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Filmschmankerl

Science Fiction

Von Bernhard Landkammer und Hannah Wahl.

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Science Fiction – für die meisten bedeutet das vermutlich Abenteuer im Weltraum, Raumschiffe, Aliens und eine Handlung, die weit in der Zukunft spielt. Gemäß dem Wortsinn und den unterschiedlichen Definitionen des Genres sind diese Aspekte allerdings zweitrangig. Im Zentrum von Science Fiction steht die Verarbeitung fiktionaler wissenschaftlicher Erkenntnisse und Erfindungen. Raumschiffe können somit eine Grundlage sein, auf der sich eine Handlung abspielt, die auch in der Zukunft angesiedelt sein kann. Wenn allerdings übernatürliche Elemente die Handlung dominieren, entspricht vieles, was populär als SciFi wahrgenommen wird, im Grunde Fantasy. Wir haben ein wenig in der Geschichte des Science-Fiction-Films gegraben und dabei vier Beispiele aus unterschiedlichen Ländern und Zeiten herausgepickt, um die Vielfalt dieses Genres zumindest anzureißen. Dabei haben wir bewusst (zurecht!) bekannte Filme wie Blade Runner, Die unheimliche Begegnung der dritten Art, Metropolis oder Arrival ausgespart und möchten euch vier Beispiele vorstellen, die eher unter dem Radar stattgefunden haben, – um diesen passenden technischen Begriff zu nutzen.

Primer (USA, 2004) Zeitreisen nehmen in der Science-Fiction-Literatur auch in Filmen dieses Genres einen großen Stellenwert ein. Wenige Filme haben den wissenschaftlichen Aspekt dieser Thematik bisher allerdings so ernst genommen wie PRIMER, das Debüt des Regisseurs Shane Carruth. In grobkörnigen Bildern, mit einer teilweise unangenehm nahen Kamera und dramaturgisch bruchstückhaft gehalten, erzählt der Film die Geschichte von zwei jungen Männern, die in ihrer Freizeit ihren Erfinderdrang aus und einen Apparat konstruieren, in dem

die Masse von Objekten abnimmt und deren Status uneindeutig wird. Sie denken ihre Erfindung weiter, wodurch es ihnen gelingt, einige Stunden in der Zeit zurückzureisen. Hier schlägt das Technische ins Philosophische um: Ist es in Ordnung, sich hierdurch zu bereichern, welche psychischen Probleme können ethische Dilemma verursachen, und darf dieses Wissen der Welt gezeigt werden? So viel Dialog wie in PRIMER, der von mathematischen und physikalischen Begriffen dominiert ist, gibt es vermutlich in wenigen Science-FictionFilmen. Um den Film zu genießen und zum Nachdenken angeregt zu werden, ist es nicht notwendig, alle Details genau zu verstehen. Die eigentliche Handlung bleibt zwar etwas banal und bruchstückhaft und wird dem wissenschaftlichen Fundament nur bedingt gerecht – letztlich ist PRIMER aber die durchdachte und stärkere Variante des leider unterwältigenden „Tenet“.

Barbarella (USA, 1968) Wer Lust auf etwas Schräges hat, kann sich mit dieser soften “Porno-Science-Fiction” auseinandersetzen. Hauptdarstellerin Jane Fonda, im Kontext dieses Films vor allem durch ihren WeltraumStrip in der Anfangsszene in Erinnerungen vieler geblieben, macht sich auf eine galaktische Reise voller erotischer und sexueller Abenteuer. Zugegeben, das klingt eher nach einem trashigen Pornofilm auf einer verstaubten Videokassette als nach einer gelungenen Comic-Verfilmung. BARBARELLA ist aber durchaus sehenswert: Regisseur Roger Vadim hat ein Stück Filmgeschichte der 1970er Jahre geschaffen, das als solches - kritisch - betrachtet werden sollte. Manche Kritiken fallen vernichtend aus: Der Film strotzt nur so vor seichten Dialogen, die Kulisse wirkt billig und die Handlung ist relativ platt und wird beim Filmkonsum schnell zur Nebensache. Zugegeben, technisch gesehen war die bildnerische Umsetzung auch damals keine Meisterleistung, doch das scheint auch nicht der Anspruch gewesen zu sein. Die Inszenierung bietet mit ihren Pop-Art-Elementen und der überzeichneten märchenhaften Kulisse einen wirklich durchgeknallten Science-Fiction-Film, bei dem das Zusammenspiel aus Albernheit und Erotik eine ganz spezielle Poetik entfaltet. Wer wissen will, wie es dazu kommt, dass dieser spezielle interstellare Trip bis heute unsere Popkultur beeinflusst, der muss sich den Film selbst antun. The Host [ 괴물; Gwoemul] (2006) Wörtlich übersetzt bedeutet der südkoreanische Originaltitel von THE HOST "Monster" - und steht als Paradebeispiel für das Science-Fiction-Element in Monsterfilmen. Seit 2019 ist Bong Joonho durch seinen Oscarsieg für das Meisterwerk „Parasite" auch einer großen Öffentlichkeit bekannt. 13 Jahre zuvor veröffentlichte er mit THE HOST bereits einen riesigen Hit in seiner Heimat. Die Grundprämisse ist relativ einfach: Eine chemische Substanz wird sorglos im Abwasser von Seoul entsorgt; ein wissenschaftlicher Fauxpas, der zur Mutation einer Kaulquappe führt, die einige Zeit später als mutierte, riesige Variante die südkoreanische Hauptstadt heimsucht. Was diesen Film besonders macht, ist allerdings sein wilder, dennoch immer stimmiger Genremix: Die Story springt über zwei Stunden zwischen Action, Familiendrama, Horror und Comedy hin und her, ohne seine Science-Fiction-Wurzeln zu vernachlässigen. Die CGI-Gestaltung des Monsters ist furchterregend, die Bezüge auf Godzilla unübersehbar, die Skurrilität der Situation jederzeit auch in der Handlung widergespiegelt.

Chemie und Liebe (Deutschland 1948) Der DEFA-Film in schwarz-weiß gehört wohl zu den aktuell am wenigsten bekannten Filmdokumenten. Schade, wenn ihr uns fragt, denn Kapitalismuskritik zusammen mit komödiantischer Science-Fiction finden wir grundsätzlich sehenswert. Am Anfang der Geschichte steht der Nahrungsmittelmangel nach dem Krieg und ein Chemiker, der es durch eine bahnbrechende Erfindung schafft, aus Pflanzen wie Gras oder Moos ohne Umwege Butter herzustellen. Daraufhin versuchen attraktive Frauen im Auftrag ihrer Konzerne diese vielversprechende Erfindung zu erobern. Hier wird bereits deutlich, welche stereotypen Frauenrollen der über 70 Jahre alte Film vermittelt - auch hier ist also kritische Betrachtung obligat. CHEMIE UND LIEBE ist ein sehenswertes und offenkundiges Lehrstück, bei dem bereits im Setting sichergestellt wurde, dass Moral und Kapitalismuskritik ankommen (das fiktive Land, in dem die Geschichte spielt, lässt kaum Interpretationsspielraum Kapitalia). Und das macht CHEMIE UND LIEBE für alle spannend, die sich fragen: Wie wird Kapitalismuskritik im ersten DEFA-Science-Film vermittelt?

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