JOURNAL FÜR PHARMAKOLOGIE UND THERAPIE Ausgabe 1-2022

Page 1

ISSN 1432-4334 JAHRGANG 31 HEFT 1 Februar 2022

FÜR PHARMAKOLOGIE UND THERAPIE

JOURNAL OF PHARMACOLOGY AND THERAPY

Melissengeist bei Erkältungen: Was ist bekannt? Therapiewahl in der Erstlinie des HCC: Aktuelle Leitlinien und klinische Erfahrungen COVID-19-Pneumonie: IL-1-Rezeptorantagonist Anakinra verbessert klinisches Outcome um 64 Prozent Feigwarzen State-of-the-Art behandeln Orale Relugolix-Kombinationstherapie lindert Beschwerden bei symptomatischen Uterusmyomen Diroximelfumarat – eine neue orale Behandlungsoption für die Multiple Sklerose Apalutamid: Analysen bestätigen starkes PSA-Ansprechen und altersunabhängig gute Wirksamkeit beim mHSPC

VERLAG

PERFUSION


HEUTE SCHON AN MORGEN DENKEN Daten der JULIET-Studie zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit für ein progressionsfreies Überleben 2 Jahre nach der KYMRIAH®-Infusion 38 %* beträgt.1 KYMRIAH® kann damit Erwachsenen mit ­rezidiviertem­oder­refraktärem­diffus­großzelligen­B-Zell-Lymphom­eine­mögliche­Chance­auf­ Heilung bieten, nachdem zwei oder mehr Therapielinien erfolglos waren.1* Das Wissen um diesen „Plan C“ kann Ihren r/r-DLBCL- Patientinnen und Patienten daher neue Hoffnung geben.

Auf der Seite www.onkologie-kongresswissen.de­finden­Sie­ weiterführende Informationen zur KYMRIAH®-CAR-T-Therapie.

www.onkologie-kongresswissen.de/dlbcl-plan-c 1. Jaeger U et al. Poster presented at the 2021 Transplantation and Cellular Therapy Annual Meeting, held virtually on 8 –12 February 2021. Poster 212 * Bei Gabe von Flu/Cy als lymphodepletierende Chemotherapie. Kymriah® 1,2 x 106 bis 6 x 108 Zellen Infusionsdispersion.  Dieses Arzneimittel unterliegt einer zusätzlichen Überwachung. Wirkstoff: Tisagenlecleucel. Zus.-setz.: Arzneil. wirks. Bestandt.: Jeder Ethylenvinylacetat(EVA)-Infusionsbeutel m. Kymriah enthält d. Tisagenlecleucel-Zell-Dispersion in einer chargenabhäng. Konz. an genet. veränderten autologen T-Zellen, d. einen gegen CD19 gerichteten chimären Antigenrezeptor exprimieren (CAR-positive lebensfähige T-Zellen). 1 oder mehrere Infusionsbeutel enth. insg. 1,2 x 106 bis 6 x 108 CAR-positive lebensfähige T-Zellen. Sonstige Bestandteile: Glucose, Natriumchlorid, Humanalbumin-Lsg., Dextran 40 zur Injekt., Dimethylsulfoxid, Natriumgluconat, Natriumacetat, Kaliumchlorid, Magnesiumchlorid, Natrium-N-Acetyltryptophanat, Natriumcaprylat, Aluminium, Wasser f. Injektionszwecke. Anwend.: Behandl. v. Kdr. u. Jugendl. u. jungen erw. Pat. im Alter bis einschl. 25 Jahren mit refraktärer od. rezidivierter (Rezidiv nach Transplantation od. zweites od. späteres Rezidiv) akuter lymphat. B Zell Leukämie (ALL), sowie von erw. Pat. mit rezidiviertem od. refraktärem diffus großzelligen B Zell Lymphom (DLBCL) nach zwei od. mehr Linien einer syst. Therapie. Geg.-anz.: Überempfindl. gegen d. Wirkstoff od. einen d. sonst. Bestandteile. Geg.-anz. d. Chemotherapie zur Lymphozytendepletion sind zu beachten. Nebenw.: Sehr häufig: Infektionen - nicht näher spezifizierte Pathogene, virale Infektionen, bakterielle Infektionen, Pilzinfektionen. Anämie, Blutung, febrile Neutropenie, Neutropenie, Thrombozytopenie (>28 Tage anhaltende Zytopenien mögl.). ZytokinFreisetzungssyndrom (häuf. 1-10 Tage nach Infusion), Hypogammaglobulinämie. Verminderter Appetit, Hypokaliämie, Hypophosphatämie, Hypomagnesiämie, Hypokalzämie. Angst, Delirium, Schlafstörungen. Kopfschmerzen, Enzephalopathie. Arrhythmie. Hypotonie, Hypertonie. Husten, Dyspnoe, Hypoxie. Diarrhö, Übelkeit, Erbrechen, Verstopfung, Abdominalschmerzen. Ausschlag. Arthralgie. Akute Nierenschädigung. Fieber, Müdigkeit, Ödem, Schmerzen, Schüttelfrost. Verringerte Lymphozytenzahl, Verringerte Anzahl weißer Blutzellen, Verringertes Hämoglobin, Verringerte Neutrophilenzahl, Verringerte Thrombozytenzahl, Erhöhte Aspartat-Aminotransferase. Häufig: Hämophagozytische Lymphohistiozytose, Leukopenie, Panzytopenie, Koagulopathie, Lymphopenie. Reakt. im Zusammenh. mit einer Infusion, Graft-versus-Host-Reaktion. Hypoalbuminämie, Hyperglykämie, Hyponatriämie, Hyperurikämie, Hypervolämie, Hyperkalzämie, Tumor-Lyse-Syndrom, Hyperkaliämie, Hyperphosphatämie, Hypernatriämie, Hypermagnesiämie. Schwindel, Periphere Neuropathie, Tremor, Motorische Funktionsstörung, Krampfanfälle, Sprachstörungen, Neuralgie, Ataxie. Sehstörung. Herzversagen, Herzstillstand. Thrombose, Kapillarlecksyndrom. Schmerzen im Oropharynx, Lungenödem, Nasenverstopfung, Pleuraerguss, Tachypnoe, Akutes respiratorisches Distress-Syndrom. Stomatitis, Abdominale Distension, Trockener Mund, Aszites. Hyperbilirubinämie. Pruritus, Erythem, Hyperhidrose, Nachtschweiß. Rückenschmerzen, Myalgie, Schmerzen des Muskel- u. Skelettsystems. Grippeähnliche Symptome, Asthenie, Multiorganversagen. Erhöhte Alanin-Aminotransferase, Erhöhtes Bilirubin im Blut, Gewichtsverlust, Erhöhtes Serum-Ferritin, Verringertes Fibrinogen im Blut, Erhöhter INR-Wert (international normalised ratio), Erhöhtes Fibrin-D-Dimer, Verlängerte aktivierte partielle Thromboplastinzeit, Erhöhte alkalische Phosphatase im Blut, Verlängerte Prothrombinzeit. Gelegentlich: B-Zell-Aplasie. Ischämischer Hirninfarkt. Hitzewallungen. Lungeninfiltration. Warnhinw.: Enthält Natrium. Enthält Dextran 40 und Dimethylsulfoxid. Beh. Pat. dürfen weder Blut, Organe, Gewebe noch Zellen spenden. Verschreibungspflichtig. Weit. Hinweise: Siehe Fachinformation(en). Stand: Februar 2022 (MS 02/22.7). Novartis Pharma GmbH, Roonstr. 25, 90429 Nürnberg. Tel.: (0911) 273-0, Fax: (0911) 273-12 653. www.novartis.de


EDITORIAL

Während ich mich daran mache, dieses Editorial zu schreiben, klettern die 7-Tage-Inzidenzen in Deutschland in immer neue Höhen. Erinnert sich noch jemand ein Jahr zurück? Exakt ein Jahr vor dem Tag der Eröffnung der Olympischen Spiele in Peking waren dem Robert KochInstitut 14.211 neue Corona-Fälle gemeldet worden, lag die 7-Tage-Inzidenz bei 81. Etwa 2 Millionen Menschen in Deutschland hatten ihre 1. Impfung bekommen (ca. 2,5 %), 750.000 die Zweite. Und 786 Todesfälle an/mit Corona wurden dem RKI an diesem Tag gemeldet. Ein Jahr später wurden fast 20-mal so viele neue Corona-Fälle gemeldet (genau 248.838) bei einer 7-TageInzidenz von 1350. Gut 63 Millionen Deutsche (75,9 %) sind 1-mal, knapp 62 Millionen (74,3 %) 2-mal und fast 45 Millionen (53,9 %) 3-mal geimpft. 170 Todesfälle an/mit Corona wurden dem RKI an diesem Tag gemeldet. Politik und Wissenschaft machen kein Geheimnis daraus, dass man von einer zahlenmäßig bedeutenden Dunkelziffer ausgeht. Vielleicht infizieren sich ja inzwischen täglich 300.000 oder 400.000 Menschen. Warum momentan niemand das tatsächliche Infektionsgeschehen auch nur annähernd zuverlässig abschätzen kann, hat mehrere Gründe: Nummer 1 ist der Datenschutz, der sich zwar im normalen Leben als weitgehend wirkungslos erweist, in epidemiologisch relevanten und für politische Entscheidungen wichtigen Aspekten aber die Realität perfekt abschottet. Nummer 2 ist die Tatsache, dass Deutschland offensichtlich völlig überfordert war und ist, Testkapazitäten aufzubauen und vorzuhalten, die mit denen der meisten Nachbarländer mithalten könnten. Dänemark, Italien, Frankreich, Österreich und selbst Großbritannien (!) meldeten bzw. melden 7-Tage-Inzidenzen im Bereich von 4000, 6000 und mehr, von Israel und den USA ganz zu schweigen. In den letzten Tagen machte die Meldung die Runde, die Stadt Wien verfüge über höhere

1

2 Jahre SARS-CoV-2: Die Mutation vom Alien zum Virus PCR-Kapazitäten als Deutschland insgesamt. Nummer 3 ist ganz offensichtlich dem den Impfungen geschuldeten deutlich besseren Immunstatus eines Großteils der Bevölkerung geschuldet. Zumindest hier hat man, in Deutschland wie anderswo, auf eindeutige Studienergebnisse [1] schon reagiert, bevor der Reviewprozess abgeschlossen war, und für Auffrischungsimpfungen („Booster“) geworben. Nummer 4 schließlich lässt sich plausibel damit begründen, dass die derzeit dominante Virusvariante Omikron offensichtlich deutlich weniger häufig zu schweren Verläufen führt als ihr Vorgänger Delta. Gerade Letzteres ist aus meiner Sicht irgendwie beruhigend, da es sich damit um ein besonders wichtiges Glied in der Erkenntniskette handelt, das einen generischen Erkenntnistrend eindrucksvoll verstärkt: SARS-CoV-2 ist kein tödlicher Alien, sondern einfach ein Virus. Allerdings ein „neuartiges“, wie es im Titel vieler Publikationen immer noch treffend charakterisiert wird. Neuartig vor allem für unser Immunsystem. Und das ist gerade bei Viren, die primär die Atemwege heimsuchen, besonders fatal. Warum? Nun, weil die Auskleidung gerade der oberen Atemwege so konstruiert ist, dass das, was wir mit jedem Atemzug inhalieren, möglichst abgefangen wird. Da wäre als erstes die Schleimhaut, die Pollen, Staubkörner und eben auch Viren „einfängt“, und zweitens ein Heer von Flimmerhärchen, die die „eingebetteten“ Fremdkörper effizient Richtung Ausgang transportieren. Dies gilt in gewissem Maß auch für Immunzellen, insbesondere aber für

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 1/2022 · 31. JAHRGANG

Prof. Dr. med. Karl-Ludwig Resch

Antikörper, die ja reichlich vorhanden sein müssten, um eindringende Viren komplett zu neutralisieren. Wir kennen alle die exponentiellen Vermehrungskurven von Bakterien: Aus einem Bakterium werden nach 10 Teilungsschritten über 1000. Das ist aber noch gar nichts im Vergleich zu den Reproduktionszahlen von Viren. Jeder einzelne Viruspartikel, dem es gelingt, eine Zelle zu usurpieren, setzt dort einen Produktionsprozess in Gang, der nicht in 10, sondern bereits in einem einzigen Vermehrungszyklus zu hunderten bis tausenden von Viruskopien führt. Klar, dass da die „schnelle Eingreiftruppe“ des Immunsystems vor Ort rascht hoffnungslos überfordert ist. Erst wenn bestens trainierte und mit spezifischen Abwehrsystemen ausgestattete Spezialeinheiten aus dem erworbenen Immunsystem schnell und massiv dagegenhalten, können etwaige Virenattacken erfolgreich abgewehrt werden. Alle Geboosterten wissen, dass ihr Immunsystem durch die Impfungen

© VERLAG PERFUSION GMBH


INHALT

2

schon 3 hocheffektive Trainingseinheiten absolviert hat. Alle, bei denen bis heute eine Infektion nachgewiesen wurde, können noch eine weitere Trainingseinheit dazu addieren – in den nächsten Wochen und Monaten werden weitere durch die natürliche Exposition dazukommen. Die Verteidigungslinien unseres Immunsystems werden also bald ein effektiv schützendes Bollwerk gebildet haben. Der Alien SARS-CoV-2 des Jahres 2020 wird absehbar, wie vor 100 Jahren die spanische Grippe, vom Killer zum Lästling werden. Die Entwicklung und Produktion wirksamer Impfstoffe im Rekordtempo und viele, auch unpopuläre Maßnahmen werden am Ende dazu beigetragen haben, dass nicht 50 Millionen wie durch die spanische Grippe, sondern eher 5 – 10 Millionen Menschen der aktuellen Pandemie zum Opfer gefallen sein werden. Ein Gutteil davon könnte allerdings noch leben und gesund sein, wenn die wissenschaftlichen Daten und Fakten bei vielen Politikern und bestimmten Teilen der Bevölkerung (mehr) Gehör gefunden hätten. Das muss definitiv besser werden bei der nächsten Katastrophe. Daran gilt es mit aller Kraft zu arbeiten, wenn jetzt das Licht am Ende des Tunnels sichtbar und vorhersehbar gefühlt schnell Gras über die Pandemie gewachsen sein wird. Karl-Ludwig Resch, Nürnberg

Quelle 1 Nordström P, Ballin M, Nordström A. Effectiveness of Covid-19 vaccination against risk of symptomatic infection, hospitalization, and death up to 9 months: a Swedish total-population cohort study. http://dx.doi.org/10.2139/ ssrn.3949410

ÜBERSICHTSARBEIT Melissengeist bei Erkältungen: Was ist bekannt? Mathias Schmidt, Olaf Hülsmann

4

AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS Therapiewahl in der Erstlinie des HCC: Aktuelle Leitlinien und klinische Erfahrungen

14

COVID-19-Pneumonie: IL-1-Rezeptorantagonist Anakinra verbessert klinisches Outcome um 64 Prozent

17

Feigwarzen State-of-the-Art behandeln

20

NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL Orale Relugolix-Kombinationstherapie lindert Beschwerden bei symptomatischen Uterusmyomen

22

Diroximelfumarat – eine neue orale Behandlungsoption für die Multiple Sklerose

26

Apalutamid: Analysen bestätigen starkes PSA-Ansprechen und altersunabhängig gute Wirksamkeit beim mHSPC

28

RUBRIKEN Wissenswertes 16, 21, 25 Kongresse 29

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 1/2022 · 31. JAHRGANG

© VERLAG PERFUSION GMBH


© Harald Krieg

Dr. Veronika Siebenkotten-Branca, Gynäkologin, seit 12 Jahren im Einsatz für ärzte ohne grenzen

WIR BRAUCHEN IHRE SOLIDARITÄT! JETZT PARTNERÄRZT*IN WERDEN! Unterstützen Sie Ihre Kolleginnen und Kollegen bei weltweiten Hilfseinsätzen mit einer Dauerspende und werden Sie so zur Partnerärzt*in von ärzte ohne grenzen. Erfahren Sie mehr über unser Programm ärzte für ärzte: www.aerzte-ohne-grenzen.de/partnerarzt

Spendenkonto: Bank für Sozialwirtschaft IBAN: DE72 3702 0500 0009 7097 00 BIC: BFSWDE33XXX www.aerzte-ohne-grenzen.de/partnerarzt


ÜBERSICHTSARBEIT

4

ZUSAMMENFASSUNG Hintergrund: Zu den registrierten Anwendungsgebieten von Melissengeist als traditionelles pflanzliches Arzneimittel zählt die Einnahme zur Verbesserung des Befindens bei unkomplizierten Erkältungserkrankungen. Zu dieser Anwendung existieren sowohl In-vitro-Untersuchungen als auch klinische Doppelblindstudien. Die in diesen Studien eingesetzte Melissengeistzubereitung enthält ein alkoholisches Destillat aus einer Mischung der Arzneipflanzen Melisse, Alant, Engelwurz, Ingwer, Gewürznelken, Galgant, Pfeffer, Enzian, Muskat, Pomeranzen, Zimtrinde, Zimtblüten und Kardamomen. Methoden: In zwei aus praktischer Sicht identisch aufgebauten Studien wurden 72 bzw. 90 Patienten mit unkomplizierten Erkältungen randomisiert entweder der Einnahme von Melissengeist, der Einnahme einer äquivalenten Menge von Alkohol oder einer Placebozubereitung zugeordnet. Die Studiendauer betrug 7 Tage. Erfasst wurden die Ausprägung von 5 klinischen Symptomen und 3 Lokalbefunden sowie der Anteil der Patienten, die nach 7 Tagen beschwerdefrei waren. Unerwünschte Ereignisse wurden dokumentiert und ausgewertet. Ergebnisse: In beiden Studien zeigte sich ein signifikanter Unterschied zugunsten von Melissengeist hinsichtlich der Verringerung des Beschwerdescores. Am Ende der Studie waren signifikant mehr Patienten beschwerdefrei als in den Ethanol- bzw. Placebogruppen und es wurde eine Verkürzung der Beschwerdedauer um ca. 1 Tag unter Melissengeist beobachtet. Die Effekte bestätigten sich in einer Anwendungs­ studie an 105 Patienten.

Melissengeist bei Erkältungen: Was ist bekannt? Mathias Schmidt1, Olaf Hülsmann2 Herbresearch Germany, Mattsies MCM Klosterfrau Vertriebsgesellschaft mbH, Köln 1

2

U

nkomplizierte Erkältungserkrankungen werden in der Mehrzahl der Fälle durch Viren verursacht. Erkältungssymptome treten in der Regel innerhalb von 24 Stunden nach der Infektion auf, die typische Krankheitsdauer beträgt 1 – 2 Wochen. Da eine ursächliche Behandlung nicht möglich ist, fokussiert sich die Therapie auf eine Linderung der Beschwerden. Dabei kommt pflanzlichen Arzneimitteln eine große Bedeutung zu. Klosterfrau Melissengeist (KMG) ist ein registriertes traditionelles pflanzliches Arzneimittel, das Destillate aus 13 Arzneipflanzen enthält: den Blättern der Zitronenmelisse (Melissa officinalis L.), Alantwurzelstock (Inula helenium L.), Angelikawurzel (Angelica archangelica L.), Ingwerwurzelstock (Zingiber officinale Roscoe), Gewürznelken (Syzygium aromaticum (L.) Merr. & L.M. Perry), Galgantwurzelstock (Alpinia officinarum Hance), schwarzen Pfefferfrüchten (Piper nigrum L.), Enzianwurzel (Gentiana lutea L.), Muskatsamen (Myristica fragrans Houtt.), Pomeranzenschalen (Citrus x aurantium L.), Zimtrinde und Zimtblüten (Cinnamomum cassia (L.) D. Don) sowie Kardamomen-

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 1/2022 · 31. JAHRGANG

samen (Elettaria cardamomum (L.) Maton). Die in der Registrierung des Arzneimittels bestätigten Anwendungsgebiete umfassen auch den Einsatz zur Besserung des Befindens bei unkomplizierten Erkältungen und zur Stärkung. In der vorliegenden Arbeit werden die Ergebnisse aus den klinischen Studien und aus der Suche nach den zugrunde liegenden Mechanismen zusammengefasst. Studien zum Wirkmechanismus

Effekte auf immunologische Parameter In einer unveröffentlichten Invitro-Studie wurde der Effekt von KMG im Modell der Lipopolysaccharid (LPS)-stimulierten humanen Monozyten untersucht. Unter Stimulation mit LPS werden in diesen Immunzellen entzündungstypische Mediatoren wie Interleukin-1b (IL-1b), Tumor-Nekrose-Faktor alpha (TNF-a), IL-6, IL-8 und Prostaglandin E2 (PGE2) gebildet. Eingesetzt wurden KMGKonzentrationen von 0,001 – 0,5 % – die höchste eingesetzte Menge würde bei einem Menschen mit © VERLAG PERFUSION GMBH


ÜBERSICHTSARBEIT

70 kg Körpergewicht und einem Blutanteil von 8 % theoretisch ungefähr der maximalen therapeutischen Dosis von 25 ml KMG entsprechen. Die Freisetzung von PGE2 aus den LPS-stimulierten Monozyten wurde durch KMG dosisabhängig verringert. PGE2 hat gefäßdilatierende Effekte und fördert durch Erhöhung der Gefäßpermeabilität lokale Entzündungen. KMG würde nach den Beobachtungen diesem proinflammatorischen Effekt entgegenwirken, was im Zusammenhang mit Erkältungserkrankungen für antientzündliche und schmerzlindernde Effekte spricht. Eine signifikante Hemmung wurde bereits mit 0,001 % KMG erzielt, bei 0,05 % KMG erreichte der Hemmeffekt 50 % gegenüber der unbehandelten Kontrolle (Abb. 1). Zugleich verstärkte KMG die LPS-induzierte Freisetzung von IL-8. Dieser Mediator ist an der Aktivierung des Immunsystems beteiligt: Durch chemotaktische Effekte fördert IL-8 die Migration von Immunzellen wie neutrophilen Granulozyten zu lokalen Entzündungsherden, was dann wiederum die Phagozytose von Krankheitserregern und toten Zellen fördert. Der Effekt auf IL-8 war ab 0,01 %

KMG festzustellen und war maximal ausgeprägt bei 0,5 % KMG (Abb. 2). Dagegen hatte KMG keinen Einfluss auf die Bildung von TNF-a und IL-6, während der Hemmeffekt auf die Bildung von IL-1b zwar signifikant, aber mit 36 % Hemmung bei 0,5 % KMG nur relativ schwach ausgeprägt war [1]. Nachdem sich im vorbeschriebenen Versuch die in LPS-stimulierten Monozyten gebildete Menge an IL-8 erhöht und damit prinzipiell eine Verbesserung des chemotaktischen Effekts und der Phagozytose ermöglicht hat, wurde in einer Folgestudie auch der unmittelbare Effekt auf die Phagozytose untersucht. In diesem Modell kamen fluoreszenzmarkierte Escherichia-coli-Bakterien zum Einsatz. Deren Phagozytose durch Makrophagen (Maus, Zelltyp Raw 264.7) verlagert den Leuchteffekt in die Makrophagen hinein. Eine Änderung in der Phagozytose würde sich gegenüber der Kontrolle in einer veränderten Fluoreszenz bemerkbar machen. Allerdings zeigte KMG bis zu einer noch nicht zytotoxischen Menge von 20 µl keinen Einfluss auf die Phagozytose [2]. Dies könnte bedeuten, dass KMG die Phagozytose indirekt über den

5

In vitro wurde versucht, Mechanismen dieser klinisch beobachtbaren Wirkung zu finden. Beobachtet wurden eine Hemmung proinflammatorischer Parameter wie PGE2 und eine dosisabhängige Hemmung der viralen Neuraminidase sowie eine Hemmung der Vermehrung von Influenza A H7N7 in Zellkultur in Konzentrationen von 0,002 – 0,004 % um 30 – 50 %. Schlussfolgerungen: Melissengeist hat einen positiven und statistisch signifikanten Einfluss auf den Verlauf der Symptome unkomplizierter Erkältungen, was die registrierten Anwendungsgebiete aus der traditionellen Anwendung bestätigt. Die klinischen Studien zeigen auch, dass der Alkoholgehalt der Melissengeistzubereitung keinen Beitrag zu dieser Wirksamkeit leistet. Diese ist daher auf die Destillate ätherischer Öle zurückzuführen. In-vitro-Untersuchungen zum Wirkmechanismus bestätigen antiinflammatorische und antivirale Effekte. Schlüsselwörter: Melissengeist, alkoholisches Destillat, Erkältung, Entzündungshemmung, antivirale Effekte

Abbildung 1: Effekt von KMG auf die LPS-induzierte Synthese von Abbildung 2: Effekt von KMG auf die LPS-induzierte Synthese von PGE2 in humanen Monozyten (Mittelwert und Standardabweichung; IL-8 in humanen Monozyten (Mittelwert und Standardabweichung; ** p < 0,01). * p < 0,05; ** p < 0,01. JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 1/2022 · 31. JAHRGANG

© VERLAG PERFUSION GMBH


ÜBERSICHTSARBEIT

6

PGE2- und IL-8-Effekt steigern könnte, indem eine Migration der Makrophagen an den Ort des Entzündungsgeschehens erleichtert wird, dass aber KMG keinen zusätzlichen direkten Effekt auf die Makrophagen hat. Antivirale Effekte Eine Untersuchung an der Charité in Berlin betrachtete spezifische Effekte gegen Influenza-A- und Adenoviren als typische Vertreter von RNA- und DNA-Viren aus dem Bereich der respiratorischen Infekte [3]. Dabei hemmte KMG die Vermehrung des humanen Influenza-A-Typs H7N7 um 28,3 – 50,3 % bei einer Konzentration von 0,002 – 0,004 %. Im Vergleich dazu hemmte die Kontrollsubstanz Rimantadin die Virusvermehrung um 75,4 % bei 0,5 µM (Abb. 3). Die Hemmung des Vogelgrippevirus H2N2 durch KMG war deutlich schwächer: Hier wurden erste Effekte erst ab 0,01 % KMG gemessen. Auf die getesteten Subtypen von Adenovirus hatte KMG keinen Einfluss. Aus diesem Grund wurde von einer Testung an Rhinoviren abgesehen. Insgesamt belegt diese Studie eine Wirkung von KMG auf die Ver-

mehrung des humanen InfluenzaA-Typs H7N7 [3]. Auch wenn der Gesamteffekt relativ schwach ausfällt, ist davon auszugehen, dass er zur Gesamtwirksamkeit des Arzneimittels bei respiratorischen Infekten beiträgt. In einer weiteren, bisher unveröffentlichten Untersuchung zu den antiviralen Eigenschaften von KMG wurde dessen Effekte auf das Enzym Neuraminidase analysiert. Neuraminidase ist in den virusbefallenen Zellen an der Abtrennung von Viruspartikeln von Oberflächenproteinen beteiligt. Sie wird vom Virus mitgebracht und unterstützt das Eindringen von Viren in die Zellen sowie deren Ausschleusen nach der Vermehrung. Die Hemmung der Neuraminidaseaktivität lässt sich anhand der enzymatischen Spaltung eines Chemolumineszenzfarbstoffs quantifizieren, der bei dieser Reaktion Licht emittiert und somit photometrisch nachgewiesen werden kann. Zur Klärung des Beitrags des Ethanolgehalts von KMG wurde im Enzymassay neben der Testung mit KMG in einem Konzentrationsbereich von 0,02 – 20 % auch Ethanol in analogen Mengen mitgetestet. Sowohl bei KMG als auch

0,0005%

H7N7

0,001% H2N2

0,002%

0,004%

57,5%

88,2% 49,7%

0,0002%

33,0%

0%

24,6%

20%

90,6%

102,2%

40%

72,7%

60%

86,2%

103,0%

80%

95,6%

100%

107,4%

120%

99,5%

SUMMARY Background: The improvement of well-being in episodes of the common cold is a registered medicinal indication of traditional herbal medicinal products containing Carmelite spirits. This application was examined in vitro as well as in two randomized double-blind trials. The Carmelite spirit preparation used in these studies contains an ethanolic distillate of a blend of the medicinal plants lemon balm, elecampane, angelica, ginger, cloves, lesser galangal, black pepper, gentian, nutmeg, bitter orange, cinnamon bark, cinnamon flowers and cardamom. Methods: Two practically identically designed studies had included 72 respectively 90 patients suffering from a common cold. The patients were randomized either to the intake of Carmelite spirit, or to an equivalent quantity of alcohol, or to placebo. The study duration was 7 days. The severeness of 5 clinical and 3 local symptoms of the common cold and the percentage of patients free of symptoms after 7 days were examined. Undesired events were also documented and evaluated. Results: A significant difference in favour of Carmelite spirit was found in both studies with respect to the symptom score reduction. At the end of the study significantly more patients were free of symptoms than in the ethanol and placebo groups. The duration of complaints was observed to be one day shorter with Carmelite spirit. The effects were confirmed in an observational study in 105 patients. In vitro examinations aimed on identifying the mechanisms of action for the clinically observable effects. An inhibition of pro-inflammatory parameters

0,01%

Rimatadin [0,5 μM]

Abbildung 3: Virusreplikation von humanen H7N7- und aviären H2N2-Infuenzaviren bei Inkubation mit verschiedenen Konzentrationen von KMG. 0,5 µM Rimatadin diente als Positivkontrolle.

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 1/2022 · 31. JAHRGANG

© VERLAG PERFUSION GMBH


7

ÜBERSICHTSARBEIT

bei Ethanol zeigte sich eine Hemmung erst oberhalb von 2 % (Abb. 4). Dass die Hemmung der Neuraminidaseaktivität mit KMG stärker ausfiel als mit Ethanol, belegt den Beitrag der pflanzlichen Inhaltstoffe zum Hemmeffekt. Der Alkoholgehalt spielte bei dieser Testung ansonsten keine Rolle, da zuvor festgestellt wurde, dass das Modell 20 % Ethanol ohne Einfluss auf die Messung verträgt. Offene Anwendungsstudie mit KMG bei grippalen Infekten

Die Effekte von KMG bei grippalen Infekten wurden in einer Anwendungsbeobachtung an 105 Patienten unter Praxisbedingungen geprüft [4]. Eingeschlossen wurden Patienten, bei denen innerhalb der letzten 48 Stunden vor Einschluss in die Studie typische Erkältungssymptome wie Halskratzen, Husten, Schnupfen, Halsschmerzen sowie Kopf- oder Gliederschmerzen aufgetreten waren. Die Ausprägung der Symptome wurden anhand einer vierstu-

figen Skala (0 = nicht vorhanden, 1 = leicht, 2 = moderat und 3 = stark) bewertet. Ausschlusskriterien waren Allergien gegen einen der Bestandteile des Arzneimittels, Lebererkrankungen, Alkohol-, Drogen- oder Arzneimittelmissbrauch, Epilepsie und Hirnschäden, Magen-Darm-Geschwüre sowie Schwangerschaft und Stillzeit. Die Abschlussuntersuchung fand nach 3 – 5 Tagen statt, mit einer mittleren Behandlungsdauer von 4,8 Tagen. Außerdem führten die Patienten ein Tagebuch mit Angaben zu Symptomen und eingenommenen Dosen. Die empfohlene Dosis war 2 × täglich je 10 ml KMG, verdünnt mit der doppelten Menge Wasser. Die Auswertung der Ergebnisse erfolgte rein deskriptiv anhand der vollständigen Datensätze. Fehlende Werte wurden nicht übertragen. Durch Behandlung mit KMG konnte eine deutliche Verringerung von Erkältungssymptomen bereits nach 4 Tagen beobachtet werden. Nach 5 Tagen waren 21,2 % der Patienten symptomfrei. Der Rückgang der einzelnen Beschwerde-

such as PGE2, a dose-dependent inhibition of viral neuraminidase and a 30 – 50 % percent inhibition of the replication of Influenza A virus H7N7 at concentrations of 0.002 – 0.004 % of the Carmelite spirit was found. Conclusions: Carmelite spirit has a positive and statistically significant impact on the course of the symptoms of the common cold. This finding confirms the registered traditional applications. The studies also confirm that the ethanol content of the Carmelite spirit preparation does not contribute to the efficacy, which is therefore caused by the essential oil distillates in the preparation. The in vitro-examinations of the mechanism of action confirm anti-inflammatory and antiviral effects. Keywords: Carmelite spirit, common cold, anti-inflammatory effects, antiviral effects

120%

67,7%

60% 50%

100,0%

107,7% 73,1%

70%

89,5%

100,5%

KMG 0,08%

103,1%

100,1%

KMG 0,4%

104,7%

KMG 1%

80%

104,5%

90%

KMG 2%

110% 100%

Ethanol 2%

Ethanol 10%

Ethanol 20%

KMG 0,02%

KMG 10%

0%

KMG 20%

10%

Kontrolle

4,0%

20%

Zanamavir [10 nM]

30%

35,0%

40%

Abbildung 4: Aktivität der Neuraminidase nach Inkubation mit KMG, Ethanol und dem Neuraminidasehemmer Zanamavir (10 nM). JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 1/2022 · 31. JAHRGANG

© VERLAG PERFUSION GMBH


ÜBERSICHTSARBEIT

8

scores war statistisch hochsignifikant (Wilcoxon-Test, p < 0,001 für alle Symptome). Halskratzen, Halsschmerzen sowie Kopf- und Gliederschmerzen zeigten besonders deutliche Besserungsraten mit 75,3 %, 72,8 % bzw. 82,5 %. Nach 3 – 5 Tagen hatten 63,8 % der Teilnehmer kein Halskratzen und 72,4 % keine Halsschmerzen mehr. Die Symptome Husten und Schnupfen reagierten zwar weniger ausgeprägt, aber immer noch sehr deutlich mit Besserungsraten von 46,4 % und 52,6 %. Bei 37,1 % bzw. 32,4 % der Patienten waren die Symptome Husten und Schnupfen bei der Abschlussvisite am Tag 3 – 5 vollständig verschwunden. Aus den 5 Einzelsymptomen wurde ein Gesamtscore gebildet, der durch eine statistisch signifikante Abnahme um 67,1 % (p < 0,001) ebenfalls den positiven Gesamteffekt untermauert. Insgesamt zeigten 94,3 % der Patienten am Ende der Studie eine Besserung des Beschwerdebildes. Der Gesamteffekt und die Verträglichkeit wurden von Arzt und Patient in 93 – 96 % der Fälle als „gut“ oder „sehr gut“ bewertet [4]. Klinische Doppelblindstudien mit KMG bei grippalen Infekten

Mit KMG wurden 2 unabhängige klinische Doppelblindstudien durchgeführt, die aufgrund des ähnlichen Studiendesigns hier gemeinsam dargestellt werden. Beide Studien wurden publiziert [5, 6], sie sind aber nur schwer zugänglich und auffindbar. Daher werden die Studiendetails an dieser Stelle ausführlicher beschrieben. Studie I wurde in Frühjahr durchgeführt, Studie II dagegen im Herbst und Winter, um eine mögliche saiso-

nale Verzerrung der Ergebnisse zu verringern. Studiendesign Beide Studien wurden als randomisierte, dreiarmige placebokontrollierte Doppelblindstudien der Phase IV geplant. Studie I war monozentrisch aufgesetzt, Studie II schloss Patienten aus 2 Berliner Arztpraxen ein. Ziel der Studien war der Nachweis der Wirksamkeit und Verträglichkeit von KMG. Untersucht wurde jeweils der Verlauf der Symptomverbesserung im Vergleich zu Ethanol und zu Placebo. In Studie I sollten 24 Patienten pro Gruppe eingeschlossen werden, in Studie II 30 Patienten pro Gruppe. Die Zuteilung der Patienten zu den 3 Studienarmen erfolgte per Blockrandomisierung in 6erBlöcken. Die Entblindung erfolgte erst nach der Zusammenstellung und biometrischen Auswertung der Studiendaten. Die Behandlungsdauer betrug maximal 7 Tage, bei Beschwerdefreiheit konnte die Studie vorzeitig beendet werden. Die Abschlussuntersuchung erfolgte in diesen Fällen am Folgetag. Regulär wurden die Symptome jeweils bei Studienbeginn, nach 3 und nach 7 Behandlungstagen erfasst. Für die Studien lagen unter den Studiennummern MCM-KF 25 und MCM-KF 28 Positivvoten der Ethikkommission der Ärztekammer Berlin vor. Der Einschluss der Patienten erfolgte nach Aufklärung und schriftlicher Einverständniserklärung. Ein- und Ausschlusskriterien In beiden Studien konnten erwachsene, nicht adipöse Patienten beiderlei Geschlechts im Alter von 20 – 65 Jahren eingeschlossen

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 1/2022 · 31. JAHRGANG

werden, die seit maximal 24 Stunden unter einer unkomplizierten Erkältungskrankheit litten. Ausschlusskriterien waren bekannte Allergien gegen einen oder mehrere der Wirkstoffe, Fieber über 37,5°C (axillar) sowie eitrige und bakterielle Infekte des Rachens und der Mandeln. Aufgrund des Alkoholgehalts von KMG durften keine Patienten mit akuten und chronisch-entzündlichen Lebererkrankungen, klinisch relevanten Stoffwechselstörungen und Organerkrankungen sowie Alkoholmissbrauch, Medikamenten- oder Drogenabhängigkeit eingeschlossen werden. Auch schwangere oder stillende Frauen konnten nicht teilnehmen. Innerhalb der letzten 7 Tage vor Eintritt in die Studie durften keine entzündungshemmenden oder schmerzlindernden Arzneimittel eingenommen worden sein. Medikation Die verabreichte Dosis KMG betrug 3 × täglich 10 ml. Da das Arzneimittel in reiner Form 79 Vol.-% Alkohol enthält, wurde jede Dosis mit 20 ml Wasser verdünnt. Die Vergleichsgruppen erhielten anstelle von KMG Ethanol ohne Wirkstoffe bzw. Placebo. In allen 3 Gruppen wurde zum Erreichen einer wirkungsvollen Verblindung der Medikation ein Aroma zugesetzt, das die Unterscheidbarkeit verhinderte. Studienparameter Zu Studienbeginn erfolgte eine körperliche Untersuchung mit detaillierter Allergie- und Medikamentenanamnese sowie einer Messung der Leberenzyme (AST, ALT und GGT) und eines Blutbildes. Bei jeder Visite wurden 5 typische Erkältungssymptome (allgemei© VERLAG PERFUSION GMBH


ÜBERSICHTSARBEIT

nes Krankheitsgefühl bzw. Abgeschlagenheit; Kopf- und/oder Gliederschmerzen; Halsschmerzen und/oder Schluckbeschwerden; Heiserkeit und/oder Husten; wässriger Schnupfen) und 3 typische Rachenbefunde (Rötung des Rachenringes und/oder der Mandeln; Granulierung der Rachenhinterwand; Schleimstraße an der Rachenhinterwand) auf einer dreistufigen Skala (0 = beschwerdefrei; 1 = leichte Ausprägung; 2 = starke Ausprägung) erfasst. Bei Studie I wurde darüber hinaus auch das Vorliegen eines Lippenherpes abgefragt. Der Gesamtsummenscore konnte daher bei Studie I einen maximalen Wert von 18 Punkten erreichen, während der Gesamtwert bei Studie II nur 16 Punkte betragen konnte. Für den Einschluss in die Studie musste der Summen­ score mindestens den Wert 3 haben. Die Patienten führten zusätzlich ein Tagebuch, mit dem neben dem Befinden auch die Trinkgewohnheiten erfasst wurden. Als Primärparameter war der Gesamtsummenscore der Beschwerden definiert, wobei in die Berechnung des Summenscores nur die Symptome aufgenommen wurden, die zu Beginn der Studie in mindestens leichter Ausprägung festgestellt worden waren. Sekundärparameter waren der Zeitpunkt der Beschwerdefreiheit (Krankheitsdauer) und die Zahl der Leukozyten im Speichel. Für Studie II wurde zudem der zelluläre Immunstatus (B- und T-Lymphozyten, T-Helfer und -Suppressorzellen, HLA-I- und IL2-Rezeptor exprimierende T-Lymphozyten) und der Spiegel des C-reaktiven Proteins (CRP) gemessen, um Aussagen zu möglichen negativen Effekten des Alkohols in der Studienmedikation zu erhalten. Betrachtet in beiden Studien wurde auch der Verlauf

der Entwicklung von einzelnen Symptomen. Abschließend erfolgte jeweils eine globale Bewertung von Wirksamkeit und Verträglichkeit durch Arzt und Patient auf einer vierstufigen Skala (1 = sehr gut; 2 = gut; 3 = mäßig; 4 = schlecht). Biometrische Auswertung Die Unterschiede im Gesamtsummenscore zwischen den 3 Visiten wurden für jeden Untersuchungstag mittels Varianzanalyse statistisch geprüft. Bei Erreichen eines signifikanten Unterschiedes auf dem 5%-Niveau wurden die Prüfgruppen paarweise miteinander verglichen (t-Test). Die Beschwerdedauer wurde anhand der aus Kaplan-Meier-Verläufen geschätzten Mittelwerte mittels Log-Rank-Test statistisch ausgewertet, für alle übrigen Befunde erfolgte ein Vergleich über die Mittelwerte (Varianzanalyse, t-Test) und über Häufigkeitsverteilungen (chi2-Test). Für die statistische Auswertung kam das Programm SPSS for Windows v. 19.0 zum Einsatz. Bei fehlenden Daten war die Übertragung des letzten verfügbaren Wertes vorgesehen. Ergebnisse Eingeschlossene Patienten, Studienabbrüche Wie geplant wurden in Studie I 72 Patienten eingeschlossen (46 Frauen, 26 Männer, mittleres Alter 33,5 Jahre; 24 Patienten pro Gruppe), in Studie II waren es 90 Patienten (62 Frauen und 28 Männer; mittleres Alter: 43,0 Jahre, 30 Patienten pro Gruppe). Hinsichtlich der demografischen Daten unterschieden sich die Gruppen nicht signifikant. Allerdings zeigte sich bei der Aus-

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 1/2022 · 31. JAHRGANG

9

wertung der Studiendaten, dass der Schweregrad der Symptome trotz der Randomisierung signifikante Unterschiede aufwies, was eine Adjustierung der Werte erforderlich machte. Dies war bei Studie II nicht der Fall, hier zeigte sich kein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen. In Studie I kam es gleich zu Beginn und noch vor der ersten Zwischenuntersuchung zu 2 Studienabbrüchen wegen der Entwicklung einer bakteriellen Tonsillitis (je ein Fall in der Ethanol- und in der Placebogruppe). Die Intention-to-treatPopulation (ITT) wurde daher mit n = 70 definiert, mit 24 Patienten in der KMG-Gruppe und je 23 in der Ethanol- und Placebogruppe. Die zu Beginn der Studie I aufgefallenen marginal erhöhten Leberwerte bei 4 Patienten waren kein Anlass für einen Studienausschluss, da ein Zusammenhang mit der Erkältungsepisode vermutet wurde. Im weiteren Verlauf schieden 3 Patienten der KMG-Gruppe aufgrund unerwünschter Ereignisse aus. Die Per-protocol-Population (PP) bestand in Studie I daher aus 67 Patienten (21/23/23 für KMG/ Ethanol/Placebo). Bei den 3 Studienabbrüchen wurden die Daten aus der Zwischenuntersuchung als Abschlusswert für die PP-Analyse übertragen. In Studie II umfasste die ITTPopulation alle eingeschlossene 90 Patienten (30 pro Gruppe). Aufgrund eines Studienabbruchs wegen eines unerwünschten Ereignisses in der KMG-Gruppe sowie 3 Prüfplanverletzungen in den Vergleichsgruppen bestand die PP-Population aus 86 Patienten (29/28/29 für KMG/Ethanol/Placebo). Die Analyse der PP-Populationen ergab bei beiden Studien weder beim Primärparameter noch bei © VERLAG PERFUSION GMBH


ÜBERSICHTSARBEIT

10

12 10 8 6

10,7 8,6 8,3 8,38,1 6,9

7,4

7,3 6,4

6,0 5,9 5,2

4

4,2 4,1 3,5 2,8 1,8 1,5

2 0

Zwischenvisite

Studienbeginn

Studienabschluss

Verum Studie I

Ethanol Studie I

Placebo Studie I

Verum Studie II

Ethanol Studie II

Placebo Studie II

Abbildung 5: Entwicklung der Scorewerte im Studienverlauf. Zwischen Ethanol und Placebo ergab sich kein signifikanter Unterschied, während der Unterschied zwischen KMG und Ethanol bzw. Placebo in beiden Studien bereits zum Zeitpunkt der Zwischenvisite signifikant war (p < 0,01). 80% 70%

70% 63%

60% 50%

39%

40% 30%

27%

25%

20%

10%

10% 0%

Studie I Verum

Studie II Ethanol

Placebo

Abbildung 6: Prozentualer Anteil der Studienteilnehmer, die am Ende der Studie keines der abgefragten Symptome mehr aufwiesen (p < 0,0035 in Studie 1, p < 0,001 in Studie 2 zugunsten von KMG).

den Sekundärparametern eine wesentliche Abweichung von den Ergebnissen der ITT-Analyse. Gesamtsummenscore Wie für eine selbstheilende Erkrankung zu erwarten, verringerte sich in beiden Studien der Summenscore der Symptome in allen 3 Gruppen. Der Gesamtsummen­ score nahm in beiden Studien unter KMG signifikant stärker ab als unter Ethanol und Placebo (p < 0,001 zugunsten von KMG bei paarweisem Vergleich nach Bonferroni-

Korrektur, nicht signifikant beim Vergleich von Ethanol und Placebo; Abb. 5). In Studie I zeigte sich eine deutliche und statistisch signifikante Inhomogenität der Ausgangswerte, bedingt durch ein stärkeres Ausmaß von Beschwerden in der KMG-Gruppe. Zu Studienbeginn war der mittlere Summenscore in der KMG-Gruppe mit 10,7 Punkten signifikant größer als in der Ethanolgruppe (8,3 Punkte) und in der Placebogruppe (6,9 Punkte). Um einen validen Vergleich zu er-

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 1/2022 · 31. JAHRGANG

möglichen, wurden die Scorewerte mittels linearer Regression adjustiert und über eine Kovarianzanalyse getestet. Unter KMG wurde in Studie I eine 86%ige Verbesserung des Symptomenscores festgestellt, in der Ethanolgruppe zeigte sich eine 58%ige Verbesserung, in der Placebogruppe waren es 59 % Verbesserung. Der Unterschied war statistisch signifikant (p < 0,0001) und bereits zum Zeitpunkt der Zwischenvisite zu erkennen (p = 0,0003). Diese Befunde änderten sich auch nicht nach Adjustierung der Ausgangswerte: Die Scoreverbesserungen um 7,4, 5,1 und 5,5 Punkte unter KMG, Ethanol und Placebo waren auch dann noch statistisch signifikant zugunsten von KMG (p = 0,033). In Studie II bestätigten sich diese Ergebnisse: Die Scorewerte verbesserten sich um 78 %, 49 % bzw. 51 % in der KMG-, Ethanolbzw. Placebogruppe. In der KMGGruppe wurde mit 6,5 Punkten eine signifikant größere Abnahme des Gesamtsummenscores beobachtet als in der Placebo- und der Ethanolgruppe (4,0 bzw. 4,4 Punkte; p < 0,01). Effekt auf die einzelnen Symptome Die Besserung der Beschwerden unter Einnahme von KMG war vor allem der Besserung der Lokalbefunde geschuldet. Bei Auswertung der Einzelsymptome zeigte sich ein Vorteil von KMG bei allen Symptomen, lediglich der Lokalbefund „Schleimspur an der Rachenhinterwand“ trat für eine sinnvolle Auswertung zu selten auf (Tab. 1). Dauer bis zur Beschwerdefreiheit Nach 7 Tagen Behandlungsdauer waren in Studie I 63 % der Patienten © VERLAG PERFUSION GMBH


11

ÜBERSICHTSARBEIT

Symptom/ Lokalbefund

Visite 0

S1

100%

S3

96%

S2

S4

S5

83%

79%

92%

L1

100%

L3

4%

L2

Symptom/ Lokalbefund

96%

Visite 0

S1

100%

S3

100%

S2

S4

S5

80%

80%

83%

Melissengeist

Studie I

Visite 1

Visite 2

Visite 0

92%

13%

100%

75%

8%

100%

25%

87%

42%

58%

88%

8%

21%

70%

83%

Ethanol Visite1

Visite 1

Visite 0

87%

35%

100%

57%

96%

48%

83%

74%

74%

92%

33%

100%

100%

0%

0%

0%

0%

46%

Melissengeist

8%

48%

Visite 1

Visite 2

Visite 0

90%

20%

100%

13%

100%

47%

57%

67%

73%

17%

20%

23%

80%

80%

80%

39%

Ethanol

0%

0%

22%

39%

50%

50%

77%

90%

80%

73%

100%

L3

10%

0%

0%

7%

3%

S1: Allgemeines Krankheitsgefühl oder Abgeschlagenheit S2: Kopf- oder Gliederschmerzen S3: Halsschmerzen oder Schluckbeschwerden S4: Heiserkeit oder Husten S5: Wässriger Schnupfen L1: Rötung des Rachenrings und/oder der Tonsillen L2: Granulierung der Rachenhinterwand L3: Schleimstraße an der Rachenhinterwand

100%

93%

100% 53%

91%

Visite 0

57% 3%

83%

78%

Visite 1

100% 13%

43%

Visite1

100% 67%

61%

43%

Studie II

L1

L2

17%

47%

33%

47%

57%

Placebo Visite 1

Visite 2

83%

35%

39%

74%

65%

65%

96%

22% 0%

Placebo

30%

43%

70%

13% 0%

Visite 1

Visite 2

100%

100%

60%

100%

93%

93%

73%

83%

77%

67%

77%

87%

100%

100%

0%

0%

0%

13%

13%

30%

67%

43%

40%

47%

40%

47%

93%

20% 0%

Tabelle 1: Prozentualer Anteil von Patienten mit einem der für den Summenscore abgefragten Symptome zu Beginn der Studie (Visite 0), zum Zeitpunkt der Zwischenvisite (Visite 1) und am Ende der Studie (Visite 2).

der KMG-Gruppe beschwerdefrei im Vergleich zu 25 % in der Ethanol- und 39 % in der Placebogruppe (Abb. 6). Der Unterschied zwischen den Gruppen war signifikant zugunsten von KMG (Log-Rank-Test und Wilcoxon-Test, p = 0,0035). Dieser Unterschied wurde auch in Studie II bestätigt, mit 70, 10 und 27 % beschwerdefreien Patienten in der KMG- Ethanol- und Placebogruppe (p < 0,001). Insgesamt betrug die mittlere Erkrankungsdauer unter KMG 6 Tage, unter Ethanol und Placebo 7 Tage.

Leukozyten im Speichel In beiden Studien zeigte sich in allen Gruppen eine Abnahme der Leukozytenzahl im Speichel im Studienverlauf, ein statistisch signifikanter Gruppenunterschied wurde nicht beobachtet. Der Parameter wurde durch die Prüfmedikation nicht beeinflusst. Globale Beurteilung der Wirksamkeit durch Arzt und Patient Aufgrund der inhomogenen Verteilung der Symptome zu Beginn der Studie I konnte die Bewertung der

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 1/2022 · 31. JAHRGANG

globalen Wirksamkeit durch Arzt und Patient nicht durchgeführt werden. In Studie II zeigte sich eine signifikante Überlegenheit von KMG (p < 10-5). Von den Ärzten wurde die Wirksamkeit von KMG in 25 von 30 Fällen als „gut bis sehr gut“ beurteilt, in der Ethanolgruppe erhielten diese Bewertung 2 von 30 Patienten, in der Placebogruppe 6 von 30 Patienten. Die Beurteilung durch die Patienten fiel sehr ähnlich aus: 23, 4 und 8 bewerteten die Wirksamkeit von KMG, Ethanol und Placebo als „gut bis sehr gut“. © VERLAG PERFUSION GMBH


ÜBERSICHTSARBEIT

12

Anwendungssicherheit In Studie I wurden unter der KMG-Behandlung 5 unerwünschte Ereignisse beobachtet (bakterielle Tonsillitis, epigastrische Beschwerden, allergisches Exanthem, Beeinträchtigung durch den Alkoholeffekt, marginal erhöhter GGT-Wert), die in den 3 erstgenannten Fällen zum Abbruch der Studie führten. Ein Kausalzusammenhang mit der Medikation wurde nur bei den epigastrischen Beschwerden und der Beeinträchtigung durch den Alkoholeffekt als möglich eingestuft. Bei den Sicherheitsparametern kam es zu keiner relevanten Veränderung im Sinne eines unerwünschten Ereignisses. In der Ethanol- und der Placebogruppe wurden jeweils 3 unerwünschte Wirkungen verzeichnet. In Studie II traten 3 unerwünschte Ereignisse unter der KMG-Behandlung auf (bakterielle Tonsillitis, epigastrische Beschwerden, erhöhte, sich spontan normalisierende Leberwerte), wobei auch hier nur bei den epigastrischen Berschwerden ein Zusammenhang mit der Medikation als möglich erachtet wurde. In der Ethanolgruppe trat kein unerwünschtes Ereignis auf, in der Placebogruppe nur eines. Die Verträglichkeit von KMG wurde mit Ausnahme der gastrointestinalen Ereignisse und des allergischen Exanthems von den Patienten als „gut bis sehr gut“ bewertet. Diskussion

Die Ergebnisse der beiden Doppelblindstudien und der offenen Anwendungsstudie stehen im Einklang mit den traditionellen Einsatzgebieten von Klosterfrau Melissengeist. Bemerkenswert

ist, dass unter der KMG-Therapie Verbesserungen der Beschwerdescores bereits nach 3 Behandlungstagen feststellbar waren. Da dies in den Doppelblindstudien weder in der Ethanolgruppe noch in der Placebogruppe im gleichen Ausmaß der Fall war, kann gefolgert werden, dass der Effekt nicht auf die hohe Alkoholkonzentration im Arzneimittel und auch nicht auf einen einfachen Placeboeffekt zurückzuführen ist. Eine Fallzahlkalkulation war für die Planung der Doppelblindstudien nicht vorgenommen worden, weil Vergleichswerte aus anderen Studien fehlten. Die eingeschlossene Zahl von 24 Patienten pro Gruppe in Studie I hatte sich aber als ausreichend erwiesen, um einen statistisch signifikanten Effekt zu erreichen. Ein Nachteil von Studie I war die unerwartet inhomogene Ausgangssituation nach Randomisierung, die für die Auswertung eine Adjustierung erforderlich machte. Dennoch wurde trotz der hohen Selbstheilungstendenz bei Erkältungen ein statistisch signifikantes Ergebnis zugunsten von KMG erzielt. Die Schwierigkeiten mit dem Design der ersten Studie traten bei Studie II nicht auf. Zudem wurde die Patientenzahl pro Gruppe erhöht, weil aufgrund der Erfahrungswerte der Studie I mit einer Dropout-Rate von 5 Patienten gerechnet wurde. Innerhalb von 7 Behandlungstagen führte die Einnahme von KMG signifikant schneller zu Beschwerdefreiheit als die Einnahme einer äquivalenten Dosis von Ethanol oder von Placebo. Zudem war kein negativer Einfluss der Ethanolzufuhr (enthalten in KMG und in reiner Form) auf das Immunsystem zu beobachten. Die Messung der Immunparameter war in Studie II eingefügt worden, um Aussagen zu

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 1/2022 · 31. JAHRGANG

möglichen negativen Effekten des Alkohols in der Studienmedikation zu erhalten. Hohe Alkoholdosen können das zelluläre Immunsystem und die Bildung von antientzündlichen Mediatoren unterdrücken [7], dagegen wurde für moderaten Alkoholkonsum [8] und für alkoholische Getränke mit sekundären Pflanzeninhaltstoffe wie Polyphenolen [9] ein positiver Effekt auf das Immunsystem festgestellt. Die Beobachtungen aus Studie II legen nahe, dass die Alkoholmenge, die mit KMG – und in identischem Ausmaß in der Ethanolgruppe – zugeführt wurde, keinen negativen Einfluss auf das Immunsystem hat. Pures Ethanol ohne das in KMG enthaltene Destillat ätherischer Öle hat allerdings auch keinen positiven Einfluss. Die Zubereitung mit den pflanzlichen Destillaten hatte dagegen einen signifikanten Effekt in Form eines schnelleren Rückgangs von Erkältungssymptomen im Vergleich zu Placebo und Ethanol. Dies sollte Bedenken hinsichtlich negativer immunologischer Effekte durch den in KMG enthaltenen Alkohol zerstreuen, was die Anwendungssicherheit des traditionellen pflanzlichen Arzneimittels unterstützt. Die Messung der Leukozytenzahl im Speichel hatte zum Ziel, einen messbaren Parameter in die Doppelblindstudie einzubringen, der mit der Entwicklung lokaler Entzündungsreaktionen im Rachenraum korreliert. Dass dies nicht beobachtet werden konnte, lag möglicherweise an der starken Streuung der gefundenen Leukozytenzahlen. Zudem ist die Methode nicht als diagnostischer Standard etabliert und es existieren keine Referenzwerte. Für die Bewertung des klinischen Verlaufs von Erkältungen ist dieses Verfahren möglicherweise nicht ideal geeignet. © VERLAG PERFUSION GMBH


13

ÜBERSICHTSARBEIT

Erkältungsepisoden sind selbstlimitierend. Die Studiendauer von 7 Tagen deckte die durchschnittliche Gesamtdauer einer Erkältungsepisode nicht ab. Dies war bei der Planung der beiden Doppelblindstudien bewusst festgelegt worden, weil die Studien Gruppenunterschiede im Verlauf der Episode prüfen sollten, was nach vollständiger Abheilung nicht mehr möglich gewesen wäre. Die Daten zur Beschwerdefreiheit belegen, dass nach einer Woche unter Placebo erst ungefähr ein Drittel der Patienten beschwerdefrei war. Hier zeigte Ethanol einen negativen Einfluss, wobei diese Beobachtung auch mit der relativ kleinen Fallzahl im Zusammenhang stehen könnte. Die Dauer einer Erkältungsepisode liegt, abgeleitet aus klinischen Studien, im Bereich von 8 – 14 Tagen [10], mit einem Durchschnitt von ca. 13 Tagen [11]. Bei einer Studiendauer von 7 Behandlungstagen war daher damit zu rechnen, dass noch ausreichend Symptomatik für einen Gruppenvergleich vorlag. Außerdem deckt sich dies mit Vergleichswerten aus Interventionen, die eine Verkürzung der Episodendauer in Anspruch nehmen. So wurden in einer offenen Studie mit einer Echinacea-Zubereitung akute Erkältungsepisoden bei Kindern auf die Dauer von durchschnittlich 7,5 Tagen reduziert [12]. In den hier präsentierten Studien wurde eine Verkürzung der Erkältungsdauer um ca. 1 Tag gegenüber Placebo gefunden. Für einen genaueren Wert hätten alle Patienten bis zur vollständigen Heilung beobachtet

werden müssen, die Tendenz zeichnete sich aber bereits innerhalb der Studiendauer ab, und wurde in der offenen Anwendungsstudie bestätigt [4]. Die beobachtete Verkürzung einer Erkältungsepisode um 1 Tag ist für den Patienten deutlich spürbar und klinisch relevant. Die in diesen Doppelblindstudien erhobenen Daten belegen den Nutzen von Melissengeist in der Behandlung von Erkältungen. Sie belegen auch, dass das im Produkt enthaltene Lösungsmittel Ethanol selbst nicht an der Wirksamkeit beteiligt ist. Mechanismen der Wirksamkeit von KMG bei Erkältungen wurde in Studien in vitro mit unterschiedlichen Modellen untersucht. Nachgewiesen wurden in vitro eine Hemmung der Bildung des proinflammatorischen Mediators PGE2, eine verstärkte Bildung des chemotaktischen Mediators IL-8, eine dosis­abhängige Hemmung von Neuraminidase sowie eine Hemmung der Replikation von Influenza A-Viren (humaner Typ H7N7) in Konzentrationen, die bei Gabe der üblichen Dosierungen im Körper erreichbar sein sollten. Die Untersuchungen sind noch weit davon entfernt, erschöpfend Auskunft über die komplexen Wirkmechanismen von KMG zu liefern. Es ist davon auszugehen, dass die Anwendung in anderen Modellen noch weitere mögliche Mechanismen aufzeigt. Die bisherigen Befunde stehen mit den klinischen Beobachtungen im Einklang und bestätigen die etablierten Anwendungsgebiete von Klosterfrau Melissengeist.

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 1/2022 · 31. JAHRGANG

Literatur 1 Fiebich B. Studienbericht: Immunmodulierende Wirkung von Klosterfrau Melissengeist. Denzlingen, VivaCell Biotechnology GmbH; 2008 2 Fiebich B. Studienbericht: Wirkung von Klosterfrau Melissengeist auf die Phagozytose Aktivität. Denzlingen, VivaCell Biotechnology GmbH; 2009 3 Krüger DH. Abschlussbericht: Zur antiviralen Wirkung von Klosterfrau Melissengeist (KMG) auf Influenza- und Adenoviren – In-vitro-Studie. Berlin, Institut für Medizinische Virologie der Charité; 1998 4 Grünwald J, Busch R. Klosterfrau Melissengeist bei grippalen Infekten. Z Phytother 2007;28:268-270 5 Graubaum HJ, Schneeweiß B, Schneider B et al. Therapie der unkomplizierten Erkältungskrankheit – Teil 1. Therapie & Erfolg 1997;1:735-739 6 Graubaum HJ, Schneeweiß B, Schneider B et al. Therapie der unkomplizierten Erkältungskrankheit – Teil 2. Therapie & Erfolg 1997;1:831-835 7 Sarkar D, Phil D, Jung MK et al. Alcohol and the immune system. Alcohol Res 2015;37:153-155 8 Psala S, Barr T, Messaoudi I. Impact of alcohol abuse on the adaptive immune system.” Alcohol Res 2015;37:185-197 9 Romeo J, Warnberg J, Nova E et al. Moderate alcohol consumption and the immune system: a review. Br J Nutr 2007; 98 (Suppl 1):S111-S115 10 Thompson M, Vodicka TA, Blair PS et al. Duration of symptoms of respiratory tract infections in children: systematic review. Br Med J 2013;347:f7027 11 Grüber C, Keil T, Kulig M et al. History of respiratory infections in the first 12 year among children from a birth cohort. Pediatr Allergy Immunol 2008;19:505551 12 Weishaupt R, Bächler A, Feldhaus S et al. Safety and dose-dependent effects of echinacea for the treatment of acute cold episodes in children: a multicenter, randomized, open-label clinical trial. Children (Basel) 2020;7:292

Für die Verfasser: Mathias Schmidt Herbresearch Germany Wartbergweg 15 86874 Mattsies schmidt@herbresearch.de

© VERLAG PERFUSION GMBH


14

AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

T

rotz aller medizinischer Fortschritte stellt Leberkrebs eine wachsende gesundheitliche Herausforderung für die westliche Welt dar. Mögliche Ursachen sind nicht alkoholbedingte Fettlebererkrankungen (NAFLD) bzw. nicht alkoholbedingte Steatohepatitiden (NASH), im Vordergrund stehen allerdings Alkoholkonsum und Hepatitis-C-Virus-Infektionen als Auslöser [1,2]. In asiatischen Ländern und Afrika hingegen überwiegen die viralen Ätiologien, insbesondere Hepatitis-B-VirusInfektionen [2]. In Deutschland macht das hepatozelluläre Karzinom (HCC) mit 65 % das Gros der Leberkrebsfälle aus. Es wird häufig erst in fortgeschrittenen Stadien (Barcelona Clinic Liver Cancer [BCLC] B und C) diagnostiziert, in denen eine Heilung nicht mehr möglich ist und bei denen lebenszeitverlängernde Therapien eingesetzt werden [1, 3]. Als neuer Standard für die systemische Erstlinie des fortgeschrittenen hepatozellulären Karzinoms (HCC) hat sich die Kombination aus Atezolizumab und Bevacizumab etabliert. Bei der Mehrzahl der Patienten ist sie sicher und wirksam einsetzbar, aber es gibt auch Patienten, für die sie aufgrund von Kontraindikationen oder Unverträglichkeiten nicht geeignet ist. Auf einem Symposium anlässlich der Jahrestagung 2021 der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) erörterte Professor Marcus-Alexander Wörns, Dortmund, die Frage, welche Patienten dies betrifft und welche Patientengruppen möglicherweise alternativ von einer Therapie mit den Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) Lenvatinib oder Sorafenib profitieren.

Therapiewahl in der Erstlinie des HCC: Aktuelle Leitlinien und klinische Erfahrungen Dynamische Therapielandschaft

Im palliativen Setting des HCC haben sich die Therapieoptionen in den letzten Jahren zunehmend diversifiziert (Übersicht bei [4]). In den Jahren nach der Zulassung der ersten Systemtherapie im Jahr 2007 – des Multityrosinkinaseinhibitors (MKI) Sorafenib – scheiterten zunächst mehrere Phase-III-Studien. Erst eine Dekade später bewies Lenvatinib als weiterer MKI in der REFLECTStudie seine Nichtunterlegenheit gegenüber Sorafenib beim medianen Gesamtüberleben (OS) mit 13,6 versus 12,3 Monaten [5]. Hochsignifikante Überlegenheit (p < 0,0001) demonstrierte Lenvatinib hingegen in den klinisch relevanten sekundären Endpunkten im unabhängigen radiologischen Review nach mRECIST (modified Response Evaluation Criteria in Solid Tumours): eine Verdopplung des progressionsfreien Überlebens (PFS: 7,3 vs. 3,6 Monate) und der Zeit bis zum Progress (TTP: 7,4 vs. 3,7 Monate) sowie eine hohe Ansprechrate (ORR: 40,6 % vs. 12,4 %) [5]. Mit der Zulassung von Lenvatinib im Jahr 2018 für die Erstlinienbehandlung des HCC und der Einführung weiterer Wirkstoffe für die Folgelinien – den beiden MKI Regorafenib und Cabozantinib und dem anti-VEGF (vaskulärer en-

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 1/2022 · 31. JAHRGANG

dothelialer Wachstumsfaktor)-Rezeptor 2 Antikörper Ramucirumab – sind nun mehrstufige Therapien möglich [4, 6]. Im Jahr 2020 hielt schließlich mit der Kombination aus dem Checkpoint-Inhibitor Atezolizumab und dem gegen VEGF gerichteten Antikörper (AB) Bevacizumab auch die Immunonkologie (IO) Einzug in die Therapielandschaft des HCC [7]. Leitlinienempfehlungen für die Erstlinienbehandlung

Die Kombination aus Atezolizumab und Bevacizumab (IO+ABKombination) wird vom Update der ESMO-Leitlinie sowie von der neu überarbeiteten S3-Leitlinie aufgrund der Ergebnisse in der Zulassungsstudie IMbrave150 für die Erstlinie des fortgeschrittenen HCC empfohlen [3, 8, 9]. In den koprimären Endpunkten hatte die Kombination signifikante Vorteile gegenüber Sorafenib gezeigt (medianes OS: 19,2 vs. 13,4 Monate; medianes PFS: 6,9 vs. 4,3 Monate im unabhängigen Review gemäß RECIST 1.1). Und auch das ORR im HCC-spezifischen mRECIST war positiv (33,2 % vs. 13,3 %) [10]. Was in den Leitlinien aber auch zum Ausdruck kommt: Nicht für alle HCC-Patienten ist die IO© VERLAG PERFUSION GMBH


15

AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

Kombination geeignet. Aufgrund von Kontraindikationen oder Unverträglichkeiten gegen Atezolizumab und/oder Bevacizumab bleiben sowohl Lenvatinib als auch Sorafenib weiterhin wichtige Optionen in der Erstlinie des HCC [3, 8]. Was spricht gegen die IO+AB-Kombination?

Professor Wörns zählte auf, in welchen Fällen aus seiner Sicht die IO+AB-Kombination nicht angezeigt ist: „Das ist ganz klar ein Zustand nach solider Organtransplantation, also vor allem nach einer Lebertransplantation, eine relevante Autoimmunerkrankung, aber auch“ – dies fügte er mit Blick auf das erhöhte Blutungsrisiko unter Bevacizumab [11] hinzu – „eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung, ein fistulierender Morbus Crohn.“ Ein kürzlich erschienener Review, den Wörns ebenfalls vorstellte, unterstreicht diese Einschätzung [12]. Die Autoren schlugen darin für die genannten Patientengruppen alternative Therapiealgorithmen mit Lenvatinib oder Sorafenib in der Erstlinie vor. Neben den relativen Gegenanzeigen gibt es aber auch Argumente für eine TKI-basierte Therapie. So haben inzwischen mehrere Untersuchungen gezeigt, dass die Wirksamkeit der Substanzen auch von der Ätiologie des HCC abhängt. Die richtige Patientenselektion

In diesem Zusammenhang wies Professor Wörns auf die Studienpopulation der Studie IMbrave150 hin [10]: 40 % der Studienteilnehmer waren asiatisch, fast die Hälfte

hatte eine Hepatitis-B-Virus-Ätiologie und alle Patienten hatten eine sehr gut erhaltene Leberfunktion. Darüber hinaus war nur etwa die Hälfte mit einer lokalen Therapie vorbehandelt. „Das ist hier in der westlichen Welt ganz anders“, so Wörns. „Um es zusammenzufassen: Wir haben hier ein hochselektioniertes Patientenkollektiv, erhaltene Leberfunktion, sehr virallastig.“ Umso aufschlussreicher sind die neu vorgestellten Subgruppenanalysen von IMbrave150. So ist in der chinesischen Kohorte z.B. der OS-Vorteil deutlich höher als in der Gesamtpopulation (HR: 0,53 vs. 0,66) [9]. Andere Subgruppen wiederum weisen keine signifikante Überlegenheit der IO-Kombination gegenüber dem TKI auf [13]. Wörns fasste die Ergebnisse folgendermaßen zusammen: „Patienten im intermediären Stadium der Erkrankung, also BCLC B, aber auch vor allem Patienten mit einer nicht viralen Hepatitis scheinen weniger von der neuen Kombinationstherapie zu profitieren. Das ist natürlich für uns vor allem hier in der westlichen Welt eine ganz zentrale Frage: Ist die Kombination denn auch bei alkoholbedingter (ASH) oder nicht alkoholbedingter Steatohepatitis (NASH) Mittel der ersten Wahl?“ Dieselbe Schlussfolgerung zieht eine 2021 in Nature veröffentlichte Publikation. Daten einer MetaAnalyse von Patientengruppen der randomisierten Phase-III-Studien CheckMate 459, IMbrave150 und KEYNOTE-240 geben Hinweise darauf, dass das mit nicht alkoholbedingten Fettlebererkrankungen (NAFLD) assoziierte HCC schlechter auf eine IO-Monotherapie anspricht als das viral bedingte [14].

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 1/2022 · 31. JAHRGANG

Das Überleben verlängernde TKI-Sequenz

„Und auch eine TKI-Therapie in der Sequenz könnte ein langes Überleben bedeuten“, führte Wörns weiter aus. In einer explorativen retrospektiven Analyse der REFLECT-Studie lag das mediane OS bei Patienten, die auf Lenvatinib in der Erstlinie und auf Sorafenib in der Folgelinie angesprochen hatten, bei 26,2 Monaten (95%-KI: 18,2 – 34,6) [15]: „Das sind Daten, die sich mit dem Gesamtüberleben in der Studie IMbrave150 in etwa messen können. Also ein Verzicht von Atezolizumab plus Bevacizumab in der Erstlinie und eine reine TKI-Sequenztherapie könnte, wenn man sich das Gesamtüberleben in bestimmten Populationen anschaut, für den Patienten von ähnlichem Benefit sein.“ Kombination ist Key

Doch auch weitere Fortschritte bei der Therapie des HCC sind in baldiger Zukunft zu erwarten. Im Hinblick auf die zukünftigen Optionen sagte Wörns: „Kombination ist Key.“ Denn Kombinationen IO plus IO oder IO plus eine antiangiogenetische Substanz sind aktuell vielversprechende Konzepte [16]. Mehrere entsprechende Phase-III-Studien für die Erstlinie des HCC laufen momentan [17]. Dazu gehören unter anderem die LEAP-002-Studie mit dem Checkpoint-Inhibitor Pembrolizumab plus Lenvatinib versus Lenvatinib (hierzu gab es bereits vielversprechende Phase-Ib-Daten [18]) sowie die HIMALAYA-Studie, die den PD-L1-Antikörper Durvalumab plus den CTLA4-Antikörper Tremelimumab versus Sorafenib testet. © VERLAG PERFUSION GMBH


AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

16

Fazit

Abschließend konstatierte Professor Wörns noch einmal die aktuelle Situation: „Wir haben mit Atezolizumab und Bevacizumab einen neuen Standard of Care in der Erstlinientherapie des fortgeschrittenen HCC.“ Mit Blick auf die notwendige Patientenselektion und die Kontraindikationen fügte er hinzu: „Mit den langjährig verfügbaren TKI mit bekanntem Sicherheitsprofil und handhabbaren Nebenwirkungen – auch mit dem Lenvatinib – stehen effektive Therapien als Alternative zur Verfügung.“ Elisabeth Wilhelmi, München Literatur

1 Robert Koch-Institut. Krebsgeschehen in Deutschland 2015/2016, 12. Ausgabe 2019 2 EASL Guideline. J Hepatol 2018;69:182236 3 S3-Leitlinie, Version 6.2; Stand: Oktober 2021 4 Villanueva A. N Engl J Med 2019;380: 1450-1462 5 Kudo M et al. Lancet 2018;391:11631173 6 Fachinformation Lenvima®; Stand: November 2021 7 Fachinformation Tecentriq®; Stand: September 2021 8 Vogel A et al. Ann Oncol 2021;32:801805 9 Finn RS et al. ASCO-GI 2021; Abstract 267 10 Finn RS et al. N Engl J Med 2020; 382:1894-1905 11 Fachinformation Abevmy®; Stand: Dezember 2021 12 Pinter M et al. Gut 2021;70:204-214 13 Finn RS et al. EASL Summit 2021; Abstract O05 14 Pfister D et al. Nature 2021;592:450-456 15 Alsina A et al. Liver Cancer 2020;9:93104 16 Sangro B et al. Nat Rev Gastroenterol Hepatol 2021;18:525-543 17 Kudo M et al. Liver Cancer 2020;9:640662 18 Finn RS et al. J Clin Oncol 2020; 38:2960-2970 19 Okamoto K et al. ACS Med Chem Lett 2015;6:89-94 20 Wu P. Drug Discovery Today, July 2015: 1-6

Abrocitinib für die mittelschwere bis schwere atopische Dermatitis zugelassen Im Dezember 2021 hat die Europäische Kommission Abrocitinib (Cibinqo®) für die Behandlung von erwachsenen Patienten mit mittelschwerer bis schwerer atopischer Dermatitis (AD) zugelassen, die für eine systemische Therapie infrage kommen. Die Zulassung des einmal täglich oral anzuwendenden Januskinase 1 (JAK1)-Inhibitors erfolgte für die Dosierungen 100 mg und 200 mg. Darüber hinaus wurde eine Dosis von 50 mg zur Behandlung von mittelschwerer bis schwerer AD speziell bei Patienten mit mittelschwerer und schwerer Niereninsuffizienz (Nierenversagen) oder bei bestimmten Patienten zugelassen, die mit Cytochrom-P450 (CYP) 2C19 inhibierenden Wirkstoffen behandelt werden. Rasche Verbesserung von Juckreiz und Hautbild

Die Zulassung von Abrocitinib stützt sich auf die Ergebnisse von

5 klinischen Studien mit mehr als 2.800 Patienten, darunter 4 Phase-III-Studien sowie eine noch laufende, offene Langzeitverlängerungsstudie. Abrocitinib zeigte deutliche Verbesserungen hinsichtlich der Linderung von Symptomen und der Krankheitskontrolle im Vergleich zu Placebo. In einer Studie, die einen aktiven Kontrollarm mit Dupilumab umfasste und in der Patienten untersucht wurden, die eine topische medikamentöse Hintergrundtherapie erhielten, führte Abrocitinib 200 mg nach 2 Wochen zu einer stärkeren Linderung des Juckreizes als Dupilumab. Der JAK1-Inhibitor zeigte ein konsistentes Sicherheitsprofil über alle Studien hinweg, einschließlich einer Langzeitverlängerungsstudie, und wies ein günstiges NutzenRisiko-Profil auf. Die häufigsten unerwünschten Ereignisse, die bei ≥5 % der Patienten unter Abrocitinib auftraten, waren Übelkeit (15,1 %) und Kopfschmerzen (7,9 %). Die häufigsten schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse waren Infektionen (0,3 %). S. M.

Abrocitinib Abrocitinib (Cibinqo®) ist ein „small molecule“ zur oralen Anwendung, das selektiv die Januskinase 1 (JAK1) hemmt. Es wird angenommen, dass die Hemmung von JAK1 mehrere Zytokine moduliert, die an der Pathophysiologie der atopischen Dermatitis beteiligt sind, darunter die Interleukine IL-4, IL-13, IL-31, IL-22 und das thymische stromale Lymphopoietin (TSLP).

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 1/2022 · 31. JAHRGANG

© VERLAG PERFUSION GMBH


AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

17

COVID-19-Pneumonie: IL-1-Rezeptorantagonist Anakinra verbessert klinisches Outcome um 64 Prozent

W

ie hoch aktuell der Bedarf an wirksamen Therapieoptionen bei COVID-19 ist, zeigt sich daran, dass Anakinra (Kineret®) bereits einen Tag nach der positiven CHMP-Empfehlung zur Behandlung von Patienten mit COVID-19-Pneumonie zugelassen wurde. Der IL-1-Rezeptorantagonist kann zur Behandlung erwachsener Patienten mit COVID-19Pneumonie eingesetzt werden, die eine Low- oder High-Flow-Sauerstoffzufuhr benötigen und ein Risiko für schweres Lungenversagen haben, das durch suPAR-Spiegel (lösliche Form des UrokinasePlasminogen-Aktivator-Rezeptors, vgl. Insert auf S. 19) von ≥6 ng/ml bestimmt wurde. Laut Europäischer Kommission gehört der IL-1-Rezeptorantagonist Anakinra zu den Top-10 der vielversprechendsten Behandlungsmethoden bei COVID-19 [1].

VID-19-induzierten Hyperinflammation eine Rolle. Die Blockade von IL-1α und IL-1β vor der hyperinflammatorischen Phase kann einen wichtigen Einfluss auf die Progression der COVID-19-Erkrankung haben [3]. Risiko für schweren Verlauf und Tod sinkt um 54 Prozent

Dass sich durch die Gabe des IL-1αund IL-1β-Rezeptorantagonisten die Prognose von COVID-19-Patienten deutlich verbessern lässt, belegen die Ergebnisse der zulassungsrelevanten Phase-III-Studie SAVE-MORE, in der die Wirksamkeit und die Sicherheit des

frühen, suPAR-basierten Einsatzes (suPAR-Wert ≥6 ng/ml) von Anakinra bei 606 Patienten mit Infektionen der unteren Atemwege durch SARS-CoV-2 untersucht wurden [4]. Die Studienteilnehmer wurden 2 : 1 auf Anakinra (n = 405) und Placebo (n = 189) randomisiert, alle erhielten zusätzlich eine Standardtherapie (SOC): 94 % bekamen eine Antikoagulation, 86 % Dexamethason und 74 % Remdesivir. Anakinra wurde bis zu 10 Tage lang in einer Dosierung von 100 mg 1 × täglich subkutan verabreicht. Der klinische Verlauf der COVID19-Erkrankung wurde über 28 Tage anhand der 11-stufigen klini-

SARS-CoV-2-getriggerte Hyperinflammation

Als Ursache für den tödlichen Verlauf einer COVID-19-Infektion wird eine überschießende Entzündungsreaktion gesehen, die auch als „Zytokinsturm“ bezeichnet wird (Abb. 1) [2]. Anakinra ist ein entzündungshemmendes Medikament, das die biologische Aktivität der Zytokine IL-1α und IL-1β hemmt. Beide spielen bei der CO-

Abbildung 1: Bei der COVID-19-Pneumonie spielen sowohl IL-1α als auch IL-1β für die Entstehung des Zytokinsturms eine Rolle (mod. nach [3]).

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 1/2022 · 31. JAHRGANG

© VERLAG PERFUSION GMBH


18

AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

Abbildung 2: WHO-CPS-Klassifizierung. NIV: nichtinvasive Beatmung, MV: mechanische Beatmung, ECMO: extrakorporale Membranoxygenierung, FiO2: inspiratorische Sauerstoffkonzentration, pO2: Sauerstoffpartialdruck in der arteriellen Blutgasanalyse in mmHg, SpO2: pulsoxymetrisch/peripher kapillar gemessene Sauerstoffsättigung in %, pO2/FiO2: Oxygenierungsindex in mmHg (mod. nach [5]).

schen Progressionsskala der World Health Organization gemessen (WHO-CPS, Abb. 2 [5]). Bei Einschluss in die Studie hatten 8,6 % der Patienten einen CPS-Wert von 4, 87,7 % einen CPS-Wert von 5 und 6,7 % einen CPS-Wert von 6. 92 % der 606 Patienten wiesen eine schwere COVID-19-Pneumonie auf, 91,6 % wurden über Maske bzw. Sonde beatmet [4]. An Tag 28 hatte die Behandlung mit Anakinra (+SOC) im Vergleich zu Placebo (+SOC) das klinische Outcome und das Risiko der Patienten mit COVID-19-Pneumonie erheblich verbessert (Abb. 3) [4]: • Reduktion des Risikos für Krankheitsprogression und Tod um 64 % (OR für Anakinra vs. Placebo: 0,36; 95%-KI: 0,26 – 0,49); p > 0,001)

Abbildung 3: Klinischer Status (WHO-CPS) an Tag 28 [4]. LFO: Low-Flow-Sauerstoffzufuhr, HFO: High-Flow-Sauerstoffzufuhr, NIV: nichtinvasive Beatmung, MV: mechanische Beatmung, HD: Hämodialyse, ECMO: extrakorporale Membranoxygenierung.

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 1/2022 · 31. JAHRGANG

© VERLAG PERFUSION GMBH


AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

• Reduktion des Risikos für Intensivpflichtigkeit und/oder Tod (WHO-CPS-Wert ≥6) um 54 % (OR: 0,46; 95%-KI: 0,26 – 0,83; p > 0,001) • Reduktion der 28-Tages-Mortalität um 55 % (HR: 0,45; 95%-KI: 0,21 – 0,98; p = 0,045) (Abb. 4) • Der Anteil der vollständig genesenen Patienten (WHO-CPSWert = 0) lag im Anakinra-Arm bei 50,4 %, in der PlaceboGruppe bei 26,5 %. • Die durchschnittliche Zeit bis zur Entlassung aus dem Krankenhaus bzw. der Intensivstation wurde um 1 bzw. 4 Tage verkürzt. Günstiges Sicherheitsprofil

In der Studie SAVE MORE war das Auftreten von schweren unerwünschten Arzneimittelwirkungen unter Anakinra vergleichbar mit Placebo (16,0 vs. 21,7 %). Etwas häufiger unter Anakinra als unter Placebo wurden Neutropenien (3,0 vs. 0,5 %), Leberwerterhöhungen (35,8 vs. 33,3 %) und Rötungen an der Einstichstelle (3,7 vs. 1,5 %) berichtet. Schwere Sekundärinfektionen bei COVID-19-Patienten

19

Risikostratifizierung mit suPAR Das Risiko für ein schweres Lungenversagen mit schlechter Prognose lässt sich mithilfe des prognostischen Biomarkers suPAR bestimmen. Dabei handelt es sich um die lösliche Form des Plasminogen-Aktivator-Rezeptors vom Urokinase-Typ, die frühzeitig eine Immunaktivierung anzeigt. Die suPAR-Konzentration gibt demnach Auskunft über das Ausmaß inflammatorischer Prozesse im Körper, sodass suPAR als allgemeiner Risiko-Biomarker für den Schweregrad, die Progression sowie das Mortalitätsrisiko bei verschiedenen Krankheiten, wie z.B. Herz-Kreislauf-, Nieren- und Krebserkrankungen und Diabetes mellitus Typ 2, herangezogen werden kann [6]. Bei COVID-19 stellt ein suPAR-Wert ≥6 ng/ml nicht nur einen Indikator für das Progressionsrisiko zu schwerem Lungenversagen oder Tod dar, sondern auch für das Fortbestehen der Erkrankung. Man geht davon aus, dass ein früher Anstieg von suPAR auf eine übermäßige Freisetzung von sog. Alarminen hinweist, die zur Aktivierung von proinflammatorischen Prozessen und der Ausschüttung von IL-1α und β führen (siehe Abb. 1). Anakinra blockiert die biologische Aktivität von IL-1α und IL-1β. Die Messung des suPAR stellt damit einen individualisierten und risikostratifizierten Ansatz für den Einsatz von Anakinra dar.

wurden unter Anakinra weniger häufig beobachtet als unter Placebo (8,4 vs. 15,9 %) (Abb. 5) [4]. Brigitte Söllner, Erlangen Literatur

1 https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/ip_21_5366. 2 Tang l et al. Front Immunol 30. Novem-

Abbildung 4: Die 28-Tages-Mortalität verringerte sich unter Anakinra im Vergleich zu Placebo um 55 % [4]. JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 1/2022 · 31. JAHRGANG

3 4 5

6

ber 2020; https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fimmu.2020.570993/full. van de Veerdonk FL et al. Crit Care 2020;24:445 Kyriazopoulou E et al. Nat Med 2021; 27:1752-1760 WHO Working Group on the Clinical Characterisation and Management of COVID-19 infection. Lancet Infect Dis 2020;2:e192-e197 https://bestbion.com/prognostischer-biomarker-supar/

Abbildung 5: Unerwünschte Ereignisse (UE) unter Anakinra vs. Placebo [4]. © VERLAG PERFUSION GMBH


AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

20

E

twa 5 – 10 % aller sexuell aktiven Menschen in Deutschland erkranken im Laufe ihres Lebens an Feigwarzen (Condylomata acuminata, Abb. 1) [1]. Dabei handelt es sich um eine gutartige Erkrankung, die unter anderem durch eine Infektion mit Humanen Papillomaviren (HPV) verursacht wird. Bei den HPV wird zwischen Low-Risk und High-Risk-Viren unterschieden. Während die LowRisk-Varianten für die gutartigen Feigwarzen verantwortlich sind, bergen die High-Risk-Viren unter anderem ein Risiko für die Krebsvorstufen an Gebärmutterhals, Anus, Vagina, Vulva und Penis [1, 2]. Menschen mit Immunsuppression sind besonders gefährdet, an HPV-assoziierten Tumoren und Warzen zu erkranken [3, 4, 5]. Daher wird bei diesen Patienten ein regelmäßiges Screening empfohlen. Kondylome gehören zu den häufigsten sexuell übertragbaren Erkrankungen. Sie treten vor allem im äußeren Genital- und Analbereich auf. Die Warzen können verschiedene Beschwerden wie Juckreiz, Blutungen, Fissuren oder Dyspareunien hervorrufen, zudem sind sie ansteckend [3]. Der gründlichen Diagnostik und adäquaten Therapie kommt daher eine hohe Bedeutung zu. Diagnostik und Therapiemöglichkeiten

Die Diagnose erfolgt in der Regel durch eine visuelle Inspektion. Diese kann durch eine Biopsie ergänzt werden, um z.B. eine bösartige Entartung abzuklären [6]. Bei der Therapie äußerlicher Anogenitalwarzen wird zwischen arztangewandten und patientenangewandten Behandlungen unterschieden. Zu den arztangewandten

Feigwarzen State-of-the-Art behandeln

Abbildung 1: Condylomata acuminata treten vor allem im äußeren Genital- und Perianalbereich auf. Sie können wenige Millimeter bis zu mehrere Zentimetern groß sein, neigen zur Streuung, können aber auch wuchernde Ansammlungen bilden.

Methoden gehören die Kürettage/ Scherenschlagexzision, die Elektrokoagulation, Laser, Kryotherapie und Trichloressigsäure [1]. Chirurgische bzw. ablative Verfahren sollten aber erst zum Einsatz kommen, wenn topische Therapien nicht zur Abheilung geführt haben. Vorteile der topischen Therapie mit Sinecatechinen

Topische Therapien können von den Patienten selbst angewendet werden. Hierfür stehen 3 Wirkstoffe zur Verfügung: Podophyllotoxin (als Lösung), Imiquimod (als Creme) und Sinecatechine (als Salbe). Letztere werden aus den Blättern des Grünen Tees gewonnen und als Extrakt (patentiert als Polyphenon E®) der Salbe zugesetzt. Alle drei genannten Wirkstoffe sind effektiv – allerdings kann es während der Behandlung mit Podophyllotoxin und Imiquimod zu vermehrten Nebenwirkungen und Rezidiven kommen [7, 8]. Die Therapie mit einer Salbe, die 10 % Sinecatechine enthält (Veregen®), ist dagegen schonender, zeigt aber

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 1/2022 · 31. JAHRGANG

gleichzeitig eine gute Wirksamkeit. Der große Vorteil ist, dass es sich um eine natürliche Behandlung gegen genitale Feigwarzen handelt. Außerdem ist die Evidenz für die Wirksamkeit dieses Wirkstoffs besser – in die Studien mit Polyphenon E® waren deutlich mehr Patienten eingeschlossen als in die Studien, die Podophyllotoxin oder ImiquiVeregen® Veregen® enthält 10 % Sinecatechine. Diese Polyphenole werden als Extrakte aus den Blättern des grünen Tees gewonnen. Der Hauptwirkstoff der Sinecatechin-Salbe ist Epigallocatechingallat. Sinecatechine wirken antiinflammatorisch, antiproliferativ und antioxidativ. Diese Eigenschaften tragen zu den therapeutischen Effekten der Sinecatechin-Salbe bei [8]. Zur Behandlung von Feigwarzen wird die Salbe dreimal täglich lokal aufgetragen, die Anwendungsdauer beträgt bis zu 16 Wochen.

© VERLAG PERFUSION GMBH


AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

mod untersuchten. Mit Polyphenol E® wurden Heilungsraten zwischen 52,3 % und 60,9 % erreicht [9, 10, 11]. Gleichzeitig ist die Rezidivrate gering: Sie betrug in den Studien 4,1 – 8,3 % [9, 10, 11] und ist damit so niedrig wie unter keinen anderen topischen Therapie. Die Salbe wird dreimal am Tag aufgetragen, am besten morgens, nachmittags und abends. Mit einer Impfung vorbeugen

Vorbeugen ist besser als eine Therapie – dieses Prinzip gilt auch für Feigwarzen. Eine Impfung gegen HPV kann Infektionen vorbeugen und somit auch Feigwarzen und u.a. Gebärmutterhalskrebs verhindern. Die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut empfiehlt die HPV-Impfung mit einem tetra- oder nonavalenten Impfstoff für Jungen und Mädchen im Alter von 9 – 14 Jahren [12]. Fabian Sandner, Nürnberg Literatur

1 S3-Leitlinie zur Impfprävention HPV-assoziierter Neoplasien (2013). www.awmf. org/leitlinien/detail/ll/082-002.html 2 Yanofsky VR et al. J Clin Aesthet Dermatol 2012;5:25-36 3 Mosthaf FA et al. Dtsch Med Wochenschr 2006;131:1849-1852 4 Dotta L et al. J Allergy Clin Immunol Pract 20197:1568-1577 5 Patel HS et al. Int J Colorectal Dis 2007;22:1-5 6 Lacey CJN et al. J Eur Acad Dermatol Venereol 2013;27:e263–e270 7 S2K-Leitlinie „HPV-assoziierte Läsionen der äußeren Genitalregion und des Anus – Genitalwarzen und Krebsvorstufen der Vulva, des Penis und der peri- und intraanalen Haut.“ www.awmf.org 8 Schöfer H et al. Int J STD & AIDS 2017;2:1433-1443 9 Tatti S et al. Obstet Gynecol 2008; 11:1371-1379 10 Stockfleth E et al. Br J Dermatol 2008; 158:1329-1338 11 Tatti S et al. Br J Dermatol 2010;162: 176-184 12 RKI. Epidemiologisches Bulletin 34/2020

Zystische Fibrose:

Kaftrio® mit Ivacaftor jetzt auch für Kinder von 6 bis 11 Jahren zugelassen Dank einer Zulassungserweiterung ist die Behandlung der zystischen Fibrose (CF, Mukoviszidose) mit der Tripel-Kombination Kaftrio® (Ivacaftor/Tezacaftor/Elexacaftor) plus Ivacaftor jetzt auch bei Kindern im Alter von 6 – 11 Jahren möglich, die mindestens eine F508del-Mutation im CFTR-Gen (Cystic Fibrosis Transmembrane Conductance Regulator) aufweisen. Europaweit können nun erstmalig mehr als 1.500 Kinder frühzeitig einer Therapie zugeführt werden, die auf den der zystischen Fibrose zugrunde liegenden Proteindefekt abzielt, unabhängig davon, welche Mutation das zweite Allel aufweist. Gendefekt mit fatalen Folgen

Die zystische Fibrose ist eine seltene, genetisch bedingte progressive Multiorganerkrankung, die Lunge, Leber, Bauchspeicheldrüse, Verdauungstrakt, Nebenhöhlen, Schweißdrüsen und Reproduktionsorgane betreffen kann. Ursache der CF sind bestimmte Mutationen im CFTR-Gen, die zur Bildung eines dysfunktionalen CFTR-Proteins oder zu einem Mangel oder Fehlen des CFTR-Proteins an der Zelloberfläche führen. In der Folge kommt es zu einem unzureichenden Fluss von Salz und Wasser in und aus den Zellen. In den Atemwegen kann dies zur Ansammlung von dickflüssigem, zähem Schleim, zu chronischen Lungeninfektionen und zur fortschrei-

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 1/2022 · 31. JAHRGANG

21

tenden Schädigung der Lunge bis hin zum Tod führen. Das mediane Sterbealter an Mukoviszidose erkrankter Menschen weltweit liegt derzeit bei Mitte 30. Um an CF zu erkranken, muss ein Kind 2 defekte CFTR-Gene – jeweils eines von beiden Elternteilen – geerbt haben. Diese Mutationen lassen sich durch einen Gentest bestimmen. Auch wenn es viele verschiedene Arten von CFTRMutationen gibt, die die Krankheit verursachen können, weist die große Mehrheit aller Menschen mit CF weltweit mindestens eine F508del-Mutation auf. Erhöhung der Menge an funktionsfähigem CFTR-Protein

CF-Patienten ab einem Alter von 12 Jahren können bereits seit vergangenem Jahr von der Behandlung mit Kaftrio® in Kombination mit Ivacaftor profitieren. Das oral einzunehmende Arzneimittel und wurde entwickelt, um die Menge funktionsfähigen CFTR-Proteins an der Zelloberfläche zu erhöhen. Die beiden Komponenten Elexacaftor und Tezacaftor sind als Korrektoren bezeichnete CFTRModulatoren, die die Menge reifen Proteins an der Zelloberfläche steigern. Ivacaftor ist ein CFTRPotentiator, der die Fähigkeit der CFTR-Proteine verbessert, Chloridionen durch die Zellmembran zu transportieren. In Kombination trägt die Wirkung der beiden CFTR-Korrektoren und des -Potentiators dazu bei, die Atemwege zu befeuchten und von Schleim zu befreien. B. S.

© VERLAG PERFUSION GMBH


22

NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

Z

u den Leitsymptomen von Gebärmuttermyomen – den häufigsten benignen Uterustumoren – gehören Blutungsstörungen und Dysmenorrhö. Zudem berichten 62,8 % der von symptomatischen Myomen betroffenen Patientinnen über Beeinträchtigungen in ihrem Alltag [1]. Ein Blick auf die therapeutischen Maßnahmen zeigt, dass die bisherigen Optionen für die medikamentösen Therapien begrenzt sind [2]. Mit Relugolix (Ryeqo®) erweitert jetzt eine neue symptomatische Myomtherapie das therapeutische Portfolio. Relugolix ist der erste orale in Europa zugelassene Gonadotropin-Releasing-Hormon

Orale RelugolixKombinationstherapie lindert Beschwerden bei symptomatischen Uterusmyomen (GnRH)-Rezeptor-Antagonist und indiziert zur Behandlung mäßiger bis starker Symptome von Uterusmyomen bei Frauen im gebärfähigen Alter. Eine Tablette kombiniert das Anti-Gonadotropin-ReleasingHormon Relugolix (40 mg) mit der

Relugolix-Kombinationstherapie Die Relugolix-CT (Ryeqo®) besteht aus dem nicht peptidischen Gonadotropin-Releasing-Hormon (GnRH)-Rezeptor-Antagonist Relugolix 40 mg und der Add-back-Therapie mit 1 mg Estradiol und 0,5 mg Norethisteronacetat. Ryeqo® wird einmal täglich oral eingenommen. Relugolix bindet mit sehr hoher Affinität (IC50 = 0,12 nmol/l) an den humanen GnRH-Rezeptor. Die Hemmung des GnRH-Rezeptors führt zu einer dosisabhängigen Abnahme der Freisetzung von luteinisierendem Hormon (LH) und follikelstimulierendem Hormon (FSH) aus dem Hypophysenvorderlappen. Die Verringerung der FSH-Konzentrationen verhindert das Follikelwachstum und die Follikelentwicklung, was dazu führt, dass die Estrogenproduktion abnimmt. Die Inhibition des LH-Anstiegs unterdrückt sowohl den Eisprung als auch die Entwicklung des Gelbkörpers, wodurch die Produktion von Progesteron verhindert wird [3]. Das in Ryeqo® enthaltene Estradiol entspricht dem endogen produzierten Hormon und ist ein potenter Agonist der nukleären Estrogenrezeptor-Subtypen. Exogen verabreichtes Estradiol lindert die mit einem hypoestrogenen Zustand assoziierten Symptome, wie z.B. vasomotorische Symptome und Verlust der Knochendichte [3]. Bei Norethisteronacetat handelt es sich um ein synthetisches Progestogen. Da Estrogene das Wachstum des Endometriums fördern, erhöhen unkontrollierte Estrogene das Risiko einer Endometriumhyperplasie und von Endometriumkrebs. Additiv zugegebenes Gestagen reduziert das estrogenbedingte Risiko einer Endometriumhyperplasie bei nicht hysterektomierten Frauen. Zusätzlich besitzt NETA eine estrogene Partialwirkung, was eine positive Wirkung zusammen mit Estradiol auf den Knochen ausübt [3].

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 1/2022 · 31. JAHRGANG

Add-back-Therapie* aus dem Estrogen Estradiol (E2, 1 mg) sowie dem Gestagen Norethisteronacetat (NETA, 0,5 mg) [3]. Relugolix führt in Kombination mit der Add-back-Therapie zu Estradiol-Konzentrationen im Bereich der frühen follikulären Phase – ein geeigneter Bereich, um die Myom-bedingten Beschwerden zu lindern sowie den Folgen des Estradiolmangels entgegenzuwirken. Das Gestagen NETA verringert das estrogeninduzierte Risiko für eine Endometriumhyperplasie bei Frauen mit intaktem Uterus. Die Relugolix-Kombinationstherapie (CT) wird einmal täglich eingenommen [3]. Rasche, signifikante und anhaltende Verbesserung des menstruellen Blutverlustes

Die Zulassung von Ryeqo® in Europa erfolgte auf Grundlage der Daten des Phase-III-Studienprogramms LIBERTY, das die beiden 24-wöchigen placebokontrollierten, doppelblinden klinischen Stu* Add-back-Therapie: Zusätzliche Gabe von Estrogenen, Gestagenen, Estrogen-Gestagen-Kombinationen oder Tibolon bei Langzeitanwendung von GnRH-RezeptorAgonisten zur Verminderung der uner­ wünschten hypoestrogenen Wirkungen wie Hitzewallungen und Osteoporose. © VERLAG PERFUSION GMBH


23

NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

Relugolix-CT

Placebo

73

80 % Patientinnen

Verzögerte Relugolix-CT

LIBERTY 1

100

LIBERTY 2 80

71

73

125

127

55 (44-65)

55 (44-65)

60 40 19

20

15

0 Patieninnen (n)

127

128

132

Unterschied vs. Placebo in % (95% KI)

55 (44-65)

55 (44-65)

55 (44-65)

p-Wert vs. Placebo

129

< 0,001

< 0,001

Abbildung 1: Ergebnisse der Studien LIBERTY 1 und LIBERTY 2 für den primären Endpunkt, die Reduktion des menstruellen Blutverlustes (MBL) auf weniger als 80 ml und um mehr als die Hälfte: Der MBL verbesserte sich unter der Therapie mit Relugolix (Ryeqo®) in den letzten 35 Tagen von 24 Wochen signifikant im Vergleich zum Ausgangswert [4].

LIBERTY 1

LIBERTY 2

Placebo % Änderung vs. Baseline (LS Mean)

dien LIBERTY 1 und LIBERTY 2, eine 28-wöchige Verlängerungsstudie sowie eine Studie zum randomisierten Absetzen über ein Jahr beinhaltet [3, 4]. An LIBERTY 1 (L1) und LIBERTY 2 (L2) nahmen 388 bzw. 382 Patientinnen mit via Ultraschall nachgewiesenen Myomen teil, die zu menstruellen Blutverlusten von durchschnittlich 212 ml führten [4]. Die Patientinnen wurden auf 3 Studienarme randomisiert. Die erste Gruppe erhielt von Studienbeginn an die Wirkstoffkombination aus 40 mg Relugolix, 1 mg Estradiol und 0,5 mg Norethisteronacetat. Die zweite Gruppe war eine Kontrollgruppe. Diese Patientinnen bekamen in den ersten 12 Wochen eine Relugolix-Monotherapie und dann bis Studienende in Woche 24 die Relugolix-CT, um die Auswirkungen auf den Knochenstoffwechsel und die vasomotorischen Symptome zu vergleichen. Die dritte Gruppe bildete die PlaceboGruppe. Als primärer Endpunkt wurde eine Reduktion des menstruellen Blutverlustes (MBL) auf weniger als 80 ml sowie um mehr als die Hälfte in Woche 24 im Vergleich zum Ausgangswert (in den letzten 35 Behandlungstagen) definiert. Diesen Endpunkt erreichten in L1 73 % (95%-KI: 44 – 65) und in L2 71 % der Patientinnen in der Relugolix-CT-Gruppe (95%-KI: 46 – 66). In der Placebo-Gruppe waren es entsprechend 19 % bzw. 15 % (p < 0,001 für beide Studien; Abb. 1) [4]. Einer der sekundären Studienendpunkte war die Veränderung des MBL-Volumens. Dieses betrug zu Studienbeginn durchschnittlich 215,3 ml (Placebo) bzw. 243,6 ml (Relugolix-CT) und verringerte sich in der Relugolix-CT-Gruppe bis Woche 24 im Mittel um je-

Placebo

Relugolix-CT

Relugolix-CT

0 -20 -40 -60 -80 -100 0

4

8

12 Woche

16

20

24

Abbildung 2: Ergebnisse der Studien LIBERTY 1 und LIBERTY 2 (L2) für den sekundären Endpunkt „prozentuale Abnahme des menstruelle Blutverlustes (MBL)“: Das MBL-Volumen verringerte sich der Relugolix-CT-Gruppe bis Woche 24 im Mittel um jeweils 84,3 % in L1 und L2, unter Placebo um 23,2 % bzw. 15,1 % (p < 0,001) [4]. # Eine Patientin der Relugolix-CTGruppe mit einem MBL von 2.710 ml in Woche 4 wurde von der Auswertung ausgeschlossen.

weils 84,3 % in L1 und L2. In den Placebo-Gruppen waren es entsprechend 23,2 % bzw. 15,1 % (p < 0,001). Eine Verringerung des

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 1/2022 · 31. JAHRGANG

menstruellen Blutverlustes konnte bereits in Woche 4 beobachtet werden und sank bis Woche 24 weiter ab (Abb. 2) [4]. © VERLAG PERFUSION GMBH


NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

24

50,0% 45,0% Patientinnen mit Schmerzen NRS ≤1

Verbesserung des Hämoglobinwertes und der Myom-bedingten Schmerzen

47,1% 43,2%

40,0% 35,0%

LIBERTY 1

LIBERTY 2

p<0,001

p<0,001

30,0% 25,0% 20,0%

17,1%

15,0% 10,0%

10,1%

5,0% 0,0% Placebo (n=69)

Relugolix-CT (n=58)

Placebo (n=82)

Relugolix-CT (n=68)

Abbildung 3: Ergebnisse der Studien LIBERTY 1 und LIBERTY 2 für den sekundären Endpunkt „Myom-bedingte Schmerzen“: Der prozentuale Anteil der Patientinnen mit minimalen oder keinen Schmerzen (NRS ≤1) während der letzten 35 Tage der Behandlung von 24 Wochen war unter der Relugolix-CT-Therapie in beiden Studien signifikant höher als in der PlaceboGruppe[4].

14,0%

Die Verringerung des MBL ging außerdem mit einer signifikanten Verbesserung des Hämoglobinwertes bei Frauen mit anfänglicher Anämie (≤10,5 g/dl) einher. Auch die Myom-bedingten Schmerzen nahmen unter der Relugolix-CTBehandlung signifikant ab: Während zu Studienbeginn jede zweite Teilnehmerin über mäßige bis starke Schmerzen (Wert ≥4 auf der numerischen Skala von 0 bis 10) klagte, gaben in der Endphase der Studie 43,2 % in L1 und 47,1 % in L2 die Stärke mit maximal 1 an. In der Placebo-Gruppe war das bei lediglich 10,1 % bzw. 17,1 % der Patientinnen der Fall (p < 0,001 für beide Studien; Abb. 3) [4].

13,3%

12,0% 9,8%

10,0% 8,3% 8,0% 6,0%

6,3%

5,9%

5,5% 3,9%

4,0%

3,1%

2,0% 0,0%

2,4%

2,0%

Hitzewallungen

Kopfschmerzen

Arthralgie

Placebo (n=256)

Übelkeit

Anämie

2,7%

2,2%

Fatigue

Relugolix-CT (n=254)

Abbildung 4: Ergebnisse der Studien LIBERTY 1 und LIBERTY 2 für die Verträglichkeit der Behandlung mit Relugolix (Ryeqo®). Angegeben sind die häufigsten unterwünschten Ereignisse >5 % im Verlauf von 24 Behandlungswochen [4].

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 1/2022 · 31. JAHRGANG

© VERLAG PERFUSION GMBH


25

NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

Uterus- und Myom-Volumina

Das Uterus-Gesamtvolumen verkleinerte sich in den RelugolixCT-Gruppen von L1 und L2 nach 24 Wochen signifikant stärker als unter Placebo (p < 0,001). Auch auf die Größe der Myome wirkte sich die Therapie positiv aus: In L1 verkleinerte sich das größte Myom in der Relugolix-CT-Gruppe nach 24 Wochen um 12,4 % im Vergleich zum Ausgangswert, in der Placebo-Gruppe waren es lediglich –0,3 %. In L2 wurden entsprechende Reduktionen des größten Myom-Volumens von –17,4 % versus –7,4 % beobachtet. Allerdings erreichten die Ergebnisse keine statistische Signifikanz (L1: p = 0,092 und L2: p = 0,2153) [4]. Hemmung der Ovulation

Die gleichzeitige Anwendung von hormonellen Kontrazeptiva ist kon-

NEU: Zanubrutinib zur Behandlung des Morbus Waldenström Die Europäische Kommission hat im November 2021 Zanubrutinib (Brukinsa®), einen niedermolekularen Inhibitor der Bruton-Tyrosinkinase (BTK), zur Behandlung erwachsener Patienten mit Morbus Waldenström (MW) zugelassen. BTK ist ein Schlüsselenzym des B-Zell-Rezeptor-Signalwegs und ein wichtiger Regulator der Zell­ proliferation und des Zellüberlebens in verschiedenen B-Zell-Malignomen. Der BTK-Inhibitor Zanubrutinib ist indiziert bei MW-Patienten, die zuvor mindestens eine Therapie

traindiziert. Patientinnen, die eine Behandlung mit der Relugolix-CT erhalten, benötigen nach einmonatiger kontinuierlicher Einnahme kein zusätzliches Verhütungsmittel. Nach mindestens einmonatiger Anwendung hemmt die RelugolixCT die Ovulation und bewirkt eine ausreichende Kontrazeption. Nach Absetzen der Behandlung setzt die Ovulation schnell wieder ein [3]. Knochendichte bleibt unverändert

Im Rahmen des LIBERTY-Studienprogramms wurde auch untersucht, ob die Relugolix-CT die Knochendichte beeinflusst. Wie die Daten zeigen, war die Entwicklung der Knochendichte über 104 Behandlungswochen nicht verändert gegenüber dem Ausgangswert. Allerdings wird empfohlen, bei Patientinnen mit Risikofaktoren für Osteoporose

oder Knochenschwund die Knochendichte mittels DXA-Scan vor der Relugolix-CT-Behandlung zu kontrollieren. Dies wird auch bei allen Patientinnen nach einjähriger Behandlung empfohlen [3]. Gute Verträglichkeit

Relugolix-CT erwies sich im Zeitraum von 24 Wochen als gut verträglich. Abbildung 5 zeigt die häufigsten berichteten unerwünschten Ereignisse >5 % von L1 und L2 zusammengefasst [4]. Elisabeth Wilhelmi, München Literatur 1 F1oth D et al. Arch Gynecol Obstet 2017;295:415-426 2 Donnez J. J Clin Med 2020;9:3948 3 Fachinformation Ryeqo®; Stand: Juli 2021 4 Al-Hendy A et al. N Engl J Med 2021; 384:630-642

Morbus Waldenström Beim MW handelt es sich um ein im Allgemeinen indolentes und relativ seltenes B-Zell Lymphom, das durch eine Infiltration des Knochenmarks mit monoklonalen, IgM sezernierenden lymphoplasmozytischen Zellen gekennzeichnet ist. WM macht etwa 1 % aller Non-Hodgkin-Lymphome aus und schreitet in der Mehrzahl der Fälle nach Diagnosestellung langsam voran. Die Erkrankung betrifft in der Regel ältere Erwachsene und findet sich hauptsächlich im Knochenmark, eine Mitbeteiligung von Lymphknoten und Milz ist aber möglich. In Europa wird die Inzidenz von WM auf rund 7 Fälle pro eine Million Männer und 4 Fälle pro eine Million Frauen geschätzt.

erhalten haben, sowie zur Erstlinienbehandlung von Patienten, die sich nicht für eine Chemotherapie eignen. Entwickelt wurde Zanubrutinib von BeiGene, einem globalen Biotechnologieunternehmen, mit

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 1/2022 · 31. JAHRGANG

der Zielsetzung, die vollständige und nachhaltige Hemmung des BTK-Proteins durch Optimierung der Bioverfügbarkeit, Halbwertszeit und Selektivität zu ermöglichen. © VERLAG PERFUSION GMBH


NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

26

Tiefes und lang anhaltendes Ansprechen

Das Prinzip der BTK-Inhibition hat sich in der Behandlung von MW-Patienten bereits etabliert. Mit der Zulassung von Zanubrutinib steht nun ein BTK-Inhibitor (BTKi) der nächsten Generation mit hoher Wirksamkeit zur Verfügung, der zu tiefen und dauerhaften Remissionen führen kann und sehr gut verträglich ist. Dies belegen die Ergebnisse der zulassungsrelevanten ASPEN-Studie, in der Zanubrutinib mit Ibrutinib, einem BTKi der ersten Generation, verglichen wurde. In dieser Phase-IIIStudie erwies sich Zanubrutinib als hochwirksam, unabhängig von der Therapielinie (nicht vorbehandelt [TN], rezidiviert/refraktär [R/R]), dem Mutationsstatus (myeloid differentiation primary response 88 [MYD88], dem Chemokinrezeptor Typ 4 [CXCR4]), dem Alter oder den Komorbiditäten der Patienten. Darüber hinaus überzeugte Zanubrutinib aufgrund seiner hohen BTK-Selektivität und seines günstigen pharmakokinetischen/pharmakodynamischen Profils durch ein günstigeres Sicherheitsprofil und ein einfacheres Therapiemanagement im Vergleich zum BTKi der ersten Generation. Die empfohlene Tagesdosierung von Zanubrutinib beträgt 320 mg (1 × täglich 4 80-mg-Kapseln oder 2 × täglich 2 80-mg-Kapseln). Aufgrund der besonderen molekularen Merkmale von Zanubrutinib sind eine flexible orale Dosierung sowie die gleichzeitige Einnahme mit säurereduzierenden Mitteln und die Einnahme mit oder ohne Nahrung möglich. Zanubrutinib kann auch bei Patienten mit Nieren- und Leberfunktionsstörung verabreicht werden. S. M.

Diroximelfumarat – eine neue orale Behandlungsoption für die Multiple Sklerose

M

it Diroximelfumarat (Vumerity™) wurde im November 2021 eine weitere orale Therapieoption für Patienten mit schubförmig remittierend verlaufender Multipler Sklerose (RRMS) in Europa zugelassen [1]. Grundlage für die Zulassung des Fumarats der nächsten Generation waren neben pharmakologischen Überbrückungsstudien [1] das Langzeit-Wirksamkeits- und -Sicherheitsprofil von Dimethylfumarat (DMF, Tecfidera®) sowie die Ergebnisse der Phase-III-Studie EVOLVE-MS-2. Sie zeigen, dass eine Therapie mit Diroximelfumarat mit einem günstigen gastrointestinalen Verträglichkeitsprofil einhergeht und zu niedrigen Therapieabbruchraten führt [1, 2]. Ein weiterer Vorteil ist, dass Vumerity™ unabhängig von einer Mahlzeit eingenommen werden kann [1]. Verbesserte gastrointestinale Verträglichkeit und Persistenz bei bewährter Wirksamkeit

Grundlage der Zulassung von Diroximelfumarat waren die Ergebnisse pharmakokinetischer Überbrückungsstudien, die zeigten, dass Diroximelfumarat und DMF in Bezug auf die Exposition gegenüber Monomethylfumarat und damit im Hinblick auf die Pharma-

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 1/2022 · 31. JAHRGANG

kokinetik vergleichbar sind. Daher wird davon ausgegangen, dass die Wirksamkeitsprofile ähnlich sind [1]. Eine wichtige Rolle spielten zudem das Langzeit-Sicherheitssowie das Wirksamkeitsprofil von DMF [1]. Mittlerweile liegen zu DMF Erfahrungen bei mehr als 500.000 Patienten über insgesamt mehr als eine Million Patientenjahre vor (Stand: 30. Juni 2021) [3]. Aktuelle Langzeitdaten der Studie ENDORSE zeigten bei Patienten, die bis zu 13 Jahre lang mit DMF behandelt wurden, eine anhaltend niedrige Schubrate: Bei den von Anfang an mit DMF therapierten Patienten lag die mittlere jährliche Schubrate bei 0,14 [4]. Zulassungsrelevant waren außerdem die Ergebnisse der Studie EVOLVE-MS-2, einer randomisierten, doppelblinden Phase-IIIStudie über 5 Wochen, in der die gastrointestinale Verträglichkeit von Diroximelfumarat im Vergleich zu DMF bei Patienten mit RRMS untersucht wurde [1, 2]. Unter Diroximelfumarat war die Rate gastrointestinaler unerwünschter Ereignisse mit 34,8 % gegenüber 49,0 % unter DMF geringer. Auch die Rate an durch Nebenwirkungen bedingten Therapieabbrüchen war mit 1,6 % versus 5,6 % niedriger [2]. Die Abbruchraten aufgrund von gastrointestinalen Nebenwirkungen betrugen unter Diroximelfumarat 0,8 % und unter DMF © VERLAG PERFUSION GMBH


27

NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

4,8 %. Flushing trat bei 32,8 % der mit Diroximelfumarat behandelten Patienten auf und bei 40,6 % in der DMF-Gruppe. Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse in Bezug auf Flushing und Therapieabbrüche wegen Flushing wurden nicht verzeichnet [2]. Auch im Alltag sowie im Berufsleben zeigten sich die Vorteile von Diroximelfumarat: Es kam zu weniger Interferenzen der gastrointestinalen Symptome mit dem täglichen Leben (relative Reduktion um 67 % [5]) und der Einfluss auf die Arbeitsproduktivität war geringer als unter DMF (relative Reduktion um 55 % [5]). Dies wirkt sich positiv auf die Therapieadhärenz der Patienten aus, deren Sicherung insbesondere in der ersten Behandlungsphase bei gastorintestinalen Nebenwirkungen für Patient und Arzt eine Herausforderung ist. Sie gelingt deutlich besser, wenn der Alltag sowie das Berufsleben weniger beeinflusst werden und die Patienten merken, wie sich die Nebenwirkungen stetig verringern. Daher kann Diroximelfumarat sowohl für Therapie-naive Patienten mit mildem bzw. moderatem Krankheitsverlauf als auch für Patienten, die bei DMF im Therapieverlauf noch unter gastrointestinalen Beschwerden leiden, eine geeignete Behandlungsoption sein. Diroximelfumarat und Familienplanung

Die Anwendung von Diroximelfumarat während der Schwangerschaft und bei Frauen im gebärfähigen Alter, die nicht zuverlässig verhüten, wird nicht empfohlen [1]. Diroximelfumarat sollte in der Schwangerschaft nur bei eindeutigem Bedarf angewendet werden, wenn der mögliche Nutzen das

Diroximelfumarat Diroximelfumarat (Vumerity™) ist ein orales Fumarat, dessen chemische Struktur sich von der des Dimethylfumarats (Tecfidera®) unterscheidet. Vumerity™ ist zugelassen zur Behandlung von Erwachsenen mit schubförmig remittierender Multipler Sklerose. Nach der Aufnahme in den Körper wird Diroximelfumarat zu Monomethylfumarat umgewandelt, dem selben aktiven Metaboliten wie bei Dimethylfumarat. Vumerity™ verfügt daher über ein mit Tecfidera® vergleichbares Wirksamkeits- und Sicherheitsprofil. Dimethylfumarat und Monomethylfumarat reduzierten in klinischen Studien signifikant die Immunzellaktivierung und die nachfolgende Freisetzung von entzündungsfördernden Zytokinen als Reaktion auf Entzündungsstimuli und wirkten sich darüber hinaus über eine Herunterregulierung entzündungsfördernder Zytokinprofile (TH1, TH17) und eine Förderung der Produktion entzündungshemmender Zytokine (TH2) auf die Lymphozyten-Phänotypen aus. In den Phase-III-Studien DEFINE, CONFIRM und ENDORSE verringerte sich bei den MS-Patienten unter der Behandlung mit Dimethylfumarat die mittlere Lymphozytenzahl im Durchschnitt um ca. 30 % des Ausgangswerts im Verlauf des ersten Jahres mit nachfolgendem Plateau [1].

potenzielle Risiko für den Fötus rechtfertigt [1]. Nach bisheriger Datenlage aus dem Schwangerschaftsregister TecGistry zu Dimethylfumarat lagen Fehlbildungsund Abortrate auf dem Niveau der Allgemeinbevölkerung [3].

Oktober 2019 zugelassen [6]. Seit der Markteinführung in den USA gewonnene Real-World-Daten können die Erfahrungen aus klinischen Studien auch im Behandlungsalltag bestätigen [7]. Fabian Sandner, Nürnberg

AMNOG-Verfahren für innovative Arzneimittel

Wie jedes innovative Arzneimittel soll Diroximelfumarat gemäß Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) überprüft werden. Das Verfahren dauert insgesamt 12 Monate. Diroximelfumarat ist zulassungsbedingt und ab Marktverfügbarkeit (03.01.2022) verordnungs-, abgabe- und erstattungsfähig zur Therapie erwachsener Patienten mit RRMS. Von der amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) wurde Diroximelfumarat bereits im

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 1/2022 · 31. JAHRGANG

Literatur 1 Fachinformation Vumerity™; Stand: November 2021 2 Drugs 2020;34:185-196 3 Hellwig K et al. ECTRIMS 2021;P175 4 Gold R et al. Mult Scler 2021 Sep1; 13524585211037909 5 Naismith RT et al. ECTRIMS-ACTRIMS 2020;P272 6 VUMERITY™ Summary of Product Characteristics; Draft version 7 Liseno J et al. Neurol Ther 2021;10:349360 © VERLAG PERFUSION GMBH


28

NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

Apalutamid: Analysen bestätigen starkes PSA-Ansprechen und altersunabhängig gute Wirksamkeit beim mHSPC

Z

wei aktuelle Post-hoc-Analysen der Phase-III-Studie TITAN liefern Hinweise auf ein schnelles, starkes PSA-Ansprechen und eine altersunabhängig gute Wirksamkeit des Androgenrezeptorinhibitors Apalutamid (Erleada®) in der Therapie des metastasierten hormonsensitiven Prostatakarzinoms (mHSPC) [1, 2]. Außerdem ergaben sich Hinweise auf eine gute Lebensqualität bei der kombinierten Gabe von Apa­ lutamid mit einer Androgendeprivationstherapie (ADT) unabhängig vom Alter [2]. Auswertung des PSA-Ansprechens

Die Ergebnisse der ersten Posthoc-Analyse der TITAN-Studie, die auf dem Kongress der Amerikanischen Gesellschaft für Urologie (AUA 2021) vorgestellt wurden, zeigen einen schnellen und starken Abfall des Wertes des prostataspezifischen Antigens (PSA) unter Apalutamid/ADT [1]. Beim fortgeschrittenen Prostatakarzinom ist der Abfall des PSAWertes ein früher Indikator für ein Ansprechen der Therapie. Zudem konnte eine Assoziation zwischen einem Abfall des PSA-Wertes unter die Nachweisgrenze und einem verbesserten Überleben gezeigt

werden. Patienten mit niedrigeren PSA-Werten hatten darüber hinaus eine bessere Lebensqualität und weniger Ängste und Stress [1]. Laut den Ergebnissen der Posthoc-Analyse erzielten in der TITAN-Studie 90 % der Patienten unter Apalutamid/ADT einen bestätigten Abfall des PSA-Wertes um mindestens 50 % gegenüber dem Studienbeginn (PSA50-Ansprechen). Dieser trat im Median bereits nach einem Monat ein. Ein Abfall des PSA-Wertes unter die Nachweisgrenze von 0,2 ng/ ml wurde bei 68 % der Teilnehmer verzeichnet. Bis dahin vergingen im Median 1,9 Monate [1]. Zudem zeigte diese Post-hoc-Analyse eine signifikante Überlegenheit von Apalutamid/ADT versus Placebo/ADT bei den Patienten mit einem Abfall des PSA-Wertes um 50 % bzw. 90 % [1]: Nach 3, 6 bzw. 12 Monaten erreichten 89 %, 90 % bzw. 90 % der Patienten unter Apalutamid/ADT ein PSA50Ansprechen im Vergleich zu 41 %, 49 % bzw. 51 % unter Placebo/ ADT (jeweils p < 0,0001). Auch ein PSA90-Ansprechen trat unter Apalutamid/ADT gegenüber Placebo/ADT jeweils signifikant häufiger ein (jeweils p < 0,0001) [1]. Bei den Patienten mit einem PSAWert unter der Nachweisgrenze ergab sich ebenfalls eine signifikante

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 1/2022 · 31. JAHRGANG

Überlegenheit gegenüber der Kontrollgruppe [1]. Hier lag der Anteil nach 3, 6 bzw. 12 Monaten unter Apalutamid/ADT bei 51 %, 61 % bzw. 64 % gegenüber 18 %, 21 % bzw. 23 % unter Placebo/ADT (jeweils p < 0,0001). In der Apalutamid/ADT-Gruppe korrelierte das Erreichen eines PSA-Abfalls um ≥50 % bzw. ≥90 % bzw. eines PSA-Wertes unterhalb der Nachweisgrenze im Vergleich zum Nicht-Erreichen dieser Endpunkte mit einem signifikant besseren Überleben (jeweils p < 0,0001) [1]. Auswertung nach Altersgruppe

In der zweiten Post-hoc-Analyse, die auf dem Europäischen Krebskongress (ESMO 2021) präsentiert wurde, wurden Wirksamkeit, Verträglichkeit und Lebensqualität unter Apalutamid/ADT in den Altersgruppen <65 Jahre, 65 – 79 Jahre und ≥80 Jahre ausgewertet [2]. Das Risiko für ein Prostatakarzinom steigt mit zunehmendem Alter deutlich und vor allem bei hochbetagten Patienten können Komorbiditäten oder ein schlechterer Allgemeinzustand die Therapie erschweren. In Deutschland lag das mittlere Erkrankungsalter 2015/16 beispielsweise bei 72 Jahren, auch © VERLAG PERFUSION GMBH


29

NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL / KONGRESSE

im Alter über 80 Jahre waren die altersspezifischen Erkrankungsraten noch hoch [3]. Wie die Ergebnisse der Post-hocAnalyse zeigen, war der Abfall des PSA-Wertes unabhängig vom Alter: In den Altersgruppen <65 Jahre, 65 – 79 Jahre und ≥80 Jahre erzielten 89 %, 90 % bzw. 94 % der Patienten ein PSA50-Ansprechen und 60 %, 71 % bzw. 67 % einen PSA-Wert unter der Nachweisgrenze [2]. Beim Gesamtüberleben weisen die Hazard Ratios bei allen 3 Altersgruppen auf eine Überlegenheit von Apalutamid/ADT versus Placebo/ADT hin, wobei sich der Benefit im Alter von <65 sowie 65 – 79 Jahren besonders deutlich zeigte [2]. Die therapiebedingten Nebenwirkungen nahmen mit steigendem Alter zu; dies galt für die Verumebenso wie für die Kontrollgruppe [2]. Hautausschläge traten mit zunehmendem Alter in der VerumGruppe vermehrt auf [2]. Die selbst empfundene Beeinträchtigung durch Nebenwirkungen, ermittelt anhand der Frage GP5 des FACT-P-Fragebogens (The Functional Assessment of Cancer Therapy – Prostate), war nach Angaben der Teilnehmer jedoch in allen 3 Altersgruppen unter Apalutamid/ADT und Placebo/ADT konstant und auf vergleichbarem Niveau. Dies galt ebenfalls für die gesundheitsbezogene Lebensqualität, gemessen mit dem FACT-PGesamtscore [2]. Fazit für die Praxis

Die beiden aktuellen Post-hocAnalysen der TITAN-Studien liefern Hinweise auf ein schnelles, starkes PSA-Ansprechen unter Apalutamid/ADT in der Therapie des mHSPC und auch auf eine

gute Wirksamkeit, bei zugleich guter Lebensqualität unabhängig vom Alter [1, 2]. Sie wurden parallel auch mit Daten der SPARTANStudie vorgenommen, auf deren Basis Apalutamid/ADT 2019 für die Behandlung von Männern mit nicht metastasiertem kastrationsresistentem Prostatakarzinom (M0CRPC) zugelassen worden war, die eine PSA-Verdopplungszeit von ≤10 Monaten und daher ein hohes Metastasierungsrisiko haben [4]. Die Analysen schlossen zusammengenommen mehr als 2.200 Patienten ein und kamen studien- und indikationsübergreifend zu ähnlichen Resultaten [1, 2]. Elisabeth Wilhelmi, München

Multiple Sklerose: Mit Teriflunomid den Rückgang des Hirnvolumens bremsen Noch oftmals unterschätzt wird die Bedeutung der Hirnatrophie bei Menschen mit einer schubförmigremittierenden Multiplen Sklerose (Relapsing Remitting Multiple Sclerosis, RRMS). Der Rückgang des Hirnvolumens ist direkt assoziiert mit einer forcierten Krankheits- und Behinderungsprogression und zudem von Relevanz für die Kognition. „Therapeutisch sollte deshalb unbedingt versucht werden, die Entwicklung der Hirnatrophie bei Patienten mit RRMS so weit wie möglich abzuschwächen“, betonte Professor Mike P. Wattjes, Hannover, auf einem Symposium von Sanofi Genzyme im Rahmen des Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN).

Literatur 1 Chi KN et al. Prostate-specific antigen kinetics in patients with advanced prostate cancer treated with apalutamide: results from the TITAN and SPARTAN studies. J Urol 2021;206(3S_suppl; PD34-11 & Oral Abstract Session). AUA Annual Meeting 2021. https://www.auajournals. org/doi/abs/10.1097/JU.000000000000 2038.11 2 Shen J et al. Apalutamide for advanced prostate cancer in older patients: combined analysis of TITAN & SPARTAN. Ann Oncol 2021;32(suppl_5; abstract no. 618P & ePoster). ESMO Congress 2021. https://oncologypro.esmo.org/meeting-resources/esmo-congress-2021/apalutamide-apa-for-advanced-prostate-cancer-inolder-patients-pts-combined-analysis-oftitan-spartan 3 Robert Koch-Institut (Hrsg.) und Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister in Deutschland e.V. (Hrsg.). Krebs in Deutschland für 2015/2016. Berlin; 2019. https://www.krebsdaten.de 4 Fachinformation Erleada®; Stand: Februar 2021

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 1/2022 · 31. JAHRGANG

Die Hirnatrophie ist von entscheidender Bedeutung für Kognition und Krankheitsprogression

Zu Hirnvolumenverlust kommt es nach Wattjes auch bei gesunden Menschen. Er liegt in der Größenordnung von 0,2 – 0,4 % jährlich. Deutlich forciert ist der Prozess bei Patienten mit MS, bei denen im Durchschnitt eine jährliche Hirn­ atrophie von 0,5 – 1 % zu beobachten ist. Der Hirnvolumenverlust ist bereits früh im Krankheitsprozess nachweisbar und vollzieht sich zum Teil unabhängig von der inflammatorischen Krankheitsaktivität. Für die Patienten ist er von hoher Relevanz. „Das Ausmaß der © VERLAG PERFUSION GMBH


KONGRESSE

30

Hirnatrophie ist gekoppelt mit der Krankheits- und ebenso der Behinderungsprogression und hat auch einen prädiktiven Wert“, erklärte Wattjes. Die kortikale Dicke ist zudem der beste Prädiktor für kognitive Symptome. „Die zur Progression führenden Krankheitsmechanismen werden dabei schon früh im Krankheitsverlauf aktiviert“, erläuterte Professor Christine StadelmannNessler, Göttingen. Eine zentrale Rolle spielt dabei die „schwelende“ Entmarkungsaktivität bei der progredienten MS. Sowohl die fokale Entmarkung, die mit einer Infiltration von Immunzellen einhergeht, als auch die diffuse Neurodegeneration tragen dabei zur neuroaxonalen Schädigung bei. Die molekularen Auslöser der diffusen Schädigung werden laut Stadelmann-Nessler bislang noch nicht verstanden. Reduktion der Hirnatrophie durch Teriflunomid

Dass eine relevante Reduktion der Hirnatrophie therapeutisch erzielt werden kann, verdeutlichte Wattjes am Beispiel von Teriflunomid (Aubagio®). So konnte in placebokontrollierten Studien gezeigt werden, dass der Immunmodulator mit entzündungshemmenden Eigenschaften den Verlust an Hirnvolumen über 2 Jahre signifikant mindert. In der amerikanischen Real World-Studie Teri-Radar wurde unter Teriflunomid außerdem eine signifikant geringere Hirnvolumenänderung im Vergleich zu einer Behandlung mit Dimethylfumarat (DMF) erzielt. Teriflunomid wird üblicherweise als Basistherapeutikum bei der milden bis moderaten RRMS eingesetzt. Es hat sich aber hinsicht-

lich der Hemmung der jährlichen Atrophierate neueren Wirkstoffen wie dem Anti-CD20-Antikörper Ofatumumab, die üblicherweise bei der schweren MS mit hoher Krankheitsaktivität zum Einsatz kommen, als mindestens ebenbürtig erwiesen. So wurden in zwei großen Head-to-Head-Zulassungsstudien mit über 1800 Patienten keine statistisch signifikanten Unterschiede bei der Rate des Hirnvolumenverlusts zwischen den beiden Therapieregimen festgestellt – mit jedoch numerischen Vorteilen nach 12 wie auch nach 24 Monaten bei den Patienten in der Teriflunomid-Gruppe. In der TOPIC-Studie wurde laut Wattjes darüber hinaus dokumentiert, dass Teriflunomid signifikant die Atrophie der kortikalen grauen Substanz bei Patienten mit einem klinisch isolierten Syndrom (CIS) reduziert. Die Atrophierate beim CIS ist jedoch direkt korreliert mit dem Risiko der Konversion zur klinisch manifesten RRMS. Der Hirnvolumenverlust ist außerdem mit der Behinderungsprogression bei MS assoziiert. So ergab sich in Studien bei Patienten mit dem geringsten Hirnvolumenverlust innerhalb von 2 Jahren eine signifikant geringere Wahrscheinlichkeit einer über 12 oder 24 Wochen bestätigten Behinderungsprogression über einen Beobachtungszeitraum von 7 Jahren. Die vorliegenden Daten belegen, dass sich die Atrophie durch die Therapie der MS verlangsamen lässt, was auch einen messbaren Effekt auf die Marker der Krankheits- und Behinderungsprogression hat. Erhalt der kognitiven Fähigkeiten

Dass die Problematik auch Auswirkungen auf die Kognition hat,

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 1/2022 · 31. JAHRGANG

verdeutlichen Studienbefunde, die einen Erhalt der kognitiven Fähigkeiten unter Teriflunomid belegen. So berichteten 48 Wochen nach Therapiebeginn 58 % der Patienten nur minimale oder sogar keine kognitiven Einschränkungen. Der Anteil dieser Patienten wie auch der Anteil der Patienten mit schwerer Beeinträchtigung blieb im Studienverlauf stabil. Wattjes betonte: „Das sind relevante Beobachtungen, denn wir behandeln schließlich Patienten und nicht volumetrische Daten.“ Neues Wirkprinzip BTK-Inhibitor: Hoffnung auf künftige Therapiefortschritte

Davon abgesehen gibt es laut Professor Martin Berghoff, Gießen, berechtigte Hoffnung auf weitere Therapiefortschritte. Diese gründen sich vor allem auf die Entwicklung von Inhibitoren der BrutonTyrosinkinase (BTK-Inhibitoren, BTKi) wie Tolebrutinib, Evobrutinib und Fenebrutinib. BTK spielt eine wichtige Rollte bei der Aktivierung von B-Zellen in der Peripherie sowie bei Mikroglia und Makrophagen im ZNS. Der einmal täglich oral einzunehmende Wirkstoff Tolebrutinib kann die Blut-Hirn-Schranke passieren und damit auch im ZNS wirksam werden. „Bereits kurz nach der Applikation ist Tolebrutinib im Liquor nachweisbar“, erläuterte der Neurologe. In einer Phase-IIb-Studie wurde eine dosisabhängige Reduktion der neuen Gd+-Läsionen gezeigt, wobei 90 % der Patienten unter dem BTKi nach 12 Wochen keine neuen Gd+-Läsionen im MRT entwickelt hatten gegenüber 75 % unter Placebo. Unter Tolebrutinib kam es ferner zu einer Redukti© VERLAG PERFUSION GMBH


KONGRESSE

on der durchschnittlichen Anzahl neuer oder sich vergrößernder T2Läsionen um 89 % im Vergleich zu Placebo. Dabei zeigte Tolebrutinib laut Berghoff ein günstiges Sicherheitsprofil ohne sicherheitsrelevante Therapieabbrüche. Das Sicherheitsprofil des Wirkstoffs wird derzeit in einer Langzeitstudie weiterverfolgt. Die klinische Wirksamkeit und Sicherheit des ZNS-gängigen BTKi werden aufgrund der vielversprechenden Ergebnisse der Phase-IIb-Studie in einem groß angelegten Studienprogramm mit 4 Phase-III-Studien bei MS-Patientenkollektiven mit schubförmiger sowie primärer und sekundärer progredienter MS weiter untersucht. Elisabeth Wilhelmi, München

Isatuximab erreicht Endpunkt der MRDNegativität bei neu diagnostiziertem Multiplem Myelom Auf dem ASH-Kongress 2021 hat die GMMG-Studiengruppe (German-Speaking Myeloma Multicenter Group) die Ergebnisse ihrer randomisierten, unverblindeten Phase-III-Studie HD7 bei transplantationsfähigen Patienten mit neu diagnostiziertem Multiplem Myelom präsentiert, in der die Therapie mit Isatuximab (Sarclisa®) zusätzlich zur Standardtherapie aus Lenalidomid, Bortezomib und Dexamethason (RVd) mit der alleinigen Standardtherapie verglichen wurde. Als primärer Endpunkt wurde die MRD-Negativitäts-Rate* (MRD = Minimal Residual Disease, nicht nachweisbare minimale Resterkrankung)

31

Isatuximab Isatuximab (Sarclisa®) ist ein monoklonaler Antikörper, der an ein spezifisches Epitop des CD38-Rezeptors auf Zellen des Multiplen Myeloms bindet. Isatuximab setzt mehrere Wirkmechanismen in Gang, darunter den direkten programmierten Tumorzelltod (Apoptose) und eine immunmodulierende Aktivität. CD38 wird auf der Oberfläche von Zellen eines Multiplen Myeloms durchgängig und in großen Mengen exprimiert und ist damit eine mögliche Zielstruktur für die Behandlung mit einem Antikörper wie Isatuximab.

nach der Induktionstherapie und vor einer Transplantation definiert – ein wichtiger klinischer Endpunkt, der mit einem verbesserten Krankheitsverlauf der Patienten assoziiert ist. Dies ist gerade beim Multiplen Myelom, bei dem die meisten Patienten ein Rezidiv erleiden, bedeutsam. 50 Prozent erreichten MRD-Negativität

Die Studienteilnehmer wurden gleichmäßig auf 2 Behandlungsgruppen verteilt und erhielten jeweils 3 42-tägige Behandlungszyklen mit RVd, wobei in einer Behandlungsgruppe Isatuximab hinzugegeben wurde (10 mg/kg als i.v. Infusion, in den ersten 4 Wochen des 1. Behandlungszyklus einmal wöchentlich und dann über die verbleibende Dauer der Induktionsphase alle 2 Wochen). Die MRD-Negativität wurde mittels Durchflusszytometrie der nächsten Generation (Sensitivität von 1 × 10–5) nach der Induktion bestimmt. * MRD-Negativität ist definiert als Ab­ wesenheit von Myelomzellen im Knochenmark nach einer Behandlung, gemessen mittels diagnostischer Verfahren mit einer Sensitivität von mindestens 1 aus 100.000 Zellen. Sie ist das sensitivste Instrument zur Beurteilung der Ansprechtiefe auf eine Behandlung bei Patienten mit Multiplem Myelom.

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 1/2022 · 31. JAHRGANG

Der primäre Endpunkt wurde erreicht: Bei 50,1 % der mit der Isatuximab-Kombinationstherapie behandelten Patienten (n = 331) war nach der 18-wöchigen Induktionstherapie mit Isatuximab-RVd keine Resterkrankung nachweisbar. Bei den nur mit RVd behandelten Patienten (n = 329) war dies bei 35,6 % der Fall (OR: 1,83; 95%-KI: 1,34 − 2,51; p < 0,001). Damit ist HD7 die erste Phase-IIIStudie, in der durch Kombination eines monoklonalen Anti-CD38Antikörpers mit RVd eine statistisch signifikante Verbesserung der MRD-Negativitäts-Rate in dieser Population erzielt wurde. „Dass die Hälfte der Patienten so früh unter der Behandlung mit diesem Regime eine MRD-Negativität erzielt, ist beispiellos“, kommentierte Dr. Hartmut Goldschmidt, Heidelberg, der als Leiter der klinischen Prüfung (LKP) an der Studie beteiligt ist. „Wir wissen, dass ein tieferes Ansprechen früher im Behandlungsverlauf zu längeren Phasen eines progressionsfreien Überlebens führen kann, und freuen uns über diese Ergebnisse.” Keine neuen Sicherheitssignale

Die Sicherheit und Verträglichkeit von Isatuximab in der HD7-Studie entsprach dem in anderen klinischen Studien beobachteten Si© VERLAG PERFUSION GMBH


KONGRESSE

32

cherheitsprofil. Es gab keine neuen Sicherheitssignale. Die Gesamtraten an beobachteten unerwünschten Ereignissen betrugen unter der Isatuximab-Kombinationstherapie 63,6 % und unter RVd 61,3 %. Schwerwiegende Nebenwirkungen und Abbrüche waren in beiden Behandlungsarmen vergleichbar häufig (34,8 % vs. 36,3 %). Dagegen war die Anzahl von Todesfällen während der Induktionsphase im RVd-Behandlungsarm höher (1,2 % vs. 2,4 %), aber insgesamt niedrig. Ausblick

Die Studie läuft noch und im 2. Studienabschnitt soll nach der Transplantation und einer 2. Randomisierung das progressionsfreie Überleben unter einer Erhaltungstherapie mit der Kombination aus Isatuximab und Lenalidomid beurteilt werden. Sekundäre Endpunkte umfassen die Raten einer Vollremission nach der Induktionstherapie, das Gesamtüberleben nach der Erhaltungstherapie und die Sicherheit. Brigitte Söllner, Erlangen

Adäquate Nachsorge nach ablativer Lasertherapie Die dermatologische Lasertherapie hat in den vergangenen Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen. Ablative Laser werden beispielsweise bei der Behandlung aktinischer Keratosen oder zur Narbentherapie eingesetzt. Wie Professor Peter Arne Gerber, Düsseldorf, anlässlich des Bepanthen Laserbootcamps erklärte, arbeiten die dabei verwendeten CO2- oder Erbium:Yttrium-Aluminium-Granat-Laser (Er:YAG-

Abbildung 1: 3D-Hautmodell, Befund 16 Stunden nach ablativer Lasertherapie: links Er:YAGLaser, rechts Er:YAG-Laser plus Bepanthen® Wund- und Heilsalbe einmal täglich.

Laser) mit infraroten, hochenergetischen Lichtimpulsen, die die Haut schädigen. „Um die Abheilung der dadurch in der Haut gesetzten Wunden zu zu optimieren und Komplikationen zu vermeiden, ist eine adäquate Nachsorge unbedingt zu empfehlen“, betonte Gerber. Der Nachbehandlung von Lasertherapien wird in der neuen Anfang 2022 erwarteten S2k-Leitlinie zur Lasertherapie der Haut laut Gerber daher auch ein eigenes Kapitel gewidmet sein, in dem auch Dexpanthenol-haltige Topika (z.B. Bepanthen® Wund- und Heilsalbe) genannt werden. 3D-Hautmodell zeigt Effekte von Dexpanthenol auf die Wundheilung

Professor Jens Malte Baron, Aachen, ging auf die Wundheilung nach einer ablativen Lasertherapie ein und erläuterte zunächst die 3 Phasen der Wundheilung: Nach der anfänglichen Blutstillung kommt es zu einer Entzündung. In dieser ersten Phase der Wundheilung werden Immunzellen des angeborenen Immunsystems rekrutiert. Während der anschließenden Proliferationsphase erholt sich die Wundoberfläche durch Reepithelisierung, Kollagensynthese, Bildung der extrazellulären Matrix

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 1/2022 · 31. JAHRGANG

und Wiederherstellung des Gefäßnetzes. In der dritten und letzten Remodellierungsphase werden die regenerativen Prozesse herunterreguliert und durch eine Reorganisation des Wundareals ersetzt. Wie Baron weiter ausführte, lässt sich die Wundheilung durch Dexpanthenol bzw. die aktivierte Form Pantothensäure – ein Bestandteil von Coenzym A – unterstützen, unter anderem durch Steigerung der Proliferation von Keratinozyten und Fibroblasten und die Induktion von wichtigen Genen wie z.B. der Metalloproteinase 3. „Untersuchungen am 3D-Hautmodell haben gezeigt, dass es nach der Laserentfernung eines Tattoos initial zu einer deutlichen Schädigung der Oberhaut kommt. Auf Genebene zeigte sich eine deutliche Zunahme der Stressantwort, der Enzymaktivität sowie der Freisetzung zahlreicher inflammatorischer Zytokine. Behandeln wir ein 3D-Hautmodell nach der Lasertherapie einmal täglich mit Bepanthen® Wund- und Heilsalbe, kommt es sowohl histologisch als auch auf Genebene zu einer verbesserten Gewebsregeneration (Abb. 1). Die Nachbehandlung mit der Dexpanthenol-haltigen Salbe förderte dabei Prozesse wie Gefäßneubildung, Zellwanderung und die Entwicklung der anatomischen Strukturen in der Haut“, berichtete Baron. © VERLAG PERFUSION GMBH


33

KONGRESSE

Klinische Studie belegt die wundheilungsfördernde Wirkung

Die Hautmodell-Daten wurden durch eine klinische Studie bestätigt, die den Einfluss von Bepanthen® Wund- und Heilsalbe im Vergleich zu Vaseline auf den Verlauf der Wundheilung nach Einsatz eines ablativen fraktionierten CO2Lasers untersuchte. Bereits in den ersten Tagen nach dem Eingriff fielen die Messung des relativen Wunddurchmessers sowie die Beurteilung der Wunde durch Arzt und Patient unter der Wund- und

Heilsalbe günstiger aus als unter Vaseline. „Diese Daten legen nahe, dass die Bepanthen® Wund- und Heilsalbe direkt nach der ablativen Lasertherapie angewendet werden sollte. Mindestens einmal pro Tag, etwa 5 Tage lang – ein Zeitraum, nach dem die meisten oberflächlichen Wunden weitgehend abgeheilt sind“, empfahl Baron. Bepanthen® Wund- und Heilsalbe bewährt sich im Praxisalltag

„Die positiven Ergebnisse der Studien zum Einsatz der Dexpanthe-

nol-haltigen Wund- und Heilsalbe decken sich mit meinen Erfahrungen in der Praxis“, berichtete Dr. Gerd Kautz, Konz, der neben Gerber und Baron an der Erstellung der neuen Laser-Leitlinie beteiligt war. Er ergänzte: „Die gewachsene Evidenz für Dexpanthenol-haltige Topika in der Nachbehandlung von laserbedingten Hautläsionen ist auch der Grund für deren Aufnahme in die neue Leitlinie.“ Fabian Sandner, Nürnberg

Titelbild: Die Melisse zeichnet sich durch einen hohen Gehalt an ätherischem Öl aus, dem beruhigende, entspannende, antivirale und antimikrobielle Wirkungen zugeschrieben werden (Quelle: iStock). Herausgeber: Prof. Dr. med. Karl-Ludwig Resch, Deutsches Institut für Gesundheitsforschung gGmbH, Ossecker Str. 172, 95030 Hof Univ.-Prof. Dr. med. Hermann Eichstädt, Leiter Bereich Kardiologie RZP Potsdam und Geschäftsführer BBGK e.V. Berlin Konstanzer Straße 61 10707 Berlin Wissenschaftlicher Beirat: Prof. Dr. M. Alexander, Infektiologie, Berlin Prof. Dr. L. Beck, Gynäkologie, Düsseldorf Prof. Dr. Berndt, Innere Medizin, Berlin Prof. Dr. H.-K. Breddin, Innere Medizin, Frankfurt/Main Prof. Dr. K. M. Einhäupl, Neurologie, Berlin Prof. Dr. E. Erdmann, Kardiologie, Köln Prof. Dr. Dr. med. E. Ernst, University of Exeter, UK Prof. Dr. K. Falke, Anästhesiologie, Berlin Prof. Dr. K. Federlin, Innere Medizin, Gießen Prof. Dr. E. Gerlach, Physiologie, München Prof. Dr. H. Helge, Kinderheilkunde, Berlin Prof. Dr. R. Herrmann, Onkologie, Basel Prof. Dr. W. Jonat, Gynäkologie, Hamburg Prof. Dr. H. Kewitz, Klin. Pharmakol. Berlin

Prof. Dr. B. Lemmer, Pharmakologie, Mannheim/Heidelberg Prof. Dr. med. R. Lorenz, Neurochirurgie, Frankfurt Prof Dr. J. Mann, Nephrologie, München Dr. med. Veselin Mitrovic, Kardiologie, Klinische Pharmakologie, Bad Nauheim Prof. Dr. R. Nagel, Urologie, Berlin Prof. Dr. E.-A. Noack, Pharmakologie, Düsseldorf Prof. Dr. P. Ostendorf, Hämatologie, Hamburg Prof. Dr. Th. Philipp, Innere Medizin, Essen Priv.-Doz. Dr. med. B. Richter, Ernährung – Stoffwechsel, Düsseldorf Prof. Dr. H. Rieger, Angiologie, Aachen Prof. Dr. H. Roskamm, Kardiologie, Bad Krozingen Prof. Dr. E. Rüther, Psychiatrie, Göttingen Prof. Dr. med. A. Schrey, Pharmakologie, Düsseldorf Dr. Dr. med. C. Sieger, Gesundheitspolitik u. Gesundheitsökonomie, München Prof. Dr. E. Standl, Innere Medizin, München Prof. Dr. W. T. Ulmer, Pulmologie, Bochum Schriftleitung: Prof. Dr. med. Karl-Ludwig Resch, Deutsches Institut für Gesundheitsforschung gGmbH, Ossecker Str. 172, 95030 Hof E-Mail: info@d-i-g.org E-Mail persönlich: k.l.resch@d-i-g.org

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 1/2022 · 31. JAHRGANG

Die Zeitschrift erscheint 6 mal im Jahr; Jahresabonnement € 66,00 inkl. MwSt. zzgl. Versandspesen. Einzelheft € 11,00 inkl. MwSt. zzgl. Versandspesen. Studenten-Abo zum halben Preis. Der Abonnementpreis ist im Voraus zahlbar. Stornierungen sind bis 6 Wochen vor Ablauf eines Kalenderjahres möglich. Abonnementbestellungen direkt beim Verlag. Geschäftsführerin: Sibylle Michna Anschrift wie Verlag

Erfüllungsort: Puschendorf Gerichtsstand: Fürth

Fälle höherer Gewalt, Streik, Aussperrung und dergleichen entbinden den Verlag von der Verpflichtung auf Erfüllung von Aufträgen und Leistungen von Schadensersatz.

Satz: HGS5 GmbH, Schwabacherstr. 117 90763 Fürth

Chefredaktion: Brigitte Söllner (verantwortlich) Anschrift wie Verlag

Druck und Verarbeitung: DRUCK_INFORM GmbH In der Büg 8 91330 Eggolsheim

Herstellung/Layout: HGS5 GmbH Schwabacherstr. 117 90763 Fürth Werbung, Beratung, Verkauf: Sibylle Michna Anschrift wie Verlag Die Annahme von Werbeanzeigen impliziert nicht die Empfehlung durch die Zeitschrift; die in den Beiträgen zum Ausdruck gebrachten Meinungen und Auffassungen drücken nicht unbedingt die der Herausgeber, des wissenschaftlichen Beirates oder des Verlages aus. Der Verlag behält sich alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung jeglicher Art, sowie die Übersetzung vor. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Verlages.

VERLAG

PERFUSION Verlag PERFUSION GmbH Storchenweg 20 90617 Puschendorf Telefon: 09101/990 11 10 Fax: 09101/990 11 19 www.Verlag-Perfusion.de E-Mail: perfusion@t-online.de

Journal

© VERLAG PERFUSION GMBH


JETZT ZUGELASSEN BEI FORTGESCHRITTENEM NSCLC* UND BCC**

MÖGLICHKEITEN ERÖFFNEN

• LIBTAYO® – die ERSTE und EINZIGE Immuntherapie indiziert für Patienten mit fortgeschrittenem CSCC# und jetzt neu für Patienten mit fortgeschrittenem BCC**, die eine HHI-Therapie aufgrund einer Krankheitsprogression oder Unverträglichkeit abbrechen mussten.1-3 • LIBTAYO® ist zugelassen als 1L-Monotherapie für NSCLC-Patienten mit PD-L1 ≥ 50 % ohne Treiberaberrationen im Stadium IIIB/C, die keine Kandidaten für eine definitive Radiochemotherapie sind, oder im Stadium IV.* • Neue Therapiemöglichkeit für ein breites Patientenkollektiv.1 2 Jahre LIBTAYO® beim fortgeschrittenen CSCC#,1 LIBTAYO® ist indiziert zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit metastasiertem oder lokal fortgeschrittenen kutanen Plattenepithelkarzinom (CSCC), die für eine kurative Operation oder kurative Strahlentherapie nicht in Betracht kommen.#,1,2 * LIBTAYO® ist indiziert als Monotherapie für die Erstlinienbehandlung von erwachsenen Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC), das PD-L1 (in ≥ 50 % der Tumorzellen) exprimiert und keine EGFR-, ALK- oder ROS1-Aberrationen aufweist. Die Behandlung ist bestimmt für: Patienten mit lokal fortgeschrittenem NSCLC, die keine Kandidaten für eine definitive Radiochemotherapie sind, oder Patienten mit metastasiertem NSCLC.1 ** LIBTAYO® ist indiziert als Monotherapie für die Behandlung von erwachsenen Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Basalzellkarzinom (laBCC, oder mBCC), bei denen eine Krankheitsprogression unter einem Hedgehog-Signalweg-Inhibitor (hedgehog pathway inhibitor, HHI) aufgetreten ist oder die eine Unverträglichkeit gegenüber einem HHI haben.1 # LIBTAYO® ist indiziert als Monotherapie zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit metastasiertem oder lokal fortgeschrittenem kutanen Plattenepithelkarzinom (mCSCC oder laCSCC), die für eine kurative Operation oder kurative Strahlentherapie nicht in Betracht kommen.1 LIBTAYO® ist die erste und einzige von der EMA zugelassene Therapie des fortgeschrittenen Plattenepithelkarzinoms (CSCC). 1. Fachinformation LIBTAYO® (Cemiplimab), Stand Oktober 2021. 2. Stratigos et al., Eur J Cancer, 2020;128: 83–102. 3. Stratigos et al., Lancet Oncol, 2021;22(6):848–857. ALK = anaplastische Lymphomkinase; BCC = Basalzellkarzinom; CSCC = Plattenepithelkarzinom; EGFR = epidermaler Wachstumsfaktor-Rezeptor; EMA = Europäische Arzneimittel-Agentur; HHI = Hedgehog-Signalweg-Inhibitor; NSCLC = nichtkleinzelliges Lungenkarzinom; PD-L1 = Programmed Death-Ligand 1; ROS1 = c-ros Onkogen. Libtayo 350mg Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung Wirkstoff: Cemiplimab. Zusammens.: Arzneil. wirks. Bestandt.: 350mg Cemiplimab/ Durchstechflasche (entspr. 50 mg/ml). Cemiplimab wird mittels rekombinanter DNA-Technologie in einer Zellsuspensionskultur aus Ovarialzellen des Chinesischen Hamsters (CHO) hergestellt. Sonst. Bestandt.: Histidin, Histidinhydrochlororid-Monohydrat, Sucrose, Prolin, Polysorbat 80, Wasser für Injektionszwecke. Anw.-geb.: indiziert als Monotherapie zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit metastasiertem oder lokal fortgeschrittenem kutanen Plattenepithelkarzinom, die für eine kurative Operation oder kurative Strahlentherapie nicht in Betracht kommen. Indiziert als Monotherapie für die Behandlung von erwachsenen Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Basalzellkarzinom, bei denen eine Krankheitsprogression unter einem Hedgehog-Signalweg-Inhibitor (hedgehog pathway inhibitor, HHI) aufgetreten ist oder die eine Unverträglichkeit gegen einen HHI haben. Indiziert als Monotherapie für die Erstlinienbehandlung von erwachsenen Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom, das PD-L1 (in ≥ 50 % der Tumorzellen) exprimiert und keine EGFR-, ALK- oder ROS1-Aberrationen aufweist. Die Behandlung ist bestimmt für: Pat. mit lokal fortgeschr. NSCLC, die keine Kandidaten für eine definitive Radiochemotherapie sind, oder Pat. mit metast. NSCLC. Gegenanz.: Überempfindlichk. geg. d. Wirkst. od. sonst. Bestandt. Nebenw.: Infektionen und para. Erkr.: Sehr häufig: Infektio. obere Atemwege; Häufig: Harnwegsinf.; Erkr. Des Blutes / Lymphsystem: Sehr häufig: Anämie; Immunsyst.: Häufig: Reaktion im Zusammenh. m. einer Infusion. Gelegentl.: Sjögren-Syndrom, immunthrombozytopenische Purpura,. Nicht bek.: Abstoßung e. soliden Organtransplantats.Endokrine Erkr.: Häufig: Hypothyreose, Hyperthyroidismus. Gelegentl.: Nebenniereninsuffizienz, Thyroiditis; Diabetes mellitus Typ 1; Hypophysitis; Nerven: Häufig: Kopfschmerzen; periph. Neuropathie; Gelegentl.: Meningitis; Enzephalitis; Myasthenia gravis; paraneopl. Enzephalomyelitis, chron. entzündl. demyelinisierende Polyradikuloneuropathie,. Augen: Gelegentl.: Keratitis. Herz: Gelegentl.: Myokarditis, Perikarditis; Gefäßerkr.: Häufig: Hypertonie; Stoffwechsel- / Ernährungsstör.: Sehr häufig: Appetit vermindert;. Atemw./Brustr./Mediast.: Sehr häufig: Husten; Häufig: Pneumonitis, Dyspnoe. GIT: Sehr häufig: Übelkeit; Diarrhö, Obstipation; Häufig: Abdominalschmerz, Erbrechen, Stomatitis,Kolitis; Leber/Galle: Häufig: Hepatitis. Haut/Unterhautzellgewebe: Sehr häufig: Ausschlag, Pruritus. Skelett/Bindegew./Knochenerkrank.: Sehr häufig: Schmerzen des Muskel- und Skelettsys.; Häufig: Arthritis, Gelegentl.: muskuläre Schwäche, Myositis, Polymyalgia rheumatica. Nieren/Harnwege: Häufig: Nephritis. Nicht bekannt: nicht-infektiöse Zystitis. Allgem./Beschw. a. Verabreichungsort: Sehr häufig: Ermüdung. Untersuchungen: Häufig: Alanin- u./od. Aspartataminotransferase erhöht, alk. Phosphatase u./od. Kreatinin im Blut erhöht; Gelegentlich: Thyreotropin u./od. Transaminasen u./od. Bilirubin erhöht; Thyreotropin erniedrigt. Verschreibungspflichtig. Inhaber der Zulassung: Regeneron Ireland Designated Activity Company (DAC), One Warrington Place, Dublin 2, D02 HH27, Irland. Örtlicher Vertreter: Sanofi-Aventis Deutschland GmbH, 65926 Frankfurt am Main. Stand: Oktober 2021 Dieses Arzneimittel unterliegt einer zusätzlichen Überwachung. Dies ermöglicht eine schnelle Identifizierung neuer Erkenntnisse über die Sicherheit. Angehörige von Gesundheitsberufen sind aufgefordert, jeden Verdachtsfall einer Nebenwirkung zu melden. Sanofi und Regeneron arbeiten gemeinsam an einem globalen Produktentwicklungsprogramm und an der Vermarktung von LIBTAYO®. © 2021 Regeneron Pharmaceuticals, Inc., and Sanofi-Aventis Deutschland GmbH, Potsdamer Straße 8, 10785 Berlin, Telefon 0800 0436996, www.sanofi.de. All rights reserved. MAT-DE-2103247 V2.0-11/2021 2103_CEM_FN

Mit wegweisenden Therapien komplexen Erkrankungen begegnen.


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.