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Impfpatente: Geld oder Leben?

Impf-Patente gegen das Corona-Virus sollten zum öffentlichen Gut erklärt werden und frei von Lizenz-Einschränkungen produziert werden können: Das forderten in Salzburg Aktivist*innen der Plattform „Solidarisches Salzburg“ und der ÖH Salzburg mit einer Banner-Aktion am Marko-Feingold-Steg.

Von KayMichael Dankl

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Aktivist*innen setzen ein Zeichen für die Freigabe von Patenten. Quelle: Solidarisches Salzburg

Eine Freigabe der Impfstoff-Patente könne helfen, die Engpässe in der Produktion zu überwinden und Impfstoffe schnell und weltweit bereitzustellen. „Österreich impft im Schneckentempo. Das liegt neben dem PlanungsChaos auch an den Lieferengpässen. Dadurch sind wir von der knappen Produktion einiger weniger Pharma-Firmen abhängig“, sagt Peter Ruhmannseder, Sprecher von Solidarisches Salzburg: „Die Impfstoff-Patente aus schwerwiegendem öffentlichen Interesse freizugeben, ist ein Weg aus der Krise. Wenn viele Produzenten den Impfstoff frei erzeugen können, steigt die Menge und die Preise sinken.“

Kosten für den Staat, Profite privat?

Gegen die Freigabe der Patente wird oft eingewandt, dass Pharma-Unternehmen dann den finanziellen Anreiz verlieren würden, in Forschung zu investieren. Aber stimmt das? Das Beispiel der Corona-Impfstoffe zeigt: Der Löwenanteil der Forschungsgelder stammen aus öffentlichen Kassen. Erstens ist die biologische Grundlagenforschung z.B. für die neuen mRNA-Impfstoffe durch jahrzehntelange Forschung an öffentlich finanzierten Einrichtungen geschaffen worden. Firmen wie Moderna und Biontech/Pfizer stiegen erst viel später ein. Sie konnten die Durchbrüche der öffentlichen Forschung einfach übernehmen und zu Gewinn machen.

Zweitens haben die Pharma-Unternehmen im Jahr 2020 direkt Milliarden an öffentlichen Geldern bekommen. Laut kontrast.at hat Biontech/ Pfizer in den USA und Deutschland 1,9 Milliarden US-Dollar an öffentlichen Geldern kassiert – und selbst nur 1,5 Milliarden für die Impfstoff-Entwicklung beigetragen. Moderna hatte 2020 überhaupt keine eigenen Kosten zu tragen, bekam aber vom US-amerikanischen Gesundheitsministerium rund 3 Milliarden Dollar. Drittens haben die Firmen Abnahme-Garantien bekommen, als noch unklar war, wie und ob die Impfstoffe wirken. Viele Verträge sehen auch vor, dass die öffentliche Hand die Kosten bei etwaigen Impf-Schäden trägt.

Für die Pharma-Unternehmen sind die Impfstoffe ein bombensicheres Geschäft. Sie haben kaum Risiken, Absatz-Garantien und eine fast Monopolartige Machtstellung. Aktuelle Schätzungen von Banken prognostizieren allein für Pfizer, Biontech und Moderna Einnahmen von je 10 bis 20 Milliarden Dollar. Das freut die Unternehmen und Aktionäre, aber die öffentliche Hand zahlt dreifach drauf: Indem sie die Profite der Pharma-Konzerne zahlt, die sie zuvor direkt subventionierte und weil öffentlich gewonnenes Wissen durch die Patentierungen privatisiert wird.

Patentfreigabe für globale Versorgung

Eine Freigabe von Impf-Patenten würde auch die Preise für die begehrten Vakzine senken. Aktuell sind weniger reiche Länder stark benachteiligt. Sieben von zehn Impfdosen haben sich reiche Länder mit Exklusiv-Verträgen gesichert – die aber nur ein Sechstel der Weltbevölkerung darstellen. Das zeigt eine Auswertung der MedizinFachzeitschrift „The Lancet“. Die Afrikanische Union hat bereits auf die bittere Ironie hingewiesen, dass in Afrika zwar klinische Test-Studien

Über hundert Länder wollen ImpfPatente freigeben (gelb/grün) – die reichen Staaten blockieren (rot). Quelle: Ärzte ohne Grenzen

durchgeführt wurden, sie aber jetzt auf den fertigen Impfstoff warten müssen. Außerhalb Europas und der USA könnte es noch Jahre dauern, bis flächendeckend geimpft wird, teilweise bis 2024.

Reiche Länder blockieren

Schon im Oktober haben die Ärzte ohne Grenzen einen Brief mit 375 zivilgesellschaftlichen Organisationen veröffentlicht, der die Patent-Freigabe fordert. Auch Staaten wie Indien, China und Südafrika wollen die Regeln des internationalen Abkommens zum „Schutz geistigen Eigentums“ (TRIPS) anzupassen. Über 100 Länder unterstützen einen Vorstoß in der Welthandelsorganisation (WTO), während der Pandemie den Patentschutz für Corona-Impfstoffe und -Medikamente auszusetzen. Damit der Notfall-Antrag bei der Weltorganisation angenommen wird, müssen aber alle 164 Mitgliedstaaten zustimmen. Aber Europa und die USA blockieren – mit verheerenden Folgen.

Erinnerungen an HIV/AIDS

Wie Pharma-Patente Menschenleben kosten, hat schon HIV/AIDS gezeigt. Weniger reiche Länder hatten jahrelang nicht das Geld, um die teuren Medikamente für erkrankte Bürger*innen zu kaufen. Erst als günstige Imitationen dieser Medikamente auf den Markt kamen, sogenannte Generika, gingen die Preise zurück. Es sind Jahre vergangen – und unzählige Menschen gestorben –, bis die bereits vorhandenen lebensrettenden Medikamente zugänglich gemacht wurden. Der Unterschied zu Corona: Aktuell ist nicht eine bestimmte Patientengruppe betroffen, sondern die gesamte Weltbevölkerung.

Globale Lösung hilft allen

Eine Patent-Freigabe zur schnellen weltweiten Versorgung hilft nicht nur ärmeren Ländern, sondern nutzt allen: Denn wenn das Corona-Virus nicht weltweit überwunden wird, entstehen in einzelnen Ländern mit vielen Infizierten regelmäßig neue Mutationen, die auch für bereits Geimpfte gefährlich sein können. „Das Corona-Virus können wir nur global besiegen. Deshalb braucht es statt teurer Patente auf Kosten der Allgemeinheit günstige, frei zugängliche Impfstoffe“, sagt Ruhmannseder. Ein Jahr nach Ausbruch der Pandemie und nach acht WTO-Diskussionsrunden gibt es immer noch keine internationale Lösung.

Gesundheitswesen demokratisieren

Die Impf-Misere in der Corona-Krise zeigt tieferliegende Probleme der Pharma-Industrie auf. Die sind nicht neu. Noch immer sterben Jahr für Jahr Millionen Menschen an Krankheiten wie Tuberkulose, Diabetes oder Malaria, weil die Medikamente zur Heilung oder Behandlung nicht verfügbar sind. Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass ein Drittel aller Patient*innen weltweit wegen teurer Preise und struktureller Hürden keinen Zugang zu dringend benötigten Medikamenten hat.

Pharma-Firmen entwickeln vor allem Medikamente, mit denen sich große Gewinne in profitablen Märkten machen lassen. Wer nicht zur zahlungskräftigen Klientel zählt oder an einer seltenen Krankheit leidet, hat Pech. Den vielen Verlierern stehen wenige Gewinner gegenüber – der Pharma-Sektor zählt zu den profitabelsten Branchen überhaupt. Dort wo überteuerte Preise gesunken sind – wie im Fall von HIV/AIDS –, war das meist nur durch öffentlichen Protest, politischen Druck und Konkurrenz durch Generika abseits der Patente-Systems möglich.

Die Freigabe der Patente für Corona-Impfstoffe und -Patente kann ein erster Schritt sein, um die Pharma-Industrie stärker der öffentlichen, demokratischen Kontrolle unterzuordnen. Denn Gesundheit ist zu wichtig, um sie zu privatisieren und Profite über Leben oder Tod entscheiden zu lassen.

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