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Wettbewerbsverzerrungen durch Drittstaatssubventionen
beziehungsweise Mitgliedstaaten Angebote ausschließen können, bei denen mehr als 50 Prozent des Wertes aus einem abgeschotteten Drittstaat stammen (Art. 17 des geänderten Kommissionsvorschlags von 2016).
Ein ambitioniertes und wirksames Instrument: Für ein effektives IPI muss unbedingt sichergestellt sein, dass das Instrument nicht durch zu weitgehende Ausnahmeregeln ausgehebelt werden kann. Ein zentraler Punkt sind insoweit vor allem die Ausnahmeregeln. Diese müssen strikt auf eng gefasste Ausnahmen begrenzt werden, wie etwa eine Ausnahme für den Fall, dass bei einer Ausschreibung nur ein einziger Bieter vorhanden ist. Nachdrücklichst abzulehnen ist dagegen der bisher vorgesehene, zu weit reichende Ausnahmetatbestand für den Fall einer starken Erhöhung der Kosten oder Preise für den öffentlichen Auftraggeber im Falle der Anwendung des IPI. Dieser Ausnahmetatbestand könnte sehr leicht zu einer völligen Aushebelung des IPI führen und muss daher ersatzlos gestrichen werden.
Sicherstellung effektiver und ausreichender Sanktionen: Ebenfalls von großer Bedeutung ist die Sicherstellung effektiver, ausreichender Sanktionen. Die bisher vorgesehene Begrenzung der Sanktionen auf einen Preisaufschlag von bis zu 20 Prozent ist erheblich zu eng. Selbst Sanktionen mit einer festen Deckelung eines Preisaufschlags bei maximal 40 Prozent können unter Umständen nicht hinreichend sein. Insofern könnte es sich empfehlen, Flexibilität für den oberen Deckel der Sanktionen vorzusehen, sodass unter Umständen zum Beispiel auch ein Preisaufschlag von 50 Prozent möglich sein sollte. Für besonders schwerwiegende Fälle sollte auch die Möglichkeit des vollständigen Ausschlusses eines Angebots vorgesehen werden. Außer Preisaufschlägen sollten auch vollständige Ausschüsse möglich sein. Diese sollten insbesondere auch dann verstärkt in den Blick genommen werden, wenn es sich bei dem betreffenden Bieter nachweislich um ein Staatsunternehmen aus einem als abgeschottet beziehungsweise unlauter identifizierten Drittstaat handelt. Für vollständige Ausschlüsse in diesen Fällen spricht, dass sich das zunehmende Auftreten solcher Unternehmen mit oft dumpingverdächtigen Preisen auf EU-Märkten zuletzt in vielen Fällen als besonders problematisch erwiesen hat.
Wettbewerbsverzerrungen durch Drittstaatssubventionen
Im Juni 2020 hat die Europäische Kommission in ihrem Weißbuch „Gewährleistung fairer Wettbewerbsbedingungen bei Subventionen aus Drittstaaten“ (COM(2020) 253 final) Vorschläge für neue Kontrollinstrumente („Teilinstrumente“) vorgelegt, um Drittstaatssubventionen, die den Wettbewerb im Binnenmarkt verzerren, anzugehen.5 Der BDI begrüßt das mit dem Weißbuch verfolgte Ziel, sieht aber Anpassungsbedarf in der Ausgestaltung der Teilinstrumente. Sie müssen insbesondere zum bestehenden EU-Recht kohärent sein.
5 Zwischenzeitlich hat die Europäische Kommission am 5. Mai 2021 einen auf das Weißbuch folgenden Legislativvorschlag veröffentlicht: https://ec.europa.eu/competition/international/overview/proposal_for_regulation.pdf. Aus Sicht des BDI ist es sehr positiv, dass die Europäische Kommission nun ein Maßnahmenpaket vorlegt, dass Wettbewerbsverzerrungen durch massiv subventionierte Unternehmen aus Drittstaaten Einhalt bieten soll. Insbesondere bei Übernahmen und öffentlichen Auftragsvergaben benötigen die Unternehmen faire Chancen und ein Level Playing Field. Dabei muss die richtige Balance zwischen effektiver Drittstaatssubventionskontrolle und dem Erhalt der Investitionsoffenheit der EU gewährleistet werden (dieser Ersteinschätzung wird eine ausführliche Bewertung durch den BDI folgen). Die Bewertung des BDI in diesem Positionspapier bezieht sich im Folgenden nur auf das vorangegangene Weißbuch.
Status quo
Im EU-Binnenmarkt sind auch immer mehr drittstaatliche Akteure tätig. Drittstaatssubventionen, die diese Akteure begünstigen, können daher auch im Binnenmarkt wirken und gegebenenfalls dort den Wettbewerb verzerren. Aufgrund solcher Drittstaatssubventionen kann es zum Beispiel im Rahmen öffentlicher Auftragsvergaben in der EU zu außerordentlich niedrigen Angeboten kommen. Das heißt, drittstaatssubventionierte Bieter können andere Bieter durch besonders niedrige Gebote unterbieten und so Aufträge erhalten. Solche Tiefstpreisangebote wären dabei ohne die Drittstaatssubventionen nicht wirtschaftlich nachhaltig, sodass der Wettbewerb um den Auftrag zulasten von anderen Bietern verzerrt wird, die keine Drittstaatssubventionen erhalten. Drittstaatssubventionen können aber auch beim Erwerb von Anteilen, Stimmrechten oder „sonstiger Kontrolle“ an EU-Unternehmen wettbewerbsverzerrend wirken. Der Wettbewerb zwischen potenziellen Erwerbern an EU-Unternehmen kann dadurch verzerrt werden, dass es erst eine Drittstaatssubvention (Stärkung der Finanzkraft) ermöglicht, ein Erwerbsangebot zu unterbreiten, das Angeboten anderer potenzieller Erwerber vorgezogen wird; zugleich werden hierdurch auch die Investitionsmöglichkeiten in EU-Unternehmen beeinträchtigt.
Während das EU-Beihilfenrecht eine effektive Kontrolle für mitgliedstaatliche Beihilfen vorsieht, fehlt es an einer vergleichbaren Kontrolle und Überwachung für Drittstaatssubventionen. Zum Schutz des Wettbewerbs im Binnenmarkt vor Verzerrungen durch Drittstaatssubventionen und zur Gewährleistung eines Level Playing Field in der EU bedarf es auch effektiver Kontrollmechanismen für Drittstaatssubventionen. Das Weißbuch der Europäischen Kommission ist der erste Schritt zur Einführung einer Kontrolle für Drittstaatssubventionen. Im Weißbuch werden drei Teilinstrumente vorgeschlagen sowie etwaige Regelungen im Hinblick auf die EU-Finanzmittelverwaltung. Konkrete Legislativvorschläge, wahrscheinlich in Form einer EU-Verordnung, werden für das zweite Quartal 2021 erwartet.
Durch das erste Teilinstrument sollen mögliche Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt, die durch Drittstaatssubventionen verursacht werden, überprüft werden. Hierzu sollen Verhaltensweisen von Unternehmen im Binnenmarkt, die drittstaatlich subventioniert sind, einer Nachkontrolle unterworfen werden. Insofern besteht eine gewisse Vergleichbarkeit zur Missbrauchskontrolle des EU-Wettbewerbsrechts. Letztere ermöglicht es der Europäischen Kommission, die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung von Unternehmen im Binnenmarkt zu sanktionieren.
Mit dem zweiten Teilinstrument schlägt das Weißbuch eine Präventivkontrolle des Erwerbs von Anteilen, Stimmrechten oder „sonstiger Kontrolle“ an EU-Unternehmen durch Unternehmen, die drittstaatliche Zuwendungen erhalten, vor. Eine vergleichbare Präventivkontrolle besteht bereits zum Schutz des zukünftigen Wettbewerbs in dem von solchen Erwerbsvorgängen betroffenen Markt durch die EU-Fusionskontrolle. Die EU-Fusionskontrolle dient allerdings nur der Prüfung der Auswirkungen der beabsichtigten Fusion auf den Wettbewerb. Mittels des zweiten Teilinstruments soll hingegen geprüft werden können, ob wettbewerbsverzerrende Auswirkungen von Drittstaatssubventionen, die einen Erwerber begünstigen, bestehen.
Für Kontrollen nach dem ersten und zweiten Teilinstrument schlägt die Europäische Kommission im Übrigen vor, dass wettbewerbsverzerrende Drittstaatssubventionen geduldet werden können, wenn sie politischen Zielen der EU dienen, wie der Erreichung von Klimaneutralität, Umweltschutz oder Schaffung von Arbeitsplätzen.
Mit dem dritten Teilinstrument des Weißbuches wird eine spezielle Präventivkontrolle von drittstaatlichen Zuwendungen vorgeschlagen, die Bieter im Rahmen von öffentlichen Auftragsvergaben begünstigen. Die Regelungen der EU-Vergaberichtlinien ermöglichen bisher nur eine allenfalls sehr begrenzte
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Kontrolle von Angeboten, die von Drittstaaten subventioniert sind; die EU-Vergaberichtlinien enthalten Regelungen zu „ungewöhnlich niedrigen Angeboten“, die aber dem Auftraggeber ein weites Ermessen bei der Beurteilung einräumen und daher im Ergebnis oft wenig effektiv sind.
Anknüpfend an die Vorschläge des Weißbuches hatte die Europäische Kommission Anfang Oktober 2020 mittels einer „Folgenabschätzung in der Anfangsphase“ eine Konsultation zu verschiedenen möglichen Handlungsoptionen – zum Schutz des Wettbewerbs im Binnenmarkt vor verzerrenden Drittstaatssubventionen – eingeleitet. Diese Handlungsoptionen betreffen die Implementierung (legislativ, administrativ etc.) von neuen Kontrollmechanismen für Drittstaatssubventionen.
Empfehlungen
Die Gewährleistung eines Level Playing Field im Binnenmarkt erfordert einen effektiven Schutz des Binnenmarkts vor Wettbewerbsverzerrungen durch mitgliedstaatliche wie auch drittstaatliche Subventionen. Es ist Zeit, den Wettbewerbsschutz durch das EU-Beihilfenrecht um einen entsprechenden Schutzmechanismus für Verzerrungen durch Drittstaatssubventionen zu ergänzen. Wettbewerbsverzerrende Drittstaatssubventionen sollten nicht aufgrund allgemeiner politischer Ziele der EU geduldet werden können. Sie sollten nicht mittels eines Unionsinteressentests gerechtfertigt werden können; ein Level Playing Field in der EU würde so nicht geschaffen werden. Ein „Unionsinteressentest“ würde vielmehr der Politisierung von Rechtsentscheidungen Tür und Tor öffnen.
Neue Schutzinstrumente müssen die bereits identifizierten Wettbewerbsverzerrungen durch Drittstaatssubventionen beheben und zugleich zukünftige Wettbewerbsverzerrungen adressieren. Hierzu sind Nach- und Präventivkontrollen notwendig, auch um Anfälligkeiten bestimmter Beschaffungsmärkte für Verzerrungen durch Drittstaatssubventionen adäquat anzugehen.
Die Einführung entsprechender Kontrollmechanismen muss kohärent erfolgen, um zusätzliche bürokratische Lasten für Unternehmen möglichst gering zu halten und widersprüchliche Entscheidungen durch verschiedene Kontrollen zu vermeiden. Dies gilt sowohl für das Verhältnis neuer Kontrollen zueinander sowie zum bestehenden EU-Wettbewerbsrecht, den EU-Regelungen für öffentliche Aufträge (einschließlich der anstehenden Überarbeitung des Entwurfs des International Procurement Instrument, IPI) und der Verordnung zur Prüfung ausländischer Direktinvestitionen (FDI-Screening-Verordnung). Auch die grundsätzliche Investitionsoffenheit der EU darf nicht gefährdet werden. Im Sinne einer kohärenten Entscheidungspraxis sollte die Europäische Kommission ausschließlich für alle im Weißbuch vorgeschlagenen Teilinstrumente zuständig sein. Dies ist auch aufgrund ihrer Expertise und Erfahrung in der EU-Beihilfenkontrolle zur Prüfung von mitgliedstaatlichen Beihilfen sinnvoll. Die Mitgliedstaaten und ihre Expertise zu regionaleren Märkten sollten dabei aber in die Entscheidungsfindung der Europäischen Kommission einbezogen werden.
Die Verfahren müssen möglichst unbürokratisch ausgestaltet werden, auch um ökonomische Vorteile rechtmäßigen Verhaltens nicht zu konterkarieren. Hierzu gehören rechtsklare Beurteilungskriterien, die eine Vorhersehbarkeit von Entscheidungen ermöglichen. Im Falle von Parallelprüfungen desselben Verhaltens nach verschiedenen Kontrollregimen sollten die Verfahren nach Möglichkeit miteinander verbunden werden, um einheitlich über die Zulässigkeit des Verhaltens zu entscheiden; dies gilt insbesondere für Kontrollen des zweiten Teilinstruments und Kontrollen nach der EU-Fusionskontrolle und der FDI-Screening-Verordnung.
Grundsätzlich sollten die Teilinstrumente an angemessene Schwellenwerte geknüpft werden, damit sie sich auf die Sachverhalte beschränken, denen das Risiko einer erheblichen Wettbewerbsverzerrung anhaftet. Die vorgeschlagene allgemeine de minimis-Grenze für prüfungsrelevante drittstaatliche
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Zuwendungen in Höhe von 200.000 Euro erscheint hierfür zu niedrig angesetzt. Sie lässt, speziell im Hinblick auf die vorgeschlagenen Präventivkontrollen, befürchten, dass eine Flut von zu prüfenden Sachverhalten personelle und fachliche Ressourcen der Europäischen Kommission von den Fällen mit erheblichem Verzerrungsrisiko für den Wettbewerb abzieht.
Um Transparenzdefiziten hinsichtlich der Finanzierung drittstaatlich kontrollierter Unternehmen (stateowned enterprises, SOE) zu begegnen, sollte vermutet werden, dass diese Unternehmen Drittstaatssubventionen erhalten, wenn an ihnen ein Drittstaat oberhalb eines bestimmten Schwellenwertes, zum Beispiel 20 Prozent, beteiligt ist. Auch die Monopolkommission spricht sich in ihrem XXIII. Hauptgutachten für eine solche Vermutung aus.
Erstes Teilinstrument – Allgemeine Nachkontrolle
Die sachlich unbeschränkte Nachkontrolle des ersten Teilinstruments darf nicht dazu führen, dass Entscheidungen oder Schwellenwerte der Präventivkontrollen der anderen vorgeschlagenen Teilinstrumente ausgehebelt werden. Sachverhalte, die den im Weißbuch vorgeschlagenen Präventivkontrollen unterliegen, dürfen dementsprechend nicht im Hinblick auf dieselben Bedenken einer erneuten Nachkontrolle durch das erste Teilinstrument unterliegen. Andernfalls würden Rechtssicherheit und legitimes Vertrauen in die Bestandskraft von Entscheidungen untergraben.
Im Rahmen der Nachkontrolle des ersten Teilinstruments sollten auch Privilegierungen (Maßnahmen, die besonderen oder ausschließlichen Rechten gleichkommen) des subventionierten Unternehmens in drittstaatlichen, unter anderem heimatlichen Märkten, berücksichtigt werden, wenn sie einen künstlichen Wettbewerbsvorteil im Binnenmarkt erzeugen. Weiterhin müssen die von der Europäischen Kommission ergriffenen Maßnahmen zum Ausgleich der Subventionierung (Abhilfemaßnahmen) verhältnismäßig ausgestaltet und angewendet werden. Grundsätzlich sollte eine Drittstaatssubvention, wie im EU-Beihilfenrecht, verzinst zurückgezahlt werden. Es kommt aber auch eine entsprechende Ausgleichszahlung durch das subventionierte Unternehmen an den EU-Haushalt in Betracht. Entflechtungen und andere in die Unternehmensstruktur eingreifende Maßnahmen müssen klar als Ultima Ratio-Maßnahmen definiert sein. Das erste Teilinstrument sollte zudem auch Möglichkeiten zum Erlass von Leitlinien und Empfehlungen enthalten.
Zweites Teilinstrument – Präventivkontrolle für Erwerbe von Anteilen, Stimmrechten oder „sonstiger Kontrolle“ an EU-Unternehmen
Die Präventivkontrolle des Erwerbs von Anteilen, Stimmrechten oder „sonstiger Kontrolle“ an EU-Unternehmen durch Unternehmen, die drittstaatliche Zuwendungen erhalten, sollte konform zu den bestehenden (Präventiv-)Kontrollen der EU-Fusionskontrolle und solchen nach der FDI-Screening-Verordnung ausgestaltet werden. Die für das zweite Teilinstrument vorzusehenden Fristen sollten denen der EU-Fusionskontrolle entsprechen. Im Übrigen sollten im Falle von parallelen Prüfungen nach diesen Präventivkontrollen auch die Verfahren von Beginn an – mit der verfahrenseinleitenden Notifizierung – miteinander verbunden werden. Hierdurch würden Belastungen der beteiligten Unternehmen und Gefahren widersprüchlicher Entscheidungen reduziert. Abhilfe im Rahmen des zweiten Teilinstruments sollte vorrangig durch Verpflichtungsangebote der potenziellen Erwerber gesucht werden, Untersagungsentscheidungen sollten nur als Ultima Ratio-Maßnahmen in Betracht kommen.
Drittes Teilinstrument – Präventivkontrolle für Gebote im Rahmen öffentlicher Auftragsvergaben
Der BDI begrüßt grundsätzlich, dass mit dem vorgeschlagenen Instrument auch eine ungerechtfertigte Subventionierung seitens Drittstaaten bei Angeboten im Rahmen von öffentlichen Auftragsvergaben
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bekämpft werden soll. Allerdings erscheint bezüglich des dritten Teilinstruments eine nennenswerte Überarbeitung des bisherigen Vorschlags des Weißbuchs notwendig. Während der bisherige Vorschlag im Hinblick auf einzelne Vergaben einen sehr hohen und teilweise unvertretbaren bürokratischem Aufwand verursachen würde, sollte die generelle Ausrichtung des Instruments eher weniger am einzelnen Vergabeverfahren orientiert und mehr im Hinblick auf eine systemische Bewertung auf Sektor-Ebene ausgerichtet werden.
Die im Weißbuch vorgeschlagene Notifizierungspflicht erscheint, insbesondere unter Berücksichtigung der Sanktionen bei Nichterfüllung (Geldbußen bis zu 10 % des Konzernumsatzes), unverhältnismäßig und teils zu weitgehend. Nach dem Weißbuch sollen Bieter beziehungsweise Unternehmen bei Angebotsabgabe nicht nur drittstaatliche Zuwendungen an sich selbst, sondern auch drittstaatliche Zuwendungen an alle Mitglieder ihres Konsortiums, alle ihre Unterauftragnehmer und alle ihre Lieferanten (im Folgenden: Dritte) notifizieren. Erstens haben Unternehmen gegenüber Dritten nicht die gleichen Informations- und Ermittlungsbefugnisse wie staatliche Stellen, weshalb sie auf die Vollständigkeit und Richtigkeit der von den Dritten erhaltenen Angaben vertrauen müssen. Eine Sanktion der Bieter im Falle von fehlerhaften oder unvollständigen Angaben dieser Dritten wäre daher unsachgemäß. Zweitens erscheint der Umfang der Notifizierung für alle drittstaatlichen Zuwendungen an Dritte bei allen Arten von öffentlichen Auftragsvergaben unverhältnismäßig angesichts des damit verbundenen Aufwands der Unternehmen. Das dritte Teilinstrument des Weißbuches sollte daher beim Umfang der Notifizierungspflicht von Bietern zwischen öffentlichen Auftragsvergaben, die mit EU-Finanzmitteln gefördert werden und solchen ohne Förderung mit EU-Finanzmitteln, differenzieren.
Bei öffentlichen Auftragsvergaben, die nicht durch EU-Finanzmittel gefördert werden, sollte erwogen werden, die Notifizierungspflicht bei drittstaatlichen Zuwendungen an Mitglieder eines Konsortiums auf die Mitglieder des Konsortiums sowie wesentliche Unterauftragnehmer und Lieferanten wie unmittelbare Unterauftragnehmer und Lieferanten zu begrenzen.
Bei öffentlichen Auftragsvergaben, die durch EU-Finanzmittel gefördert werden, besteht hingegen ein größeres Potential für Wettbewerbsverzerrungen. Hier würde nicht nur der Wettbewerb zwischen den Bietern bei der Auftragsvergabe beeinträchtigt, sondern auch der Wettbewerb um den Erhalt der begrenzten EU-Fördermittel für Projekte (im Rahmen der Auftragsdurchführung). Deshalb wäre für solche Drittstaatssubventionen eine umfassendere Notifizierungspflicht geeignet.
Die Zuständigkeit für das dritte Teilinstrument sollte nicht den mitgliedstaatlichen Behörden obliegen, da hierdurch eine inkohärente Entscheidungspraxis entstehen könnte. Der durch die Haushaltspolitiken der Mitgliedstaaten ausgelöste Druck zu sparen, könnte sich zudem negativ auf die Beurteilung von Drittstaatssubventionen in öffentlichen Auftragsvergaben auswirken. Die Europäische Kommission sollte für die Bewertung und Entscheidungsfindung ausschließlich zuständig sein. Dies würde die Kohärenz der Entscheidungen gewährleisten und zudem Synergieeffekte durch die Expertise der Europäischen Kommission im Beihilfenrecht ermöglichen.
Zusätzlich zu der vorgeschlagenen Präventivkontrolle – also der Vorabkontrolle einzelner, konkreter öffentlicher Auftragsvergaben – sollte es auch möglich sein, im Nachhinein die allgemeinen Wettbewerbsbedingungen in Beschaffungsmärkten im Hinblick auf ihre Beeinflussung durch Drittstaatssubventionen zu betrachten. Hierfür sollten auch spezielle Maßnahmen, wie der Erlass von Leitlinien oder Empfehlungen, vorgesehen werden. Ergibt eine nachgelagerte Betrachtung, dass ein konkretes, drittstaatlich subventioniertes Unternehmen wiederholt den Wettbewerb der Bieter negativ beeinflusst hat, sollte es zudem möglich sein, dieses Unternehmen von zukünftigen öffentlichen Auftragsvergaben auszuschließen. Im Übrigen schlagen wir eine spezielle Vermutung im Anwendungsbereich des dritten