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Eishockey: „I love Sterzing

„I love Sterzing!“

„Fräulein, Sie haben nicht die richtigen Papiere, um in Deutschland einreisen zu dürfen. Ich kann Sie nicht in das Flugzeug steigen lassen.“

Ich begann die vier Lagen an Kleidung, die ich trug, durchzuschwitzen – vorbereitet, um in die italienischen Alpen zu reisen –, als Panik in mir aufstieg. Die Abfertigungsagentin, die noch vor wenigen Minuten an die wartenden Passagiere mit ihren Reisepässen und Flugtickets in den Händen freundlich Halloween-Süßigkeiten verteilt hat, hindert mich und mein Gepäck – sie hat beim Gepäckservice angerufen und das Aufladen gestoppt – nun daran, in den Flieger nach München zu steigen. „Ich reise nach Italien“, versuchte ich zu erklären. „Ich fliege nach München und fahre dann gleich nach Italien. Für Italien habe ich gültige Papiere.“ „Das spielt keine Rolle, weil Ihr Flugziel Deutschland ist, und Deutschland lässt zurzeit keine Amerikaner rein“, so die Agentin. „Deutschland ist nicht mein Endziel“, wiederholte ich und gab ihr die Mappe mit den Dokumenten, die meine Berechtigung, nach Italien einzureisen, bestätigen. „Sie verstehen nicht“, sagte ich mit zitternder Stimme, als ich begriff, dass ich es vielleicht selbst nicht ganz verstehe. Nach 20 Minuten, fünf Telefonaten und – bedingt durch den Stress, den das Ganze verursacht hat, – gefühlte drei Jahre älter gab sie mir meine Papiere und den Reisepass zurück und sagte: „Es liegt nun an der Zollbehörde, ob Sie reingelassen werden. Wenn nicht, droht Ihnen ein offizieller Ausweisungsbescheid. Viel Glück!“

Catie McDonald aus New Mexico (USA) hat von November bis Ende Jänner ihren Freund Trevor Gooch, der diese Saison für die Broncos spielt, in Sterzing besucht und ihre Italienisch-Kenntnisse aufgefrischt. Die Hochschulabsolventin liebt gutes Essen, starken Kaffee, geschmeidigen Wein und unser herrliches Bergpanorama.

Ciao, hallo und – wenn Sie noch immer lesen – hi!

Wenn man „Italien“ hört, denkt man an Pizza, hoch aufragende Kathedralen, Weltklasse-Weine, große historische Städte und sanft ansteigende toskanische Weingärten. Das hört sich nach einer Überverallgemeinerung an, aber ich weiß es, schließlich war es bei mir auch so. Mein Name ist Catie McDonald und – trotz der acht Stunden, die ich am 1. November über dem atlantischen Ozean damit verbracht habe, meiner drohenden Abschiebung entgegenzusehen – habe ich mittlerweile drei Monate in Sterzing verbracht. Und dabei habe ich gelernt, dass es nicht nur eine Italien-Fantasie als Reiseziel gibt. Es gibt nur wenige Orte auf der Welt, wo man gleichzeitig einen österreichischen Kuchen in einer deutschen Bäckerei bestellen kann, während man italienisch spricht – und ich habe Glück, das hier fast jeden Morgen tun zu können. Als eine Außenseiterin, die – glücklicherweise – während der letzten Monate mittendrin sein durfte, kann ich definitiv sagen, dass es noch viel mehr gibt, was man an Sterzing lieben kann. Ich liebe es, dass ich keinen Wecker stellen muss, da mich die Turmuhr jeden Morgen weckt. Ich liebe es, dass meine tägliche Laufroute nicht nur an einem, sondern gleich an zwei mittelalterlichen Schlössern vorbeiführt. Ich liebe es, dass es nur eine kurze Wanderung auf den Roßkopf braucht, um nach Österreich und Deutschland sehen zu können. Ich liebe es, dass ich – egal ob ich in der Stadt oder in den umliegenden Gebieten bin – immer von schneebedeckten Berggipfeln umgeben bin. Ich liebe es, dass es beim Spazierengehen genauso wahrscheinlich ist, einen Esel zu treffen, wie einen Menschen. Ich liebe es, dass sich die überwältigenden Farben der Herbstblätter bis zum ersten Schnee halten. Und ich liebe dieses magische Gefühl, das der erste Schneefall des Winters über die Stadt bringt – ich musste gar nicht fließend Deutsch oder Italienisch sprechen können, um diese Magie gemeinsam mit den Einheimischen fühlen zu können. Ich liebe, dass ich Freunde gefunden habe, die mich zum Lachen bringen, mir Übersetzungshilfen und gleichzeitig hausgemachte Marmelade geben. Ich liebe, dass die lokale Tankstelle gleichzeitig eine der besten Bäckereien der Stadt ist. Ich liebe es, dass die Bäckerin, die das hübsche Café gleich unterhalb meiner Wohnung führt, mir mit meinem Italienisch hilft, obwohl ihre Muttersprache Deutsch

ist. Ich liebe es, dass ich zur Prantneralm wandern und runterrodeln kann (auf den Knien macht es sogar noch mehr Spaß!). Ich liebe es, draußen gleichzeitig die Aussicht und ein Getränk zu genießen, während mich eine Decke und eine Wärmelampe warmhalten. Und ich liebe es, dass niemand zweimal überlegt, wenn ich mir zum Frühstück Kuchen bestelle. „Vipiteno“ oder „Sterzing“, „grazie“ oder „danke“, „vin brulé“ oder „Glühwein“, „aperitivo“ oder „Bier“, „prosciutto“ oder „Speck“, „cornetto al cioccolato“ oder „Krapfen“, „panettone“ oder „Bretzeln“ – ich liebe es, nicht zu wissen, mit welcher Sprache ich meinem Gegenüber begegnen oder was ich bestellen soll. Es macht jeden Tag zu einem neuen Abenteuer – ein Abenteuer, wie man es in den „traditionellen“ italienischen Orten sicher nicht erleben würde. Ich finde es gut, dass die Stadt beide Namen hat: Vipiteno und Sterzing. Sie verkörpert wahrhaftig das Beste aus beiden – oder besser aus drei – Welten: eine Prise Italien, ein Häppchen Deutschland, ein Spritzer Österreich und eine große Menge netter Menschen, die so einzigartig sind, wie der Ort, wo sie leben. Ich bin so froh, dass ich ein Teil davon sein durfte. Ich habe die Kirchen und Türme bewundert – und den Anstieg, der mich zu ihnen geführt hat –, habe herrliches Bier und unglaubliche Weine getrunken, authentische Pizza und Gourmet-Knödel gegessen. Und jeder Ort, wo ich Pizza und Knödel in einer Mahlzeit bestellen kann, ist ein Ort, wo ich gerne bin. Während ich in den vergangenen Jahren das Glück hatte, die farbenprächtigen Klippen der Cinque Terre zu erwandern, antike Kunst in Florenz zu studieren und den Chören im Vatikan beim Singen zuzuhören, ist Sterzing das Sahnehäubchen meiner Italien-Aufenthalte – und nicht nur, weil es aus deutscher Schokolade gemacht ist. Wie ich mich nun auf meinen Abschied von dieser charmanten kleinen „città“ mitten in den Alpen, die sich für mich wie ein zweites Zuhause anfühlt, vorbereite, bin ich traurig, dass meine Zeit hier zu Ende geht (und ich nun zurückkehren und wieder amerikanisches Brot essen muss). Vor allem aber bin ich froh und dankbar, dass ich mich nicht davon abhalten ließ, ins Flugzeug zu steigen.

Catie McDonald

Aus dem Englischen übersetzt von

Susanne Strickner

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