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Annex: Die Europäische Union in der Welt
Sicherheit“ in AWG und AWV auf ökonomische Prüfkriterien kann einer protektionistischen Instrumentalisierung Tür und Tor öffnen.
▪ Die Transparenz und Verlässlichkeit des Prüfverfahrens sollten verbessert werden. Eine transparentere und präzisere Definition dessen, was unter „nationaler Sicherheit und Ordnung“ im Kontext ausländischer Direktinvestitionen zu verstehen ist, kann die Rechtsicherheit für Investoren erhöhen und dadurch für den Standort Deutschland förderlich sein.
▪ Der BDI begrüßt politische Initiativen zum Abbau von Investitionsbeschränkungen. Zur Öffnung von
Auslandsmärkten für Investoren sind Investitionsschutz- und -förderverträge (IFV/BITs) sowie Freihandelsabkommen (FTA) die geeignetsten Instrumente. Auch muss der Dialog in der WTO und innerhalb der Formate der Global Governance wie G7 oder G20 für mehr Offenheit genutzt werden.
Das Androhen der Einführung von Marktzugangsbeschränkungen für ausländische Investitionen („Reziprozität“) ist hingegen ungeeignet, Staaten zur Marktöffnung zu bewegen. Ein „Hase-und Igel-
Rennen“ kann Deutschland nur verlieren.
▪ Eigentumsrechte und Vertragsfreiheit als Grundpfeiler der sozialen Marktwirtschaft in Deutschland sind zu gewährleisten und zu stärken. Die Entscheidung von Eigentümern, an wen sie ihre Unternehmensanteile verkaufen, sollte nicht weiter als bisher eingeschränkt werden.
▪ Die europäische Verordnung zum Umgang mit Auslandsinvestitionen in der EU bringt die Bedürfnisse nach Offenheit und Sicherheit gut in Einklang. Die Verordnung unterstreicht, dass Eingriffe nur zum Schutz der nationalen Sicherheit erfolgen dürfen. Die Entscheidungshoheit über Untersagungen von Investitionen bleibt weiterhin in den Händen der Mitgliedsstaaten. Die Erfahrungen aus dem neu geschaffenen Kooperationsmechanismus der Mitgliedsstaaten können später dazu genutzt werden, um weitere Schritte auf dem Weg hin zu einer abgestimmteren Investitionspolitik der
EU zu prüfen. Einseitige nationale Verschärfungen der Investitionskontrollen über das in der Verordnung vorgegebene Maß sollten nicht zu Wettbewerbsnachteilen am Standort Deutschland führen (Level Playing Field). Außerdem sollte die EU im Interesse von deutschen Investoren und Kapitalsuchenden stärker als globaler Gestalter der internationalen Investitionspolitik auftreten könnten.
Annex: Die Europäische Union in der Welt
Die Europäische Union ist wie kein anderer Staatenverbund mit der Welt vernetzt. Der Anteil der EU am Welthandel ist in den letzten Jahren zwar leicht gesunken, liegt aber weiterhin auf einem hohen Niveau und stellt ein wichtiges Fundament für Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung der EU dar.
Obwohl der Anteil der EU-Bevölkerung bei nur knapp sechs Prozent der Weltbevölkerung liegt37, betrug 2020 der Anteil der Gesamtausfuhren (Waren) der EU an den weltweiten Exporten 31 Prozent (inklusive Intra-EU-Handel). 2020 belegte die Europäische Union damit den ersten Platz vor China (14,7 %) und vor den USA, deren Anteil 8,1 Prozent betrug. Die Gesamteinfuhren (Waren) der EU betrugen 2020 28,8 Prozent der weltweiten Importe (einschließlich Intra-EU-Handel). 2020 lag die Europäische Union also deutlich vor den USA mit 13,5 Prozent. China belegte mit einem Anteil von 11,5
37 Weltbank, Population, total, <https://data.worldbank.org/indicator/SP.POP.TOTL> (eingesehen am 12.04.2021).
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Prozent Platz 3.38 Die Ausfuhren der EU sicherten im Jahr 2017 36 Millionen Arbeitsplätze in Europa. Diese Zahl ist seit dem Jahr 2000 um zwei Drittel gestiegen.39
Die Exportquote der 27 EU-Mitgliedstaaten – das Verhältnis von Exporten von Waren und Dienstleistungen zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) – lag 2020 bei 46,7 Prozent.40 Dies entspricht einem Minus von 2,7 Prozent zum Vorjahr. Doch auch Einfuhren sind wichtig für die EU-27: Die Importquote – das Verhältnis von Importen zum BIP – betrug 2020 42,7 Prozent – ein Minus von zwei Prozent zum Vorjahr. 41 Diese Zahlen unterstreichen die Bedeutung des Handels für die EU. Ersten Schätzungen zufolge betrug die Extra-EU Warenausfuhr im Januar 2021 148,3 Milliarden Euro, ein Rückgang von 10,8 Prozent gegenüber Januar 2020. Die Einfuhren aus der restlichen Welt beliefen sich auf 139,9 Milliarden Euro, ein Rückgang von 16,9 Prozent gegenüber Januar 2020. Die EU registrierte im Januar 2021 einen Überschuss von 8,4 Milliarden Euro im Warenverkehr mit der restlichen Welt. Gegenüber Januar 2020 sank der Intra-EU-Handel im Januar 2021 mit 244,9 Mrd. Euro um - 5,4 Prozent. 42
Bedingt durch die COVID-19-Pandemie haben die Einfuhren und Ausfuhren im Jahr 2020 im Vergleich zu 2019 abgenommen. Die reale BIP-Wachstumsrate verzeichnete aufgrund dessen ein Minus von 6,1 Prozent in 2020.43 Die EU-Ausfuhren haben ein Minus von 9,3 Prozent verzeichnet. Die EU-Einfuhren nahmen ebenfalls im Vergleich zum Vorjahr um - 7,1 Prozent ab. 44 Im Jahr 2020 war China insgesamt der wichtigste Handelspartner der Europäischen Union mit einem Anteil von 16,1 Prozent des gesamten Außenhandels der EU. Die USA (15,2 %) und das Vereinigte Königreich (12,2 %) folgten auf dem zweiten und dritten Platz. Mit einem Anteil von 18,3 Prozent aller EU-Exporte, waren die USA im Jahr 2020 das wichtigste Zielland für europäische Warenausfuhren, gefolgt vom Vereinigten Königreich (14,4 %) und China (10,5 %). Führender Warenlieferant der EU war 2020 weiterhin China mit einem Anteil von 22,4 Prozent aller EU-Importe. Das Volumen der Warenimporte aus China war damit fast doppelt so hoch wie das der USA, die mit 11,8 Prozent als zweitwichtigster Lieferant folgen. Das Vereinigte Königreich (9,8 %) folgt auf Rang drei. 45
38 Welthandelsorganisation, Merchandise exports by product group – annual (Million U.S. Dollar) und Merchandise imports by product group – annual (Million U.S. Dollar), <https://data.wto.org/> (eingesehen am 15.04.2021). 39 Europäische Kommission, Studie: Internationaler Handel sichert über 36 Millionen Arbeitsplätze in der EU, <https://ec.europa.eu/germany/news/20181127-handel-36-millionen-jobs-der-eu_de> (eingesehen am 13.04.2021). 40 Eurostat, Exports of goods and services in % of GDP, <https://ec.europa.eu/eurostat/databrowser/view/tet00003/default/table?lang=en> (eingesehen am 13.04.2021). 41 Eurostat, Imports of goods and services in % of GDP, <https://ec.europa.eu/eurostat/databrowser/view/tet00004/default/table?lang=en> (eingesehen am 13.04.2021). 42 Eurostat, Überschuss des Euroraums im internationalen Warenverkehr in Höhe von 6,3 Mrd. Euro, Pressemitteilung 35/2021, <https://ec.europa.eu/eurostat/documents/2995521/11562995/6-18032021-BP-DE.pdf/cb022f21-7d8c-148f-65380e463c86a782?t=1616088646979 > (eingesehen am 13.04.2021). 43 Eurostat, Real GDP growth rate – volume, < https://ec.europa.eu/eurostat/web/products-datasets/-/tec00115&lang=en> (eingesehen am 21.04.2021). 44 Statistisches Bundesamt, Zusammenfassende Übersichten für den Außenhandel: Vorläufige Ergebnisse, Fachserie 7 Reihe 1, <https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirtschaft/Aussenhandel/Publikationen/Downloads-Aussenhandel/zusammenfassende-uebersichten-jahr-vorlaeufig-xlsx-2070100.html>, (eingesehen am 13.04.2021). 45 Europäische Kommission, Client and Supplier Countries of the EU27 in Merchandise Trade (value%), <https://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2006/september/tradoc_122530.pdf> (eingesehen am 22.04.2021). Alle Zahlen ohne Intra-EU-Handel.
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Haupthandelspartner der Europäischen Union
2020, Anteil am Extra-EU-Handel
andere 31% China 16%
Indien 2%
Südkorea 3%
Norwegen 2%
Japan 3%
Türkei 4%
Russland 5% USA 15%
Schweiz 7% Vereinigtes Königreich 12%
Quelle: Europäische Kommission, Client and Supplier Countries of the EU27 in Merchandise Trade (value%), <https://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2006/september/tradoc_122530.pdf> (eingesehen am 22.04.2021).
In den ersten elf Monaten des Jahres 2020 war China der Haupthandelspartner der EU. Dieses Ergebnis ist auf einen Anstieg der Importe (+ 4,3 %) und der Exporte (+ 1,1 %) zurückzuführen. Gleichzeitig verzeichnete der Handel mit den Vereinigten Staaten einen deutlichen Rückgang sowohl beim Import (- 13, 0 %) als auch beim Export (- 9,3 %).46 Die EU-Warenverkehrsbilanz weist seit 2012 einen kontinuierlichen Überschuss auf. Im Jahr 2019 verzeichnete die EU ein Plus von fast 200 Milliarden Euro. Aufgrund der COVID-19-Pandemie ist der internationale Warenhandel, einschließlich des Warenhandels der EU mit ihren wichtigsten Handelspartnern, insbesondere in der ersten Jahreshälfte 2020, zurückgegangen.
Ausländische Unternehmen besaßen im Jahr 2018 34,2 Prozent des gesamten EU-Vermögens. Europäische Unternehmen besaßen 2018 45,4 Prozent ausländischer Direktinvestitionen. China hingegen erlaubte 2018 lediglich 6,5 Prozent Direktinvestitionen von ausländischen Unternehmen.47 Damit verfügt die EU über eines der offensten Investitionssysteme der Welt. Internationale Investitionen sind ein wichtiger Treiber für Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze. Von den ausländischen Direktinvestitionen, die von Anlegern aus Drittländern gehalten werden (2017: 6,3 Billionen Euro), hängen direkt 16 Millionen Arbeitsplätze in der EU ab. Seit Jahren ist sowohl ein kontinuierlicher Anstieg
46 Eurostat, Überschuss des Euroraums im internationalen Warenverkehr in Höhe von 25,8 Mrd. Euro, Pressemitteilung 10/2021, <https://ec.europa.eu/eurostat/documents/portlet_file_entry/2995521/6-15012021-AP-DE.pdf/c114d653-00f1-5c62-fb408c70195cad76> (eingesehen am 13.04.2021). 47 Europäisches Parlament, Die Europäische Union und ihre Handelspartner, <https://www.europarl.europa.eu/factsheets/de/sheet/160/die-europaische-union-und-ihre-handelspartner> (eingesehen am 13.04.2021).
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ausländischer Direktinvestitionen in europäische Schlüsselsektoren als auch ein Anstieg der Investitionen aus China zu verzeichnen. Zu den traditionellen und größten Investoren mit einem Anteil von 80 Prozent an allen ausländischen Vermögenswerten in allen Sektoren der EU-Wirtschaft gehören die USA (2,2 Bil. Euro), die Schweiz (800 Mrd. Euro), Kanada, Norwegen, Japan und Australien. Investitionen staatlicher Unternehmen aus China, Russland und den Vereinigten Arabischen Emiraten sind besonders stark angestiegen. So tätigten sie 2017 dreimal mehr Unternehmenskäufe als 2007.4849
Die COVID-19-Krise wirkt sich massiv auf den Handel und das Wirtschaftswachstum nicht nur in der Europäischen Union, sondern auf der ganzen Welt aus. Besonders in der frühen Phase der Pandemie im Jahr 2020 kam es zu Produktionsausfällen, die durch Erkrankungen von Angestellten und ein Herunterfahren der Produktion aus Infektionsschutzgründen bedingt waren. Im Verlauf des Jahres stellte sich zwar mehr und mehr eine neue Normalität im Umgang mit der Bedrohung durch die Coronapandemie ein, die wirtschaftliche Erholung auf das Vorkrisenniveau wird sich trotz erwarteten Wirtschaftswachstums allerdings noch hinziehen.
Nachdem im Jahr 2020 das Bruttoinlandsprodukt der Europäischen Union um mehr als sechs Prozent gesunken war, erwartet die Europäische Kommission für die nächsten zwei Jahre wieder ein Wachstum der Europäischen Wirtschaft. Das Bruttoinlandsprodukt soll im Jahr 2021 um 3,7 Prozent und im Jahr 2022 um 3,9 Prozent wachsen. Aufgrund der unterschiedlichen Auswirkungen der Pandemie auf die EU-Mitgliedsstaaten, ist anzunehmen, dass auch die Geschwindigkeit der wirtschaftlichen Erholung innerhalb der EU unterschiedlich sein wird.50
48 Europäische Kommission, Ausländische Direktinvestitionen: Kontinuierlicher Anstieg ausländischen Firmeneigentums in Schlüsselsektoren der EU, <https://ec.europa.eu/germany/news/direktinvestitionen20190313_de> (eingesehen am 13.04.2021). 49 Europäisches Parlament, Ausländische Direktinvestitionen: EU-Interessen schützen, <https://www.europarl.europa.eu/news/de/headlines/economy/20180122STO92231/auslandische-direktinvestitionen-eu-interessen-schutzen> (eingesehen am 13.04.2021). 50 Europäische Kommission, European Economic Forecast, Winter 2021, Institutional Paper 144, February 2021, <https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/economy-finance/ip144_en_1.pdf> (eingesehen am 13.04.2021).