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Exportkontrolle

der Zivilgesellschaft bei der Überwachung, „naming and shaming“ etc.) und Unterstützung für den Partner setzt. Die Durchsetzung von Nachhaltigkeitskapiteln von Freihandelsabkommen sieht der BDI weiterhin kritisch. Auch der CTEO sollte auf Basis der Durchsetzungsverordnung nicht über das in Freihandelsabkommen festgelegte Regelwerk hinaus aktiv werden können.

▪ Um das Unionsinteresse vollständig zu erfassen, sollten die betroffenen Wirtschaftsbeteiligten frühzeitig und angemessen in Einzelverfahren eingebunden werden.

▪ Die EU sollte bei der Anwendung der Durchsetzungsverordnung darauf achten, dass sie das WTO-

Recht nicht untergräbt.

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Status quo

Wegen sich zunehmend ausdifferenzierenden Genehmigungsanforderungen sind faire Rahmenbedingungen für die deutsche Industrie auch in der Exportkontrolle wichtig. Hier herrscht konkreter Handlungsbedarf in zwei Bereichen. Die Verschärfungen in der US-Exportkontrolle zur Bekämpfung der zivil-militärischen Integration in China setzen auch die global vernetzte deutsche Industrie unter Druck. Die US-amerikanische Reaktion auf Pekings Verhalten drohte in den letzten Jahren auf das Entstehen exklusiver Wirtschaftshemisphären hinzuwirken. Der Wunsch, sich vor Technologiepiraterie zu schützen, birgt die plausible Gefahr, die Innovationskraft von Unternehmen zu hemmen und damit deren Wettbewerbsfähigkeit zu schädigen. Aufgrund der extraterritorialen Anwendung des US-Exportkontrollrechts besteht hier das Potential, dass Lieferketten dauerhaft umgestaltet werden müssen. Ein sozusagen ausfuhrkontrollrechtlich halbsanktionierter Raum hätte jedoch negative Auswirkungen auf effiziente Wertschöpfungsketten und würde zu Wohlstandsverlusten führen. Darüber hinaus ist die Ausfuhrkontrollpraxis im europäischen Binnenmarkt auch nach der politischen Einigung zwischen den europäischen Kogesetzgebern zur Verordnungsreform über die Ausfuhr von doppelverwendungsfähigen Gütern immer noch nicht einheitlich. Zudem wurde verpasst, die europäische Ausfuhrkontrolle zukunftsfest zu machen. Besonders bei der Ausfuhrkontrolle von Zukunfts- und Basistechnologien besteht Nachbesserungsbedarf, damit die EU die rechtlichen Mittel zur Hand hat, um bei plurilateralen Kontrollinitiativen ihre Interessen und die Interessen ihrer Wirtschaftsbeteiligten effektiv zu vertreten.

1. Verschärfungen in der US-Exportkontrolle

Die USA haben unter der letzten Administration den ausfuhrkontrollrechtlichen Trend der ObamaJahre fortgesetzt und einige Verschärfungen eingeführt. Es ist sehr wahrscheinlich, dass auch unter der Biden-Administration Kontrollen weiter ausgebaut werden. Der treibende Faktor für die Verschärfung der US-Exportkontrolle ist Chinas zivil-militärische Integration („civil military fusion“) – also die aufgehobene Trennung zwischen einer zivilen Sphäre einerseits und einer militärischen Endverwendung andererseits. Wenn Wirtschaftsbeteiligte nicht mehr zwischen ziviler und militärischer Endverwendung bei ihren Kunden unterscheiden können, sind verschärfte Kontrollen dringend geboten. Zwei auf dem Verordnungswege verabschiedete Verschärfungen sind hier besonders erwähnenswert.

Verschärfungen gegen China, Russland und Venezuela

Im Sommer 2020 veröffentlichte das Bureau of Industry and Security (BIS) Verschärfungen, die nun bei bestimmten Verbringungen mit Bezug zu China, Russland oder Venezuela greifen (Expansion of Export, Reexport, and Transfer (in-Country) Controls for Military End Use or Military End Users in the

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People’s Republic of China, Russia, or Venezuela16). Diese Regulierung erweitert signifikant den Anwendungsrahmen der US-Exportkontrolle in Bezug auf den Endverbleib, erweitert den Anwendungsrahmen für die Evaluierungskategorie „regional stability“ und verschärft die Offenlegungspflichten für Exporte nach China, Russland und Venezuela. Grundsätzlich untersagt das BIS in der Neufassung von § 744.2117 der Export Administration Regulations (EAR) die Ausfuhr, den Reexport und den nicht grenzüberschreitenden Transfer von Gütern für den Fall, dass Ausführende nach US-Recht Kenntnis haben sollten, dass diese Güter einem kontrollierten militärischen Endverwender oder Endverbleib zugeführt werden könnten. Zusätzlich zu Gütern, die in der Commerce Control List (CCL) aufgeführt sind, wird in §744 EAR (Control Policy) für die genannten Staaten eine sogenannte „Ergänzung Nummer 2“ vorgenommen, die weitere neun gesonderte Güterkategorien aus dem Bereich der Zukunftsund Basistechnologien umfasst – beispielsweise Sensorik – und Lasertechnologie oder Antriebstechnologie.

Kontrolle von Zukunfts- und Basistechnologien

Die Exportkontrolle dient außerhalb der Nicht-Verbreitung von Massenvernichtungswaffen in allen Staaten auch einem weiteren Aspekt der nationalen Sicherheit. Besonders die US-amerikanische Exportkontrolle ist darauf ausgerichtet, Dritten den Zugang zu sicherheitsrelevanten Technologien der jüngsten Generation so lang wie möglich zu verwehren. Ziel ist nicht die technologische Abschottung, sondern die Sicherstellung eines technologischen Vorsprungs. Vor diesem Hintergrund ist auch die Diskussion zur Kontrolle von Zukunfts- und Basistechnologien zu bewerten. Mit dem 2018 John S. McCain National Defence Authorization Act wurde die Kontrolle dieser Technologien erstmalig im USAusfuhrkontrollrecht integriert. Anfänglich waren die Befürchtungen enorm, dass die extraterritorialen Erfahrungen mit der damaligen US-Administration auch auf die Exportkontrolle übertragbar sein könnten. Doch obwohl die Instrumente zur unilateralen und extraterritorialen Anwendung der Exportkontrolle vorliegen, ist dieses Extremszenario nicht eingetreten. Im Gegenteil: Im Dezember 2019 konnten sich die 42 Mitgliedsstaaten des Wassenaar-Arrangements zur Kontrolle konventioneller Waffen und doppelverwendungsfähiger Güter auf sechs neue Eintragungen auf der gemeinsamen Kontrollliste einigen, die in den Bereich der Zukunftstechnologien fallen. Dies sind auch im US-amerikanischen Fall die bisher einzigen Listungen in diesem Bereich. Dieser multilaterale Ansatz ist ermutigend, es besteht jedoch weiterhin ein realistisches Szenario, bei dem Verzögerungen im Wassenaar-Prozess schlimmstenfalls zu unilateralen Maßnahmen Washingtons führen könnten. Wahrscheinlich ist dabei die Möglichkeit plurilateraler Initiativen außerhalb des Wassenaars im Rahmen einer Koalition der Willigen.

2. Reform der EU-Verordnung zur Ausfuhrkontrolle doppelverwendungsfähiger Güter

Ende 2020 haben sich die europäischen Kogesetzgeber nach mehr als fünf Jahren auf eine Reform der EU-Dual-Use-Verordnung geeinigt. Ziel der Reform war ein stärkerer Beitrag der Ausfuhrkontrolle zum Schutz von Menschenrechten. Tatsächlich musste die Exportkontrolle nach dem arabischen Frühling an ein verändertes technologisches und sicherheitspolitisches Umfeld angepasst werden. Behörden in den betroffenen Staaten nutzten telekommunikationstechnische Überwachungsgüter (TKÜ), um soziale Netzwerke auszuspähen und verübten gezielt Menschenrechtsverletzungen (Identifikation von Protestierenden, Verschleppung, Folter, gezielte Tötungen etc.) zur Einschüchterung und Unterdrückung der Protestierenden.

16 BIS: 15 CFR Parts 732, 734, 738, 742, 744, 758, and 774, Federal Register 85 (82), 28. April 2020, Rules and Regulations, S. 23459-23470. 17 Dieser Paragraph trägt den folgenden Titel: “Restrictions on Certain ‘Military End Use’ or ‘Military End User’ in the People’s Republic of China, Russia, or Venezuela”.

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Als Beitrag zum Reformprozess hatte die deutsche Industrie eine EU-autonome Liste vorgeschlagen. Diese hätte Klarheit für die Wirtschaftsbeteiligten geschafften und wäre darüber hinaus ein effektives Instrument in einer strategisch ausgerichteten europäischen Außenpolitik gewesen. Eine solche Liste hätte einen unilateralen Eingriff außerhalb des Wassenaar-Prozesses dargestellt, wäre jedoch in Deutschland und Europa rechtlich keine Seltenheit. Damit eine europäische Verordnung den multilateralen Nicht-Verbreitungsregimen keinen Schaden zufügt, setzte sich der BDI für eine Selbstverpflichtung der im Wassenaar-Arrangement vertretenen EU-Mitgliedsstaaten ein. Diese sollten mit einer Stimme eine multilaterale Listung vorantreiben. So wäre ein befristeter Mechanismus sichergestellt, durch den die europäische Exportkontrolle an multilaterale Prozesse gekoppelt bliebe. Die europäischen Gesetzgeber haben sich jedoch mit dem Konzept einer listenbasierten Catch-All rechtspraktisch auf eine eklektische Einmallösung geeinigt. Von diesem Instrument abgedeckte Güterkategorien können durch Konsens der Mitgliedsstaaten erweitert werden. Mehr als in die Zukunft verweist diese Einigung auf den beschwerlichen Verhandlungsprozess der letzten Jahre. Es existiert somit kein Mechanismus, mittels dessen die EU ein Instrument zur Interessensdurchsetzung bei plurilateralen Kontrollinitiativen hätte. Zudem wurde der ungleichen Ausfuhrkontrollpraxis im Binnenmarkt kein Ende gesetzt. Zwar sollen Transparenzregeln und Maßnahmen zu einer verbesserten Kooperation zwischen den Behörden der Mitgliedsstaaten den Weg für eine europäisierte Exportkontrolle ebnen. Von gemeinsamen Kontrollstandards ihrer Mitgliedsstaaten ist die EU jedoch noch weit entfernt.

Empfehlungen

▪ Weil bei chinesischen Endverwendern kaum noch zwischen zivilen und militärischen Endverwendern unterschieden werden kann, stellt Pekings Verhalten eine Herausforderung für internationale

Ausfuhrkontrollen dar. Chinas Verhalten erzwingt eine internationale Reaktion. Dabei sollten multilaterale Lösungsansätze im Vordergrund stehen. Diese sind effektiv und ermöglichen Wirtschaftsbeteiligten eine rasche Operationalisierung.

▪ Die transatlantischen Partner sollten gemeinsame Interessen in der Sicherheitspolitik auch gemeinsam verfolgen. Die deutsche Industrie erkennt an, dass sich die Staaten des liberal-demokratischen

Westens an die veränderte sicherheitspolitische Sachlage durch den Systemwettbewerb mit der

Volksrepublik China anpassen müssen. Die transatlantischen Partner sollten sich bei Güterkontrollen auf eine enge Zusammenarbeit in der Zukunft einigen. Eine koordinierte Ausfuhrkontrollpraxis könnte zudem wichtige Impulse in der multilateralen Ausfuhrkontrolle setzen.

▪ Um Einfluss zu behalten und um Gestaltungskraft im Sinne der europäischen Wirtschaftsbeteiligten auszubauen, sollte die europäische Exportkontrolle dringend an die veränderte geopolitische Wetterlage angepasst werden. Konkret fordert die deutsche Industrie daher eine Qualifizierung EU-autonomer Kontrollen äquivalent zur 0Y521-ECCN Series in den USA. So wäre ein befristeter Mechanismus sichergestellt, durch den die europäische Exportkontrolle an die Prozesse im Wassenaar-

Arrangement gekoppelt bliebe.

▪ Qualifizierte EU-autonome Kontrollen wären kein rechtliches Neuland. Wie in den USA, sollten europäische Sondereingriffe eine Selbstverpflichtung zur Einbringung derart gelisteter Güter in den

Wassenaar-Prozess umfassen. Auf diesem Weg könnten in Zukunft politische Konflikte um die europäische Exportkontrolle vermieden werden. Zudem würde hierdurch ein Ausufern unilateraler

Kontrollen eingehegt.

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