KOCHEN FÜR DIKTATOREN
»Dieses Buch ist eine Warnung« Pol Pot, Idi Amin, Saddam Hussein, Enver Hoxha und Fidel Castro: In seinem Buch »Wie man einen Diktator satt bekommt« zeigt Witold Szabłowski, wie viel Essen über die Politik oder das Regime in einem Land aussagt. Interview: Tanja Dückers
Wie kamen Sie darauf, die Köche von Diktatoren zu interviewen? Bevor ich Journalist wurde, war ich Koch in Kopenhagen. Ich liebte es, in der Küche zu sein. Dann zog ich zurück nach Polen und fing bei einer großen Zeitung an. Aber ich hatte immer die Köche in Erinnerung, wie sie ihre Geschichten erzählen. Ich habe viele Bücher geschrieben, aber immer nach einer guten Geschichte aus der Küche gesucht, die sich mit meinen anderen Interessengebieten – Geschichte, Politik und Soziales –verbindet. Warum genau diese Köche? Ich wollte mich auf Menschen konzentrieren, denen ich begegnen kann – es gibt also keinen Chefkoch von Hitler oder Stalin – und die mir eine Art kulinarischen Workshop bieten können. Es sollte ein kulinarisches Porträt des 20. und 21. Jahrhunderts aus verschiedenen Kontinenten werden und zugleich ein Porträt der Tyrannei. Gefunden habe ich zwölf Köche. Irgendwann musste ich mir sagen: Du hast genug. Sie sind keine Apostel. Du brauchst nicht zwölf von ihnen. Mein Ziel war ein Panorama und ein Blick auf die Anatomie der Tyrannei. Die Gegenwart ist nämlich leider eine gute Zeit für Diktatoren: diese Zeit, in der wir uns nicht sicher sind, was als Nächstes passiert, ob Klima-
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wandel, Coronavirus oder der allgemeine Mangel an Sicherheit. Dieses Buch ist also eine Art Warnung. War es schwierig, zu den Köchen zu reisen? Das schwierigste Land war der Irak, weil es so kompliziert war, ein Visum zu bekommen. Ich musste einen kleinen Trick anwenden. Damals besuchte der irakische Premierminister gerade Warschau. Also bewarb ich mich um ein Interview mit ihm. Er sprach viel über die Förderung von Investitionen. Ich dachte: Das ist großartig, jemand sollte in den Irak reisen und darüber schreiben. Die Gegenleistung für mein irakisches Visum war also, dass ich ein paar Tage lang verschiedene irakische Firmen besuchen und einen Artikel schreiben musste über die Möglichkeiten, im Irak Geschäfte zu machen. Danach hatte ich Zeit: Ich habe zwei Wochen mit dem letzten Koch von Saddam Hussein verbracht. Haben die Köche der Diktatoren auch für Sie gekocht? Ja, das war auch mein Plan. Die Küche ist der natürliche Lebensraum eines Kochs: In der Küche ist ein Koch wie ein Wal im Ozean. Zu allem, was er anfasst, gibt es eine Geschichte zu erzählen. Wenn er also den Salzstreuer berührt, gibt es eine Geschichte über Idi Amin, dessen Lieblingsessen immer versalzen sein musste. Der Koch berührt den Pfeffer, und Sie hören eine andere Geschichte. Wenn er Fleisch anfasst, redet er darüber, woher das
Fleisch für die Präsidentenpaläste kam. Zudem sollte dieses Buch auch ein kulinarischer Workshop sein; ich bin ja selbst an der Materie interessiert. Ich bin wahrscheinlich der einzige Mensch auf der Welt, der die Gelegenheit hatte, mit den Chefköchen von fünf verschiedenen Diktatoren einen kulinarischen Workshop abzuhalten. Was hat Sie an den kulinarischen Vorlieben der Diktatoren überrascht? Ich war überrascht, wie einfach ihr Essen war. Wenn Sie heute in ein Mittelklasserestaurant gehen, werden Sie wahrscheinlich viel besser essen. Die meisten Menschen lieben das Essen, das sie als Kind gegessen haben. Früher oder später vermisst man die Gerichte seiner Mutter. Und die Diktatoren waren keine reichen Jungs. Sie stammten nicht aus noblen Familien. Die Ausnahme war Fidel Castro, dessen Vater Großgrundbesitzer war. Die Diktatoren mochten also keine ausgefallene Küche. Mein nächstes Buch wird Russland aus der Küchenperspektive betrachten: Auch Leonid Breschnew stammte aus ärmlichen Verhältnissen. Im Kreml bekam er ständig Kaviar und andere Lu-
»Idi Amins Lieblingsessen musste immer versalzen sein.« Witold Szabłowski