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In der Preis-Preis-Spirale

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MARTIN KWAUKA

MARTIN KWAUKA

IN DER PREISPREIS-SPIRALE

Vorteil. Die RHI Magnesita ist im Bereich der Feuerfestprodukte Weltmarktführer und nützt diese Position auch aus.

„Unternehmen geben einen Teil der Kosten an die Kunden weiter.“

WALTER PUDSCHEDL

„Haben in Langfristverträgen Preisgleitklauseln.“

MICHAEL BUCHBAUER

Angesichts extrem hoher Energiekosten verteuern viele Industriekonzerne ihre Produkte. Wie aktives Preismanagement erfolgreich funktioniert, hat der Börsianer am Markt nachgefragt.

TEXT HEDI SCHNEID

Von Entspannung kann keine Rede sein. Die Kosten für Industrierohstoffe wie Aluminium, Eisenerz, Kupfer, Nickel, Zink und Zinn sind zwar nach einem Hochstand im Februar und März 2022 gesunken, auch der Ölpreis ist Anfang September stark gefallen. Die Situation kann sich aber wieder rapid ändern – und die Kosten für Gas und Strom steigen ohnedies weiter ins Unermessliche. Das trifft nicht nur die Haushalte ins Mark, es belastet auch die Industrie schwer. Wie sehr, zeigt sich beim Faserhersteller Lenzing AG: Weil die hohen Gaspreise eine profitable Produktion am burgenländischen Standort Heiligenkreuz unmöglich machen, müssen höchstwahrscheinlich zwei der drei Produktionslinien heruntergefahren werden, die Prognosen fürs nächste Jahr wurden ausgesetzt. Auch in Deutschland greifen immer mehr Betriebe zu solchen drastischen Maßnahmen, wie eine Umfrage des Industrie- und Handelskammertags zeigt.

Harald Mahrer, Präsident der Wirtschaftskammer Österreich (WKO), nahm die Ankündigung der Lenzing AG einmal mehr zum Anlass, nach den Coronahilfen weitere milliardenschwere Rettungspakete für Unternehmen zu fordern. Die Vervielfachung der Energiekosten sei für viele Betriebe existenzgefährdend, vor allem exportorientierte Firmen seien nicht mehr konkurrenzfähig, warnt Mahrer. Die Industriellenvereinigung stößt ins gleiche Horn und fordert ebenfalls neue Milliardenhilfen. Das StrompreiskostenAusgleichsgesetz (SAG) und das Energiekostenzuschussgesetz (UEZG) sieht Mittel vor – allerdings vorerst nur rund 700 Millionen Euro.

Kosten weitergeben

Was also tun, um aus dieser Misere wenigstens halbwegs gut herauszukommen? „Immer mehr Unternehmen drehen selbst an der Preisschraube und geben so zumindest einen Teil der Kosten an ihre Kunden weiter“, verweist UnicreditBank-Austria-AG-Ökonom Walter Pudschedl im Gespräch mit dem Börsianer auf Erfahrungswerte. Wobei es bei Industriekonzernen – und davon ist hier die Rede – so gut wie immer um Business-to-Business (B2B) geht, also nicht um die Endkunden. Preiserhöhungen seien freilich noch aus einem anderen Grund ein Gebot der Stunde, ergänzt Michael Böheim, Experte des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo). Nicht nur Rohstoffe und Energie verteuerten sich, „auch die Absicherung gegen die extremen Preisschwankungen wird für die Unternehmen immer teurer“. Weshalb Böheim eine Branchenlösung vorschlägt. „Ich denke an einen Hedging-Pool, eine Art Einlagensicherung, wo sich die Firmen gegenseitig aus der Patsche helfen.“

Preismanagement ist aber alles andere denn simpel. Zumal viele Manager so eine komplexe Situation noch nie erlebt haben, geben Ökonomen zu bedenken. Während der Öl- und Energiekrise der 1970er-Jahre waren viele, die nun Verantwortung tragen, ein Kind oder noch gar nicht auf der Welt. Sie müssen daher erst entsprechende Strategien lernen, wobei sich große Konzerne mit Riskmanagement-Abteilungen leichter tun. Die einfache Rechnung, die es zu beachten gilt: Ein Kostenanstieg um fünf Prozent bedeutet das Absinken der Rendite um 4,5 Prozentpunkte. Weshalb viele Unternehmen abseits der Preispolitik jetzt auch die „Produktivitätspeitsche“ schwingen, wie Pudschedl meint.

Schwierig macht die Preispolitik auch, dass Unternehmen meist langfristige Verträge mit ihren Kunden abgeschlossen haben, die man nicht so einfach aushebeln kann. „Solche langlaufenden Kontrakte ohne entsprechende Preisanpassungsklauseln sehe ich aus aktuellem Anlass in Zukunft nicht mehr“, betont Böheim. Darüber hinaus sei die Preispolitik in normalen Zeiten, aber umso mehr in einer komplexen Krise immer auch eine Frage des Bedarfs. „Solange Sie ein stark nachgefragtes Produkt haben, das zudem sogar ein Alleinstellungsmerkmal hat, können Sie auch mehr dafür verlangen“, erläutert Pudschedl den Marktmechanismus. Das trifft etwa auf die von vielen Branchen benötigten Chips zu, deren Preise vor allem von der starken Verteuerung von Silizium geprägt sind.

Aber auch sogenannte Feuerfestprodukte, die für die Hochtemperaturprozesse in der Stahl-, Zement- und Glasindustrie unverzichtbar sind, sind gefragt. Die RHI Magnesita ist in diesem Bereich Weltmarktführer und kann diese Posi-

tion nützen. Man habe viel in Lagerbestände investiert, um die Versorgungssicherheit der Kunden zu gewährleisten. „Das hat uns ermöglicht, Preise zu erhöhen und Marktanteile auszubauen“, sagt RHI-Magnesita-Boss Stefan Borgas.

Die Schoeller-Bleckmann Oilfield Equipment AG (SBO), die Präzisionskomponenten für die Ölindustrie produziert, sieht sich in einer ebenso guten Position. Nach Jahren geringer Investitionen in die Exploration und Produktion von Öl und Gas habe nun ein Aufholeffekt eingesetzt, sagt SBO-Boss Gerald Grohmann (Seite 58). „Wir haben eine Sonderkonjunktur.“ Die steigenden Kosten, unter anderem für Mangan, das die SBO für ihre Stähle benötigt, konnte man daher an die Kunden weitergeben. Die guten Verkaufspreise würden den positiven Ausblick noch unterstützen, weshalb Grohmann auch von einer anhaltend positiven Geschäftsentwicklung in der zweiten Jahreshälfte ausgeht.

Verträge werden angepasst

„Aktives Management der Kosteninflation“ nennt das die SBO. Sie ist nicht das einzige Unternehmen, das so vorgeht. In einer ähnlich komfortablen Lage sieht sich der Kranhersteller Palfinger AG. Die mit Kunden vereinbarte flexible Preisanpassung habe es laut Vorstandschef Andreas Klauser (Seite 34) ermöglicht, die Kostensteigerungen von 15 bis 17 Prozent fast zur Gänze weiterzugeben. Dabei helfe natürlich die anhaltend hohe Nachfrage. Der Baustoffriese Wienerberger AG verfügt über ein effektives SupplyChain-Management und hat es dadurch geschafft, nicht nur dauerhaft liefern zu können, sondern ebenfalls Kostensteigerungen von rund 16 Prozent an die Kunden abzuwälzen. Die Wienerberger AG ist vor allem von Verteuerungen bei Plastikgranulaten, Folien für die Ziegelverpackung sowie Holzpaletten betroffen. Was Energie betrifft, habe man sich für heuer und die nächsten Jahre schon abgesichert und die benötigten Mengen fast zur Gänze eingekauft.

Eine große Rolle bei der Preispolitik spielt die Ausgestaltung der Verträge. Der Maschinenbauer Andritz AG, für den die Kosten für Edelstahl, Roh- und Karbonstahl deutlich mehr zu Buche schlagen als jene für Strom und Gas, hat sich vorbereitet. „Wir haben in den meisten Langfristverträgen Preisgleitklauseln“, berichtet Kommunikationschef Michael Buchbauer. Bei anderen Verträgen sowie bei Serviceprodukten habe man die erhöhten Zukaufskosten weitgehend berücksichtigen können.

„Haben Preise erhöht und Marktanteile ausgebaut.“

STEFAN BORGAS

Mit Augenmaß

Die Strategie, schon bei Vertragsabschluss Preisanpassungsformeln festzulegen, verfolgt auch die Amag Austria Metall AG. Bei neuen Verträgen sei das gang und gäbe, bei alten versuche man nachzujustieren, sagt Kommunikationschef Leopold Pöcksteiner. Faktum sei jedoch: Kunden müssten bereit und in der Lage sein, höhere Preise zu akzeptieren. „Der Spielraum der Hersteller für Einsparungen zur Abfederung dieser Kostensteigerungen ist in hochoptimierten Wertschöpfungsketten nur noch eingeschränkt.“ Zudem müsse man immer die Wettbewerbsfähigkeit im Auge behalten, weshalb man Preise nur mit Augenmaß erhöhen könne. Der Aluminiumkonzern profitiert davon, dass sich der große Energiefresser, die Elektrolyse mit jährlich 1,8 TWh Stromverbrauch, in Kanada befindet. Die ist laut Pöcksteiner nicht von russischen Energielieferungen und damit nicht von Energiepreisschwankungen abhängig. Aber der verarbeitete Aluschrott richtet sich auch teilweise am heuer schon zwischen 2.300 und 4.000 US-Dollar pro Tonne schwankenden Aluminiumpreis.

Wie sehr auch immer an der Schraube gedreht werden kann – letztlich würden die höheren Preise beim Endkunden landen, was die Inflation weiter antreibe, verweisen Pudschedl und Böheim unisono auf den Negativeffekt. „Wir haben nicht nur eine Lohn-Preis-, sondern auch eine Preis-Preis-Spirale“, sagt Böheim. Von einem Aussetzen des Preismechanismus hält er trotzdem nichts.

Rohstoffe unter Kontrolle

Trotz hoher Energie- und volatiler Preise für wichtige Rohstoffe wie Eisenerz und Kokskohle für die Stahlerzeugung sieht sich auch die Voestalpine AG gut aufgestellt. Der Stahl- und Technologiekonzern könne sich in der schwierigen Situation durch seine hochqualitativen Produkte und den Service vom Mitbewerb abheben, sagt Kommunikationschef Peter Felsbach. Und nach wie vor entwickle sich die Nachfrage nach Bahninfrastruktur sowie Komponenten für die Energiewirtschaft und die Luftfahrt sowie die Automobilindustrie gut. „Wir können im Schnitt die Anstiege bei den Rohstoff- und Energiepreisen an den Markt weitergeben.“ Ein weiterer Pluspunkt ist die diversifizierte Beschaffungsstrategie zur langfristigen Absicherung der Rohstoff- und Energieversorgung. Das umfasse die Ausweitung des Lieferantenportfolios sowie den Ausbau der Eigenversorgung.

% MEINE RENDITE

Viele Konzerne werden Energieselbstversorger oder bauen Aktivitäten aus. Die Voestalpine AG hat 1,5 TWh Gas eingespeichert, was drei Monate Vollbetrieb ermöglicht. In Linz produziert der Konzern 75 Prozent des Stroms durch Nutzung von Prozess- und Hüttengasen selbst und betreibt ein eigenes Kraftwerk. Die Andritz AG nabelt sich bis Jahresende vom Gas ab und stellt auf Öl oder Strom um. Bei der Wienerberger AG kommt die Energie künftig aus Wasserstoff, Biogas und Synthesegas. Die SBO versorgt ab 2023 ihr Werk in Ternitz mit einer Photovoltaikanlage mit rund 1,5 MWh Leistung. n

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