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Investment Screening

– Es muss eine gewisse Flexibilität in der Überwachung der Safeguards gegeben sein, um auch kurzfristig auf sich ändernde Bedingungen zu reagieren. Hier wird von interessierter Seite zum

Teil eine engere Überwachung der Entwicklungen auf der Importseite von der Europäischen

Kommission vorgeschlagen. Gleichzeitung darf aber auch die notwendige Planungssicherheit für die Wirtschaftsbeteiligten nicht außer Acht gelassen werden.

– Die Vorgaben in der EU-Schutzklausel-Grundverordnung, die beschreiben, in welchen Fällen

Safeguards auf Einfuhren aus Entwicklungsländern anzuwenden sind, sollten konsequent durchgeführt werden. Allerdings sollte die EU sowohl das Unionsinteresse als auch entwicklungspolitische Erwägungen in die Entscheidungsfindung einfließen lassen.

– Nicht immer werden Safeguards in Drittländern im Einklang mit den Regeln der WTO ergriffen.

Einige Branchen melden, dass sie sich in Drittstaaten regelmäßig mit Untersuchungen oder Safeguards oder gar Retorsionsmaßnahmen konfrontiert sehen. Die EU sollte den Einsatz von Safeguards von Drittstaaten in Abstimmung mit der Wirtschaft aufmerksam beobachten und bei neuen Untersuchungen die betroffenen EU-Unternehmen dabei unterstützen, entschieden gegen offensichtlich rechtswidrige und unzulässige Maßnahmen vorzugehen (zum Beispiel Streitschlichtungsverfahren).

– Die Notifizierung von Safeguards bei der WTO und die dadurch erzeugte Transparenz ist von hoher Bedeutung, um sich im Außenhandel auf die veränderte Situation einstellen und sich gegebenenfalls frühzeitig an Untersuchungsverfahren beteiligen zu können. Grundsätzlich wird die

Notifizierung von Safeguards für angemessen gehalten. Es ist vielmehr ein Problem, dass nicht alle Länder ihrer Notifizierungspflicht nachkommen. Ein effektiverer Durchsetzungsmechanismus einschließlich stärkerer Anreize zur Notifizierung sollte seitens der WTO vorgenommen werden.

Investment Screening

Status quo

Die deutsche Wirtschaft ist über Direktinvestitionen im Ausland weltweit vernetzt. Über acht Millionen Arbeitnehmer sind im Ausland für Unternehmen beschäftigt, an denen deutsche Investoren maßgebliche Anteile halten. Andererseits ist der Standort Deutschland aber auch auf das Vertrauen von Investoren aus dem Ausland angewiesen. In Deutschland arbeiten 3,2 Millionen Arbeitnehmer für 16.817 Unternehmen, an denen ausländische Investoren beteiligt sind (2018). Investitionen und Übernahmen aus Drittstaaten in Deutschland haben hierzulande in den letzten Jahren allerdings auch zu kontroversen Diskussionen geführt. In Deutschland führten unter anderem die Übernahme des deutschen Roboterherstellers KUKA sowie der chinesische Einstieg bei Unternehmen der Automobilindustrie zu kontroversen Diskussionen. Die Bestände chinesischer Direktinvestitionen im Ausland haben sich in den letzten zehn Jahren (2009 bis 2019) laut UNCTAD etwa verzehnfacht.31

Befürworter einer verschärften staatlichen Investitionskontrolle warnen vor einer Gefährdung von Sicherheit und öffentlicher Ordnung, die mit ausländischen Investitionen einhergehen können. Außerdem sehen sie die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts in Gefahr, wenn sich ausländische

31 UNCTAD, <http://unctadstat.unctad.org> (eingesehen 01.09 2020).

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Investoren durch Zukäufe Zukunftstechnologien aneignen. Auch wird überlegt, wie man durch Stärkung der eigenen Eingriffsrechte andere Staaten zur Einlenkung in politischen Fragen bewegen kann („Reziprozität“).

Als Reaktion auf die Debatte hat die Bundesregierung 2017, 2018 und 2020 ihre Möglichkeiten zur Kontrolle und Untersagung ausländischer Investitionen trotz des starken Protests von Wirtschaftsvertretern ausgeweitet. Etwa wurde für Unternehmensübernahmen bei kritischen Infrastrukturen eine Meldepflicht eingeführt. Im Frühjahr 2020 wurden als Reaktion auf die Coronapandemie im Rahmen der 15. Novelle der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) Unternehmen der industriellen Gesundheitswirtschaft (iGW) mit aufgenommen. Auch wurde die Beteiligungsschwelle, oberhalb derer Investitionen aus Drittländern untersagt werden können, bei kritischen Infrastrukturen von 25 Prozent auf zehn Prozent abgesenkt. Für den restlichen Jahresverlauf sind im Rahmen einer 17. AWV-Novelle weitere Ausweitungen der staatlichen Eingriffsrechte auf bestimmte Technologiebranchen geplant.

Auch die Europäische Union arbeitet an einer strikteren Kontrolle von Investitionen aus Drittstaaten. Im Oktober 2020 trat in den Mitgliedsstaaten der EU eine bereits 2019 beschlossene EU-Verordnung zum europaweiten Umgang mit Investitionskontrollen in Kraft. Damit hat die EU ein europäisches Rahmenwerk für Investitionskontrollen geschaffen. Die Verordnung legt die Grundlagen für einen systematischen Informationsaustauch zwischen den Mitgliedsstaaten untereinander und mit der Europäischen Kommission zu Übernahmen aus Drittländern. Dabei betont die Verordnung ausdrücklich, dass als Grund für Einschränkungen ausländischer Investitionen allein die Bedrohung der nationalen Sicherheit in Frage kommt und dass die letztliche Entscheidung über Einschränkungen spezifischer Investitionen immer in der Hand der Mitgliedstaaten liegt. Im Frühjahr 2020 forderte die Europäische Kommission die Mitgliedstaaten außerdem ausdrücklich auf, ihre rechtlichen Instrumente zur Investitionskontrolle zum Einsatz zu bringen, um strategisch relevante Übernahmen von Unternehmen im Gesundheitssektor aus Drittstaaten kritisch zu überprüfen. Die EU ist in den letzten Monaten erste Schritte in Richtung eines europäisch abgestimmten Umgangs mit Investitionen aus Drittstaaten gegangen. Es bleibt abzuwarten, wie weitere Schritte in Richtung einer größeren Geschlossenheit Europas im Umgang mit Investoren aussehen werden.

Nachvollziehbare sicherheitspolitische Bedenken müssen allerdings gegenüber wirtschaftlichen Risiken abgewogen werden. Deutschland und Europa profitieren erheblich von offenen Märkten für Waren, Dienstleistungen und Investitionen.32 Staatliche Investitionskontrollen sind ein tiefer Eingriff in Eigentumsrechte und Vertragsfreiheit und Grundpfeiler unserer erfolgreichen sozialen Marktwirtschaft. Außerdem sind neue Restriktionen für Investitionen aus dem Ausland (Foreign Direct Investment, FDI) auch deshalb schmerzhaft, weil FDI ohnehin immer stärker von den Wachstumsmärkten in Asien angezogen werden. Hinzu kommt, dass die weltweite Welle des Protektionismus auch vor den Investitionen keinen Halt macht. Der letzte Bericht der UNCTAD zur internationalen Investitionspolitik zeigt, dass zuletzt ein Drittel (34 %) der weltweiten investitionspolitischen Maßnahmen Investitionen

32 Die Auslandsumsätze, die deutsche Unternehmen über ihre Standorte im Ausland erzielen, übersteigen die Exporte Deutschlands um etwa das Doppelte. In ähnlicher Weise sind ausländische Unternehmen bei uns engagiert. Allein in Deutschland arbeiten 3,2 Millionen Arbeitnehmer für 16.817 Unternehmen, an denen ausländische Investoren beteiligt sind (2018). Das ausländische Engagement in Deutschland geht allerdings zurück. Im Jahr zuvor (2017) waren es noch 17.167 Unternehmen. Auch die Anzahl der Unternehmen in chinesischer Hand und die Zahl der dort Beschäftigten war zuletzt rückläufig. Quelle: Deutsche Bundesbank, Direktinvestitionsstatistiken, <https://www.bundesbank.de/resource/blob/804098/507b44231439ce3bf4402a9c5d1d084f/mL/ii-bestandsangaben-ueber-direktinvestitionen-data.pdf> (eingesehen am 07.12.2020).

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einschränkten.33 Im Zuge der Coronapandemie hat sich dieser Trend weiter verschärft, auch, weil viele Staaten die Kontrolle über die Produktion gesundheitsrelevanter Güter sicherstellen wollten. Die schärferen Gesetze spiegeln sich schon heute in der Praxis der Staaten im Umgang mit ausländischen Investitionen wider.34 Weltweit wurden laut UNCTAD im Jahr 2018 zum Schutz der nationalen Sicherheit dreimal so viele Übernahmen untersagt wie im Vorjahr.35 Die überwiegend sicherheitspolitisch motivierten Restriktionen für Auslandsinvestitionen verstärken den weltweiten Trend rückläufiger FDIStröme, der sich im Zusammenhang mit der Coronapandemie im Jahresverlauf 2020 bereits beschleunigt hat. Die FDI-Ströme in die Industrieländer gingen beispielsweise im ersten Halbjahr um 75 Prozent zurück.36

Gleichzeitig müssen Berlin und Brüssel aber im Umgang mit ausländischen Investoren Sicherheit und öffentliche Ordnung gewährleisten. Die staatliche Kontrolle von Übernahmen sicherheitsrelevanter Unternehmen etwa von Kriegswaffen oder Infrastrukturen ist EU-rechtlich gleichermaßen zulässig wie ordnungspolitisch notwendig, muss aber jeweils Gegenstand einer nachvollziehbaren sicherheitspolitischen Güterabwägung sein. Zur präzisen Abgrenzung derartiger Sektoren ist allerdings ein kontinuierlicher Dialog zwischen Wirtschaft, Sicherheits- und Außenwirtschaftspolitik notwendig, da Technologien und Bedrohungsszenarien sich im Zeitverlauf ändern. Über den Schutz der öffentlichen Sicherheit hinausgehende, industriepolitisch motivierte Eingriffe in Privateigentum und die Vertragsfreiheit lehnt der BDI ab. Denn die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft der deutschen Industrie basieren auf dem Schutz von Privateigentum und Vertragsfreiheit, nicht auf dem staatlichen Schutz bestimmter Technologien. Deutschland darf sich deshalb nicht an der Beschleunigung einer Spirale des Investitionsprotektionismus beteiligen.

Empfehlungen

▪ Ausländische Investitionen sind in Deutschland willkommen. Sie schaffen Wohlstand und Arbeitsplätze. In Deutschland arbeiten drei Millionen Arbeitnehmer für Unternehmen in ausländischer

Hand. Deutschland profitiert in hohem Maße von offenen Grenzen.

▪ Die gegenwärtig im Außenwirtschaftsgesetz (AWG) und in der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) verankerten Kontrollmechanismen zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sind vollkommen ausreichend. Darüber hinaus können auch die allgemeinen Gesetze zur Regulierung der

Wirtschaft (zum Beispiel Wettbewerbsrecht) negative Auswirkungen der wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen verhindern.

▪ Der BDI ist gegen die Nutzung von Investitionskontrollen zur Erreichung industriepolitischer Ziele. Eine grundsätzliche Ausweitung des Eingriffskriteriums „Schutz der öffentlichen Ordnung und

33 Das ist der höchste Stand seit vielen Jahren. Sowohl UNCTAD als auch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) stellen einen Trend in den G20-Staaten fest, den Rahmen für staatliche Investitionsprüfungen zu verbreitern. Quelle: UNCTAD, Investment Policy Monitor Issue 23, <https://unctad.org/system/files/official-document/diaepcbinf2020d1_en.pdf> (eingesehen am 07.12.2020). 34 OECD/UNCTAD, Twenty-fourth Report on G20 Investement Measures, <https://www.wto.org/english/news_e/news20_e/g20_oecd_unctad_report_nov20_e.pdf> (eingesehen am 07.12.2020). 35 UNCTAD, Investment Policy Monitor Issue 23, <https://unctad.org/system/files/official-document/diaepcbinf2020d1_en.pdf> (eingesehen am 07.12.2020). 36 Für das Jahr 2020 rechnet die UNCTAD mit einem Rückgang der weltweiten Investitionsströme von bis zu 40 Prozent. Quelle: UNCTAD, Investment Trends Monitor Issue 36, <https://unctad.org/webflyer/global-investment-trends-monitor-no-36> (eingesehen am 07.12.2020).

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