Zug Kultur Magazin - Ausgabe April 2021 (#78)

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SZENE

Blickpunkt Kultur Virginia Köpfli, , Hünenberg, Kantonsrätin SP Kanton Zug

«Zum Wort Kultur kommen mir viele Sachen in den Sinn. Auf der einen Seite sehe ich die klassische Kultur, wie der Besuch eines Konzertes oder einer Ausstellung. Aber auch die Auseinandersetzung mit sich selber und mit anderen spielt eine Rolle. Durch mein Studium der Islamwissenschaften werde ich mit anderen Kulturen konfrontiert und kann sie auf mich wirken lassen. Ich finde es wichtig, sich auf fremde Kulturen einzulassen und sich einzuordnen. Dabei soll man sich auch hinterfragen und sich selber den Spiegel vorhalten. Normalerweise gehe ich oft in Ausstellungen. Dabei sind mir Kunst und historische Themen sehr wichtig. Im Weiteren finde ich Diskussionsrunden immer spannend. Wenn es mir die Zeit zulässt, kommt ein Konzertbesuch dazu. In der aktuellen Zeit, wenn Kultur nicht oder nur eingeschränkt möglich ist, merke ich, wie wichtig Kultur für mich ist – und für unsere Gesellschaft. Kultur sollte einen höheren Stellenwert erhalten. Wir neigen oft dazu, allem einen monetären Wert zu geben. Kultur passiert leider oft unentgeltlich. Unsere Gesellschaft erkennt den Wert von Kultur nicht und gibt ihr auch zu wenig Wertschätzung. Wenn alles gut läuft, kommt die Kultur noch on top. Doch Kultur ist für alle Menschen wichtig – sei es als Konsument oder Produzent. Die Krise zeigt die Probleme in der Absicherung von Kulturschaffenden sehr gut. Leider ein Umstand, den es vorher schon gab und die Lage von vielen Leuten noch verschärft. Wir müssen dieses Problem in der Politik angehen. Der Frauenstreik im Jahr  bleibt mir als prägendes kulturelles Ereignis in Erinnerung. Es war nicht einfach nur eine Demonstration, bei welcher die Teilnehmenden mit Plakaten durch die Strassen liefen. Der Anlass war eine Inszenierung mit sehr kreativen Inputs von zahlreichen Kunstschaffenden. Dadurch hat der Frauenstreik so viel Gewicht erhalten. In Zug gab es verschiedene Darbietungen auf den Strassen, Musik wurde gespielt und Poetry Slams waren zu hören. Es war ein tolles Gefühl, wie alles ineinandergegriffen hat. So viele Leute haben ihre kreativen Ideen einfliessen lassen, und alles hat sich zu einer wundervollen Einheit verbunden.» Aufgezeichnet von Andrea Schelbert

KUNSTPAUSE ZUG, NADINE SCHRICK UND SAM HELLER

Ein Werk, bei dem sich ein zweiter Blick lohnt «Kann man ein einziges Lieblingswerk haben? Man hat doch auch nicht nur einen ultimativen Lieblingssong. Nein, man hat einen für traurige Momente, einen für fröhliche Stunden, einen, den man immer mit den besten Freunden hört, und aus jeder Musiksparte sowieso einen anderen. So geht es uns auch mit den Kunstwerken. Wir haben uns hinsichtlich der nächsten Kunstpause dafür entschieden, zusammen ein Werk auszusuchen. Obwohl es für uns natürlich an jeder Kunstpause mehrere Lieblingswerke gibt. Klassischer Stil bewusst eingesetzt Einer unserer Favoriten ist Yann Kébé mit seinem Werk «Unverborgen». Dieses Bild scheint in vielen Hinsichten sehr klassisch – aber nur auf den ersten Blick. Gemalt wurde das Ölbild auf Leinwand. Seine Masse sind weder überdimensioniert, noch ist es besonders klein. Sogar der Malstil und die Strichführung sind irgendwie klassisch. Inhaltlich zeigt es Männer und eine Frau, die tanzt – das kennt das geschulte Museumsauge doch schon von irgendwoher. Erst jetzt, wenn die grauen Zellen zu arbeiten anfangen, bemerkt der Betrachtende, dass inhaltlich aber auch wirklich gar nichts mehr klassisch an dem Werk ist.

zur Rolle der Schweiz und Europa in der Zeitspanne vom Kolonialismus bis heute gesehen werden. Den Tanz, er steht dabei symbolisch für Afrika, möchte er dem Kontinent mit dem Gemälde zurückgeben. Gleichzeitig werfen die drei sitzenden Figuren das Thema Ausbeutung auf. Ihre Nacktheit dreht den Spiess jedoch um, und es stellt sich die Frage, wer nun wirklich entblösst ist? Hinterfragt werden in diesem Bild zudem die Geschlechterrollen. Um die Allegorie zu verstärken, wurden die Figuren vereinfacht und maskenhaft gemalt. Damit hat Yann Kébé ein Bild geschaffen, das zwar auf den ersten Blick sehr klassisch daherkam, uns aber auf den zweiten Blick sehr überrascht hat. Wunderbar.»

4 kunstpause.ch

«Unverborgen» von Yann Kébé Öl auf Leinwand

Rollenbilder werden hinterfragt Denn die im Vordergrund stehende Frau im roten Kleid tanzt vor drei nackten Männern. Angelehnt an Ferdinand Hodlers «Fröhliche Frau» kann Kébés Gemälde als kritischer Kommentar Das Kurationsteam der Kunstpause hat sich für das Gemälde von Yann Kébé entschieden. (Bild PD)


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