundbildung unterrichten. Es ist also ganz bunt gestreut.«
Auch dass der Lehrplan recht offen bleibt und die Schulen und Lehrpersonen ihre Schwerpunkte frei wählen können, sieht er als Vorteil. »Jede Lehrkraft hat unterschiedliche Stärken. Wenn man ein strenges Curriculum vorgibt, dann würde das den Einstieg ins Unterrichten vielleicht erleichtern. Gleichzeitig würde es aber eben auch Kreativität und tolle Projektideen, die die Lehrkraft entwickeln kann, verhindern.«
Letztlich muss es das Ziel sein, junge Menschen zu mündigen Nutzer*innen digitaler Angebote zu machen. Die Bedürfnisse unterscheiden sich dabei von Individuum zu Individuum, weshalb auch die Werkzeuge, die diesen mitgegeben werden, vielfältig sein müssen. Nur so lässt sich im oft undurchsichtigen digitalen Dickicht die Orientierung bewahren.
Susanne GottliebAb dem Schuljahr 2023/24 soll eine Lehrplannovelle auch in den Volksschulen verpflichtenden Unterricht in Informatischer Bildung und Medienbildung bringen.
»Es braucht eine kulturwissenschaftliche Perspektive, um zu verstehen, wie sich kulturelle Sinnstiftung durch digitale Medien verändert.«
— Thomas Waitz, Medienwissenschaftler
Ursprünglich wurde der Eurovision Song Contest mit dem Wunsch gegründet, Europa näher zusammenzubringen, über einen technisch wie institutionell einmaligen Zusammenschluss europäischer Sendeanstalten. Seitdem ist einige Zeit vergangen, die Medien- und Musiklandschaft hat sich mehr als einmal gewandelt, doch der ESC scheint nach wie vor seinen fixen Platz zu haben. Dennoch stellt sich die Frage, wie die Zukunft des Grand Prix aussieht und spezifisch die Zukunft der österreichischen Delegation. Was wollen Fans von Song Contest und ORF, was die teilnehmenden Musiker*innen, was die breitere österreichische Musikszene? Wie soll künftig entschieden werden, wer für Österreich zum ESC fährt? Wer soll mitreden können, wer befragt werden? Welches Potenzial steckt im Song Contest? Geht es nur um den Sieg oder gibt es andere Erfolgskriterien? Welche Bedeutung kann der Song Contest in Zukunft für Österreich und für Europa haben?
Andreas Jantsch Geschäftsführer Las Vegas RecordsDie meistgesehene Unterhaltungssendung in ganz Skandinavien ist das Melodifestivalen – der Vorausscheid Schwedens für den ESC. Begleitet von für die Industrie so wichtigen Assets wie Playlisten, CDs und DVDs wird dort die schwedische Musikszene gefeiert. Jeder Act will dabei sein – quer durch das schwedische Musikgemüsebeet.
Anstatt sich an diesem Role Model zu orientieren, wird der ESC (und dessen Vorausscheid) bei uns stiefelterlich behandelt: Obwohl die Szene boomt und ständig wächst, ist hierzulande kaum jemand bereit, sich für den ESC aufstellen zu lassen oder an einem Vorausscheid teilzunehmen. Aber warum ist das so? Liegt es an der leicht angestaubten Vorstellung des ORF, wie eine zeitgemäße Musiksendung im Hauptabendprogramm auszusehen hat? Sind es die rigorosen Eingriffe, die sich der ORF bei den Verlags- und Nutzungsrechten einräumt? Ist es die hohe Wahrscheinlichkeit in der Versenkung zu verschwinden, wenn man als Österreicher*in zum ESC fahren darf? Oder ist der ESC einfach uncool?
Der letzte erwähnenswerte Vorausscheid im österreichischen Fernsehen fand 2015 statt und legte den Grundstein für die Karrieren von Dawa, Folkshilfe und Zoe. In einer aufwendigen und gutgemachten Show zeigte die gesamte Szene ihr Können – von renommierten Indie-Acts wie Kommando Elefant oder Johann Sebastian Bass bis hin zu Pop-Größen wie Lemo oder Kathi Kallauch. Danach hieß es 2016 ein letztes Mal: »Wer singt für Österreich?«. Ein Blick auf die zehn Teilnehmer*innen von damals zeigt aber, dass niemand die Sendung für die eigene Karriere nutzen konnte, außer der bereits zuvor bekannten Zoe. Seitdem werden die Teilnehmer*innen von dem (von mir hochgeschätzten) Eberhard Forcher ausgewählt und dem bevormundeten Publikum vorgesetzt.
In Zeiten, in denen es ohnehin keine richtige Musiksendung im ORF gibt (außer den Amadeus und Schlager natürlich), könnte da nicht eine zeitgemäße, bunte und vielfältige Show im Hauptabend ein Fest für die heimische Szene sein? Und ja, es wird wohl auch notgedrungen jemanden geben müssen, der diese Show gewinnt und für Österreich zum ESC fährt.
Lassen wir dann doch bitte unsere Teilnehmer*innen wieder in die Mitte der Szene zurückkehren – ganz egal, wie viele Punkte sie geholt haben.
Andreas Jantsch ist Geschäftsführer des Wiener Labels Las Vegas Records. Zudem war er verantwortlich für das Management von österreichischen Bands wie Leyya, Dawa und Kommando Elefant.
Bernhard Frena Karo Pernegger, Lukas Plöchl, Niko Ostermann, Karin PointnerDer Song Contest: geliebt, gehasst, verurteilt, vorverurteilt, bejubelt – oder für manche schlichtweg uninteressant. Und obwohl jede*r denken darf, was er*sie möchte: Mich fasziniert, wie verschieden die Beliebtheit von Land zu Land ist. Wer’s nicht weiß: Österreich gehört diesbezüglich zu den Ländern, in denen das Ansehen des ESCs nicht gerade hoch gehalten wird. Das führt eben dazu, dass – obwohl die Reichweite und Plattform riesig wäre und der Nutzen sehr hoch sein könnte – sich dann doch viele Musiker*innen (die es »ernst« meinen) scheuen, auch nur damit in Kontakt zu kommen. Das finde ich persönlich sehr schade, könnte es doch ein super Sprungbrett sein (wie zum Beispiel in Schweden oder Italien). Ich glaube aber, die leider berechtigte Angst, zuerst gehatet und danach als kredible Musiker*in gecancelt zu werden, obwohl man tatsächlich in der Tätigkeitsausführung nichts anders macht als die Kolleg*innen, die nicht teilnehmen, machen es eine*r Musiker*in natürlich etwas unschmackhaft, die Chance wahrzunehmen, obwohl er*sie es vielleicht sogar machen wollen würde.
An dieser Stelle möchte ich auch betonen: Ich habe auf der anderen Seite sehr wohl den Eindruck, der ORF ist jedes Jahr bemüht, genau solche authentischen Musiker*innen in die Auswahl zu schicken, und ich wünsche mir auch, dass das so bleibt und vielleicht sogar noch mehr darauf geachtet wird, diese Linie zu verfolgen. Das interne Auswahlverfahren finde ich dabei nicht schlecht, solange die Jurys gut gewählt und absolut keinen eigenen Vorteil daraus ziehen können; auch andere Länder machen das so. Wieder eine Entscheidungsshow einzuführen, wäre natürlich auch eine Möglichkeit, allerdings wage ich zu bezweifeln, dass durch das »Mitspracherecht« der Bevölkerung beziehungsweise Fans, die »Zufriedenheit mit dem Ergebnis« tatsächlich steigen würde.
Ich glaube jedenfalls: In einer Zeit, in der Castingshows und Tiktok als Sprungbrett ihre Berechtigung haben, wäre es nur fair, auch den Song Contest (wieder) als legitime Plattform anzuerkennen.
Paenda ist Singer-Songwriterin, Producerin und betreibt ihr eigenes Label Sick Kick Records. Sie vertrat Österreich beim Song Contest 2019 in Tel Aviv. Im Herbst erscheint mit »Call Me Cat« ihr drittes Album.
2023 geht bereits die 67. Ausgabe des Eurovision Song Contest über die Bühne. Erstaunlich, wie lange sich das Format halten kann. Was immer gleich blieb: Der Song Contest ist für alle Generationen da. Auch die junge Generation liebt die Show noch immer. Trotzdem musste der Song Contest sich in seiner Geschichte kontinuierlich anpassen, auch wenn das Grundgerüst gleich blieb.
Die Anpassung an die Dramatik der Klimakatastrophe steht aber noch aus. Dies obwohl Greta Thunbergs Mutter 2009 Schweden vertrat. Noch immer ist eine Flughafenanbindung zentrale Voraussetzung eines Austragungsortes, nicht die Zuganbindung. Man möchte, dass Tausende Beteiligte in Flugzeuge steigen. Hier ist Umdenken notwendig. Die Pandemie zeigte eine Möglichkeit. Als die Kinderausgabe (Junior Eurovision) Ende 2020 über die Bühne ging, wurden die Beiträge aus den Heimatländern zugeschaltet. Es klappte überraschend gut. Das gemeinsame Feiern der Fans in Vielfalt ist freilich ebenso wesentlicher Bestandteil. Um beides zu ermöglichen, braucht es neue Konzepte.
In Österreich hat man bereits in den frühen Jahren des ESC verabsäumt, eine Tradition zu etablieren. Wenn in Schweden die nationale Vorausscheidung Melodifestivalen ausgestrahlt wird, sind die Straßen leer. Ebenso bei der Mutter der Eurovision, dem italienischen Sanremo-Festival.
Es wäre eine schöne öffentlich-rechtliche Aufgabe ein Art Sanremo Österreichs zu etablieren, statt jedes Jahr das Rad neu zu erfinden, wie man zu einem österreichischen Beitrag kommt. Man könnte es sogar zu einem Fest der österreichischen Musik machen, bei dem die Wahl eines ESC-Beitrages nur ein Teilaspekt wäre. Für die österreichische Pop-Community gibt es kaum noch große öffentliche Bühnen, in denen sie ihre Arbeit präsentieren können. Das Festival di Sanremo zeigt wie es geht. Dort treten Schlager, Rap, Indie und Rock miteinander auf, und Künstler wie Måneskin oder Mahmood erobern so die Welt. Die Sparpläne des ORF lassen aber vermutlich weiterhin leider nur eine interne Auswahl zu.
Marco Schreuder ist Unternehmer, betreibt den ESC-Podcast »Merci, Chérie« und berichtet für den Standard zum ESC. 1976 bestaunte er als Siebenjähriger, frisch aus den Niederlanden in Österreich, den ESC aus Den Haag im österreichischen TV. Seitdem hat er keinen verpasst. Er sitzt für die Grünen Wien im Bundesrat.
Karin PointnerFür viele Fans ist das ganze Jahr über Song Contest. Die Zeit nach dem Finale wird »P.E.D.« genannt – Post Eurovision Depression. Denn nach dem Hype schlägt der Alltag wieder zu und es dauert wieder ein Jahr bis zum nächsten ESC. Das klingt für viele verrückt, aber dieses ganze »Drumherum« ist es, das uns Fans begeistert. Damit meine ich die Vorentscheidungs-Shows wie zum Beispiel das schwedische Riesen-TV-Event Melodifestivalen. Damit meine ich Fanklub-Treffen wie unsere jährliche »ESC-Preview« von OGAE bei der wir uns gemeinsam die Musikvideos aller teilnehmenden Delegationen anschauen. Der ESC ist mehr als nur eine SamstagabendFernsehsendung. Deshalb geht es mehr als um einen Sieg. Es geht ums Gehörtwerden, es geht um strahlende Gesichter von Fans, die für PrePartys mit Auftritten der ESC-Acts durch ganz Europa reisen, es geht um internationale Aufmerksamkeit, Streaming-Klicks und natürlich nach wie vor um das Verbindende an diesem Event. Als weiblicher Hetero-Fan finde ich es wichtig, dass das Event von außen nicht als »quasi Fußball-WM für schwule Männer« gesehen wird, wie mir 2015 jemand während der ESC-Woche in Wien erklärte. Sondern als das, was es ist: ein Event, das unterschiedlichste Menschen zusammenbringt. Auch heuer werden wir wieder ein kostenloses Public Viewing im Wiener Votiv Kino organisieren. Und wie in den Vorjahren bin ich mir sicher, dass an diesem ESC-Abend wieder ein breites Spektrum an Menschen dabei sein wird. Jung, Alt, Queer, Hetero, Pop, Rock, Trash –der Songcontest vereint ein buntes Potpourri an Menschen, Meinungen, Musikgenres und Geschmäckern. Ich wünsche mir, dass der ORF und die österreichische Musikszene das Potenzial, das in diesem Event steckt, sieht bzw. erkennt. Nach dem Sieg von Conchita war die (finanzielle) Angst vor einem weiteren Austragen des ESC scheinbar groß. Heuer hat man sich Gedanken gemacht, viele Stimmen in die Auswahl des Acts einbezogen. Ich drücke die Daumen, dass diese Stimmen auch zukünftig gehört werden.
Karin Pointner ist Fanklub-Moderatorin bei der Organisation Générale des Amateurs de l‘Eurovision (OGAE) Austria, dem österreichischen Ableger des größten ESC-Fanklub-Netzwerkes. Infos zu Verein und Veranstaltungen gibt es auf www.ogae-austria.at.
Mitten im dritten Wiener Bezirk, im Tiefparterre eines Altbaus, in dessen Innenhof an Autos geschraubt wird, befindet sich die Gitarrenwerkstatt von Johannes Auly. Gleich beim Eingang strahlen uns eine Reihe bunter E-Gitarren sowie deren Erbauer an. Die Begeisterung für den Beruf ist Johannes ins Gesicht geschrieben. Er liebe Musik und Musikinstrumente, habe immer schon etwas Handwerkliches machen wollen: »Für mich war Instrumentenbau da die schönste Vereinigung: etwas Neues zu schaffen, das selbst schon wie eine schöne Skulptur ist, aber dann noch eine coole Funktion hat.« Eine Gitarre braucht etwa achtzig bis hundert Arbeitsstunden. Zwischen zehn und zwanzig baut er im Jahr. Dazu kommen Reparaturen, Services und Umbauten. Johannes hat derzeit gut zu tun: »In Wien gibt es gerade sehr gute Gitarrist*innen, die mit hohem Anspruch an das Ganze rangehen und genaue Vorstellungen haben. Ich freue mich darüber, dass etwas los ist in der Szene.«
Kerstin Musl Bernhard FrenaDie Werkstatt von Henriette Lersch ist hell und aufgeräumt. Geigen und Streichinstrumente in allen Fertigkeitsstufen säumen den Raum. Die Geigenbauerin wirkt ruhig und überlegt, wenn sie antwortet. Während des Interviews arbeitet sie sorgsam an der Decke einer neuen Geige weiter, bringt sie mit einem Beitel Schicht um Schicht in Form. Bevor sie in Wien 2008 ihre eigene Werkstatt eröffnete, hatte es sie in verschiedenste Teile der Welt verschlagen: nach Italien, Deutschland, New York. »Jede Werkstatt hat andere Schwerpunkte und geht Sachen anders an. Da habe ich viel gelernt. Ich bin wie eine Allgemeinärztin für G eigen und mache alles von Neubau über Behaarung bis Reparaturen.« Mit Luthieres Sans Frontières war sie sogar in Kuba: »Die Organisation versucht Musiker*innen in Gegenden zu betreuen, wo es keinen Zugang zu Werkstätten oder Materialien gibt. In Kuba war das damals mit den Embargos sehr schwierig. Mittlerweile hat ein Lehrling von damals dort eine Werkstatt aufgemacht.«
I
Jopa Jotakin schreibt radikal und wortgewaltig gegen die Ausgeburten des Zeitgeistes an. Er schont dabei weder seine Umwelt noch sich selbst. Da dienen dann Kochrezepte schon einmal als Aufhänger für Lyrik- und Prosatiraden. Und obwohl Texte von Jopa Jotakin an einem nagen, Knabberspaß ist eher nicht so sein Ding.
ich gebe mein hirn in heißes wasser, seihe es ab und passiere es, dünste es in einer lichten einbrenn mit petersilie ab, vergieße es dann mit suppe und verkoche es. ich richte es über gebackene oder gebähte semmeln an, oder gebe hirnschnitten dazu.
ich mache eine lichte einbrenn, vergieße sie mit guter suppe und gebe mein abgehäutetes rohes hirn, würfelig geschnitten, hinein.
ich spalte meinen kopf der länge nach, binde wieder zusammen, koche ihn in suppe und lasse ihn auskühlen. dann nehme ich das hirn heraus, mische es mit salz, pfeffer und petersilie, fülle es wieder ein und stecke eine semmelscheibe vor.
schon drei tage vor der zubereitung trinke ich mehr als gewöhnlich und sammle alle flüssigen körperausscheidungen.
einen tag vorher öffne ich meinen kopf vorsichtig, entnehme das hirn und lege es in eine marinade aus schweiß, tränen und urin.
während das hirn mariniert, gebe ich mir salz, thymian und kokain in mund, augen und nase.
ich nehme das hirn aus der marinade, wickle es in die aktuelle ausgabe der kronen zeitung und dresche mehrmals mit meinem farbfernsehgerät darauf ein.
den so entstandenen brei verteile ich auf der erhitzten oberfläche des w-lan modems.
um auf die benötigte temparatur zu kommen, streame ich
mehrere pornos gleichzeitig.
sie begeistern mich nur mäßig.
dennoch onaniere ich pflichtbewusst, damit die für meine überwachung zuständigen polizeibeamten, die als fliegenschiss getarnt auf meinem bildschirm hocken keinen verdacht schöpfen.
das ejakulat lässt sich laut southpark gut verkaufen, vielleicht spende ich es auch, irgendwo ist immer weihnachten. wenn das hirn etwas farbe bekommen hat, kratze ich es
vom modem ab, würze es mit salz und amphetaminen und ziehe es durch die nase an seinen ursprünglichen platz zurück.
ich stecke mir einen apfel in den mund, räkle mich lasziv auf einem stapel ungeöffneter amazonpakete und schlafe vermutlich ein.
III
wenn mein kopf gut ist, lasse ich ihn über nacht liegen
IV
mein kopf ist eine mikrowelle ich hirne popcorn - ploppwenn ich denke drehe ich gedanken so lange in meinem hitzkopf bis sie explodieren
mein kopf ist ein druckkochtopf mein kopf ist ein kelomat mein kopf mein kopf
mein kopf ist ein kugelgrill
mein kopf ist ein kugelgrill in meinem kopf geht es rund
mein kopf ist rund damit damit damit
wenn ich denke geb’ ich mir die kugel
wenn ich denke geb’ ich mir die kugel
mein kopf ist ein kugelgrill
ich mariniere hirnsteaks in der kotze
die ich beim täglichen lesen von österreich und heute herunterschlucke
speiben verboten!
mensch du hast dich vollgefressen, gib es wieder her! gib es wieder her! brauchst ja nur die krone lesen und dann schmeckt’s nicht mehr
ich würde am liebsten permanent ins kroneforum speiben will aber meinen laptop nicht dauernd putzen müssen
ich mariniere mein hirn mit schnaps
das hilft mir beim vergessen
wei heißt du nochmal? wie war das nochmal?
V
ich gebe mein hirn in heißes wasser
ich hirne mein weiß in wass
ich spalte spalte spalte spalte
ich hirne meine einbrenn licht ich will ich will ich will es nicht das denken nicht das wissen nicht
ich brenne mir mein hirn heraus
zieht sich die kopfhaut aus zieht sie wieder an und dann und dann
hirnschnitten lassen bitten hirnschnitten lassen bitten hirnschnitten lassen bitten hirnschnitten lassen bitten hirnschnitten lassen bitten hirnschnitten lassen bitten hirnschnitten lassen bitten hirnschnitten - - - -ICH
spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte spalte hrrrrrrrrrrnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnn
schnn - - - tttttttt - - - nnnnnn
schnn - - - tttttttt - - - nnnnnn
schnn - - - tttttttt - - - nnnnnn hrrrrrrrrrrnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnn nnnnnnnnhrrrrrrrrrrnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnn nnnnnnnnnnnnhrrrrrrrrrrnnnnnnnnnnnnnnnn hrrrrrrrrrrnnnnnnnnnnnnnnnn
abgehäutet rohes hirn
ABGEHÄUTET ROHES HIRN
ABGEHÄUTET ROHES HIRN
ABGEHÄUTET ROHES HIRN
ich beginne zu vergessen
leberknödel
alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol
die leber muss schön fest und hart sein
alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol
viel trinken, fett essen, drogen und medikamente nehmen nicht bewegen
alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol
schnaps, bier, wein, schweinefleisch, fast food, cola, limonaden, zucker, weißmehl, speck, paracetamol, kokain, heroin, burgerking
alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol
die leberwerte regelmäßig kontrollieren
alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol alkohol
wenn sie angemessen erhöht sind, die bauchdecke vorsichtig aufschneiden.
leber entnehmen und faschieren. mit ei, zwiebeln, salz, pfeffer, majoran, knoblauch, petersil und gschnittenen semmeln vermengen. eventuell mit etwas bröseln festigen. knödel formen und zirka 10-15 minuten in salzwasser kochen.
auf der milz weitersaufen.
Der in Wien lebenden Dichter und Performance-Künstler Jopa Jotakin ist in der heimischen Literaturszene auf vielen Ebenen aktiv: Als Bestandteil des Kulturverein Einbaumöbel und der Grillhendl Rotation Crew etwa oder als Mitglied (aktuell auch in der Geschäftsführung) der Grazer Autorinnen Autorenversammlung. Zudem veranstaltet er gemeinsam mit der Fotografin Apollonia T. Bitzan und den Autorinnen Lydia Haider und Mercedes Kronberger die monatliche Lesereihe »Blumenmontag« im Cafe Stadtbahn. Zusammen mit der Künstlerin Andrea Knabl bertreibt er die edition tagediebin – kleinverlag für bild und text zur förderung experimentell devianter ästhetiken. Und ja, er veröffentlicht auch regelmäßig. Zuletzt den Lyrikband »im darknet sind alle katzen miau« (Edition ZZOO).
Die Donauinsel in Budapest wird auch heuer wieder zur »Island of Freedom«, wenn von 10. bis 15. August Abertausende Menschen aus zig verschiedenen Ländern am Sziget Festival zusammenkommen, um friedlich zu feiern – das Miteinander, die Vielfalt, den Sommer und natürlich die Musik. Wir von The Gap freuen uns, in Kooperation mit Radio FM4 und gemeinsam mit euch wieder eine Band in die ungarische Hauptstadt entsenden zu dürfen. Welchen der fünf nominierten Acts möchtet ihr auf der Europe Stage am Sziget Festival sehen?
Verspielter R&B trifft auf verträumten Indie-Pop. Zuletzt überzeugten Ezgi Atas und Beyza Demirkalp mit dem Roxy-Music-Cover »More Than This«.
Tanzbarkeit und Schwermut verschränkt der elektronische Pop-Entwurf von Veronika König. In einer gerechteren Welt wäre sie damit längst ein Star.
Emo- und Punk-Pop, die 90er- und die Nullerjahre – die Songs dieser vierköpfigen Band drängen förmlich vom Proberaum auf die großen Bühnen.
Kaum ist sein Debütalbum veröffentlicht, darf sich der blutjunge Singer-Songwriter auch schon einen Amadeus Award abholen. Shootingstar des Jahres!
Der verträumt klingende Pop dieses Familienunternehmens – die vier sind Geschwister – weckt Melancholie und Sehnsucht. Top Seelentröster!
Noch bis 27. April könnt ihr unter thegap.at/sziget2023 für eure Favorit*innen abstimmen.
Von 4. bis 11. Mai zeigt die Ethnocineca wieder aktuelles Dokumentarfilmschaffen aus Österreich und der ganzen Welt. Gemeinsam mit dem Festival vergibt The Gap ein Schreibstipendium im Wert von 500 Euro.
Du interessierst dich für Film? Besonders für Dokumentarfilm? Außerdem möchtest du gerne in die journalistische Praxis eintauchen? In Kooperation mit dem Filmfestival Ethnocineca suchen wir Nachwuchsjournalist*innen, die auf thegap.at vom Festival berichten möchten.
Das zu vergebende Stipendium ist mit 500 Euro dotiert. Im Rahmen des Stipendiums sollen drei Texte entstehen, in denen Eindrücke vom Festivalgeschehen und den gezeigten Filmen in einem Filmtagebuch verarbeitet werden. Für die Erstellung der Texte wird der*die Stipendiat*in von der The-Gap-Redaktion betreut und gecoacht.
Jetzt bewerben!
Du bist interessiert? Dann schick ein kurzes Motivationsschreiben samt allem, was wir über dich wissen sollten (max. 2.500 Zeichen) sowie eine Textprobe (gerne auch unveröffentlichtes Material) per E-Mail an office@thegap.at. Die Einreichfrist endet am 27. April 2023.
Über die Vergabe der Stipendien wird bis 28. April durch eine Jury entschieden, die sich aus Vertreter*innen von Ethnocineca und The Gap zusammensetzt.
Das internationale Dokumentarfilmfestival Ehnocineca findet heuer zum 17. Mal statt. Das Festivalprogramm wird am 17. April veröffentlicht und ist von 4. bis 11. Mai im Votiv Kino und im De France zu sehen. www.ethnocineca.at
Der Wohnpark Alterlaa gilt als Paradebeispiel für leistbares Wohnen mit Lebensqualität. Bianca Gleissinger setzt dem Ort ihrer Kindheit ein filmisches Denkmal. »27 Storeys« feiert am 31. Mai im Filmcasino in Wien seine Kinostartpremiere – in Anwesenheit von Regisseurin, Filmteam und Protagonist*innen. Wir verlosen 5 x 2 Premierentickets.
David Wagners preisgekröntes Regiedebüt behandelt das Doppelleben von Vizeleutnant Charles Eismayer (Gerhard Liebmann), der sich im Beruf als dominanter Macho inszeniert und seine Homosexualität nicht offen lebt. Doch dann verliebt er sich in einen der Rekruten. Basierend auf wahren Begebenheiten. Wir verlosen drei DVDs.
Adrian Goiginger (»Die beste aller Welten«) erzählt in seinem neuesten Film aus dem Leben seines Urgroßvaters: Als Soldat im Zweiten Weltkrieg nimmt sich dieser eines verletzten Fuchswelpen an, woraus sich eine tiefe Verbundenheit entwickelt. Ab 19. Mai im Handel erhältlich. Wir verlosen zwei DVDs und zwei Blu-Rays.
4 »Final Cut of
In diesem Remake des japanischen Überraschungserfolgs »One Cut of the Dead« wird ein Filmteam, das einen Low-Budget-Horrorstreifen drehen möchte, von Untoten überfallen. Ein absurd-komischer Film über einen Film im Film – von Michel Hazanavicius (»The Artist«). Ab 28. April im Handel erhältlich. Wir verlosen eine DVD und eine Blu-Ray.
5 Amani
Die eigene Wut zum Ausdruck zu bringen, das wird nicht allen Menschen im gleichen Maße zugestanden. Schnell wird die Wut marginalisierter Menschen gar als bedrohlich wahrgenommen. Amani Abuzahra zeichnet eine emotionale Landkarte der Marginalisierten und zeigt, was Rassismus mit Gefühlen macht. Wir verlosen drei Exemplare.
»Rokko’s
Von 2007 bis 2019 berichteten Clemens Marschall aka Rokko und Gleichgesinnte im erfreulich eigenwilligen Magazin Rokko’s Adventures von abenteuerlichen Phänomenen und Begegnungen im Wiener Untergrund. Die besten Artikel aus den ersten zehn Ausgaben des Magazins fasst dieser Sammelband zusammen. Wir verlosen drei Exemplare.
Alles kann man eigentlich nie haben. Der Kapitalismus – was sonst? – und das ihm inhärente asketische Verzichtssystem haben uns ein Kompromissmantra auf die Oberschenkel tätowiert: entweder finanzieller Wohlstand oder psychosoziale Gesundheit, entweder dieses oder jenes. Permanent faule Deals im Entweder-oder. Einzelne Lichtblicke im Sinne der Kompromisslosigkeit wirken daher wie die ersten Sonnenstrahlen nach Vitamin-D-armen Wintern. Besonders schön sind sie, wenn sie nicht völlig unerwartet kommen. Auch dass die für ihre Konzerte in den Himmel gelobte Wiener Gruppe Bipolar Feminin – die besten Namen sind auch immer Statements! – auf in Vinyl geritzter Langstrecke zu überzeugen weiß, ist jetzt nicht die größte Überraschung. Schließlich war bereits die vor knapp einem Jahr erschienene EP »Piccolo Family« Beweis für musikalische Qualität. Sie funktionierte bestens auch ohne aktionistisches Live-Erlebnis: am Smartphone, im Ohrensessel, zur Spaghettiparty am WGKüchentisch. Qualität, die auch das renommierte Label Buback Tonträger überzeugte. Noch immer sind Debütalben österreichischer Bands bei ausländischen Labels eine bemerkenswerte Seltenheit. Aber eben auch kein Zufall, dass es gerade Bipolar Feminin gelingt.
Als Beispiel für ihre beißende Kritik an einem sterbenden, fragilen »System«, gebaut aus metaphorischen Kartenhäusern der gender-based Ausbeutung, Unterdrückung und Selbstaufgabe, könnte nahezu jeder der zehn Songs taugen – vor allem »Mami«, »Attraktive Produkte«, »Sie reden so laut« und »Struktur«. Solche Kritik ist nicht nur Mode, sondern auch zivilrevolutionäre Notwendigkeit und verleiht der Gruppe absolute Relevanz, weit über manch willkürlich gesetzte Grenzen hinaus. Die gut akzentuierte sprachliche Schärfe von Texterin und Sängerin Leni Ulrich lässt gerne das Handeln aller überdenken. Aber insbesondere der oft überraschend süße und größtenteils sehr leichtfüßige Indie-Sound des Vierers, der über große Strecken eine Ton-Text-Schere erzeugt, schenkt »Ein fragiles System« eine gewisse Größe, die sich bisweilen sogar vom Inhalt emanzipiert. Es gibt kein Entweder-oder bei Inhalt und Verpackung. Und wie offenbar immer bei Bipolar Feminin: keine Kompromisse. (VÖ: 19. Mai) Dominik Oswald
7.-9.9.2023
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Festival Pass € 39
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Pro Pass € 69
Preise gültig bis 11. Mai
Ada Oda (BE) Charlotte Fever (FR) Filly (AT)
Cousines like Shit (AT) Dolphin Love (DE)
Elav (AT) Gents (DK) Sam Quealy (AU)
Lahra (AT) Oopus (EE) Nina Kohout (SK)
Shelf Lives (UK) Turfu (FR)
… and many more to come
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Nähere Infos unter abo.thegap.at
Als Teenager habe er sich vorgenommen, nie einen Song über die Liebe zu schreiben, so Mwita Mataro – weil es davon eigentlich schon zu viele gebe. Knapp vor seinem 30er habe ihn das Thema dann aber doch noch eingeholt. »Loved«, die Vorabsingle des zweiten Albums seiner Band At Pavillon, ist dabei alles andere als ein klassisches Liebeslied: »How do we all know / What love is? / How love feels? / How do we all know?« Es sind Zeilen, die Unsicherheit und Verletzlichkeit zum Ausdruck bringen, die die Liebe hinterfragen und die uns nahe ranlassen an Mataros Gefühlswelt: »Do I also get love? / When I don’t have someone to share love? / To be honest I fear love / Please tell me again what love is about.«
Auch an anderen Stellen von »Personal Development Deals« geht es um sehr grundsätzliche Fragen – ein Versuch, mit sich ins Reine zu kommen: Neoliberaler Leistungsdruck und überhöhte Erwartungshaltungen, die zum psychischen Zusammenbruch führen können, sind ebenso Thema (»Shooting Star«) wie die vermeintliche Realität, mit der uns die digitale Welt in ihren Bann zieht (»Access«). Aber gesellschaftspolitisch haben sich At Pavillon ja schon auf ihrem Debüt »Believe Us« gegeben, wohl nicht zuletzt, weil Mataro, dessen Eltern aus Tansania stammen, seit seiner Kindheit in Salzburg mit Rassismus konfrontiert ist. Strukturen zu schaffen, die nicht-weißen Menschen den Zugang zum Musikschaffen erleichtern, steht deshalb auch ganz oben auf seiner To-do-Liste. Siehe etwa seine Arbeit mit der Initiative Question Me & Answer oder den Dokumentarfilm »Austroschwarz«.
Doch zurück zur Musik: »Personal Development Deals« zeigt die Band – vervollständigt wird sie von Kiddy B an der Gitarre und Paul Ali am Schlagzeug – über den zappeligen Indie-Rock ihrer Anfangstage hinausgewachsen. Die Beine lässt das nach wie vor nicht kalt, aber es darf auch luftiger sein, melodiöser oder geradezu soulful. Manchmal dominieren dabei die Synths, dann wieder die Gitarren. Die neuen Seiten tun At Pavillon gut – und getanzt darf und soll bei ihnen ja immer noch werden, wenn auch teils mit geschlossenen Augen, in Gedanken versunken und ganz für sich allein. (VÖ: 19. Mai) Manuel Fronhofer
Live: 18.
Patricia Narbon, Jana PerusichDer erste gute Tag — Problembär
Gscheitmeier allerseits wissen: Das Rauschen – klingelt’s? – ist nicht nur Onomatopoesie, nicht nur allegorische Metaphorik in zeitgenössischen Kompositionen, sondern vor allem, wie es in der Seelenklempnerei heißt, eine – aufgepasst! – Maskierung der Signale. Ebenjenes Geräusch bildet den klanglichen Einstieg in die Welt des Debütalbums von Holli oder – wie er von Amts wegen genannt wird – von Tobias Paal. Aber auf den folgenden 15 Nummern ist dann keineswegs eine feige Maskierung seiner Seele zu hören. Sondern vielmehr, wie es gute alte Songwriter-Schule ist und so dämlich heißt, ein Striptease derselben.
07
22.04.
BLAINE L. REININGER 29.04. (TUXEDOMOON)
Immer gut, vor allem in diesem Zusammenhang: Liebeslieder, wie etwa das eindrucksvolle »Hannah«, in dem die benannte Frau mit so zuckersüßem wie fließendem Indie-Pop geehrt wird. Inklusive dem maximal autobiografischen Kehrreim: »Ich dreh durch / Egal ob in Linz oder in Wien / Ist egal, ist egal, ist egal« – schließlich ist Paal selbst mal da und mal dort. Emotional ist er aber vor allem in allen Zuständen der Zweierbeziehung zu Hause, zwischen Verliebtsein und Zeitbrauchen, Fingernägel-gelb-Rauchen, Autofahren, Ängste, Zweifel, Abstandnehmen, Depression, normal, du weißt Bescheid. Wer jetzt darin nichts Ungewöhnliches vermutet, mag sich zwar inhaltlich bestätigt fühlen, unterschätzt das Album dabei aber sowohl textlich als auch musikalisch. Textlich, malt Holli – Spitzname vom Zivildienst, er sah so »holländisch« aus, musst du auch einmal darauf kommen – nicht nur die »alten Muster und Teufel an die Wand«, sondern überrascht immer wieder mit gewitzter Lyrik. Auch musikalisch gibt es immer wieder Momente des Staunens, wobei dankenswerterweise Dynamik und Tempo ordentlich variiert werden – von tatsächlich ordentlich stampfender Indie-Disco über charismatischen Wohlfühl-Pop bis zu verschleppten Klavierballaden ist auf diesem gelungenen Erstlingswerk vieles dabei zum Rosinenpicken, Gernhaben und Verstandenfühlen. Da kann man selbst auch einmal die Masken fallen lassen. (VÖ: 26. Mai) Dominik Oswald
MUSA DAGH 20.05.
WELLER 25.09.
CALEXICO 25.10. und viele mehr!
Nach einem rasanten Start in der Wiener Hip-Hop-Szene und einem Abstecher in den österreichischen Disco-Rap, ist es nun Zeit ein ganz neues Kapitel aufzuschlagen: Aus HipHop Joshy wird Jōshy. Damit legt der Musiker das Hip-Hop-Label ab und zeigt seine musikalische Reifung. »LOL, was mach ich eigentlich«, sein Debütalbum unter neuem Namen, ist ein Neuanfang, der vor allem von seinen ganz persönlichen Anfängen erzählt: vom Aufbruch bis zum Nullpunkt.
Gleich beim ersten Reinhören macht sich die Aufbruchstimmung des Albums bemerkbar: Trompeten und 808s, synthige Pop-Beats mit Ohrwurmpotenzial, softe Kopfnicker auf 90s-inspirierten Beats – unterschiedlichste Einflüsse mischen sich zu einem stimmigen und teilweise fast spacigen Soundbild. Dass Jōshy sich eine Zeit lang im Disco-Rap zu Hause gefühlt hat, ist definitiv nicht zu überhören. Doch noch viel mehr sticht die hintergründige Ernsthaftigkeit heraus, die sich zwischen den Zeilen versteckt – oftmals recht offensichtlich. »Zu Hause war jeder Talk ein Streitgespräch / Hab mich dort nie wirklich daheim gefühlt.« Im gesamten Album greift Jōshy mehrmals angespannte Familienverhältnisse auf. Einblicke in seine Lebensgeschichte, Texte über Suchtkritik und Wutmanagement lassen das Album viel persönlicher wirken als zunächst geahnt. Es scheint wie ein Abschluss mit der Vergangenheit. Passend für einen Neuanfang.
»Bin nicht lost, hab mich nur noch nicht gefunden«, singt Jōshy auf dem Track »LuPe« und beschreibt damit recht gut die Stimmung des Albums. Es ist ein Austesten der eigenen Genregrenzen, Teil der Identitätsfindung. Zwar bleibt noch bemerkbar, dass diese nicht ganz abgeschlossen ist, doch der persönliche Charakter des Albums macht das (fast) wett. Die Tiefe und Emotionalität von Teilen der Texte machen »LOL, was mach ich eigentlich« zu einer Platte mit viel Herz. Jōshy schließt damit ein Kapitel und schlägt ein neues auf. (VÖ: 26. Mai)
Mira SchneidereitOh wie schön das Leben ist — Phat Penguin
Live: 27. Mai, Wien, B72
08
Also nur so vom Gefühl her: Die Geschichten von Felix Kramer sind wie die frühere ATV-Erfolgssendung »Saturday Night Fever«. Danach willst am liebsten selber saufen gehen. Ja, klar, da ist viel Grind, Speiben und kapitalistische Selbstaufgabe dabei, aber eben auch die schönen Sachen: stundenlang Scheiße reden, vier Stangen Mäuberl heizen, Schmiersuff, schmusen, ranzige Käsekrainer, erst recht speiben, Reparaturseidl zum Mittagessen und alles wieder von vorne.
Der Kramer Felix nämlich, der versteht sein Handwerk ziemlich gut. Das mit der Gitarre sowieso – ist ja ein Studierter, vergisst man auch immer. Aber vor allem das mit dem Storytelling – als eine Mischung aus identifikations- und sinnstiftend, bei der anderen ein bisschen der Stift gehen dürfte. Was da immer wieder durchklingt, ist ein detektivisches Gespür für die ganz genauen Beobachtungen. Vor allem bei den wieder einmal nicht wenigen Drangla-Geschichten. Die sind jetzt keine ganz argen, Schluckfrequenz noch im grünen Bereich, wenn du verstehst. Was man halt so erlebt, als PräBobo in der Großstadt. Da ein bisschen das Heimgehen prokrastinieren (»Ich bleib sitzen«). Da ein wenig fremdflirten mit der an die Spießbürgerlichkeit verlorenen Kollegin aus dem Marketing (»Deine Gründe«). Da ein bisschen was von allem, was das Leben irgendwie gut und weird macht (top: »Oh wie schön das Leben ist«). Natürlich ist das auch immer ein wenig melancholisch, wie eben jede vernünftige Musik. Weißt eh: Wer fröhlich ist, ist nur falsch informiert. Aber der Kramer – und da kann man schon ein bisschen Hüte ziehen – ist trotzdem ein gutinformierter Optimist, sucht nach Licht in der weltlichen Dunkelheit. Deshalb ist auch der Albumtitel quasi ironiefrei, wenngleich die Quintessenzen der Geschichten mitunter entmutigender nicht sein könnten – ebenso wie die paar soziopolitischen Bestandsaufnahmen (»Wahrnehmungssache 4«, »Er sagt, dass er sich bemüht«). Lachender Smiley mit Tränen, wenn du verstehst. Und jetzt bitte einen Vollrausch zum Mitnehmen. Danke, stimmt so.
(VÖ: 26. Mai)
Dominik Oswald
Live: 2. Juni, Krems, Kino im Kesselhaus — 3. Juni, Wels, Alter Schlachthof — 6. Juni, Wien, Porgy & Bess
Wellen — Vill4in / Not Not Fun
Für das pure beef sugo von inzersdorfer kommt zu 100 % hochwertiges Rindfleisch aus Österreich zum Einsatz – und davon extra viel. Schmeckt wie hausgemacht! Erhältlich als Fleischsugo Bolognese, mit Parmesan und Arrabbiata. Ganz ohne Geschmacksverstärker. www.inzersdorfer.at/sugo
Zählt man alle österreichischen Musikprojekte auf, an denen Wolfgang Lehmann (früher: Möstl) nicht beteiligt ist, ist man schneller fertig als umgekehrt. Nach »Secret Earth« (2019), »Inner Sphere« (2021) und »Virtual Moonlight« (2022) legt der lokale Universalspezialist mit Hang zu verträumten Klangwelten mit »Wellen« nun noch ein Solodoppelalbum nach. Wobei – in der Korrespondenz zu »Inner Sphere« bezeichnete Lehmann das Projekt einst als Familienprojekt mit Beteiligung von Partnerin und Kind.
Wie dem auch sei, schon in der Vergangenheit wurde Voyage Futur mit den Begriffen Nostalgie und Zukunft in Verbindung gebracht, was nach wie vor hält. Es beginnt gleich beim Cover-Artwork: Ein raumschiffartiges Gebäude an einem idyllischen Strand schimmert im Abendrot – selbstverständlich in Pixel-Art. Musikalisch wird dieser Faden weitergesponnen. Vor allem die ersten beiden Seiten des Doppelvinyls erinnern stark an die futuristische Ambient-Ästhetik der 70er- und 80er-Jahre. Lange Hallfahnen, verwaschene Synth-Stakkatos, Fretless Bass – you name it. Die insgesamt zwölf Tracks bauen sich wellenförmig auf und ab und fließen ineinander. Auf Platte dürfte das um einiges immersiver wirken als bei den digitalen Files.
Verglichen mit den drei Vorgängeralben transzendiert »Wellen« die Genregrenzen von Ambient und Vaporwave immer wieder, um in Richtung Dub und Kraut abzubiegen, und – wie im Begleittext attestiert – »sich in Fourth-World-Lagunen zu baden«. Letztere Bezeichnung stammt aus den frühen 80ern, was den mittlerweile überholten World-Music-Beigeschmack erklärt. Im Zuge der Veröffentlichung des Albums »Fourth World, Vol 1: Possible Musics« von Jon Hassel und Brian Eno definierte Hassell: »Fourth world music is a unified primitive/ futuristic sound combining features of world ethnic styles with advanced electronic techniques.« Glücklicherweise lässt sich »Wellen« ganz gut ohne das Sinnieren über Definitionen und Begriffe genießen.
(VÖ: 14. April) Sandro Nicolussi
Wer bei Weißwein auf erfrischende Fruchtnoten und herausragende BioQualität setzt, der macht Jagd auf den green hunter – den Weinviertel DAC Reserve vom weingut hagn Exotisch fruchtig, animierend mineralisch und herrlich erfrischend. www.hagn-weingut.at
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ÖSTERREICHS CLUBSZENE IM RADIOKULTURHAUS
24.05.2023
DETAILS UND TICKETS: radiokulturhaus.ORF.at
MARKT FÜR JUNGES DESIGN
6.+7. MAI MARX HALLE
FOOD FASHION SHOPPING LIFESTYLE EDELSTOFF.OR.AT
»Müssen wir uns radikal neu entwerfen, um eine Zukunft zu haben?« Das fragt der Begleittext zum diesjährigen Donaufestival. »Beyond Human« heißt folglich auch das Überthema, dem man sich in Krems anhand von Kunst, Performance, Sound und Diskurs annähert. Das Musikprogramm reicht vom ohrenbetäubenden Feedback der Industrial-Metal-Veteranen Godflesh über den apokalyptischen Riot-Clubsound von DJ Lag bis hin zum subversiven Hyperpop von Yeule (Bild). 28. bis 30. April und 5. bis 7. Mai Krems, diverse Locations
Das »Festival for Club Culture« bespielt auch heuer wieder den Zukunftshof im zehnten Wiener Bezirk. Und im Programm bilden sich – ganz so, wie man es vom Hyperreality gewohnt ist – die diversen Erscheinungsformen progressiver Clubkultur ab. Seine Wien-Premiere gibt etwa der in Berlin lebende LSDXOXO (Bild), in dessen Mischung aus Techno, House und Pop die New Yorker Ballroom-Szene nachhallt. Außerdem mit dabei: Tongue in the Mind, Krista Papista, Flower Crime, Bex und viele mehr. 19. und 20. Mai Wien, Zukunftshof
JAMES O’BARRDie frühe Neue Deutsche Welle klingt bei Salò ebenso durch wie räudigere Punk- und New-Wave-Spielarten. »Subjektiv betrachtet« heißt sein Debütalbum, darauf zu hören: Lieder über Lust, Leiden und die Liebe in Zeiten des Spätkapitalismus.
4. Mai Dornbirn, Spielboden — 18. Mai Klagenfurt, Hafenstadt
— 20. Mai Innsbruck, Bogenfest — 25. Mai Wien, Flucc — 2. Juni Graz, Orpheum — 15. Juni Salzburg, Rockhouse
Verträumter Indie-Pop, dafür sind Crush Expert*innen – siehe etwa ihr Debüt »Sugar Coat« oder die EP »Sundown«. Ihr zweites Album löst nun bereits mit seinem Titel blassbunte Assoziationsketten aus: »Past Perfect«. Sie enden bei der Nostalgie, die die Grazer Band auch mit ihrer Musik weckt. Zuckerguss und Sonnenuntergang gibt’s obendrauf. 13. Mai Graz, Forum Stadtpark — 26. Mai Linz, Kapu — 27. Mai Wien, Kramladen
Seit 25 Jahren bereichert diese Band nun schon die heimische Musikszene mit ihrem feinsinnigen Pop-Entwurf und Texten von lyrischer Qualität. Zum Jubiläum gibt’s ein Album mit GarishNeuinterpretationen unter Mitwirkung von Freund*innen. 17. Mai Oslip, Cselley Mühle — 19. Mai Innsbruck, Treibhaus — 20. Mai Bludenz, Remise — 24. Mai St. Pölten, Cinema Paradiso — 28. Mai Wien, Stadtsaal — 1. Juni Salzburg, ARGE Kultur
Ob Klanginstallation oder digitale Kunst, ob Techno-Beats oder Drone-Rock, das Heart of Noise in Innsbruck pflegt einen Musik- und Festivalbegriff, der von Grenzen nicht allzu viel hält. Fest steht: Es gibt was auf die Ohren. Mit Künstler*innen wie Boris, Swans, Hüma Utku, Rojin Sharafi (Bild), Italo Brutalo und Xindl. Aktuelles Festivalmotto: »War Is Stupid«. 25. bis 28. Mai Innsbruck, diverse Locations
Ambient, Neo-Klassik und Minimal Music – das sind die Referenzen, an die einen das gemeinsame Album des DowntempoPioniers Peter Kruder und des deutsch-italienischen Jazz-Pianisten Roberto Di Gioia denken lässt. »--------«, so dessen Titel, bietet einen musikalischen Dialog zwischen zwei Freunden, in dem man sich als Zuhörer*in leicht verlieren kann. Live-Premiere!
26. Mai Wien, Konzerthaus
Als Festival der steirischen Popkultur gibt das Styrian Sounds alljährlich einen Überblick über die – tatsächlich sehr vielfältige – Musikszene der grünen Mark. Heuer mit: Granada, Uche Yara, Erwin & Edwin, Bibiza, Farewell Dear Ghost, Resi Reiner, My Ugly Clementine und vielen mehr. 27. bis 29. April Graz, PPC
Mit dem bombastischen Sound, den das Trio über die Jahre entwickelt hat, passen Muse perfekt in den großen Rahmen einer Stadionshow. Progressive Metal, Electronic Rock, Industrial, Glam und Pop, dazu düstere Zukunftsvisionen – das neue Album »Will of the People« fasst all das gut zusammen.
3. Juni Wiener Neustadt, Stadion
Ihr neues Album hat ein paar der unmittelbarsten Hits zu bieten, die The 1975 bislang veröffentlicht haben. Adult-Contemporary-Pop-Vibes aus den 80ern inklusive. Matty Healy –stets für eine Kontroverse zu haben –singt von Liebe und Verlust, setzt aber auch auf Selbstironie und aktuelle Zeitbezüge. 5. Juni Wien, Stadthalle
17.04. Science Busters
19.04. Andreas Vitásek
20.04. Geschwister Pfister
21.04. Two Year Vacation
21.04. Rosalie Wanka
24.04. Ana Marwan & Cvetka Lipuš
27.04. Louise Lecavalier
29.04. Maria Clara Groppler
02.05. Katharina Stemberger
03.05. Sharktank
05.– 06.05. Salzburger Stier 2023
08.05. Massimo Rocchi
10.05. RaDeschnig
12.– 13.05. Compagnie Chaliwaté
13.05. Clara Luzia
16.05. Von Wegen Lisbeth
17.05. 01099
19.05. Hugh Cornwell
22.05. Neville Tranter’s Stuffed Puppet Theatre
23.05. Hubert von Goisern Kulturpreis 2023
25.05. Stefanie Sargnagel & Euroteuro
25.05. Theater Wortwiege: Dantons Tod
31.05. Elderbrook
09.– 10.06. Edmund
16.– 18.06. LIDO SOUNDS
2023: Florence + The Machine, Die Toten Hosen, Peter Fox uva.
22.06. Pietro Lombardi
www.posthof.at
POSTHOF – Zeitkultur am Hafen, Posthofstraße 43, A – 4020 Linz Info + Tickets: 0732 / 78 18 00 kassa@posthof.at | www.posthof.at Weiterer VVK: LIVA Servicecenter im Brucknerhaus, Thalia Linz, oeticket und alle oberösterreichischen Raiffeisenbanken.
Gründer und Leiter
Vienna Comix
30 Jahre Vienna Comix – hättest du zu Beginn gedacht, dass ihr diesen Meilenstein einmal erreichen werdet? Wie hast du die Entwicklung der Vienna Comix erlebt?
Das hätte ich nie gedacht, nein. Bei der ersten Comix 1993 hat es nicht einmal einen Termin für die nächste Veranstaltung gegeben. Zum Glück war ich immer total mit der Comix-Arbeit eingedeckt, so habe ich vieles, was mich als Veranstalter nervös machen hätte können, gar nicht mitbekommen. Für mich ist in erster Linie wichtig, eine gute Comix zu organisieren, dass andere ergibt sich dann von selbst. Also, wenn du deinen Job liebst, dann versäumst du schon nichts, was wirklich wichtig ist.
Wie würdest du die Vienna Comix für Leute beschreiben, die nichts mit Comics am Hut haben?
Gar nicht! Hinkommen und anschauen! Weil noch alle, die ich je eingeladen habe hinzugehen, nachher gesagt haben: »Na, wenn ich das vorher gewusst hätte, wäre ich schon viel früher hingegangen.« Auch dieses Jahr ist wieder für alle etwas dabei, was sich zum Beispiel an den eingeladenen internationalen Zeichner*innen zeigt. Kult: James O’Barr (»The Crow«; USA), Kinder: Thierry Capezzone (»Petzi«; Frankreich), Superheld*innen: Esad Ribic (»Thor«, »Conan«; Kroatien), Funny: Elric (»Isnogud«; Frankreich), Retro: Angel Mitkov (»Sigurd«; Bulgarien) und Disney: Henrieke Goorhuis (»Donald Duck«, »Hansi Hase«; Niederlande). Wer nicht hinkommt, ist selber schuld!
Welche Bedeutung hat für dich, dass die lokale Comicszene Platz auf der Vienna Comix findet?
Das war mir immer ein großes Bedürfnis, und es ist auch nicht übertrieben, wenn ich sage: Durch die Zusammenarbeit mit den Künstler*innen hat sich auf der Comix eine Präsentationsmöglichkeit ergeben, die es so vorher nicht gab. Außerdem gibt es auch nach wie vor eine Underground-Szene, die sehr bewusst, den Underground sucht und lebt. Am Vienna U-Comix-Day kann sich jede*r selbst ein Bild davon machen. Am 21. April, ab 17 Uhr im Literaturhaus Wien, im Rahmen der Vienna Comix Week.
»Just a Moment, Please!« – Anlässlich seines 20-Jahr-Jubiläums widmet sich das internationale Kurzfilmfestival dem Moment. Er will gut genutzt sein, kann nicht wiederholt werden, ist vergänglich. In ihm verdichten sich die Ereignisse und er lädt zum Innehalten ein. Im Filmprogramm schlagen sich deshalb die Krisen und Entwicklungen unserer Zeit nieder, aber auch Arbeiten, die den Moment als fotografisches Einzelbild mit filmischen Mitteln zum Leben erwecken, festhalten, verzögern. Personalen beschäftigen sich mit Kevin Jerome Everson und Christiana Perschon (im Bild: »Bildwerden«).
Im Vorfeld von Vienna Shorts sind ab 24. April außerdem 20 Kurzfilme aus 20 Festivaljahren online abrufbar, und zwar kostenlos. 1. bis 6. Juni Wien, diverse Locations
Als Teil des Start-up-Festivals Vienna Up finden auch heuer wieder die Creative Days statt. Im Zentrum von Keynotes, Vorträgen und Networking-Sessions steht dabei die Fragestellung, wie digitale Technologien die Zukunft kultureller Erlebnisse prägen und welche Möglichkeitsräume sich dadurch eröffnen. Ihre Arbeiten zu dezentralen Wertschöpfungsprozessen im Kulturbereich präsentiert etwa Penny Rafferty. Tega Brain wiederum spricht über ihre Forschung an der Schnittstelle von automatisierten Technologien und Agency. 31. Mai und 1. Juni Wien, diverse Locations
Drei lange Jahre musste Österreichs größtes Do-it-yourself-Festival pausieren. Ihr wisst, warum. Im Juni gibt’s aber endlich das Comeback der Maker Faire. Zu ihrer fünften Ausgabe werden wieder mehrere Hundert Selbermacher*innen, Tüftler*innen, Kreative und Start-ups als Aussteller*innen erwartet. Besonderes Augenmerk wird heuer auf innovative Lösungen für die Gestaltung der Zukunft gelegt, im Speziellen auf das Thema Kreislaufwirtschaft: Wie können Projekte von Maker*innen mithelfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen? 3. und 4. Juni Wien, Metastadt
Das Filmfestival Crossing Europe zelebriert heuer seine 20. Ausgabe und macht Linz mit rund 140 Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilmen wieder zum Hotspot des europäischen Kinos. Ein Tribute ist der griechischen Schauspielerin Angeliki Papoulia gewidmet. Die Schiene »Arbeitswelten« blickt auf den Berufsalltag von Künstler*innen. Und in der Sektion »Architektur und Gesellschaft« heißt es: »Ganz schön hässlich«. 26. April bis 1. Mai Linz, diverse Locations
Bereits zum dritten Mal setzt die im September stattfindende Kunstmesse Parallel Vienna mit dem Veranstaltungsformat Editions im Frühling einen Schwerpunkt auf Editionen, Grafiken, Multiples, Kleinplastiken, Objekte, Skulpturen und Kunstbücher – und somit auf einen niederschwelligen Zugang zum Kunstmarkt. Erstmals wird dafür der Neue Kunstverein Wien, ein ehemaliges Autohaus am Rennweg, bespielt. 11. bis 14. Mai Wien, Neuer Kunstverein
Gin erfreut sich konstant hoher Beliebtheit. Davon zeugt nicht nur der große Facettenreichtum des Wacholderschnapses, den insbesondere die vielen kleinen, höchst kreativen Destillerien zelebrieren, sondern auch das Vienna Gin Festival. Rund 50 Aussteller*innen präsentieren dabei mehr als 150 Erzeugnisse. Dazu gibt’s Masterclasses und diverse Showeinlagen. Neu: eine Kaffeelounge, in der Espresso Martini und Cold Brew Coffee serviert werden. 12. und 13. Mai Wien, Semperdepot
Die Feschmarkt-Saison wird traditionsgemäß in Graz eröffnet, wenn die Seifenfabrik zum Date mit Kleinproduzent*innen und Start-ups aus den Bereichen Kunst, Mode, Möbel, Kosmetik, Vintage, Sport, Kids, Schmuck, Papeterie, Delikatesse sowie Food & Drinks lädt. Ein paar Wochen später geht’s dann in Wien und Vorarlberg weiter. 12. bis 14. Mai Graz, Seifenfabrik — 2. bis 4. Juni Wien, Ottakringer Brauerei — 30. Juni bis 2. Juli Feldkirch, Pförtnerhaus
Stahl: Transit Interior
Lucie
Die Straße vor sich, die öde Landschaft rundherum, Fahrtwind, Motorbrummen, dazu die ganze Filmund Literaturgeschichte der Roadmovies und Beat Generation: ein Setting, das schwer abzuschütteln ist. Lucie Stahl schlägt dennoch eine etwas andere Richtung ein: Unter ihrem fotografischen Auge lädt sich die vorbeiziehende Welt psychologisch auf. Zwischen Windschutzscheibe und Rückspiegel sind Vergangenheit und Zukunft aufgespannt. Der Dreck, das Übriggebliebene und Zurückgelassene, der Zyklus der Natur –all das Unscheinbare, Zufällig-Wirkende wird gerade auf seinen Schein und seine Wirkung hin untersucht. Die Fahrt durch die Wüste wird zum Trip durch das Innere. bis 21. Mai Graz, Camera Austria
Geschichte, heißt es, wird von den Siegern geschrieben. Und so zeigt sich Erinnerung als ein eher löchriges Gebilde. Die Setzung dieser Löcher hat jedoch eine Systematik, die manche Gruppen marginalisiert – unter anderem häufig Frauen. Für deren Geschichten interessiert sich Isa Rosenberger. Ausgehend von Recherchen füllt sie historiografische Leerstellen auf und aktualisiert diese in Zusammenarbeit mit Zeitgenossinnen. Am Ende ist so nicht nur rückwirkend, sondern auch in der Gegenwart ein Platz behauptet. bis 1. Mai Graz, Kunsthaus
… As Is My Soul«. Aufnahmen der griechischen Küstenlandschaft, der endlosen Weite des Meeres, der auf den Wellen tanzenden Sonne. Da kommt philosophische Stimmung auf. Dazu unterhalten sich Etel Adnan und Bettina Grossman. Ihr Gespräch reißt jahrzehntelange Zeiträume und vergangene Gefühle auf. Irgendwie sind alle Arbeiten dieser breit gefächerten, aber nicht überlasteten Gruppenausstellung mit einem zentralen Moment des Erzählens ausgestattet, sei es persönlicher, mythologischer oder kanonisch-historischer Geschichte. bis 6. Mai Wien, Universitätsgalerie im Heiligenkreuzer Hof
Dass England beißenden Witz beherrscht, ist ein Gemeinplatz. Dafür eignen sich sowohl die Ökonomie und Prägnanz der englischen Sprache als auch ihre Offenheit, die Raum für Wortspiele lässt. Der britische Künstler Jeremy Deller kommentiert seit den 1980er-Jahren Politik, Identität und Kultur der Inselgesellschaft. Er versteht es, Weisheiten – auch mal schnodderig – in aphoristischer Kürze unterzubringen und Menschen unmittelbar anzusprechen. Welcome to the Shitshow! bis 7. Mai Wien, Franz Josefs Kai 3
Landwirtschaft. Was vor mehr als 10.000 Jahren zwischen Euphrat und Tigris begann, nimmt heute fast die Hälfte der globalen Landfläche ein. Hinzu kommt der Fischfang. Das bleibt nicht ohne Folgen. Frauke Huber und Uwe H. Martin haben mit Produzent*innen, Wissenschaftler*innen, Aktivist*innen und indigenen Menschen aus aller Welt darüber gesprochen. Dabei wird deutlich, wie jedes Einzelschicksal in ein globales Netz aus Abhängigkeiten eingebunden ist, das sich zunehmend enger schnürt. bis 7. Mai Wien, MQ Freiraum
Schon mutig, im Jahr 2021 eine Ausstellung anzugehen, die an Standorten auf der ganzen Welt zu sehen sein soll. Um dem Festsitzen zu widerstehen, gingen 24 Arbeiten aus Österreich auf die Reise. Sie alle beziehen sich auf die – nicht zuletzt ökologischen – Umbrüche, mit denen die globale Gemeinschaft in den letzten Jahren konfrontiert wurde. Ein Zustand, der andauert und dem wohl mit Mut und Kreativität begegnet werden muss. Jetzt sind die Werke zu einer Abschlusspräsentation gemeinsam in Wien versammelt. bis 21. Mai Wien, Künstlerhaus
Kiki Kogelnik, Pendlerin zwischen Wien und New York, muss einen besonderen Blick auf die Welt gehabt haben. Schon in den 60er-Jahren, bewies sie ein Gespür für Veränderungen, denen die Menschen angesichts einer zunehmenden Technisierung des Lebens unterliegen. Und natürlich besetzt auch die Rolle der Frau in einer patriarchalen, aber im Wandel begriffenen Gesellschaft einen zentralen Platz in ihrer Arbeit. Hochaktuell also zeigt sich ihr Werk, das jetzt in beispiellosem Umfang präsentiert wird. bis 25. Juni Wien, Kunstforum
Regisseur von »Heimsuchung«
In »Heimsuchung« geht es um Elternschaft und Traumabewältigung. Was hat dich an diesen Themen speziell interessiert?
Als Vater von zwei Kindern kam diese Thematik ganz von allein. Man ist plötzlich mit Ängsten konfrontiert, die man so nicht kannte, ist ständig in Sorge, etwas falsch zu machen oder dem Kind zu schaden. Zumindest war das bei mir anfangs so. Außerdem beschäftigt mich transgenerationale Weitergabe schon länger: Die meisten von uns tragen Dinge mit sich herum, die sie nach dem Teekannenprinzip von oben mitbekommen haben. Oft unbewusst und es ist harte Arbeit, diesen Ballast wieder abzuwerfen. Das sind universelle Fragen: Welche Macht hat die Vergangenheit über uns? Wie überwinden wir schmerzliche Erlebnisse?
Was hat dich dazu gebracht, dich mit dieser Thematik in Form eines Horrorfilms auseinanderzusetzen?
Ich bin großer Horrorfan. Es hat mich gereizt, Suchterkrankungen und Nachwirkungen kindlicher Traumata in einem psychologischen Horrorfilm zu verhandeln. Die Protagonistin hat Angst davor, an ihren Problemen zu zerbrechen, wieder einen Rückfall zu erleiden. Aus Sicht des Kindes wiederum ist die Sucht oder psychische Erkrankung eines Elternteils der reinste Horror. Welcher erzählerische Rahmen würde sich also besser eignen? Doch das Genre bildet eben nur den Rahmen, im Kern ist »Heimsuchung« das Psychogramm einer Frau, die unter einem Trauma leidet und Gefahr läuft, dieses an ihre Tochter weiterzugeben.
Wie kamst du auf den Titel »Heimsuchung«?
Ich mochte die mitschwingende Doppeldeutigkeit, die so gut zu unserer Geschichte passt. Auf der einen Seite wird unsere Protagonistin von den Geistern ihrer Vergangenheit heimgesucht – darin liegt der Horroraspekt des Films. Auf der anderen Seite ist sie eine Frau und Mutter, die um ihre Familie kämpft. Der Vertrauensverlust ihres Mannes und ihrer Tochter zieht ihr den Boden unter den Füßen weg. Zurück im Haus ihrer Kindheit, an die sie sich nur noch bruchstückhaft erinnert, arbeiten sich nun auch wieder kindliche Ängste in ihr hoch. Dieser Ort war nie ein Heim für sie. Vielleicht sucht sie aber genau das schon ihr ganzes Leben.
»Heimsuchung« Start: 14. April
Regie: Nikolaus Geyrhalter Schon in seinem letzten Film »Erde« ging es Nikolaus Geyrhalter um die menschliche Aneignung des Planeten. Diesmal ist es konkret der Müll, der im Fokus seines Interesses steht. Dieser wird von A nach B und nach C bewegt, in die letzten Winkel der Welt. Das Problem: Es gibt bekanntlich zu viel davon. Allein in Österreich lag das Abfallaufkommen 2019 bei 71,26 Millionen Tonnen. Die Weltbank warnte bereits vor dem drastischen Anstieg des weltweiten Müllbergs: Bis 2050 werde die Abfallmenge um rund 70 Prozent steigen. Mit gekonntem Blick und in präzisen Bildern zeigt die Dokumentation die Reise des Mülls: Müll am Strand, auf den Bergen, Müll überall. »Der Müll ist ein Symbol dafür, wie sich die Menschheit entwickelt, nämlich viel langsamer, als es der technologische Fortschritt verlangen würde«, so der Regisseur. Start: 21. April
Regie: Ulrich Seidl 2022 erschien mit »Rimini« Ulrich Seidls Film über den alternden Schlagerstar Richie Bravo (Michael Thomas). »Sparta« dreht sich nun um dessen Bruder Ewald (Georg Friedrich). Er zieht nach Rumänien, um dort neu anzufangen. Mit Buben aus der Gegend gestaltet er eine verfallene Schule in eine Festung um. Das Misstrauen der Bevölkerung gegenüber Ewald wächst … Auch gegenüber Seidls Arbeitsweise gibt es Vorbehalte: Der Spiegel berichtete letzten September, dass die Kinder – laut am Dreh beteiligten Personen – bei den Dreharbeiten ausgenutzt worden seien. So sei etwa nicht offengelegt worden, dass es im Film um Pädophilie gehe. Auf Seidls Website heißt es, dass die Aussagen aus dem Kontext gerissen seien, dass die Darsteller*innen betreut worden seien und dass Kommunikation über die Inhalte des Films stattgefunden habe. Start: 5. Mai
Regie: Sam Mendes ———— Die Geschichte einer ungewöhnlichen Liebe erzählt Sam Mendes in seinem neunten Spielfilm. Hilary (Olivia Cole) leidet an Schizophrenie. Sie arbeitet in einem Kino und wird von ihrem Chef emotional sowie sexuell ausgenutzt. Doch dann verliebt sie sich in ihren neuen, Schwarzen Kollegen Stephen (Michael Ward). Start: 20. April
Regie: Marco Heinig, Steffen Maurer, Luise Burchard, Luca Vogel ———— Wie soll unser Leben künftig aussehen? »Rise Up« begleitet fünf Aktivist*innen, die Antworten suchen und für eine bessere Welt kämpfen – gegen die Terrormiliz IS, gegen autoritäre Staaten, Rassismus und den Klimawandel. Der Film zeigt, wie aus »normalen« Menschen Kämpfer*innen. Start: 21. April
Regie: Darren Aronofsky ———— Viel war schon zu lesen über Darren Aronofskys neuen Film, der mit zwei Oscars prämiert wurde. Brendan Fraser spielt die Hauptrolle, einen homosexuellen und 272 Kilogramm schweren Vater, der versucht, den Kontakt zu seiner Tochter Ellie (Sadie Sink) wieder aufzunehmen. Eine Geschichte über Selbstakzeptanz, Liebe und Familie. Start: 28. April
Regie: Léa Mysius ———— Vicky (Sally Dramé) hat eine ungewöhnliche Gabe: Sie kann jeden Duft reproduzieren, den sie wahrnimmt. Eines Tages taucht ihre Tante wieder auf und Vicky wird durch die Beschwörung ihres Duftes in die Vergangenheit zurückversetzt. Dort muss sie sich mit rätselhaften Familiengeheimnissen auseinandersetzen. Start: 12. Mai
Regie: Chris McKay ———— Renfield (Nicholas Hoult) möchte nicht länger unter der Fuchtel von Dracula (Nicolas Cage) stehen. Also: Ab in die Selbsthilfegruppe, um das eigene Ego etwas aufzupolstern und die Abhängigkeit von diesem zu beenden. Eine amüsante Neuinterpretation von Bram Stokers Vampirgeschichte. Mit dabei: Multitalent Awkwafina. Start: 25. Mai
Regie: Nina Menkes ———— Licht, visuelle Effekte, Einstellungswinkel und die Auswahl der Bildausschnitte – all das spielt eine Rolle, wie Frauen im Kino dargestellt werden. Basierend auf Nina Menkes’ Vortrag »Sex and Power: The Visual Language of Oppression« wirft »Brainwashed« einen Blick auf den Male Gaze und wie dieser sich auf der Leinwand manifestiert. Start: 26. Mai
Idee: Christopher Schier Die dritte und finale Staffel der Serie bringt die mittlerweile erbitterten Rival*innen Ellie Stocker (Julia Jentsch) und Gedeon Winter (Nicholas Ofczarek) abermals zusammen. Eine Mordserie erschüttert die Gegend. Deren Aufklärung konfrontiert die beiden Ermittler*innen mit ihrer Vergangenheit. Orientiert man sich an den mehrfach ausgezeichneten ersten beiden Staffeln, so ist wohl wieder mit bester Fernsehunterhaltung zu rechnen. ab 4. Mai Sky
Idee: Nick Santora »I’m back, baby«, das kann nun auch Arnold Schwarzenegger sagen. War es zuletzt noch Christoph Waltz, der in der Amazon-Serie »The Consultant« erneut sein Können bewies, ist nun mit Schwarzenegger ein weiteres österreichisches Original in einer internationalen Produktion zu sehen. Schwarzenegger spielt einen Spion, der ein Familiengeheimnis entdeckt – und ein letztes Mal einen Job erledigen muss. Die allererste Serienhauptrolle für Arnie. ab 25. Mai Netflix
bewegen bewegte Bilder – in diesem Kompendium zum gleichnamigen Podcast schreibt er drüber
Holla, die Hirnschmelze ist zurück. Nix, echt gar nix gelernt aus dem letzten Kolumnenkampf mit der ja nicht immer ganz ehrenwerten Lydia Tár. Ganz ohne Not, aber eben bedingt durch eine unüberwindbare Notwendigkeit, wieder bei einem Filmthema gelandet, das ob seiner Komplexität und Intensität kaum in vernünftiger Weise zu bändigen scheint. Ein Film, der mit Vorsatz und Vergnügen »everything everywhere all at once« sein möchte, um aus vielen unterschiedlichen Perspektiven und auf mehreren Ebenen eindrückliche Erkenntnisse zutage fördern zu können. Herrje. Aber auch: hurra. Also: hallo, »All the Beauty and the Bloodshed«! Vermutlich ist es am naheliegendsten, in diesen Text auf die gleiche Weise einzusteigen, wie die protestierende Meute in den Anfangsminuten des Films in das Metropolitan Museum of Art: mit der Tür ins Haus fallend, im Schlepptau einer Rädelsführerin, der es an Überzeugungskraft und Charisma nun wahrlich nicht mangelt: Nan Goldin.
In der neuen Arbeit der hochdekorierten Doku-Koryphäe Laura Poitras (»Citizenfour«) hängen wir nun mit Goldin, einer der bedeutendsten Fotokünstlerinnen und prononciertesten Aktivistinnen der Gegenwart, in den heiligen Hallen von »The Met« ab. Im Ohr lauthals skandierte Slogans à la »Sacklers lie! Thousands die!«, werden wir gleich eingangs einiger elementarer Einsichten dieses Films gewahr. Zum einen: Wer denkt, Kunst könne komplett losgelöst von der Welt, in der sie entstanden ist, existieren, nimmt in Kauf, dass auch böse Kräfte sich mit ihrer Hilfe reinwaschen können. Zum anderen: Wer glaubt, die kritische Auseinandersetzung mit »Big Pharma« muss beim wohlfeilen Winseln selbstgerechter Schwurbelmassen enden, sollte in den folgenden zwei Stunden besser etwas genauer hinsehen.
Aber alles der Reihe nach. Wer sind denn überhaupt die eben genamedroppten Sacklers? Nun ja, sagen wir es so: Wenn ruchloser Raubtierkapitalismus ein Gesicht hätte, dann würde er diesem Clan zum Verwechseln ähnlich sehen. Stehen die Sacklers doch hinter Purdue Pharma, jener Firma, die Mitte der 90er
das Schmerzmittel Oxycontin auf den Markt brachte, wohl wissend um das enorme Suchtpotenzial der Droge. Während sich Raymond Sackler und Co also dumm und dämlich dran verdienten, dass sie die Opioid-Epidemie vorsätzlich anheizten und dabei die Abhängigkeit von Millionen und den Tod von Hunderttausenden billigend in Kauf nahmen, kultivierten sie vor der Weltöffentlichkeit ein großspuriges Patronat und pumpten riesige Summen in die Top-Museen der Welt. Darunter nicht wenige, in denen Werke von Nan Goldin zu sehen sind, die selbst eine heftige Oxy-Sucht hinter sich hat. Weshalb sie es irgendwann mal als eine ihrer Lebensaufgaben betrachten sollte, Kraft ihres Status einen Kreuzzug gegen die pseudo-philanthropische Pharmasippe zu führen. Um diese im besten Fall auch vor Gericht zu bringen. Es gibt eben Situationen, in denen man es den Betroffenen schuldig ist, das Persönliche zum Politischen zu machen. Besonders dann, wenn man selbst zu den Betroffenen zählt.
Um verstehen zu können, warum es just diese Angelegenheit ist, die die Künstlerin – abseits ihrer eigenen Abhängigkeit – so antreibt, muss man sich nur, wie Poitras, Goldins Lebensgeschichte ansehen, ihre Perspektive auf ihr Umfeld einnehmen, das sich meistens aus Marginalisierten, Übersehenen, Entrechteten zusammensetzt. Zu den Ausgestoßenen gehört sie schließlich selbst seit ihren traumatischen Teen-Tagen: Als Nan grade mal elf ist, bringt sich ihre ältere Freigeist-Schwester um, woraufhin die Eltern ohne Not den Schock verdoppeln, indem sie ihre andere Tochter in eine Pflegefamilie stecken. Dem Coming-of-Age in der klaustrophobischen Suburbia kann die junge Rebellin irgendwann dank Gleichgesinnter entfliehen. Endgültige Befreiung verspricht schließlich das Eintauchen in die queere Subkultur im Downtown New York der 70er. Wo sich Goldin dann auch bald mit rohen, intimen Schnappschüssen von Menschen am Rande der Gesellschaft einen Namen machen sollte. Der alltägliche Abgrund bleibt derweil freilich ein fieser Begleiter: Ein Liebhaber schlägt
sie krankenhausreif, die Aids-Krise dezimiert ihren Bekanntenkreis binnen kürzester Zeit drastisch. Zum Glück ebenso ein Begleiter in diesen Tagen des Unheils: ihre Kamera, die Goldin unermüdlich auf sich und ihre Welt richtet, ja, richten muss. Eine Welt, in der Sex (Work) und harte Drogen an der Tages- und vor allem Nachtordnung stehen, aber eben auch Liebe, Gemeinschaft und Zusammenhalt.
Quasi unumgänglich, dass Goldins ungeschönte Porträts des echten Lebens früher oder später mit selbigem zu korrespondieren beginnen: Beispielhaft hierfür ihre legendäre, in der US-Öffentlichkeit heftig skandalisierte Ausstellung über die HIV-Tragödie – wenn man so will, die Geburtsstunde ihrer aktivistischen Berufung, die schließlich im Infight mit den schamlosen Sacklers ihren erbitterten Endgegner finden wird. Einst ausgezogen, ihre kleine Welt um sich herum einzufangen, geht es der Meisterfotografin längst darum, die große Welt zu einer lebenswerteren zu machen. Den einfühlsamen wie rastlosen Blick auf ihr Rundherum setzt sie dabei stets als ihre wirkungsvollste Waffe ein.
All das und noch sehr viel mehr, für das hier leider kein Platz ist, führt uns »All the Beauty and the Bloodshed« in staunenswerter Weise vor Augen. Ja, es ist, wie eingangs erwähnt, durchaus fordernd, aber eben auch fucking faszinierend, wie Laura Poitras in ihrer (leider nicht oscarprämierten!) Arbeit eine sehr persönliche Geschichte mit einer ausschweifenden Abhandlung über Kunst, Kapitalismus und Politik kurzschließt. Um dabei eben buchstäblich Schönheit im Blutvergießen zu finden. Mit anderen Worten: Jede der beiden Herangehensweisen hätte einen herausragenden Film hervorgebracht, aber erst ihre so kunstfertige wie tiefgründige Verschränkung macht diesen Film zu einem Schlüsselwerk des zeitgenössischen Dokumentarkinos.
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Der Haltung gewidmet.
Drei Performende stellen in »New Endings« Szenen rund um Alltagsrassismus und Gewalt nach und verändern den Ausgang der Situationen. Als Akt der Selbstermächtigung nehmen sie sich gewaltvoller oder traumatischer Erlebnisse an, die im Moment des Geschehens zu lähmend gewirkt haben, um auf sie reagieren zu können. Im performativen Nachstellen versehen sie diese mit neuen Enden und schreiben so ihre Geschichten (und Geschichte) teils humorvoll selbst neu. Das künstlerische Team um Stefanie Sourial, Hyo Lee, Faris Cuchi Gezahegn, Patu, Janine Jembere und Sunanda Mesquita verwandelt Alltagsszenen kraftvoll in Musik, Live-Zeichnungen und Performance – als eine Form des Widerstands. 15. bis 20. April Wien, Brut
Kate lebt allein und zurückgezogen am Strand. Sie stellt sich Fragen über die Rolle von Frauen in der Geschichte: »Warum hat niemand in Troja Kassandra und Helena Beachtung geschenkt, als beide vor den Griechen im Pferd gewarnt haben?« In der Romanvorlage »Wittgensteins Mistress« erkundet David Markson humorvoll Themen wie Einsamkeit und die Schuldzuweisung an Frauen. Die Adaption im Kosmos Theater sucht nach Antworten und versucht durch Sprache eine neue Welt zu schaffen. 20. bis 29 April Wien, Kosmos Theater
Im Jahr 1981 zog sich Josef Winkler, nachdem er längere Zeit in Wien verbracht hatte, zum Schreiben auf einen Bauernhof in Kärnten zurück. Er fand Unterschlupf bei der Familie von Njet ot schka Iljaschenko, einer ukrainischen Bergbäuerin, die im März 1943 von den Nazis verschleppt worden war. Die Verschleppung der Protagonistin in eine fremde Welt und ihre allmähliche Integration fanden Einzug in die Lebensgeschichte, die Winkler daraufhin – gespickt mit autobiografischen Elementen – niederschrieb. 29. April bis 13. Mai Klagenfurt, Theaterhalle 11
Allein in und wegen: Pandemie, Kapitalismus, Umweltkatastrophen, Krieg, Internet und Alterung. In manchen Kontexten wird Alleinsein als positive Quelle der Reflexion und als notwendig für die geistige G esundheit angesehen. Anhaltende existenzielle Einsamkeit ist jedoch pathologisch konnotiert und wird nicht selten mit der modernen westlichen Lebensweise in Verbindung gebracht. Auf Einladung der Gruppe Fux haben befreundete Künstler*innen kurze Stücke über das Alleinsein beigesteuert. Ein Theaterabend zusammen allein. 5. bis 19. Mai Wien, Schauspielhaus
Mit »Mermaid(s) of the Hypersea« taucht der dänische Tänzer und Choreograf Snorre Elvin in die fließende Welt der Meerjungfrauen – zugleich mythische Diven und queere Ikonen – ein. Die Performer*innen interagieren choreografisch mit dem Wasser in uns und um uns. Die Grenzen zwischen dem Menschlichen und dem Nichtmenschlichen verschwimmen. Die Meerjungfrauenfiguren verkörpern hier das Dazwischensein und Queerness. Mit Songs von Ariana Grande, Madonna und Eartheater entsteht eine Performance als Ritual, bei dem man zu einer »Mermaid of the Hypersea« wird. Die Performance ist Teil des TQW-Nachwuchsfestivals Rakete. Im Anschluss an die Performance vom 27. Mai findet eine Karaoke-Party statt, gehostet von Luca Büchler. 26. und 27. Mai Wien, Tanzquartier
»Hinter dem Musiktheater, jenseits der Westbahngleise, gibt es ein Linz, das gerne in Vergessenheit gerät.« Anhand der Stadtgeschichte(n) entlang der Wiener Straße soll in »Rückkehr nach Linz« erforscht werden, wie sich Linz und die Menschen, die dort leben, verändert haben. An den ungewöhnlichen, gemeinsam aufgesuchten Orten entspinnen sich persönliche Impressionen rund um das Thema »Rückkehr«. Das Phönix-Ensemble wird für diesen theatralen Spaziergang um Menschen aus der besuchten Umgebung erweitert. ab 11. Mai Linz, Theater Phönix
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Online Dating ist ein bisschen wie Pferderennen. Zuerst gibt man sich einen doofen Namen wie Astroboy oder LeRock, dann dreht man sich stundenlang im Kreis. Wenn sich jemand für dich entscheidet, dann anhand völlig willkürlicher Kriterien. Denn niemand, der bei Trost ist, würde je darauf wetten, in einer Arena voller Spielsüchtiger das große Glück zu finden. Als ich letztes Frühjahr alle Dating-Apps löschte, war ich überzeugt, dass in echt alles anders würde. Wilde Pferde würden mich nicht wegschleifen können, wenn ich auf wöchentlicher Basis neue, schicksalhafte Begegnungen machte. Was folgte, war das datingtechnisch ereignisloseste Jahr meines Lebens.
Im Lichte dieser Erfahrung ist die Begeisterung zu verstehen, die ich empfand, als ich vor Kurzem IRL auf einen blonden Poetry-Slammer traf. Nach ein paar Takten Gespräch am Rande einer Veranstaltung war ich mir sicher: Wir beide, Schmiede von Worten, würden schon bald nebeneinander in den Sonnenuntergang galoppieren. Außerdem waren wir beide solide Sechsen. Die materielle Basis ist in solchen Belangen schließlich nicht ganz unwichtig. Doch leider hatte ich mit ihm auf das falsche Pferd gesetzt.
Noch am selben Abend tauschten wir ein paar Nettigkeiten und unsere Nummern aus. Ein paar Tage später war ein gemeinsamer Ausflug nach Bratislava ausgemacht, der sich dann aber um ein paar Wochenenden verschieben sollte. Poetry-Slammer sind eben extrem beschäftigte Menschen. Diese ganzen Verse schreiben sich schließlich nicht von alleine. Wenigstens gab mir die Verzögerung genug Zeit für meine Recherche. Eine Woche lang studierte ich seine LinkedIn-Seite, seine Amazon-Wunschliste und den Travelblog von 2014, auf dem er seinen Round-the-World-Trip verarbeitete. Sein penibel editiertes Facebook-Profil verriet mir
außerdem, dass wir am selben Tag Geburtstag haben. Wenn das kein Wink des Schicksals war! Eine weitere Woche verwendete ich darauf, all meine Recherchefunde wieder zu vergessen, um nicht unabsichtlich viel zu spezifische Details zu erwähnen. In den letzten Tagen vor dem Date brachte ich meine Wohnung auf Vordermann. Ich putzte drei Fenster, die seit dem ersten Lockdown kein Lappen mehr berührt hatte, und ging außerdem zu Ikea, um ein paar meiner Heimtextilien zu erneuern. Nichts wollte ich dem Zufall überlassen, der Rückweg aus Bratislava sollte nämlich in meinem Schlafzimmer enden. Deshalb hielt ich mich auch mit Kurznachrichten zurück. Ich wollte mein Glück nicht herausfordern.
Als er zehn Minuten zu spät auf dem Bahnsteig erschien, hatte ich dort bereits 25 Minuten gewartet. Als er fragte, wie lange ich gew art et hätte, behauptete ich, im selben Moment angekommen zu sein wie er. Es war eben nicht mein erster Tag auf dem Rodeo. Auf der Zugfahrt unterhielten wir uns etwas bemüht über Slam-Poetry, Poetry-Slams und Bratislava, über dessen Poetry-Slam-Szene er nicht so gut Bescheid wusste. Dabei schimmerte sein blondes Haar in der Frühlingssonne, die unsere Gesichter durch die Zugfenster wärmte. Kurz dachte ich daran, wie wir eines Tages alt sein würden und an die Geschichten denken, die wir uns auf dieser Zugfahrt hätten erzählen können. Das Gespräch kam nämlich nur schwer in die Gänge.
In Bratislava angekommen bummelten wir durch die Innenstadt. Ich war mir sicher, dass der Moment gekommen war, um mein Manöver zu starten. »Wann hast du eigentlich Geburtstag?«, fragte ich beiläufig. Der darauffolgende Dialog machte Bratislava um einige Grad wärmer. »So ein Zufall, ich auch!« Als frischge -
backene Geburtstagsbuddys holten wir uns Dosenbier und unterhielten uns auf einmal merklich angeregter. Freimütig teilten wir unsere Hoffnungen, unsere Ängste und unsere Träume. Dabei war jeder Satz ein Stückchen Poesie. Doch plötzlich zogen dunkle Wolken auf.
Doch kein Bratislover
Wir unterhielten uns über Bratislava und ich beklagte, es viel zu selten zu besuchen. Noch während ich sagte »Bratislava hat immerhin 440.000 Einwohner. Ungefähr so viele wie Edinburgh, wo du in der Siebten deinen Sprachkurs absolviert hast!«, wusste ich, dass ich über das Ziel hinausgeschossen war. Doch was passiert ist, war nicht mehr rückgängig zu machen. Wir nahmen den nächstbesten Zug zurück nach Wien. Während der Poetry-Slammer wild in sein Notizbuch schrieb, vertiefte ich mich in mein Handy.
Als wir eine gute Stunde später den Hauptbahnhof erreichten, glühte mein Gesicht noch immer vor Scham. Zum Abschied holte der Poetry-Slammer sein Notizbuch hervor und begann mit geschwellter Brust daraus vorzutragen. »Josef, es war. Mit dir. Ein angenehmer Tag. Wir begaben uns. Auf eine Reise. Zogen in Bratislava uns’re Kreise. Doch beim dritten Dosenbier. Wusstest du zu viel von mir. Das war. Zu viel Interesse. Besser, wenn ich dich vergesse.«
Ich applaudierte kraftlos und machte mich auf den Heimweg. Als routiniertes Rennpferd hatte ich meine Augen zu sehr auf den Preis gerichtet. Bei der nächsten schicksalhaften Begegnung würde ich cool bleiben und nicht wieder komplett durchdrehen. Kein Typ der Welt ist es wert, drei Fenster zu putzen. joechl@thegap.at • @knosef4lyfe
Josef Jöchl artikuliert hier ziemlich viele Feels