07 Das Stadtmagazin für Jena & Region, Ausgabe 125, November 2020

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September November Oktober 2020 2012

| HISTORIE |

EIN BAUWERK FÜR DIE EWIGKEIT: die Brooklyn Bridge, vom Mühlhäuser J. A. Röbling als Hänge- und Schrägseilbrücke entworfen, überspannt auf einer Gesamtlänge von 1.834 Metern den East River zwischen Brooklyn und Manhattan

J. A. Röblings Weg zum Ruhm Teil 2: Immer größer, immer länger

Als sie im Jahre 1883 eröffnet wurde, erklärte sie manch einer, beeindruckt von der wuchtig-kolossalen Erscheinung, glattweg zum achten Weltwunder: Millionenfach überschritten und befahren und wahrscheinlich nicht weniger fotografiert, gefilmt oder gemalt darf sich die Brooklyn Bridge neben der Freiheitsstatue, dem Empire State Building und dem Central Park ohne Zweifel zu den bekanntesten baulichen Wahrzeichen New Yorks zählen. Auf einer Länge von annähernd 500 Metern überspannt sie seit mehr als 135 Jahren den East River, um die Halbinsel Manhattan auf dem Wasserwege mit Brooklyn zu verbinden. Ihre charakteristische Form verdankt sie dabei vor allem den beiden hoch aufragenden, massiven Steintürmen und den daran befestigten, meterdicken Schrägseilen, die der Brücke Halt und Stabilität verleihen. Wer es auf sich nimmt, die Brücke als einer von geschätzten 4.000 Fußgängern pro Tag auf der eine Ebene über den Fahrspuren gelegenen Promenade zu überqueren, der begegnet — von Brooklyn kommend — am ersten der hoch aufragenden Granitportale, dessen neugotische Formgebung übrigens nicht von ungefähr eine augenfällige Ähnlichkeit mit der altehrwürdigen Blasii-Kirche in Mühlhausen aufweist, mehreren Gedenkplatten, von

denen eine unter anderem auch den Konst- vor steinernen Brücken, die auf festen Pfeirukteur des imposanten Bauwerks würdigt: lern ruhten, den Vorzug — vielleicht wollten Johann August Roebling. sich die preußischen Behörden aber auch in Sachen Brückenbau schlichtweg nichts von ERNÜCHTERUNG UND NEUANFANG einem gerade mal Zwanzigjährigen, der noch Wäre es nach Johann August Roebling ge- nicht einmal den Abschluss zum Bauingenigangen, hätte dieser seine erste Hängebrücke eur in der Tasche hatte, vormachen lassen. schon in der alten Heimat errichtet. Denn die Ihren Teil zur Entscheidung, nach Amerika Leidenschaft für den Brückenbau hatte den auszuwandern, dürfte diese ablehnende Halgebürtigen Mühlhäuser schon einige Jahre tung gegenüber seinen neuartigen Brückenvor seiner Auswanderung gepackt. Während konzepten auf jeden Fall beigetragen haben. seiner Zeit als angehender Bauingenieur im westfälischen Arnsberg hatte er den zustän- AUFSTIEG ZUM BRÜCKENBAU-­ digen Ministerialstellen gleich mehrfach ak- EXPERTEN ribisch ausgearbeitete Entwürfe für benötigte Bei allem Verdruss erweist es sich doch Brückenbauten zukommen lassen — und mit als Glück, dass der Auswanderer nicht nur keinem einzigen Entwurf Gehör oder Interes- seine Bücher und Studienunterlagen von se gefunden. Allein in seinen Brückenentwurf der Berliner Bauakademie in die USA mitgefür eine »eiserne Kettenbrücke über die Len- nommen, sondern sich auch etwas von seine bei Finnentrop« hatte er 1928 vier Wochen ner Begeisterung für die Konstruktion von Arbeit gesteckt, jedes Detail berechnet, alles Brücken bewahrt hat. Über den Umweg des von A bis Z durchkalkuliert — und dürfte ent- innovativen Drahtziehers, zu dem er sich ab sprechend verdrossen über die ablehnende Anfang der 1840er Jahre mit stetig wachsenHaltung der Regierungsstelle gewesen sein. dem wirtschaftlichen Erfolg wandelt, findet Vielleicht war er mit seinen Hängebrü- er zu seiner alten Leidenschaft zurück. Als cken-Entwürfen einfach nur ein Stück zu sehr 1843 während der Schneeschmelze ein Brüseiner Zeit voraus — angesichts ihres schein- ckenaquädukt, das den Pennsylvania-Kanal baren ›Schwebezustands‹ misstraute man auf Höhe von Pittsburg über den dort flieallgemein deren Stabilität und gab nach wie ßenden Allegheny führt, so stark beschädigt

Abb.: Wikipedia

GETRIEBEN VOM WUNSCH NACH SELBSTVERWIRKLICHUNG treibt es den gebürtigen Mühlhäuser Johann August Röbling anno 1831 in die Neue Welt. Nach einem eher holperigen Anfang findet er schließlich seinen Platz: als Drahtseilpionier und Großbrücken-Konstrukteur. Eine Thüringer Auswanderergeschichte.


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