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WELTBLICK

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FINANZIERUNGEN KOSTEN MEHR

Die Kosten für längerfristige Unternehmensfinanzierungen sind deutlich gestiegen. Experten gehen davon aus, dass Unternehmen mit weiteren Anstiegen rechnen müssen.

TEXT ROBERT WINTER

Dass mit steigenden Zinsen auch die Finanzierungskosten für Konzerne höher werden, liegt in der Natur der Sache. Dass aber die Geldleihe nun deutlich teurer ausfällt als noch kürzlich erwartet, ist dann doch überraschend. Gerhard Burtscher, Vorstandsvorsitzender der Bank für Tirol und Vorarlberg AG (BTV), sagt: „Treiber der höheren Finanzierungskosten sind die Erwartung einer Zinswende und einer strafferen Geldpolitik. Beides wird durch die anhaltende Inflationssteigerung beeinflusst.“ Der Inflationsdruck wurde laut Burtscher unter anderem durch die rigorose Coronapolitik von China, die erhebliche Lieferkettenunterbrechungen zur Folge hatte und weiterhin haben wird, verursacht.

Auch die erhöhten Energie- und Rohstoffpreise durch den Krieg in der Ukraine sowie die Nachholeffekte und zum Teil überproportionale Preiserhöhungen durch Trittbrettfahrer tragen laut dem BTV-Vorstandschef ihren Teil dazu bei: „Um die Dynamik der Inflation einzubremsen und so zu einer Normalisierung der Geldpolitik zurückzukehren, hat die EZB angekündigt, den Leitzins bei ihrer Sitzung am 21. Juli um 0,25 Prozent anzuheben. Weitere Zinsschritte im laufenden Jahr wurden bereits in Aussicht gestellt, sollten die mittelfristigen Inflationsaussichten unverändert bleiben.“

„Mit Erhöhung der Finanzschulden umgehen können.“

FELIX STROHBICHLER

Deutlich höhere Zinsen

Die Folgen des Kurswechsels zeitigen bei längerfristigen Finanzierungen bereits Folgen. Felix Strohbichler, Finanzvorstand des Salzburger Kranherstellers Palfinger AG, erklärt: „2020 und 2021 war das Zinsniveau historisch niedrig. Nun hat sich eine dramatische Verschärfung eingestellt. Die Basiszinssätze für Finanzierungen haben angezogen. Darüber hinaus sind die Spreads der Banken gestiegen, die Institute haben ihre Margen erhöht.“ Anfang Juni des laufenden Jahres lagen laut dem Palfinger-Vorstand die Schätzungen für den Zehn-Jahres-Zinssatz in Europa bei 1,4 Prozent. Diese Prognosen erwiesen sich als falsch, aktuell liegt der Zinssatz bereits bei 2,4 Prozent. Bei kurzfristigen Finanzierungen hat sich dagegen noch keine Veränderung eingestellt.

Wie sich die Lage seit Jahresanfang zugespitzt hat, skizziert der BTV-Vorstandsvorsitzende Burtscher: „Bei Fixzinskrediten sind die Referenzzinssätze in den letzten Monaten deutlich angestiegen. Zum Beispiel ist der ZehnJahres-Swap-Satz (EUR) von 0,34 Prozent am 3. Jänner 2022 bis 17. Juni auf 2,42 Prozent gestiegen. Bei einer Unternehmensfinanzierung über klassische Bankkredite setzen sich die Finanzierungskosten aus dem variablen Zinssatz, etwa dem Drei-Monats-Euribor, und dem Risikoaufschlag zusammen. Bei der Finanzierungsform haben sich die Kosten bisher nicht erhöht, da der Drei-Monats-Euribor per 13. Juni mit minus 0,28 Prozent noch negativ war und Finanzierungen für Kunden bei null Prozent gefloort sind. Es wird allerdings erwartet, dass der Drei-Monats-Euribor in absehbarer Zeit wieder über null steigt.“

Ähnlich fällt die Analyse von Dieter Hengl, Vorstand Corporates der Unicredit Bank Austria AG, aus: „Bei variabel verzinsten Krediten sind die Zinsen bisher nur sehr geringfügig im Ausmaß der zugrunde liegenden Referenzzinssätze gestiegen. Neukredite mit fixer Verzinsung sind aufgrund der höheren Refinanzierungskosten um rund zwei Prozent teurer geworden. Der Markt für längerfristi-

„Absicherung von variablen Finanzierungen zu empfehlen.“

DIETER HENGL

„Erste Zinsschritte bedeuten noch keine Straffung der Geldpolitk.“

GERHARD BURTSCHER

Geldhahn. Die Unicredit Bank Austria AG gehört zu den größten Unternehmensfinanzierern in Österreich.

ge Zinsen hat sehr stark auf die Ankündigungen der EZB reagiert und die erwarteten Zinsschritte sozusagen vorweggenommen.“ Auch bei variabel verzinsten Krediten ist laut Hengl infolge des Kurswechsels der EZB in den nächsten Monaten mit einem Anstieg der Verzinsung zu rechnen: „Um wie viel, ist noch nicht klar. Im historischen Vergleich sind aber auch die aktuellen Zinsen immer noch als günstig einzustufen.“

Das kann sich auf absehbare Zeit aber ändern. „Die Zinsen werden mittelfristig weiter steigen. Das ist aber gar nicht ungesund. In Summe werden die Finanzierungskosten weiter steigen. Aber der Anstieg wird nicht dramatisch ausfallen. Die Zinsen werden nicht in den Himmel wachsen. Auch in den USA sind Finanzierungen teurer geworden. Im Vergleich zu Europa herrscht in den USA aber noch eine Hochkonjunktur. Zusätzlich profitieren die Vereinigten Staaten davon, dass Europa infolge des Kriegs in der Ukraine geschwächt ist. Auch das macht einen Zinsanstieg in den USA weniger kritisch“, sagt Palfinger-Vorstand Strohbichler. Mit einem Anstieg der Zinsen rechnet auch Dieter Hengl: „Der Markt erwartet, dass die Leitzinsen in den nächsten Monaten um mehr als zwei Prozent steigen werden. Wie schnell und um wie viel genau, hängt auch von der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung ab. Längerfristig ist jedenfalls mit höheren Zinsen als in den letzten Jahren zu rechnen.“

Die Bekämpfung der Inflation bleibt für Gerhard Burtscher das Zünglein an der Waage: „Gelingt es der EZB nicht, die mittelfristigen Inflationserwartungen zu dämpfen, werden die Zinsen möglicherweise noch schneller und stärker angehoben. Erste Zinsschritte würden allerdings noch keine Straffung der Geldpolitik bedeuten. Ihre Wirkung wäre eher weniger unterstützend. Verschiedene Aspekte sprechen auch mittelfristig für einen erhöhten Inflationsdruck. Dazu zählen etwa eine Neuordnung von Wirtschaftsbeziehungen, die Greenflation, die Energiewende, eine höhere Gefahr einer Preis-Lohn-Spirale und die drohende Rückkehr von Coronaeinschränkungen durch steigende Fallzahlen. Durch den Krieg in der Ukraine sind auch die Konjunkturrisiken weiter gestiegen, sodass die EZB insgesamt sehr vorsichtig agieren wird.“Das hat zur Folge, dass sich Unternehmen auf die veränderten Finanzierungsbedingungen einstellen müssen.

Weitere Anstiege

„Unternehmen, die Investitionen planen, müssen mit einer Erhöhung ihrer Finanzschulden umgehen können. Ich rechne damit, dass die Finanzierungskosten in den nächsten Jahren weiter steigen werden. Das und eine mögliche Abkühlung der Konjunktur wird dazu führen, dass die Investitionen geringer werden“, sagt Palfinger-AG-Vorstand Strohbichler. Zur behutsamen Vorgehensweise rät Unicredit-Bank-AustriaAG-Vorstand Hengl: „Um die Auswirkungen auf die Kosten eines Unternehmens so gering wie möglich zu halten und um eine bessere Planbarkeit zu erzielen, ist eine Absicherung von variablen Finanzierungen nach wie vor zu empfehlen. Allerdings sind in diesem volatilen Umfeld der Zeitpunkt und das passende Instrument sorgsam zu evaluieren.“

% MEINE RENDITE

Die Kosten für die Unternehmensfinanzierungen sind gestiegen. In nächster Zeit wird der Trend anhalten, mit weiteren Anstiegen ist zu rechnen. n

Innovation: Mit dem Tablet hinein in den Berg Der digitalisierte Tunnelbau

Die PORR zeigt mit ihrer selbst entwickelten App DigiTun, wie man den Tunnelbau in das digitale Zeitalter bringt und dabei Livedaten generiert. Auf der Baustelle der S3 hat die App ihre große Feuerprobe bestanden. Der Einsatz von DigiTun ist nur eines von vielen Beispielen für die PORR als Innovationstreiberin am Bau.

© Thomas Exel

Wird ein Loch in einen Berg gefräst, fallen nicht nur Ausbruchmaterial, sondern auch jede Menge Daten an: Welches Gestein wurde vorgefunden? Welche Arbeitsleistungen sind gerade passiert? Wie liegen wir damit im Zeitplan? Im zyklischen Tunnelbau mussten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter diese Informationen bisher bei jedem Meter, den sie sich in den Tunnel vorarbeiten, auf Papier notieren – und sie am Ende des Tages einzeln in Computersysteme eintippen. Ein Prozess, der Stunden an wertvoller Arbeitszeit frisst. Gab es zudem vor Ort etwas Unvorhergesehenes oder verzögerte sich etwas, konnten sie erst am Tagesrand die Kollegen und Kolleginnen darüber informieren.

Schluss mit der Zettelwirtschaft

Mit dieser Zettelwirtschaft im zyklischen Tunnelvortrieb ist bald Schluss. Die PORR hat mit DigiTun eine einzigartige App entwickelt, die dafür sorgt, dass alle am Bau Beteiligten die Informationen sofort teilen und erhalten können. Mit der App DigiTun geben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer Tunnelbaustelle ihre Daten via Tablet direkt dort ein, wo sie gerade stehen: Ob im Container oder im Tunnel selbst. Die Daten stehen auf einer internen Plattform dann auch allen weiteren Userinnen und Usern zu Verfügung.

An Ort und Stelle werden die Daten aus dem Tunnelbau direkt eingegeben.

Feuerprobe S3 bestanden

Die DigiTun-App hat nun im Rahmen der Baustelle S3 in Polen ihre erste große Feuerprobe bestanden. In einem mehrmonatigen Prozess wurden mehr als 21.000 digitale Protokolle generiert. Durch einen auf die Arbeitsschritte besser angepassten Prozess wurde die Anzahl der Eingaben dabei radikal reduziert. Alle Informationen mussten nur einmal eingegeben werden. Besonders wichtig dabei: Der Input der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurde bereits im Vorfeld und während der Softwareentwicklung im Detail eingeholt. Damit wird ihre tägliche Arbeit effizienter, praktischer und auch sicherer.

DigiTun ist in Österreich einzigartig. Die App wurde von der PORR für die PORR entwickelt und ist Teil ihrer Innovationsoffensive. Mit den gewonnenen Livedaten im zyklischen Tunnelbau optimiert die PORR ihre Prozesse.

Factbox

Digitalisierung ist Teil der Green and Lean-Strategie der PORR. Die Entwicklung der App DigiTun wurde im Koralm Tunnel begonnen. Die App war bereits u.a. am Schartner Kogel in Teilbereichen im Einsatz. Mit der S3 wurde nun erstmals ein großes vollständiges Projekt via DigiTun betreut. porr-group.com

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