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Den Tierschutz in Schlachthöfen verbessern
Tierspital-Forschende verbessern den Tierschutz in Schlachthöfen
Die Schlachtung von Rindern ist nur mit dem Tierschutz vereinbar, wenn die Tiere vorher betäubt werden. Doch bei grossen Stieren und Wasserbüffeln ist die Betäubung nicht immer zuverlässig. Ein interdisziplinäres Team mit Beteiligung des Universitären Tierspitals entwickelt neue Lösungen.
Nach wie vor essen viele Schweizer*innen regelmässig Fleisch, und zwar eine ganze Menge: Allein im Jahr 2020 betrug der Pro-Kopf-Verbrauch über 50 Kilogramm, davon waren gut elf Kilogramm Rindfleisch. Die Tiere, die dieses Fleisch liefern, müssen tierschutzgerecht geschlachtet werden. Das bedeutet: Auf einem Schlachthof müssen Metzger*innen vor der Tötung dafür sorgen, dass die Tiere bewusstlos sind und keine Schmerzen empfinden. Dafür nutzen sie einen sogenannten Bolzenschussapparat, bei dem ein Bolzen durch die Schädeldecke ins Hirn der Tiere eindringt und sie betäubt. Die eigentliche Tötung erfolgt im Anschluss durch einen Schnitt durch grosse Blutbahnen, sodass das Tier rasch ausblutet.
Nur bei grossen, schweren Stieren, Hochlandrindern oder wilden Rindern wie Wasserbüffeln, funktioniert die Methode ungenügend. Diese Tiere haben anatomische Besonderheiten wie eine sehr dicke Schädelplatte und ein ausgedehntes Stirnhöhlensystem. «Deswegen ist bei diesen Tieren eine zuverlässige Betäubung mit herkömmlichen Bolzenschussapparaten nicht immer gewährleistet», sagt der Veterinärmediziner Henning Richter. Er ist Leiter der Diagnostic Imaging Research Unit (DIRU) am Universitären Tierspital und Teil eines interdisziplinären Teams, welches nach einer Lösung sucht, um auch schwere Rinder tierschutzgerecht zu betäuben. Zusammen mit Dominic Gascho vom Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich hat er eine drei Jahre dauernde Studie durchgeführt. Zu den Kooperationspartnern gehören auch eidgenössische Büchsenmacher, ein amtlicher Tierarzt sowie Partner vom Institut für Lebensmittelsicherheit und -hygiene.
Kugelschussapparate als Alternative Das Team untersuchte Alternativen zur Betäubung, die statt eines Bolzens Munition verschiessen: Eine käufliche Pistole sowie zwei neu entwickelte Kugelschussapparate in Kombination mit zwei verschiedenen Projektilen. Dabei wollten die Forschenden wissenschaftlich und unabhängig überprüfen, wie sich diese Waffen-Munitions-Kombinationen auf die Tiere auswirkten, wie einfach sie für die Metzger*innen in der Handhabung waren, und wie sie die Arbeitssicherheit beeinflussten. «Die Betäubung durch Kugelschuss darf nicht dazu führen, dass anwesende Personen zum Beispiel durch Querschläger gefährdet werden», sagt Henning Richter. Zunächst testeten er und sein Team die Waffen und Munitionen nicht an Tieren, sondern an sogenannter ballistischer Seife. Diese hat eine definierte Dichte und eignet sich daher für standardisierte Beschusstests. Mittels Computertomografie konnten Richter und Gascho die Spuren der Schüsse sichtbar machen und daraus die Wirksamkeit der Waffen-Munitions-Kombinationen berechnen.
Gewappnet mit diesen Daten setzte das Team die verschiedenen Waffen und Projektile zur Betäubung schwerer Stiere auf dem Schlachthof ein. Zunächst testeten die Forschenden einen zweiläufigen Kugelschussapparat, der mit einem Schalldämpfer ausgerüstet war. Bei diesem gab es aber Unsicherheiten in der Handhabung. Darum entwickelte das Team einen zweiten Apparat, der auf dem Grundmodell eines Bolzenschussapparats basiert, und der den Metzger*innen vertrauter war.
Henning Richter, Leiter der Diagnostic Imaging Research Unit (DIRU) am Universitären Tierspital
Emotionale Debatte Nachdem die Stiere mit den verschiedenen Kombinationen aus Waffen und Munition betäubt und geschlachtet worden waren, untersuchten Richter und Gascho die Köpfe der Tiere im Computertomografen. So konnten sie erkennen, wie der Einschusskanal verlief und welche anatomischen Strukturen zerstört wurden. Derzeit werten die Forscher diese Bilder aus, um die beste Waffen-MunitionsKombination zu ermitteln. «Im Frühjahr 2022 werden wir die Ergebnisse an einem Fachkongress vorstellen und in einem Fachjournal zur Publikation einreichen», sagt Richter.
Von den Ergebnissen sollen auch Metzger*innen profitieren. Sie stehen täglich vor dem Problem, schwere Tiere tierschutzgerecht zu betäuben. Nicht zuletzt haben die Verbraucher*innen, ein Interesse daran, wie das Fleisch auf ihren Teller kommt. «Die Debatte um Schlachtungen wird oft emotional geführt», sagt Richter. «Mit unserer Studie wollen wir objektive Antworten liefern.»
Die Köpfe der Studien-Tiere wurden mittels Computertomografie untersucht.