ERDnachrichten 2022

Page 12

7 JAHRE NOCH

KLIMAEXPERTIN, BIS 2015 LEITERIN DES SEKRETARIATS DES UN-WELTKLIMARATS (IPCC), MIT DESSEN TEAM SIE 2007 DEN FRIEDENSNOBELPREIS ERHIELT

ACTION SPEAKS LOUDER THAN WORDS Renate Christ

„FÜR DIE EINHALTUNG DES 1,5°C-ZIELS MÜSSEN DIE GLOBALEN CO2-EMISSIONEN BIS ZUM JAHR 2030 UM 45 % ABNEHMEN.”

„WÜRDEN WELTWEIT ALLE COVID-HILFEN KONSEQUENT FÜR KLIMAFREUNDLICHE INVESTITIONEN EINGESETZT, SO KÖNNTEN DIE EMISSIONEN BIS 2030 UM 25 % SINKEN.”

Der Winter 2019/20 war der wärmste in Europa, dieser Februar war viel zu warm, Zeynep war der heftigste Sturm seit 2007, das Hochwasser 2021 verursachte Schäden in Milliardenhöhe und es bleiben noch 7 Jahre um das Ruder herumzureißen. Wir haben uns an derartige Meldungen schon gewöhnt, fast wie an die täglichen Coronastatistiken. Doch nach zwei Jahren im Krisenmodus wollen wir einfach wieder normal leben. Nur: Das Klima wird sich weiter ändern und die Folgen werden immer dramatischer, je mehr wir unsere Augen davor verschließen. Bereits jetzt ist die Hälfte der Menschheit betroffen. Viele Auswirkungen sind irreversibel, wie Meeresspiegelanstieg, Gletscherschmelze und Artensterben. Zudem müssen wir uns, auch in Europa, auf Wasserknappheit und Missernten, Waldsterben, Überschwemmungen, Zerstörung von Infrastruktur, Hitzetote und gesundheitliche Schäden z.B. durch die Ausbreitung von Dengue-Fieber einstellen. Aber wir können etwas tun und zwar rasch und konsequent. Panik und Fatalismus sind keine guten Ratgeber. Jede Tonne CO2, die wir durch das Verbrennen von fossilen Brennstoffen ausstoßen, trägt zur Erderhitzung bei, egal wann und wo sie emittiert wird. Wenn wir die Temperatur stabilisieren wollen, müssen die CO2-Emissionen auf NettoNull sinken. Sonst steigt die Temperatur weiter an. NettoNull bedeutet, dass nicht mehr CO2 ausgestoßen wird, als durch Senken, das sind Böden, Wälder und technische Maßnahmen, gebunden werden kann. Diese Senken können

jedoch bei weitem nicht die derzeit ausgestoßenen Emissionen absorbieren. Daher hat Dekarbonisierung oberste Priorität. Das Verbrennen von Kohle, Heizöl, Benzin, Diesel und Erdgas muss aufhören, genauso wie das Abholzen von Wäldern, denn auch da entsteht CO2. Das Klimarisiko ist geringer, wenn der Temperaturanstieg auf 1,5°C begrenzt wird, auch wenn Schäden nicht ganz zu vermeiden sind. Klimamodelle zeigen, dass für die Einhaltung dieses Ziels die globalen CO2-Emissionen bis zum Jahr 2030 um 45 % abnehmen müssen. Bis zur Mitte des Jahrhunderts sollten wir Netto-Null erreichen. Das ist möglich, aber es erfordert Mut, einen klaren Plan, Innovation, eine Umschichtung von Investitionen und die Unterstützung durch alle Akteur:innen und Betroffenen. Wir haben die technischen Möglichkeiten und, so unglaublich es klingen mag, die Klimawende würde, wenn gut geplant, keine Mehrkosten verursachen. Das Geld muss nur richtig eingesetzt werden. Würden weltweit alle COVID-Hilfen konsequent für klimafreundliche Investitionen eingesetzt, so könnten die Emissionen bis 2030 um 25 % sinken. Leider ist das nur zum Teil geschehen. Natürlich müssen wir uns auf Veränderungen einstellen. Durch das Aus für fossile Brennstoffe in den Bereichen Heizen, Verkehr und Industrie wird mehr Strom aus erneuerbaren Quellen gebraucht. Das bedeutet: neue Windparks und Solarpanele, Modernisierung von Wasserkraftwerken


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.