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2. Immobilien

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WELTBLICK

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DER TRAUM VOM EIGENHEIM WIRD TEURER

„Keine Katastrophe, eher tritt eine Normalisierung ein.“

FRANZ GASSELSBERGER

Mit steigenden Zinsen könnte es für Kreditnehmer, die schon jetzt an der Schmerzgrenze sind, eng werden. Experten warnen aber vor Panikmache.

TEXT HEDI SCHNEID

„Verbindliche Regeln für all jene, die Vernunft beiseiteschieben.“

EDUARD MÜLLER

Es ist ein Boom ohnegleichen. Die seit vielen Jahren bei null Prozent liegenden historisch niedrigen Zinsen haben die Nachfrage nach Immobilien – ob zum Eigenbedarf oder als Anlageobjekt – rasant erhöht. Laut Oesterreichischer Nationalbank (OeNB) bekam man bis vor kurzem einen auf zehn Jahre fix verzinsten Kredit im Schnitt für 1,27 Prozent. Die Pandemie gab dem Trend zu Immobilien einen zusätzlichen Kick, und nun verstärken der UkraineKrieg und die damit verbundenen wirtschaftlichen Verwerfungen den Wunsch nach Kapitalerhalt sowie nach einer sicheren Geldanlage noch einmal. Als Bollwerk gegen die explodierende Inflation glänzt Betongold wie nie zuvor.

Dementsprechend zogen die Preise in den letzten Jahren auch in Österreich an: Im ersten Quartal verteuerten sich Häuser und Wohnungen um rund zwölf Prozent. Das europäische Finanzaufsichtsorgan, der EU-Systemrisiko-Rat (ESRB), und das österreichische Finanzmarktstabilitätsgremium (FMSG) beobachten die Entwicklung schon seit längerem mit Argusaugen und warnen vor der Gefahr von Preisblasen. Laut dem Fundamentalpreisindikator der OeNB liegen die Kosten für Wohnimmobilien um 35 Prozent, in Wien sogar um 40 Prozent über den realen Werten.

Fix verzinst sind nur sechs Prozent

Mit der Zinswende, die die Europäische Zentralbank (EZB) im Juli einleitet, um der davongaloppierenden Inflation entgegenzusteuern, sind die goldenen Zeiten des billigen Geldes auch in Europa vorbei. In den USA und in Großbritannien wurden die Zinsen schon deutlich angehoben. Auch wenn die ersten Zinsschritte moderat ausfallen dürften – auf dem Markt wird es ungemütlich. „Veränderungen wie ein Inflationsschub, eine Zinswende oder globale wirtschaftliche Verwerfungen erhöhen das Risiko enorm und können wie ein Brandbeschleuniger wirken“, bringt es FMA-Vorstand Helmut Ettl auf den Punkt. Derzeit wirken alle drei Faktoren gleichzeitig. Dazu kommt die laxe Kreditvergabe mancher Banken, die das Volumen der Hypothekarkredite hat anschwellen lassen.

Hafteten 2018 bei österreichischen Banken 110,6 Milliarden Euro an Wohnbaukrediten aus, so waren es laut OeNBStatistik per Ende März 2022 schon 131,3 Milliarden Euro. Brisant dabei ist: Nur sechs Prozent dieser Kredite sind über die gesamte Laufzeit fix verzinst. 44 Prozent entfallen auf ein gemischtes Modell – zehn Jahre fix, der Rest variabel –, und nicht weniger als 50 Prozent sind komplett variabel verzinst. Wer in letzter Gruppe schon jetzt mit den Raten an der Schmerzgrenze ist, für den könnte es eng werden. Oder, wie es FMA-Vorstand Eduard Müller ausdrückt: „Bei grenzwertigen Finanzierungen kann sie (eine Verteuerung des Kredits, Anm.) sogar die Rückzahlungsfähigkeit infrage stellen.“

Eine einfache Rechnung zeigt die Mehrbelastung: Ein Kredit über 250.000 Euro, variabel verzinst mit zwei Prozent, ergibt eine monatliche Rückzahlungsrate von rund 1.058 Euro. Bei drei Prozent fal-

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Prozent der Wohnbaukredite in Österreich sind variabel verzinst, sechs Prozent fix, der Rest in Mischformen. Das Volumen der aushaftenden Hypothekarkredite betrug Ende März 2022 laut der Oesterreichischen Nationalbank 131,3 Milliarden Euro.

© WIENERBERGER AG Aus mit dem Haus. Wohnbaukredite sind teurer geworden. Der Traum vom Eigenheim ist für viele geplatzt.

len 1.183 Euro an, das sind im Jahr rund 1.500 Euro mehr. Nicht zu vergessen: Das ist nur das Anfangsszenario ohne Tilgung bei einem Neuabschluss. Wobei die Laufzeit auch eine wichtige Rolle spielt: Wer schon einen Großteil zurückgezahlt hat oder den Rest vorzeitig tilgen kann, ist ganz gut dran. Härter trifft es jene, die am Anfang stehen, zumal bei variablen Krediten mit langen Laufzeiten die Tilgung gering ausfällt. Das Risiko steigt mit höheren Zinsen exponentiell.

Noch Entwarnung

Drohen also massenhaft Ausfälle, die wiederum zu einem Systemrisiko für die Banken werden könnten? Die US-Subprime-Krise ist noch nicht vergessen. Mitnichten, geben die FMA-Vorstände trotz des erhobenen Zeigefingers Entwarnung. Derzeit liege der Anteil notleidender Kredite in den Bankbilanzen mit rund zwei Prozent auf einem historisch tiefen Niveau, räumt Ettl ein. Nach der globalen Finanzkrise sei diese Quote in Österreich doppelt so hoch gewesen, in manchen Märkten ging sie sogar bis zwölf Prozent. Bruno Ettenauer, Vorstandsvorsitzender der S Immo AG, verweist darauf, dass ein Leitzins von ein bis zwei Prozent zwar eine Verdoppelung darstellt, aber immer noch sehr niedrig ist. Außerdem komme die Zinswende nicht überraschend. Ähnlich argumentiert Michael Zmugg, Geschäftsführer der Realfinanz, dem nach eigenen Angaben größten reinen Hypothekarvermittler Österreichs: „Wir dürfen nicht vergessen, dass auch Zinsen von drei Prozent historisch gesehen noch immer kein hohes Niveau darstellen. Wir sind es nur im Moment nicht gewohnt.“ Oberbank-AG-Generaldirektor Franz Gasselsberger wehrt sich ganz vehement gegen Katastrophenszenarien. „Wir sind von einem Zinsniveau von rund sechs Prozent, wie es in den 80er-Jahren üblich war, weit entfernt“, sagt der Banker, der sich gut an frühere Immobilienkrisen erinnern kann, zum Börsianer. Davon sei keine Rede, „eher tritt langsam Normalisierung ein“. Gasselsberger, der noch nicht von einer Überbewertung von Immobilien sprechen möchte, zeigt sich allerdings „verwundert“ über die lockere Kreditvergabe so mancher Banken.

Er spricht damit die strengeren Standards für die Kreditvergabe an, die mit 1. August 2022 in Kraft treten: Demnach sind mindestens 20 Prozent Eigenkapital erforderlich, die Kreditrate darf nicht mehr als 40 Prozent des verfügbaren Haushaltsnettoeinkommens und die Laufzeit maximal 35 Jahre betragen. Faktum ist, dass neue Kredite schwieriger zu bekommen sind, was die Schaffung von Wohnraum vor allem für jüngere Menschen erschweren könnte, wie Konsumentenschützer kritisieren.

Gasselsberger versteht die Aufregung nicht, denn schon bisher habe sich nicht jeder ein Eigenheim leisten können, oft habe die ganze Familie mitgeholfen. „Es gab immer goldene Regeln für die Kreditvergabe, wir waren immer streng, und das war gut so.“ Er empfindet es daher als „merkwürdig“, dass Banken solche Regeln überhaupt brauchen. FMA-Vorstand Müller sagt, warum: „Die Kriterien, die seit Jahren als FMSG-Empfehlung gelten und international üblichen Standards entsprechen, nun rechtlich verbindlich durchsetzbar zu machen, dient vor allem dazu, jene, die im Boom die wirtschaftliche Vernunft beiseiteschieben und zu locker vergeben, zu disziplinieren.“ Laut OeNB entsprechen 50 Prozent der Wohnbaudarlehen zum Teil nicht den nun verbindlichen Erfordernissen.

% MEINE RENDITE

Mit der Zinswende im Juli 2022 sind auch in Europa die goldenen Zeiten des billigen Geldes vorbei. Auch wenn die ersten Zinsschritte niedrig sind – für Wohnbau-Kreditnehmer, die schon jetzt an der Schmerzgrenze sind, könnte es eng werden. Experten warnen vor Panikmache, sie begrüßen aber die mit August verbindlichen Regeln für die Kreditvergabe. Laut OeNB entsprechen rund 50 Prozent der aushaftenden Kredite zum Teil nicht den Erfordernissen. n

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