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Antisubventionsverfahren im Güterhandel

▪ Die Verkürzung der Verfahren ist für die meisten Wirtschaftsbeteiligten positiv. Da gerade viele kleine Unternehmen nach wie vor aufgrund des hohen administrativen Aufwands vor AD-Verfahren zurückschrecken – trotz SME Helpdesk20 –, wäre eine weitere Entschlackung und eine zeitliche

Straffung der Verfahren begrüßenswert. Die Kommission muss dabei sicherstellen, dass Antragstellern und interessierten Parteien auch in Zukunft gleichermaßen ausreichend Zeit zur Verfügung gestellt wird, um ihre Interessenlage einzubringen und sich auf etwaige Zölle einstellen zu können.

▪ Handelsschutzmaßnahmen sollten vor ihrem Auslaufen auf Antrag eines Unionsherstellers oder wenn nötig von Amts wegen, das heißt ohne Mitwirkungspflicht für Unternehmen, überprüft werden und, soweit wegen Fortbestands der weltweiten Marktverzerrungen erforderlich, verlängert werden können.

▪ Eine Ausweitung des Antidumpinginstrumentariums auf Dienstleistungen sollte ergebnisoffen geprüft werden.

▪ Wünschenswert wäre es zu untersuchen, ob Umwelt- und Sozialkosten auch bei der Ermittlung des

Normalwerts berücksichtigt werden können, auch in Hinblick auf WTO-Rechtskonformität. Wenn die

EU-Kommission zukünftig Kosten, insbesondere aus dem Emissionshandel und den anstehenden

CO2-Vermeidungskosten, anerkennt, dürfte die Schädigungspanne größer ausfallen.

▪ Die Anwendung der Lesser Duty Rule einzuschränken, wenn Wettbewerbsverzerrungen aufgrund niedrig gehaltener Energie- und Rohstoffpreise bestehen, wird überwiegend als sinnvoll und als

Beitrag gesehen, fairere Wettbewerbsbedingungen herzustellen. Dabei muss das Unionsinteresse berücksichtigt werden.

▪ Wünschenswert wäre eine weitere Standardisierung der einzelnen Etappen im Verfahren, beispielsweise bei der Vorbereitung einer AD-Klage im Sinne der Bereitstellung von Checklisten, Fragebögen und Entscheidungshilfen mit Erläuterungen auf den Internetseiten der Generaldirektion Handel oder der Mitgliedstaaten. Entsprechende Unterstützung wäre im gleichen Umfang für alle Wirtschaftsbeteiligten vorzusehen.

▪ Grundsätzliches Ziel sollte es sein, den Unternehmen ausreichende Informationen zur Verfügung zu stellen, um etwaiger Planungsunsicherheit konstruktiv entgegenzuwirken.

Antisubventionsverfahren im Güterhandel21

Industriesubventionen sind nichts Neues, haben sich aber in den letzten Jahren zu einer zunehmenden Bedrohung für den fairen Wettbewerb auf den globalen Märkten entwickelt. Ähnlich wie bei der Anzahl der Antidumpingfälle, steigt auch die Anzahl der Antisubventionsverfahren stetig. Nach Angaben der WTO haben neue Ausgleichsuntersuchungen unter den Mitgliedsstaaten in den letzten Jahren zugenommen. So wurden im Jahr 2018 55 neue Untersuchungen eingeleitet. Im Jahr 2010 waren es zum

20 Ein Helpdesk stellt Unterstützung für kleine und mittelständische Betriebe zur Verfügung und wurde mit der Reform der ADGVO ausgebaut. 21 Der BDI hat eine ausführliche Position zur Reform des WTO-Übereinkommens über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen veröffentlicht. Das Papier ist unter folgendem Link abrufbar (in englischer Sprache): https://english.bdi.eu/publication/news/reform-of-the-wto-agreement-on-subsidies-and-countervailing-measures/.

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Vergleich nur neun neue Untersuchungen.22 Seit der Gründung der WTO im Jahr 1995 haben die WTO-Mitglieder 604 gegenseitige Ausgleichsuntersuchungen eingeleitet. In 337 Fällen (56 %) wurden Maßnahmen eingeleitet und Ausgleichszölle erhoben (Stand Ende Juni 2020). 23

Gesamtzahl der unter WTO-Mitgliedern eingeleiteten Antisubventionsuntersuchungen (1995-2020)

Diagrammtitel

700

600

500

400

300

200

100

0 10 17 33 58 *Daten bis Ende Juni 2020

99 117 144 153 168 176 182 190 201 217 245 254 279 302 335 380 411 445 486 541 577 604

Quelle: Welthandelsorganisation, Countervailing Initiations: By Reporting Member 01/01/1995 - 30/06/2020, <https://www.wto.org/english/tratop_e/scm_e/CV_InitiationsByRepMem.pdf> (eingesehen am 8. Februar 2021).

Status quo

Das Regelwerk der WTO enthält zwar Regeln für Subventionen. Es fehlt jedoch an kohärenten und umfassenden Regeln, um wirksam gegen marktverzerrende Praktiken vorzugehen, insbesondere im Bereich der Subventionen (über Exportsubventionen hinaus) und besonders im Hinblick auf Subventionen in der Industrie, die Rolle von Staatsunternehmen und erzwungene Technologietransfers. Das WTO-Übereinkommen über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen (Agreement on Subsidies and Countervailing Measures, SCM-Übereinkommen) definiert Subventionen nur vage. Zudem deckt es nur Exportsubventionen und Subventionen ab, die dazu bestimmt sind, das inländische Angebot zu erhöhen oder Importe zu ersetzen.

Darüber hinaus sind die Hürden für die Einführung von Ausgleichszölle hoch: Der Antragsteller trägt die Beweislast für den Nachweis des erlittenen Schadens und muss einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Schädigung und den subventionierten Einfuhren nachweisen. Die undurchsichtige staatliche Finanzierung in einigen Ländern macht dies sehr schwierig. Zudem notifizieren die Mitglieder ihre Subventionen häufig nicht. Die WTO hat wenig Spielraum, um die Länder zu sanktionieren, die ihren Notifikationspflichten nicht nachkommen.

Um diese Regulierungslücke zu schließen, gab die Trilaterale Initiative, bestehend aus der Europäischen Union, den Vereinigten Staaten und Japan, nach einem Treffen in Washington, DC, im Januar

22 Die WTO-Daten stehen nur bis Ende Juni 2019 zur Verfügung; um volle Jahre vergleichen zu können, haben wir hier die Daten für 2018 verwendet. 23 Welthandelsorganisation, Countervailing Initiations: By Reporting Member 01/01/1995 - 30/06/2020, <https://www.wto.org/english/tratop_e/scm_e/CV_InitiationsByRepMem.pdf> und Countervailing Measures: By Reporting Member 01/01/1995 - 30/06/2020, <https://www.wto.org/english/tratop_e/scm_e/CV_MeasuresByRepMem.pdf> (eingesehen am 8. Februar 2021).

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2020 eine gemeinsame Erklärung ab.24 Diese Erklärung umfasste unter anderem Vorschläge einer umfassenden Reform des SCM-Übereinkommens der Welthandelsorganisation, um die staatliche Subventionierung von Industriegütern und deren Exporte genauer zu regeln.

Das SCM-Übereinkommen sieht multilaterale Übereinkünfte vor, die die Gewährung von Subventionen regeln. Es regelt auch den Einsatz von Maßnahmen zum Ausgleich der durch subventionierte Einfuhren verursachten Schäden. Die trilateralen Partner waren sich einig, dass das SCM-Übereinkommen in seiner gegenwärtigen Form „nicht ausreicht, um die markt- und handelsverzerrende Subventionierung“ von Industriegütern in „bestimmten Jurisdiktionen“ zu bekämpfen.

Sie stellten Mängel in mehreren Bereichen fest, für die sie politische Empfehlungen abgeben: Definition und Arten von Subventionen, Benchmarking, Notifizierung und Bedingungen für Ausgleichsmaßnahmen.

Schließlich bekräftigen die Partner ihr Vorhaben, die Arbeit an folgenden Punkten fortzusetzen:

▪ Ermittlung des Umfangs der verbotenen Subventionen sowie weiterer Kategorien „bedingungslos verbotener“ Subventionen;

▪ Ermittlung des Umfangs schädlicher Bestimmungen sowie zusätzlicher Fälle schädlicher Subventionierung;

▪ die Bestimmung, die die Gefahr eines „ernsthaften Schadens“ definiert;

▪ die Definition für öffentliche Körperschaften, da die Partner argumentieren, dass die Auslegung dieses Begriffs für subventionierende Körperschaften durch das WTO-Berufungsgremium unangemessen war und „die Wirksamkeit der WTO-Subventionsregeln untergräbt“.

Empfehlungen

▪ Das Regelwerk der WTO enthält zwar Regeln für Subventionen. Es fehlt aber an kohärenten und umfassenden Regeln, um marktverzerrende Praktiken über den Bereich der Exportsubventionen hinaus wirksam zu bekämpfen. Diese Regulierungslücke muss schnell und zufriedenstellend geschlossen werden.

▪ Der Rahmen für Ausgleichsmaßnahmen (countervailing measures, CVM) sollte gestärkt und seine

Anwendung erleichtert werden. Künftig sollten CVM so gestaltet werden, dass sie den marktverzerrenden Auswirkungen ausländischer staatlicher Unternehmen und von Industriesubventionen besser Rechnung tragen. Dies kann dazu beitragen, Wettbewerbsneutralität zu gewährleisten.25

24 Joint Statement of the Trilateral Meeting of the Trade Ministers of Japan, the United States and the European Union, 14. Januar 2020, <https://ustr.gov/about-us/policy-offices/press-office/press-releases/2020/january/joint-statement-trilateral-meeting-trade-ministers-japan-united-states-and-european-union>. 25 Der BDI schlägt wie BusinessEurope ein SOE-Prinzip vor, das beinhaltet, dass die EU-Politik so gestaltet wird, dass die Auswirkungen von staatlich induzierten Marktverzerrungen durch KMU abgemildert werden: BusinessEurope, The EU and China. Addressing Systemic Challenge, Brussels 2020 <https://www.businesseurope.eu/sites/buseur/files/media/reports_and_stud-ies/the_eu_and_china_full_february_2020_version_for_screen.pdf>.

25

▪ Die EU sollte multilaterale, plurilaterale (im besten Fall im Rahmen der WTO) und bilaterale Anstrengungen (zum Beispiel in Freihandelsabkommen) unternehmen, um neue Regeln für Industriesubventionen und staatseigene Unternehmen zu entwickeln.

▪ Die deutsche Industrie begrüßt die Vorschläge der Trilateralen Initiative (EU, Japan, Vereinigte

Staaten) zu geeigneten Regeln. Sie sind wichtige Schritte zur Wiederherstellung eines fairen Wettbewerbs.

▪ Die EU sollte ihre Ausgleichsmaßnahmen reformieren. Der Rahmen für CVM sollte gestärkt und seine Anwendung erleichtert werden. Künftig sollten sie so gestaltet werden, dass sie den marktverzerrenden Auswirkungen ausländischer staatlicher Unternehmen und Industriesubventionen besser Rechnung tragen.

▪ Wenn das WTO-Übereinkommen über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen nicht multilateral modernisiert werden kann, könnte ein plurilaterales Abkommen ein gangbarer Zwischenschritt sein.

▪ Der BDI begrüßt parallele Untersuchungen zu Dumping und Subventionen, die die Realität der handelsverzerrenden Wirkung von Industriesubventionen widerspiegeln.

▪ Um Ausgleichsmaßnahmen richtig zu steuern, muss die Überwachung und Notifizierung über Industriesubventionen sektorübergreifend deutlich verbessert werden. Die deutsche Industrie befürwortet strengere Regeln für die Notifizierung von Subventionen bei der WTO und einen wirksameren Durchsetzungsmechanismus.

▪ Die deutsche Industrie unterstützt die Einführung neuer bedingungslos verbotener Subventionsarten, wie sie in dem Reformentwurf der Trilateralen Initiative vorgeschlagen werden.

▪ Die deutsche Industrie erkennt die wachsende Bedeutung und den Wert des Handels mit Dienstleistungen an und unterstützt alle Bemühungen innerhalb der WTO, den Verhandlungsprozess über Dienstleistungen voranzubringen.

Abschließend ist anzumerken, dass selbst umfassende Reformen des SCM-Übereinkommens und der CVM-Mechanismen der EU hauptsächlich die Handelsseite betreffen würden. Das Problem der staatlich induzierten Marktverzerrungen im inländischen Wettbewerb, im Wettbewerb auf Drittmärkten, bei Investitionen (einschließlich Fusionen und Übernahmen) oder auch im öffentlichen Beschaffungswesen sollte von der EU nach Möglichkeit ebenfalls parallel angegangen werden. Schließlich wird die EU ihre staatlichen Beihilfeinstrumente neu bewerten und reformieren müssen, um die Industrie bei ihrem Übergang zur CO2-Neutralität und Rohstoffnachhaltigkeit zu unterstützen. Daher sollten neue multilaterale oder plurilaterale Regeln einen spezifischen Rahmen für diese Zwecke bieten. Gemeinsame internationale Antworten auf diese Herausforderung sind besser als nationale Alleingänge.

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