Von den Bewohnern der "Russenkaserne"

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Ausländische Zwangsarbeit in Deutschland und in der Region Hameln

Arbeiten in der Landwirtschaft Die Situation auf den Höfen war meistens – aber nicht immer – besser als in der Industrie. Hier gab es in der Regel eine halbwegs angemessene oder sogar gute Ernährung. Auch Kleidung und Unterkunft waren nicht so knapp. Das Kontrollsystem des Staates (Gendarm) und der Partei („Ortsbauernführer“) war weniger dicht als in den Städten. In der Realität zeigte die Behandlung auf dem Land eine große Bandbreite. Ein junger Pole konnte ein billiger Sklave sein, dem Ausgang und Lohn verweigert wurden; er konnte aber auch als Familienmitglied an einem Tisch mit der bäuerlichen Familie essen. Der Normalfall dürfte das tradierte Herr-Knecht-Verhältnis gewesen sein. Kinderarbeit Franciszek Kolary aus Polen, Landarbeiter in Grupenhagen gehörte zum Alltag. Schlimme zusammen mit einem deutschen Soldaten Zustände finden sich allerdings (Sammlung Gelderblom) nicht selten in den lagerähnlichen Massenunterkünften der großen Güter.6 Auf dem Lande galt ein nächtliches Ausgangsverbot. Ohne besondere schriftliche Erlaubnis durfte niemand die Ortschaft verlassen. Versuche, am freien Sonntag ohne Passierschein Verwandte, Freundinnen oder Freunde in einem anderen Dorf zu besuchen, führten immer wieder zu Tragödien. Der örtliche Gendarm und eine spezielle „Polenpolizei“ vollzogen an den jungen Leuten unnachsichtig die Prügelstrafe. Ljudmila Boryskina, geb. 1926 in der Ukraine „Ich kam auf einen Bauernhof in Afferde. Mir ging es sehr schlecht, da ich kein Wort Deutsch sprach. Ich arbeitete schwer. Ich melkte fünf Kühe, fütterte die Schweine, erledigte sämtli6

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Im Fall des Ritterguts Helpensen schritten NS-Behörden gegen die unhaltbaren Zustände ein; vgl. Gelderblom/Keller-Holte, S. 281-283.


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