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Menschen und retour
Am Universitären Tierspital untersucht das Forschungsteam von Regina Hofmann-Lehmann, inwieweit sich SARS-CoV-2 in der Schweiz auch bei Wild-, Nutz- und Haustieren ausbreitet. Die Forscherinnen konnten unter anderem die erste Covid-19-Erkrankung bei einer Schweizer Katze nachweisen.
Mit Coronaviren haben sich Regina Hofmann-Lehmann und ihr Forschungsteam schon vor der Pandemie beschäftigt. Etwa mit dem Felinen Coronavirus, das besonders bei Jungkatzen zu einer tödlichen Erkrankung führen kann. Doch seit SARS-CoV-2 seine rasante Reise um den Erdball angetreten hat, sind die anderen Forschungsprojekte in den Hintergrund gerückt. «Wir konnten gar nicht anders, als uns da reinzustürzen», sagt Regina Hofmann-Lehmann, Vorsteherin des Departements Klinische Diagnostik und Services sowie Leiterin des Veterinärmedizinischen Labors und des Zentrums für Klinische Studien am Universitären Tierspital Zürich.
«Es ist wichtig, die Pandemie gesamthaft anzuschauen», betont die Tiermedizinerin, deren Forschungsschwerpunkt die klinische Infektiologie ist. Denn mittlerweile ist klar, dass das SARS-CoV-2-Virus, das sehr wahrscheinlich aus dem Tierreich auf den Menschen übergesprungen ist, von diesem aus wieder Tiere infizieren kann. Eindrücklich gezeigt hat das der Fall dänischer Zuchtnerze. Die Tiere steckten sich bei Arbeitern der Nerzfarmen an, gaben das Virus untereinander – und sehr wahrscheinlich an einzelne Hunde und Katzen – weiter und auch an den Menschen zurück.
Erste Schweizer Covid-19-Katze Inzwischen sind weltweit Ansteckungen bei ganz unterschiedlichen Säugetieren wie Mardern, Wölfen, Hirschen, Gorillas oder Flusspferden bekannt. In der Schweiz hat im Dezember 2020 die erste Schweizer Katze für Aufsehen gesorgt, die positiv auf SARS-CoV-2 getestet wurde. Sie war eines der ersten Tiere, die Forscherinnen aus HofmannLehmanns Team in einer laufenden Studie an Haustieren aus Covid-19-Haushalten untersucht hatten. Angesteckt hatte sich die Katze höchstwahrscheinlich bei ihrer Besitzerin, die sich damals wegen Covid-19 in Isolation befand.
Hofmann-Lehmanns Forschungsgruppe arbeitet daran, sich einen Überblick über das Infektionsgeschehen bei Tieren in der Schweiz und im benachbarten Ausland zu verschaffen. «Wir sammeln fleissig Proben», sagt Julia Klaus, Fachtierärztin in Ausbildung für klinische Pathologie in Hofmann-Lehmanns Team. Einerseits solche von möglichst vielen Tieren, die aus verschiedenen Gründen in Tierarztpraxen und Tierspitälern vorgestellt werden, darunter auch Zootiere. Andererseits sammeln die Forscherinnen weiterhin gezielt Proben von Haustieren aus Haushalten, in denen jemand an Covid-19 erkrankt ist. Zusätzlich haben sie auch Proben von verwilderten Hauskatzen auf SARS-CoV-2 untersucht, die in einem anderen Forschungsprojekt zusammengetragen wurden. Und seit September 2021 werden auch Proben von Wildtieren analysiert. Dieses Projekt leitet das Institut für Fisch- und Wildtiergesundheit an der Vetsuisse-Fakultät Bern in Zusammenarbeit mit dem Veterinärmedizinischen Labor Zürich.
Regina Hofmann-Lehmann, Leiterin des Departements Klinische Diagnostik und Services am Universitären Tierspital
Gefahren frühzeitig erkennen «Unser Ziel ist es, herauszufinden, was bei Tieren überhaupt passiert, wie dort die Verbreitungswege aussehen und zu bemerken, wenn irgendwo eine Gefahr auftaucht», erklärt Regina Hofmann-Lehmann. Bei der Haushaltsstudie wollen die Forscherinnen auch ermitteln, welche Hygienemassnahmen einer Übertragung vom Menschen zum Tier entgegenwirken. «Momentan geht es vor allem darum, Fakten zusammenzutragen», sagt die Infektiologin. Diese sollen wissenschaftlich fundierte Empfehlungen ermöglichen und unter anderem zeigen, ob weitere Überwachungsprogramme notwendig sind.
«Untersucht werden Nasen- und Maulhöhlenabstriche, Kotproben sowie Umweltproben, also Abstriche vom Fell der Tiere oder von Gegenständen aus den Haushalten», erklärt Julia Klaus. All diese Proben, die die Forscherinnen und ihre Kooperationspartner*innen zusammentragen, werden mittels PCR-Tests auf SARS-CoV-2 untersucht. Ist das Resultat positiv, werden sie im Labor von Tanja Stadler am Departement Biosysteme der ETH Zürich in Basel sequenziert. Durch eine anschliessende Analyse des genetischen Codes lassen sich Mutationen finden und die Viren bestimmten Verbreitungslinien zuordnen. Dadurch wird es möglich, die Verbreitungswege nachzuvollziehen: «Geografisch, aber auch innerhalb der lokalen Mensch- und Tierpopulation oder manchmal sogar bei Individuen innerhalb eines Haushaltes», konkretisiert Hofmann-Lehmann. Zusätzlich untersuchen die Forscherinnen Blutproben unterschiedlicher Tierarten auf Antikörper gegen SARS-CoV-2, wodurch sie auch länger zurückliegende Infektionen nachweisen können.
SARS-CoV-2 In der Schweiz leben 600`000 Hunde 1`700`000 Katzen
SARS-CoV-2 ist vermutlich von Fledermäusen über ein Schuppentier auf den Menschen übergesprungen. Der Mensch gibt den Virus nun an andere Tiere weiter – besonders Katzen sind häufig betroffen.
Momentan noch alles gut Zurzeit sind die ersten Ergebnisse zu den Haustieren in der Schweiz nicht besorgniserregend: Bei den generellen Screenings wurden nur vereinzelt positive Fälle gefunden. Bei den verwilderten Hauskatzen liessen sich in einer grossen Stichprobe von 800 Tieren keine Infektionen nachweisen. Und auch bei der anlaufenden Wildtier-Studie waren bisher alle 45 getesteten Tiere negativ. Allerdings: In den bisher ausgewerteten Covid-19-Haushalten steckte sich rund ein Drittel der dort lebenden Hunde und Katzen an. Und zwar mit den gleichen Viren, die zur selben Zeit in derselben Region bei den Menschen kursierten. Mutierte katzen- oder hundespezifische Viren haben die Forscherinnen keine gefunden. Auch eine Übertragung von Katzen oder Hunden zurück auf den Menschen konnte bisher nicht nachgewiesen werden und eine Verbreitung innerhalb der Tierart nur unter experimentellen Bedingungen, im Freien dagegen nicht.
Indessen scheinen gerade Katzen für SARS-CoV-2 hoch empfänglich zu sein und bekommen auch häufiger als Hunde Krankheitssymptome. «Die erste positive Katze nieste, hustete, atmete schnell, frass schlecht und war apathisch», erinnert sich Forscherin Julia Klaus. Auch Grosskatzen wie Löwen und Tiger aus unterschiedlichen Zoos weltweit wurden positiv getestet. Dies nachdem untypisch viele Tiere Symptome eines Atemwegsinfekts gezeigt hatten. Angesteckt hatten sich die Tiere vermutlich bei Tierpfleger*innen. Dagegen haben sich Nutztiere wie Schweine und Rinder bis heute praktisch nicht mit SARSCoV-2 infiziert, Hühner gar nicht. «Bei stark veränderten Varianten müssen wir natürlich wieder schauen, ob das so bleibt», sagt Hofmann-Lehmann. «Es ist unglaublich, wie schnell die Forschung im Moment ist», sagt sie. «Das ist toll, aber auch herausfordernd – nur schon à jour zu bleiben und alles Wichtige zu lesen, das publiziert wird.» Auch Julia Klaus ist begeistert, an SARS-CoV-2 forschen zu können: «Ich bin froh, dass wir die Tiere nicht aus den Augen verlieren.»
Studie zu Haustieren aus Covid-19
Haushalten: Teilnehmer*innen gesucht
Lebt in Ihrem Haushalt ein Haustier und sind Sie aktuell oder in den letzten sechs Monaten an Covid-19 erkrankt? Dann laden wir Sie ein, an unserer aktuellen Studie zu SARS-CoV-2 bei Haustieren teilzunehmen.
Interessiert? Das Corona-Vetlabor-Team beantwortet gerne Ihre Fragen zur Studie und rund um SARS-CoV-2-Infektionen bei Haustieren. Kontakt: Veterinärmedizinisches Labor, Universitäres Tierspital Zürich Corona-Vetlabor-Hotline: 044 635 93 93, E-Mail: corona@vetlabor.ch Weitere Informationen zur Studie:www.vetlabor.ch/forschung/corona