BDI-Reihe Wirtschaftsrecht Ausgabe 01/2023

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WETTBEWERBSRECHT

REGIERUNGSENTWURF ZUR 11. GWBNOVELLE: WEDER RECHTS-KONFORM, NOCH VERFASSUNGSGERECHT

Erheblicher Eingriff in unternehmerische Rechtspositionen und Schaden für den Wirtschaftsstandort Deutschland.

Reihe

S. 12

AUSGABE 1/2023

ZIVILRECHT

UMSETZUNG DER EU-VERBANDSKLAGERICHTLINIE IN DER DEBATTE

Wie wird die deutsche Sammelklage ausgestaltet?

GEWERBLICHER RECHTSSCHUTZ

INNONATION FESTIVAL - READY TO CHALLENGE THE FUTURE?!

Wo steht Deutschland im internationalen Wettbewerb nach dem sog. Innovationsindikator?

S. 18

S. 22

V.
WIRTSCHAFTSRECHT Bundesverband der Deutschen Industrie e.
„Die Politik der Ampel im Wirtschaftsrecht ist eine Enttäuschung für die Wirtschaft und ihre Akteure.“
Statement zur Wirtschaftspolitik –von Prof. Dr. Günter Krings

„Stabil, aber zu wenig dynamisch“: Im Vergleich von 35 Volkswirtschaften liegt Deutschland mit 45 von 100 möglichen Punkten auf Platz 10 des Gesamtrankings bei Innovationen. Damit bewegt sich Deutschland seit 15 Jahre ohne erkennbare Verbesserung kaum von der Stelle. Mit deutlichem Vorsprung führen vor allem kleinere Wirtschaftsnationen wie die Schweiz (71 Punkte), Singapur (65 Punkte) und Dänemark (60 Punkte) die Rangliste an. Zu diesen wenig erfreulichen Resultaten kommt der neue Innovationsindikator 2023, den der BDI gemeinsam mit der Unternehmensberatung Roland Berger beim „InnoNation Festival“ im Mai 2023 vorgestellt haben.

Unter der Marke „InnoNation“ setzt sich der BDI verstärkt für ein zukunftsfähiges und innovatives Deutschland ein. „Innovationen sind entscheidend für die globale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie“, sagt BDI-Präsident Siegfried Russwurm. Denn Deutschland verfügt kaum über eigene Rohstoffe und sollte nicht auf niedrige Arbeitskosten bauen. Nur innovative Produkte sind ein starker Wettbewerbsfaktor im Vergleich zu anderen Ländern.

Mit dieser Zielsetzung haben sich Anfang Mai beim ersten „InnoNation“-Festival des BDI in Berlin mehr als 600 Personen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Unternehmen getroffen, um in zahlreichen Workshops, Panels und Impulsen über Lösungen und Maßnahmen für ein innovatives und zukunftsfähiges Deutschland zu diskutieren.

Die geopolitischen und ökonomischen Verwerfungen sind demgegenüber ernüchternd: So hat sich die Wachstumsrate der Weltwirtschaft von 3,4 % im Vorjahr auf 2,8 % verlangsamt. Die massive Rettung verschiedener EU-Volkswirtschaften durch den Aufkauf von Staatsanleihen, und die damit verbundene Ausweitung der Geldmenge hat zu hohen Verschuldungsquoten nicht nur bei den EU-Ländern geführt. Es entstehen neue Partnerschaften oder vielleicht Abhängigkeiten gegenüber China und Indien. Vor diesem Hintergrund wird es umso deutlicher, dass es besserer Rahmenbedingungen bedarf, damit Innovationskraft nicht durch Bürokratielasten und Überregulierung „aufgezehrt“ wird.

Die geplante EU-Lieferkettenrichtlinie setzt hierfür ein gegenteiliges Beispiel: Für die europäischen Unternehmen ergeben sich aus den geplanten EU-Vorschriften weitreichende Pflichten, finanzielle Sanktionen im Falle von Verstößen sowie unkalkulierbare Haftungsrisiken, die die globale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen stark gefährden.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur 11. GWB-Novelle ist ein massiver Eingriff in unternehmerische Rechtspositionen zum Schaden des Wirtschaftsstandortes Deutschland.

Positiv dagegen hervorzuheben ist, dass das Hinweisgeberschutzgesetz nach langem Ringen zwischen Bundestag und Bundesrat Mitte

Mai beschlossen worden ist und zahlreiche Petita des BDI berücksichtigt worden sind.

Neuen Schwung und Vereinfachung kann die Reform des Beschlussmängelrechts im Aktienrecht bringen. Denn eine moderne und attraktive Hauptversammlung ist ein unerlässlicher Standortfaktor. Bisher ist es bei bloßen Ankündigungen aus dem politischen Lager geblieben.

Hierzu und zu anderen aktuellen Entwicklungen finden Sie Berichte in dieser Ausgabe der Reihe. Besonders hinzuweisen ist auf den Beitrag des rechtspolitischen Sprechers der CDU/ CSU-Fraktion, Prof. Dr. Günter Krings, der einen Überblick zu den aktuellen Schwerpunkten der Opposition im Wirtschaftsrecht für die zweite Hälfte der Legislaturperiode gibt..

Ansprechpartner

Editorial
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Niels Lau n.lau@bdi.eu

Statement in der BDI-Reihe zum Wirtschaftsrecht von Prof. Dr. Günter Krings, LL.M. , Mitglied des Deutschen Bundestages und rechtspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion

Wirtschaftsrecht
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„Die Politik der Ampel im Wirtschaftsrecht ist eine Enttäuschung für die Wirtschaft und ihre Akteure.“

Die Politik der Ampel im Wirtschaftsrecht ist eine Enttäuschung für die Wirtschaft und ihre Akteure. Die Erwartungen mancher Unternehmen waren erstaunlicherweise hoch. Statt Bürokratieabbau und Entlastung gibt es nun aber mehr Regulierung und Belastungen, die das Wirtschaftswachstum hemmen und die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands gefährden.

Die Umsetzung der EU-Richtlinie zum Hinweisgeberschutz ist ein gutes Beispiel für eine Politik, die nicht den Interessen der Wirtschaft und damit am Ende auch nicht den Arbeitnehmern dient. Zwar ist es ein wichtiges Ziel, Missstände in Unternehmen aufzudecken, um sie abstellen zu können. Aber der Entwurf der Bundesregierung zum Hinweisgeberschutzgesetz geht viel zu weit, schafft damit unnötigen Aufwand, dem kein echter Mehrwert für die Beschäftigten gegenübersteht. Statt die EU-Richtlinie einfach ins deutsches Recht umzusetzen, hat die Bundesregierung gerade für kleine und mittelständische Unternehmen unnötig neue bürokratische Belastungen vorgesehen, die über die Brüsseler Vorgaben noch hinausgehen. Rund 90.000 Unternehmen mit mindestens 50 Beschäftigten sollen verpflichtet werden, interne Meldestellen einzurichten. Der Gesetzentwurf verlangt zudem, dass Unternehmen teure anonyme Meldekanäle für die Kommunikation mit ihren Mitarbeitern aufbauen müssen. Unternehmen wissen längst, dass sie seriösen Hinweisen schon im eigenen Interesse nachgehen sollten. Dazu braucht es keine übertriebenen bürokratischen Vorgaben.

Auch mit der Umsetzung der EU-Verbandsklagerichtlinie stellt sich die Ampel gegen die Wirtschaft. Die Möglichkeit, dass Verbraucher- und Umweltverbände im Namen von Verbrauchern gegen Unternehmen klagen können, ist nicht per se falsch. Insbesondere bei kleinen Summen kann so leicht das rationale Desinteresse der Verbraucherinnen und Verbraucher überwunden werden. Die Ampel leistet jedoch mit den niedrigen Hürden für klageberechtigte Verbände und einem späten Opt-In für Verbraucherinnen und Verbraucher einer „Klageindustrie“ in Deutschland Vorschub. Die Situation in den USA sollte uns doch eigentlich Warnung sein. Das Gesetz ist aber zugleich ein Beispiel dafür, dass in der Ampel Einigkeit oftmals nur noch mit willkürlich gewählten Kompromissen zu

erreichen sind: dass ein Verfahrensbeitritt noch zwei Monate nach der ersten mündlichen eröffnet sein soll, ist ebenso logisch als hätte man die Grenze nach dem dritten Vollmond nach Klageeinreichung gesetzt.

Nicht nur bessere Regulierung, sondern auch weniger Regulierung und der Abbau von Bürokratie hatte sich die Ampel ja eigentlich vorgenommen. Der Nationale Normenkontrollrat als wichtiges Instrument dazu hat mit dem Downgrade durch die Verschiebung vom Bundeskanzleramt in das Bundesjustizministerium an Wirkmächtigkeit verloren. Im Gesetzgebungsverfahren wurden Fristen für die Verbändeanhörungen bei wichtigen Gesetzen schon mal auf wenige Nachstunden reduziert und beim Bürokratieabbau ist es bisher bei Ankündigen geblieben. In der Realität wurde bürokratisch gar draufgesattelt. Gerade in einer Zeit galoppierender Energiekosten, die Unternehmensproduktion aus unserem Land abwandern lassen, wäre es umso wichtiger, die Versprechen zum Bürokratieabbau einzuhalten, um Unternehmen zu entlasten und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern.

Zögerlich ist die Ampel auch bei der Einführung von Commercial Courts in Deutschland. Diese würden es für Unternehmen viel attraktiver machen, den Justizstandort Deutschland zu nutzen und nicht auf die Schiedsgerichtsbarkeit auszuweichen. Die Vorschläge der Union und des Bundesrates liegen seit Monaten auf dem Tisch und wurden nun von der Ampel abgelehnt. Schade. Wir werden sehen, was die neue Initiative der Ampel hierzu bringen wird.

Letztlich hat sich die Ampelpolitik auch im Wirtschaftsrecht bisher als hoch problematisch für Deutschland erwiesen. Die neuen Regeln zum Hinweisgeberschutz, zu Verbandsklagen und der nicht vorhandene Bürokratieabbau sind nur einige Beispiele für eine Politik, die die Interessen der Wirtschaft nicht ausreichend berücksichtigt. Es ist an der Zeit, dass die Bundesregierung die Sorgen und Bedürfnisse der Unternehmen ernst nimmt und ihre Politik entsprechend ausrichtet. Nur so können wir sicherstellen, dass die deutsche Wirtschaft auch in Zukunft stark und wettbewerbsfähig bleibt.".

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EULieferkettenrichtlinie

Mit dieser Lieferkettenrichtlinie riskiert die EU eine massive Beeinträchtigung der notwendigen Transformation seiner Industrien.

Compliance
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REIHE

Am 23.2.2022 hat die EU-Kommission einen Entwurf für eine Richtlinie für Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2019/1937 vorgelegt. Für die europäischen Unternehmen ergeben sich aus den geplanten EUVorschriften weitreichende Pflichten, inklusive finanzieller Sanktionen im Falle von Verstößen sowie einer zivilrechtlichen Haftung für entstandene Schäden, die ihre globale Wettbewerbsfähigkeit deutlich gefährden.

Die beiden Co-EU-Gesetzgeber Rat und Europäisches Parlament (EP) beraten seit Beginn intensiv und mit starkem politischem Druck über ihre Position zu dem Kommissionstext. Die Trilog-Verhandlungen beginnen im Juni 2023. Ziel ist, das Legislativverfahren möglichst bis Jahresende 2023 und damit vor den EP-Wahlen 2024 zum Abschluss zu bringen.

Position des Rates

Im Dezember 2022 hat der Rat im Eiltempo eine Allgemeine Ausrichtung angenommen, eine politische Einigung zu wesentlichen Eckpunkten des Vorschlags. Die Wirtschaft hatte zuvor mehrfach ihre deutliche Kritik an dem Vorschlag kommuniziert. Im Rat hatte es bis zuletzt keine Übereinstimmung zu vielen Punkten der Richtlinie gegeben, da viele Mitgliedstaaten noch keine abschließende Position zu allen Punkten hatten. Auch die deutsche Bundesregierung hat der Allgemeinen Ausrichtung schlussendlich nur unter Vorbehalt zugestimmt, da der politische Druck zur Abstimmung auf EU-Ebene sehr hoch war.

Eckpunkte der Allgemeinen Ausrichtung

im Überblick:

. Anwendungsbereich: Einführung des Begriffs der sog. Aktivitätskette als vermittelnder Kompromiss zur Frage, ob der Anwendungsbereich die Wertschöpfungsoder Lieferkette umfassen soll.

. Schwellenwerte wie im KOM-Vorschlag: Die Richtlinie soll für Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern und mindestens 150 Mio. EUR Jahresumsatz gelten; bei sog. Risikosektoren für Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern und mindestens 40 Mio. € Jahresumsatz.

. Gesellschaftsrecht: Streichung der Vorschriften über Sorgfaltspflichten der Mitglieder der Unternehmensleitung und deren Kontrolle, Art. 25, 26 sowie Streichung der Bestimmungen über die Vergütung der Unternehmensleitung bzgl. der Eindämmung des Klimawandels,

Artikel 15 Abs. 3 (im Gegensatz zum Kommissionsvorschlag).

. Zivilrechtliche Haftung: Der Pflichtenverstoß muss vorsätzlich oder fahrlässig gewesen sein und die betroffene Norm muss auf den Schutz von natürlichen oder juristischen Personen abzielen. Ein Unternehmen kann nicht haftbar gemacht werden, wenn der Schaden nur von seinem Geschäftspartner in seiner Aktivitätskette verursacht wurde. Überkompensierung (insbesondere Strafschadenersatz und Mehrfachentschädigung) ist ausgeschlossen. Eine strengere nationale oder europäische anderweitige Haftung bleibt möglich.

Position des EP

Das Plenum des Europäischen Parlaments (EP) hat am 01.06.2023 über die EU-Lieferkettenrichtlinie abgestimmt und damit seine Position für die anstehenden interinstitutionellen Verhandlungen festgelegt. 366 Abgeordnete befürworteten die Richtlinie, 225 Abgeordnete votierten dagegen und 38 Abgeordnete enthielten sich. Bereits am 25.04.2023 hatte der Rechtsausschuss des EP (JURI) über seinen Bericht abgestimmt. Alle im JURI-Bericht enthaltenen Änderungsanträge wurden angenommen.

Eckpunkte der EP-Position im Überblick:

. Insgesamt Verschärfung des Kommissionstextes.

. Erweiterter Anwendungsbereich: Tätigkeiten in der gesamten Wertschöpfungskette, die negative Auswirkungen auf Menschenrechte oder Umwelt haben, die sie verursacht haben, zu denen sie beigetragen haben oder mit denen sie in direktem Zusammenhang stehen; weite Definition der Wertschöpfungskette in Art. 3g) im Vergleich zu KOM und Rat.

. Reduzierte Schwellenwerte: Sämtliche Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten (statt 500 im KOM-Text) und einem

Umsatz von 40 Mio. EUR. (statt 150 Mio. EUR. im KOM-Text); keine speziellen Vorschriften für Risikosektoren.

. Gesellschaftsrecht, wie im KOM-Text: Sorgfaltspflichten der Mitglieder der Unternehmensleitung, die kurz-, mittelund langfristigen Folgen ihrer Entscheidungen für Nachhaltigkeitsaspekte zu berücksichtigen, nebst Haftung für Verstöße gegen diese Pflichten (Art. 25 und 26).

. Neu: Art. 3a) führt eine Binnenmarktklausel ein, die die Mitgliedstaaten zur Koordinierung bei der Umsetzung der Richtlinie verpflichtet sowie vorschreibt, dass sechs Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinie überprüft werden soll, ob sie in eine Verordnung umgewandelt werden sollte.

. Art. 15 Abs. 1 und Abs. 2: Ausdehnung der Klimaschutzziele (1,5-Grad-Klimaziel, Klimaneutralitätsziel 2050, Klimaziele 2030); Einführung eines sog. Übergangsplans (Transitionplan) eines Unternehmens zur Einhaltung der Klimaschutzziele mit detaillierten und umfangreichen Anforderungen an dessen Inhalte.

. Art. 15 Abs. 3: Verschärfung der Verknüpfung der Verantwortung der Unternehmensleitung für die Einhaltung der Klimaschutzziele; Verpflichtung von Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern, dass ein Teil der variablen Vergütung der Unternehmensleitung an den Übergangsplan gebunden ist.

. Verschärfung der zivilrechtlichen Haftung, Art. 22: Einbeziehung der Haftung eines Unternehmens für die von einem Tochterunternehmen verursachten Schäden; Einführung von Verjährungsfrist von mindestens 10 Jahren für Schadensersatzklagen; Verpflichtung, Verfahrenskosten gering zu halten, damit Kläger zu ihrem Recht kommen können; Einführung des Rechts von NGOs, vor Gericht Klage für Opfer zu erheben.

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BDI-Einschätzung

Den beteiligten EU-Institutionen scheint bei der CSDDD das Augenmaß für die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen in der Krise und mit Blick auf die strategisch notwendige Diversifizierung der Lieferketten zu fehlen. Mit dieser Lieferkettenrichtlinie riskiert die EU eine massive Beeinträchtigung der notwendigen Transformation seiner Industrien. Gefährdet sind Aufbau alternativer und resilienterer Wertschöpfungsketten und damit die Versorgungssicherheit von Wirtschaft und Gesellschaft. Statt den Zugang zu neuen Bezugsquellen zu erleichtern und in der Anzahl auszubauen, erschwert die Lieferkettenrichtlinie die wichtige Diversifizierung der Lieferketten auch in risikoreiche Länder deutlich. Das gemeinsame Ziel von Politik und Unternehmen, existierende Abhängigkeiten zu reduzieren, wird verfehlt. So wird Europa im geopolitischen Wettbewerb nicht mithalten. Die Achtung der Menschenrechte und der Schutz unserer Umwelt sind ein Anliegen, das Politik und Wirtschaft eint. Angesichts der Größe der Herausforderung ist es falsch, die Aufgabe des Schutzes von Menschenrechten und Umwelt in dieser Form allein auf die Unternehmen abzuwälzen. Die Unternehmen wollen Nachhaltigkeit in den Lieferketten und tun schon heute das ihnen Mögliche, um ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Hinzu kommt, dass Partnerländer Deutschlands die Regelungen als protektionistisch empfinden. Sinnvoller ist es, über entwicklungspolitische Maßnahmen Lieferanten aus Partnerländern zu befähigen. Keine der bisher abgestimmten Positionen

erfüllt die Erwartungen und Forderungen der Wirtschaft. Ob die Position des Rates in Form der Allgemeinen Ausrichtung während der Trilog-Verhandlungen beibehalten oder geändert wird, scheint aktuell fraglich. Im Vergleich mit den Positionen von Kommission und Rechtsausschuss des EP ist sie in Verbindung mit der deutschen Protokollerklärung die Position, die für Unternehmen die praktikabelste Lösung darstellen könnte.

Die Kernforderungen der Wirtschaft werden nicht erfüllt:

1. Vollharmonisierung

Zwar ist positiv, dass der JURI-Text in Art. 3a eine eigene Binnenmarktklausel enthält sowie, dass sechs Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinie überprüft werden soll, ob sie in eine Verordnung umgewandelt werden sollte. Allerdings ist ein „level playing field“ nur zu erreichen, wenn bei der mitgliedstaatlichen Umsetzung ein Maximalmaß an Harmonisierung vorgeschrieben wird. Die Unsicherheiten inklusive möglicher Verschlechterung eines erneuten Gesetzgebungsverfahrens, das notwendig wäre, um die Richtlinie in eine Verordnung umzuwandeln, sollten nicht verschoben werden. Vielmehr muss das jetzige Gesetzgebungsverfahren so ausgestaltet werden, dass am Ende eine in der Praxis direkt funktionsfähige und für Unternehmen handhabbare Regelung vorhanden ist.

Zwar enthält der JURI-Text eine überarbeitete, engere Definition der Wertschöpfungskette als noch frühere JURIEntwürfe. Die Definition ist aber immer noch zu weit und in dieser Weite für Unternehmen nicht handhabbar. Die Einhaltung von handhabbaren Sorgfaltspflichten muss sich auf die direkten Zulieferer beschränken. Nur hierauf haben Unternehmen Kontrolle und Einfluss: den eigenen Betrieb, die Tochtergesellschaften und die Lieferanten der ersten Ebene der vorgelagerten Lieferkette. Die Sorgfaltspflichten sollten sich auf die Teile der Lieferkette konzentrieren, die am meisten von negativen Auswirkungen auf Menschenrechte oder Umwelt bedroht sind - also auf vorgelagerte Tier-1-Lieferanten mit Sitz außerhalb von Mitgliedsstaaten der EU, der EFTA oder Ländern mit vergleichbaren Standards, also auf Länder, in dem seitens des betroffenen Staates ein hinreichender Schutz der Menschenrechte nicht sichergestellt ist. In der EU gibt es allerdings ein funktionierendes staatliches System zum Schutz der Menschenrechte (einschließlich effektiver Rechtsschutzmöglichkeiten), so dass ergänzende zivilrechtliche Vereinbarungen nicht notwendig sind, um eine fehlende staatliche Garantie der Grundrechte/Menschenrechte zu substituieren.

2. Lieferkette statt Wertschöpfungskette, Art. 3g)
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Vielmehr muss das jetzige Gesetzgebungsverfahren so ausgestaltet werden, dass am Ende eine in der Praxis direkt funktionsfähige und für Unternehmen handhabbare Regelung vorhanden ist.

3. Keine Verknüpfung von Klimaschutzzielen mit variabler Vergütung, Art. 15, 25, 26

Die gesonderten Vorgaben für Mitglieder der Unternehmensleitung stellen eine überflüssige Doppelung zu den geforderten Sorgfaltspflichten der Unternehmen dar und sind daher zu streichen. Es ist nicht notwendig, die Pflichten der Direktoren auf EU-Ebene zu regeln, da sie auf der Ebene der Mitgliedstaaten ausreichend geregelt sind. Eingriffe in nationale Corporate-Governance-Modelle und in die Geschäftsmodelle und Strategien von Unternehmen sind unverhältnismäßig.

4. Schwellenwert dauerhaft mindestens bei 1000 Mitarbeitern, Art. 2

Der JURI-Text sieht vor, dass die Richtlinie für Unternehmen ab 250 Mitarbeitern und 40 Mio. Jahresumsatz gelten soll, Art. 2. Zwar enthält Art. 30 Übergangsfristen für die Anwendung der Richtlinie, die nach Unternehmensgrößen gestaffelt sind. Dies ist aber nur eine zeitliche Verschiebung nach hinten. Die Überwachung diverser Sorgfaltspflichten ist aufwendig und personalintensiv; daher sind nur größere Unternehmen in der Lage, die Vorgaben der Richtlinie umzusetzen. Zudem schafft der Vorschlag keine gleichen Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen aus Drittländern. Der Schwellenwert des Anwendungsbereichs sollte daher dauerhaft bei mindestens 1.000 Mitarbeitern liegen.

5. Keine zusätzlichen Haftungsvorschriften, Art. 22 Eine zivilrechtliche Haftung muss sich im Kern nur auf die eigenen zurechenbaren Handlungen beschränken; so sehen es bereits die nationalen Rechtssysteme in der EU vor. Gerade in diesem Bereich sind im Hinblick auf die Rechtssicherheit klare Definitionen unverzichtbar für Unternehmen. Handlungen und Unterlassungen unabhängiger Dritter, wie direkter oder indirekter Geschäftspartner (z. B. Lieferanten), dürfen nicht zu einer zivilrechtlichen Haftung der Unternehmen führen. Unternehmen können nur für ihre eigenen Aktivitäten in der Lieferkette haftbar gemacht werden, nicht für die ihrer direkten oder indirekten Geschäftspartner. Daher sehen sowohl das deutsche Lieferkettengesetz als auch die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (UNGP) keine zivilrechtliche Haftung vor. Die Bestimmungen in Art. 22 würden zu unverhältnismäßigen und unbeeinflussbaren zivilrechtlichen Haftungsrisiken für Unternehmen führen. Wie die Kommission vor der Veröffentlichung ihres CSDDD-Vorschlags verkündete, sollte das Ziel jeder neuen Regelung die Befähigung und nicht der Rückzug sein: "Bleiben und verbessern, statt sich zurückzuziehen". Die zivilrechtlichen Haftungsbestimmungen in Art. 22 sind mit diesem Ziel nicht vereinbar.

Ausblick

Die Trilog-Verhandlungen beginnen noch im Juni unter schwedischer Ratspräsidentschaft und werden ab 01.07.2023 unter spanischer Ratspräsidentschaft fortgesetzt werden. Bis spätestens Jahresende 2023 und vor der nächsten EP-Wahl (Mai 2024) soll der endgültige Text zwischen den drei EUInstitutionen vereinbart werden.

Der BDI wird sich auch mit Blick auf die Plenumsabstimmung sowie die anschließenden Trilog-Verhandlungen weiter für eine wirtschaftsfreundliche und für Unternehmen handhabbare EU-Lieferkettenrichtlinie einsetzen. .

Dr. Stefanie Espitalier

s.espitalier@bdi.eu Verena Westphal

v.westphal@bdi.eu

Ansprechpartner/innen
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Hinweisgeberschutzgesetz verabschiedet

Unternehmen sind daran interessiert, sichere und effiziente Meldewege und damit einhergehend, einen möglichst lückenlosen Schutz für Hinweisgeber sicher zu stellen.

Mit dem Hinweisgeberschutzgesetz wird in Deutschland die EU -Richtlinie 2019/1937 „zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden“ umgesetzt. Das Gesetz sieht vor, dass Unternehmen und Behörden interne Meldestellen einzurichten haben, bei denen Hinweisgeber vertraulich Verstöße melden können. Zudem sollen hinweisgebende Personen gegen Repressalien aufgrund der Meldung geschützt werden.

Compliance
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Nach langem Ringen zwischen Bundestag und Bundesrat konnte das Hinweisgeberschutzgesetz nun Mitte Mai beschlossen werden Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 12. Mai 2023 dem bereits am Tag zuvor vom Bundestag angenommenen Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) zugestimmt. Bundesrat und Bundestag haben damit die Empfehlungen des Vermittlungsausschusses zur Änderung des vom Bundestag am 16. Dezember 2022 beschlossenen ursprünglichen Gesetzes angenommen. Der Vermittlungsausschuss hatte sich am 9. Mai 2023 auf Änderungen geeinigt. Die Anrufung des Vermittlungsausschusses durch die Bundesregierung war erfolgt, nachdem der Bundesrat dem Gesetzentwurf im Februar 2023 zunächst nicht zugestimmt hatte und eine Aufteilung in zwei Gesetzentwürfe in der Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestages im März 2023 verfassungsrechtliche Bedenken und Kritik erfahren hatte.

Der BDI unterstützt die Zielsetzung des Gesetzes, einen wirksamen Hinweisgeberschutz zu gewährleisten. Denn Unternehmen sind daran interessiert, sichere und effiziente Meldewege und damit einhergehend, einen möglichst lückenlosen Schutz für Hinweisgeber sicher zu stellen. Häufig existieren bereits heute Meldesysteme in Unternehmen. Der BDI hat sich insbesondere dafür eingesetzt, die Konzernlösung bei der Einrichtung von Meldestellen im Gesetz beizubehalten. Denn die Einrichtung zentraler Meldewege stellt sicher, dass in Konzernen einheitliche Lösungen gefunden werden und dass eine Stelle mit ausreichend Fachpersonal für komplexe Probleme zur Verfügung steht. Ebenso hat der BDI seit Beginn des Gesetzgebungsverfahrens dafür plädiert, Anreize zur vorrangigen Nutzung interner Meldewege zu schaffen. Nach Art. 7 der Richtlinie sollen sich die Mitgliedstaaten aber gerade dafür einsetzen, dass interne Meldestellen vorrangig genutzt werden. Diese Regelung soll den Unternehmen die Möglichkeit dafür bieten, die Verstöße zunächst intern zu prüfen, um so möglichen rufschädigenden Wirkungen vorzubeugen. Eine interne Meldung erleichtert es zudem die Probleme zu beseitigen, da sich Personen mit dem gemeldeten Missstand auseinandersetzen, die die internen Abläufe kennen. Sie können den Umfang des Problems besser und schneller einschätzen und die Beseitigung kann

effektiv und zügig stattfinden. Auch in der Sachverständigenanhörung des Rechtsausschusses des Bundestages im Oktober 2022 hatte der BDI erneut nicht nur die hohe Relevanz der Konzernlösung, sondern auch die Anreizschaffung zur vorrangigen Nutzung interner Meldewege befürwortet.

Einigung im Vermittlungsausschuss

Das Gesetz hat aus Sicht des BDI durch die Änderungen Verbesserungen erfahren: So sieht der Einigungsbeschluss des Vermittlungsausschusses unter anderem Anpassungen bei den Meldewegen vor. Interne Meldestellen (wie auch externe Meldestellen) sollen nicht mehr dazu verpflichtet sein, Meldekanäle so zu gestalten, dass auch anonyme Meldungen abgegeben werden können. Anonyme Meldungen sollen aber weiterhin bearbeitet werden. Zudem sollen hinweisgebende Personen die Meldung bei einer internen Meldestelle bevorzugen, wenn intern wirksam gegen den Verstoß vorgegangen werden kann und keine Repressalien befürchtet werden. Auch der Bußgeldrahmen für ausgewählte Verstöße wurde nach Beschluss des Vermittlungsausschusses nunmehr auf 50.000 Euro statt 100.000 Euro verringert. Schließlich kann auch die Dokumentation länger als drei Jahre aufbewahrt werden, um die Anforderungen nach dem HinSchG oder nach anderen Rechtsvorschriften (z. B. nach dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz – LkSG) zu erfüllen, solange dies erforderlich und verhältnismäßig ist.

Das Hinweisgeberschutzgesetz wurde am 2. Juni 2023 im Amtsblatt verkündet und tritt nun überwiegend am 2. Juli in Kraft. Es bleibt weiterhin bei der Regelung, dass Unternehmen mit überwiegend 50 bis 249 Mitarbeitern erst ab dem 17. Dezember 2023 eine interne Meldestelle einrichten müssen. Für Unternehmen ab 250 Mitarbeitern sieht das nun verabschiedete Gesetz gemäß dem Einigungsbeschluss im Vermittlungsausschuss vor, dass die fehlende Einrichtung einer internen Meldestelle erst sechs Monate nach der Verkündung mit einer Ordnungswidrigkeit geahndet werden kann.

Keine flächendeckende Umsetzung in der EU

Auch wenn die Umsetzungsfrist der Richtlinie im Dezember 2021 abgelaufen ist, gibt es weiterhin keine flächendeckende Umsetzung innerhalbe der EU. In Deutschland ist die Umsetzung nun mit dem verabschiedeten Gesetz und dem noch ausstehenden Inkrafttreten des HinSchG, 1,5 Jahre nach Ablauf der Umsetzungsfrist, erfolgt. Bereits am 27. Januar 2022 hatte allerdings die EUKommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland angestrengt. Im Februar 2023 folgte mangels Verabschiedung eines Umsetzungsgesetzes die Klage am Europäischen Gerichtshof, in der die EUKommission wohl für jeden Tag seit Ablauf der Umsetzungsfrist bis zum Tag der Behebung des Verstoßes einen fünfstelligen Betrag fordert. Über die Klage wurde noch nicht entschieden. Eine Absenkung des Betrages ist ebenso möglich wie die Verhängung eines Pauschalbetrages.

Deutschland befindet sich dabei in guter Gesellschaft mit weiteren EU-Mitgliedstaaten. So hatte die EU-Kommission im Januar 2022 gegen weitere 23 Mitgliedstaaten Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet und Aufforderungsschreiben gemäß Art. 258, 260 Abs. 3 AEUV wegen mangelnder Umsetzung der Richtlinie versendet. Am 9. Februar 2022 hatte die Europäische Kommission zudem Aufforderungsschreiben an Portugal und Schweden gemäß Art. 258 AEUV gerichtet, weil diese Länder ihre nationalen Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie verspätet in Kraft gesetzt haben. Neben Deutschland wurden zu Beginn des Jahres sieben weitere EU-Mitgliedstaaten verklagt.

Nach aktuellem Stand befinden sich immer noch weitere sechs EU-Mitgliedstaaten im Umsetzungsprozess und haben noch kein Gesetz verabschiedet, auch wenn ein Gesetzesentwurf bereits vorliegt, so z. B. in Ungarn, Tschechien, Luxemburg und Polen. ..

Ansprechpartnerin

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11. GWB-Novelle: Weder rechtskonform noch verfassungsgemäß

Die Bundesregierung hat am 5. April 2023 den Gesetzentwurf zur 11. GWB-Novelle verabschiedet, der nur marginale Änderungen im Vergleich zum Referentenentwurf enthält. Es bleibt bei den weitreichenden Befugnissen des Bundeskartellamts, im Anschluss an eine Sektoruntersuchung künftig Märkte in vielen Wirtschaftsbereichen zu regulieren und strukturell neu zu ordnen. Ein Rechtsverstoß durch die Unternehmen ist dafür nicht erforderlich. Dies stellt einen erheblichen Eingriff in unternehmerische Rechtspositionen dar und schadet dem Wirtschaftsstandort Deutschland erheblich.

Der Entwurf wird nun dem Bundestag und dem Bundesrat zur Beratung vorgelegt. Die Verabschiedung war zuvor aufgrund starker Debatten zwischen den Ministerien mehrfach verschoben worden. Anders als der Referentenentwurf wird der Gesetzentwurf jetzt nicht mehr als „Wettbewerbsdurchsetzungsgesetz“ bezeichnet. Der Bundesrat hat dem Gesetz bereits am 12. Mai 2023 ohne Einwendungen zugestimmt. Das muss angesichts des Paradigmenwechsels in der Wettbewerbsordnung und der zu befürchtenden weitreichenden Folgen für den Wirtschaftsstandort verwundern.

Im Vergleich zum ursprünglichen Referentenentwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft

und Klimaschutz (BMWK) finden sich in dem Gesetzentwurf zwar einige Änderungen, um die neuen Regelungsbefugnisse des Bundeskartellamts etwas zu präzisieren. Es handelt sich im Ergebnis aber um halbherzige Versuche, die die weiten behördlichen Eingriffsinstrumente keinesfalls einzuschränken vermögen und den Rechtsschutz der Unternehmen noch nicht in ausreichendem Maße stärken. Es bleibt vielmehr dabei, dass das Bundeskartellamt künftig auch ohne einen Rechtsverstoß mit Abhilfemaßnahmen bis zur Entflechtung in unternehmerische Rechtspositionen eingreifen kann. Der BDI hält daher seine Kritik gegenüber dem Vorschlag aufrecht. Der BDI wird sich im anstehenden parlamentarischen Verfahren für

weitere Eingrenzungen im Sinne der Verhältnismäßigkeit und der Anforderungen an das Verfassungsrecht einsetzen.

Neue Eingriffsbefugnisse für das Bundeskartellamt

Zum wesentlichen Inhalt der 11. GWBNovelle zählen neue Durchsetzungsbefugnisse des Bundeskartellamtes nach Durchführung einer Sektoruntersuchung, sofern auf einem Markt eine erhebliche und fortwährende Wettbewerbsstörung festgestellt wurde. Vorgesehen sind weiter tiefgreifende verhaltensorientierte und strukturelle Eingriffsbefugnisse – bis hin zur Entflechtung

Wettbewerbsrecht
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– gegenüber Unternehmen, die sich völlig rechtskonform verhalten haben.

Meldung von Zusammenschlussvorhaben

Wenn nach einer Sektoruntersuchung objektiv nachvollziehbare Anhaltspunkte dafür bestehen, dass durch künftige Zusammenschlüsse der wirksame Wettbewerb im Inland in einem oder mehreren der untersuchten Wirtschaftszweige erheblich behindert werden könnte, kann das Bundeskartellamt Unternehmen verpflichten, innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren alle geplanten Zusammenschlüsse oberhalb bestimmter Schwellenwerte anzumelden, auch wenn sie nach den normalen Fusionskontrollvorschriften nicht anmeldepflichtig wären. Durch die Neuregelungen könnten künftig Transaktionen von der Fusionskontrolle erfasst werden, die aufgrund der geringen Umsatzgröße typischerweise wettbewerblich keine problematische Wirkung entfalten.

Störungsbegriff und Abhilfemaßnahmen

Wenn eine „erhebliche und fortwährende Störung des Wettbewerbs auf mindestens einem mindestens bundesweiten Markt, mehreren einzelnen Märkten oder marktübergreifend vorliegt, kann das Bundeskartellamt Unternehmen auch ohne den Vorwurf eines Rechtsverstoßes alle zur Beseitigung oder Verringerung der Störung des Wettbewerbs erforderlichen Abhilfemaßnahmen verhaltensorientierter oder struktureller Art vorschreiben. Hierzu zählen beispielsweise die Gewährung des Zugangs zu Daten, die Einräumung von Nutzungsrechten an geistigem Eigentum, Vorgaben zu bestimmten Vertragsgestaltungen oder die organisatorische Trennung von Unternehmens- oder Geschäftsbereichen. Bedauerlicherweise wird der Störungsbegriff auch weiterhin nicht abschließend geregelt und lässt daher Raum für ein sehr weites Ermessen des Bundeskartellamts. Neben einer präzisen Definition und Ermessenseinschränkung des Bundeskartellamts wäre auch eine echte Subsidiaritätsklausel von Nöten. So sollte erst nach tatsächlicher Überprüfung und Ausschöpfung der kartellrechtlichen Möglichkeiten auf die neuen (nahezu voraussetzungslosen) Instrumente zurückgegriffen werden können.

Eigentumsrechtliche Entflechtung

Als ultima ratio kann das Bundeskartellamt auch die Veräußerung von Unternehmensanteilen oder Vermögen anordnen bei marktbeherrschenden Unternehmen sowie Unternehmen mit einer überragenden marktübergreifenden Bedeutung für

den Wettbewerb anordnen, wenn zu erwarten ist, dass durch diese Maßnahme die Störung des Wettbewerbs beseitigt oder erheblich verringert wird. Wenn das entflochtene Unternehmen für den abgetrennten Unternehmensteil keine entsprechende Gegenleistung am Markt erzielt, muss der Staat den Verlust kompensieren. Nach dem aktuellen Vorschlag müsste ein Unternehmen einen Verlust von bis zu 25 % des Unternehmenswerts hinnehmen. Der Entzug von Eigentumssubstanz als Folge der Entflechtung verlangt verfassungsrechtlich aber eine Entschädigung in Höhe des vollen Verkehrswertes.

Die Veräußerung von Vermögensteilen, die das betroffene Unternehmen nach Freigabe eines Zusammenschlusses erworben hat, soll grundsätzlich jetzt nach zehn Jahren zulässig sein. Hiergegen spricht weiterhin eine Kollision mit der EU-Fusionskontrollverordnung, da eine Freigabeentscheidung der Kommission nicht im Nachhinein zur (nationalen) Disposition steht; das wäre nicht EU-konform.

Vorteilsabschöpfung

Laut Regierungsentwurf sollen auch die Voraussetzungen der kartellrechtlichen Vorteilsabschöpfung nach § 34 GWB überarbeitet werden, die den Kartellbehörden ermöglicht, Unternehmen Vorteile zu entziehen, die sie aus wettbewerbswidrigem Verhalten erlangt haben. Geplant wird eine Vermutungsregelung, nach der davon ausgegangen wird, dass ein Unternehmen durch einen nachgewiesenen Kartellrechtsverstoß einen Vorteil in Höhe von mindestens 1% der Umsätze erlangt, die im Inland mit den Produkten oder Dienstleistungen, die mit der Zuwiderhandlung in Zusammenhang stehen, erzielt wurden.

BDI-Einschätzung

Die Pläne der Bundesregierung sind ein massiver Eingriff in unternehmerische Rechtspositionen zum Schaden des Wirtschaftsstandortes Deutschland. Es bestehen erhebliche wettbewerbspolitische, industriepolitische und rechtliche Bedenken gegenüber den Kernanliegen der Novelle. Eine durch eigene Leistung errungene – und kartellrechtlich nicht missbrauchte – Marktmacht („erfolgreiches internes Wachstum“) einer Sanktion in Form der Entflechtung und Eingriffen in die unternehmerische Gestaltungsfreiheit auszusetzen, ist ein Systembruch und Paradigmenwechsel, der ein deutlich negatives bis destruktives Signal für Investitionen und Innovation setzt; dies wird für erhebliche Rechtsunsicherheit sorgen. Rechtmäßiges

internes Wachstum sollte der Staat fördern und nicht bestrafen.

Jegliche Abhilfeverfügungen der Kartellbehörden gegenüber Unternehmen, die sich rechtmäßig verhalten, sind als Eingriffsverwaltung an den verfassungsrechtlichen Grundsätzen auszurichten und zu messen. Es ist deshalb fraglich, ob die Maßnahmen einer Prüfung an dem verfassungsrechtlich geschützten Eigentumsgrundrecht von Unternehmen und deren Anteilseignern, Art. 14 GG, und der Unternehmensfreiheit, Art. 12 GG, standhalten werden.

Derartig weitgehende Eingriffe obliegen allein dem Gesetzgeber, der für sektorspezifische Regulierung zuständig ist. Sektorspezifische Regulierung darf nicht an eine Behörde delegiert werden. Es ist nicht Aufgabe des Bundeskartellamts, zu definieren, was in seinen Augen tragfähiger Wettbewerb ist und nach diesem Blickwinkel einen Markt neu zu strukturieren. Unternehmen mit einer marktstarken Position dürfen nicht von vorneherein unter Generalverdacht gestellt werden. Unternehmensentflechtungen bei erfolgreichen deutschen Unternehmen und ohne anknüpfbaren Rechtsverstoß schwächen die deutsche Wirtschaft zusätzlich in schwierigen Zeiten. Zur Standortsicherung in einem zunehmend systemischen Wettbewerb muss – neben Europa –auch Deutschland souveräner, resilienter und wettbewerbsfähiger werden. Globalisierung, Digitalisierung und Nachhaltigkeitsziele verändern das Spielfeld, auf dem global agierende Unternehmen einschließlich des industriellen Mittelstands ihre Effizienz unter Beweis stellen müssen. Hierfür setzt der Regierungsentwurf ein falsches Signal. Darüber hinaus führen die Pläne der Bundesregierung zu einer „Insellösung“ zum Schaden der deutschen Wirtschaft und machen den Standort unattraktiv für multinational agierende Unternehmen, die im globalen Wettbewerb stehen. . Ansprechpartner/innen

Dr. Ulrike Suchsland u.suchsland@bdi.eu
Seite 13 Wirtschaftsrecht BDI REIHE
Nadine Rossmann n.rossmann@bdi.eu

Änderungen im Beschlussmängelrecht

Die Reform sollte insbesondere zum Ziel haben, das erhebliche Anfechtungsrisiko bei der Auskunftserteilung in der Hauptversammlung auf ein vertretbares Maß zu reduzieren.

Die Ampelkoalition hat angekündigt, eine Reform des Beschlussmängelrechts im Aktienrecht angehen zu wollen. Dieses Vorhaben ist begrüßenswert, denn eine Reform des Beschlussmängelrechts ist für eine moderne und attraktive Hauptversammlung unerlässlich. Die Reform sollte dabei insbesondere das Ziel haben, das erhebliche Anfechtungsrisiko bei der Auskunftserteilung in der Hauptversammlung auf ein vertretbares Maß zu reduzieren.

Gesellschaftsrecht
Seite 14 Wirtschaftsrecht BDI REIHE

Die Wirtschaftsrechtliche Abteilung des 72. Deutschen Juristentags (DJT) sowie die Wissenschaftliche Vereinigung für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht (VGR) hatten sich bereits vor Jahren für eine grundlegende Reform des Beschlussmängelrechts ausgesprochen.

Reform notwendig für moderne und attraktive Hauptversammlung

Aus Sicht des BDI ist eine Reform des Beschlussmängelrechts für eine moderne und attraktive Hauptversammlung unerlässlich. Die Reform sollte insbesondere zum Ziel haben, das erhebliche Anfechtungsrisiko bei der Auskunftserteilung in der Hauptversammlung auf ein vertretbares Maß zu reduzieren. Die stets geforderte offene und lebendige Debattenkultur in deutschen Hauptversammlungen ist nicht realisierbar, wenn den Unternehmen bei der Auskunftserteilung weiterhin umfängliche rechtliche Risiken auferlegt werden, insbesondere in Hinblick auf die Wirksamkeit gefasster Beschlüsse. Eine Reform des Beschlussmängelrechts sollte jedoch mit Augenmaß erfolgen. Wichtige Elemente der derzeitigen Regelung – nicht zuletzt das mehrfach reformierte Freigabeverfahren – haben sich bewährt.

Risiken bei Auskunftserteilung müssen geringer werden

Vor diesem Hintergrund setzt sich die Industrie – in Anlehnung an die Vorschläge des DJT und der VGR – für eine Reform des Beschlussmängelrechts ein und regt folgende punktuelle Änderungen des Beschlussmängelrechts an:

1. Flexible Rechtfolgen bei der Anfechtung fehlerhafter Beschlüsse

Die Anfechtung fehlerhafter Beschlüsse sollte nicht in jedem Fall zur Kassation des Beschlusses führen. Stattdessen müssen alternative Rechtsfolgen zur Verfügung stehen, die zumindest die Möglichkeit zu einer Aufhebung eines Beschlusses mit Wirkung ex nunc, die Gewährung von Schadenersatz oder die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Beschlusses umfassen.

Im Rahmen der Entscheidung über die Auswahl der jeweils angemessenen Rechtsfolge sollte das Gericht dann beurteilen, ob es tatsächlich zweckmäßig ist, den fehlerhaften Beschluss etwa für nichtig zu erklären.

Der mögliche Ausschluss der Kassationswirkung sollte hierbei nicht auf strukturverändernde Beschlüsse

begrenzt sein, sondern auf alle Beschlüsse erstreckt werden. Denn zunehmend werden von Klägern Personalentscheidungen/ Aufsichtsratswahlen in das Visier genommen und nicht nur die klassischen strukturändernden Beschlüsse.

Über die Frage, ob der Beschluss bei einem Erfolg der Klage tatsächlich mit der Wirkung „ex tunc“ oder „ex nunc“ aufgehoben wird, sollte jedenfalls bei eintragungsbedürftigen Beschlüssen in maximal drei Monaten rechtskräftig entschieden werden, auch wenn das Verfahren im Übrigen weiter betrieben wird.

2. Freigabeverfahren auf alle eintragungspflichtigen Beschlüsse erweitern

Das Freigabeverfahren nach § 246a AktG hat sich in der Praxis bewährt und sollte auf alle eintragungspflichtigen Beschlüsse erweitert werden – jedenfalls soweit nicht sichergestellt ist, dass bei eintragungsbedürftigen Beschlüssen anderweitig innerhalb kurzer Zeit (drei Monate) rechtskräftig über die Frage der Wirksamkeit bzw. der Aufhebung eines angefochtenen Hauptversammlungsbeschlusses entschieden wird.

3. Nichtigkeitstatbestand

Der eigenständige Nichtigkeitstatbestand des § 241 AktG sollte erhalten bleiben, aber beschränkt und präzisiert werden, wobei insbesondere Verstöße gegen gläubiger- und gemeinwohlschützende Normen weiterhin erfasst sein sollten.

4. Entschärfung der Anfechtungsrisiken wegen behaupteter Verletzung des Auskunftsrechts

Von entscheidender Bedeutung für die unternehmerische Praxis ist die Ausgestaltung des Anfechtungsrechts bei Auskunftsfehlern. So kann ein Hauptversammlungsbeschluss wegen „unrichtiger, unvollständiger oder verweigerter Erteilung von Informationen“ angefochten werden, wenn „ein objektiv urteilender Aktionär die Erteilung der Information als wesentliche Voraussetzung für die sachgerechte Wahrnehmung seiner Teilnahme- und Mitgliedschaftsrechte angesehen hätte“. Diese Regelung bedarf aus Sicht des BDI einer zusätzlichen und leichter

messbaren Konkretisierung, damit nicht jeder Aktionär auch mit nur einer Aktie ein Klageverfahren in Gang setzen kann. In Betracht kommen hierzu ein Mindestquorum als Relevanzfilter sowie eine Verhältnismäßigkeitsprüfung.

5. Schadensersatz bei Klagemissbrauch

Um das Risiko missbräuchlicher Anfechtungsklagen einzudämmen und „räuberische Aktionäre“ abzuschrecken, kann auch darüber nachgedacht werden, eine gesetzliche Schadensersatzpflicht einzuführen. Kläger sollten danach der Gesellschaft gegenüber verantwortlich sein, wenn diese vorsätzlich oder grob fahrlässig unbegründete Anfechtungsklagen erhoben haben.

Zur Sicherung möglicher Ersatzansprüche sollte das Gericht dabei berechtigt sein, bereits im Vorfeld von klagenden Aktionären eine Sicherheitsleistung zu verlangen.

Ausblick

Der BDI ist sowohl mit den Berichterstattern der Ampelkoalition als auch mit dem Bundesjustizministerium im fachlichen Austausch, um die Reform voranzubringen. Mit Blick auf die Dauer der aktuellen Legislaturperiode (bis Herbst 2025) wird es höchste Zeit, dass den Ankündigungen Taten folgen. .

Ansprechpartnerin

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Kodifizierung von

Unternehmenskäufen?

Nach Auffassung der JuMiKo könnte eine Kodifikation des Rechts des Unternehmenskaufs die Rechtssicherheit erhöhen und die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Deutschland steigern.

Unternehmensrecht
Seite 16 Wirtschaftsrecht BDI REIHE

Die Justizministerkonferenz hat festgestellt: „Weder im BGB noch im HGB existieren Normen, die eine verlässliche Grundlage für Fusionen und Übernahmen bilden. Die entsprechend anwendbaren Vorschriften des Sachkaufs werden in der Praxis häufig als untauglich empfunden und abbedungen und durch komplexe Vertragswerke ersetzt. Streitigkeiten werden in privaten Schiedsverfahren beigelegt und erreichen selten die staatlichen Gerichte. Der bisherige Verzicht des Gesetzgebers auf eine grundlegende Regelung des Unternehmenskaufs führt zu Rechtsunsicherheit.“

Nach Auffassung der JuMiKo könnte eine Kodifikation des Rechts des Unternehmenskaufs die Rechtssicherheit erhöhen und die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Deutschland steigern. Auch würden die Anstrengungen der Justiz ergänzt, mit den neuen „Commercial Courts“ an die Schiedsgerichte verlorenes Terrain wiederzugewinnen.

BDI-Einschätzung

Eine Kodifizierung des Rechts des Unternehmenskaufs (M&A-Recht) ist insbesondere aus folgenden Gründen kritisch zu sehen:

. Die Praxis kommt mit der derzeitigen Rechtslage hervorragend zurecht.

. Die Kodifizierung des M&A-Rechts könnte für zusätzlichen kautelarjuristischen Regelungsbedarf zum Ausschluss der Kodexregeln sorgen.

. Gegen eine dispositive Kodifikation wäre im Grunde nichts einzuwenden, aber sie dürfte in der Praxis – jedenfalls für großvolumige Transaktionen – ohne erhebliche Auswirkungen bleiben, weil man sie weitgehend abbedingen würde.

. Eine Regulierung der M&A-Praxis könnte für den Wirtschaftsstandort Deutschland schädlich sein, sofern sie zu Abweichungen der kautelarjuristischen Praxis von international anerkannten Vertragskonzepten führen würde.

Im Hinblick auf das weitere Vorgehen wird eine Arbeitsgruppe unter Beteiligung des BMJ den genauen Regelungsbedarf ermitteln und ggf. erste Vorschläge erarbeiten.

Der BDI hat sich durch ein Positionspapier aus Januar 2023 kritisch zu dem Vorhaben geäußert. .

Dr. Kerstin Lappe

k.lappe@bdi.eu

Ansprechpartnerin
Im Rahmen der Herbsttagung der letzten Justizministerkonferenz (JuMiKo) im November 2022 wurden Überlegungen zu einer künftigen Kodifizierung des Unternehmenskaufs angestellt. Aus Sicht des BDI ist eine Kodifizierung des Rechts des Unternehmenskaufs kritisch zu sehen.
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Umsetzung der EU-Verbandsklagerichtlinie

Die Verbände plädieren für einen frühen Zeitpunkt, bis wann das Opt-In – die aktive Anmeldung von Verbrauchern zu Verbandsklagen – erfolgen muss.

Zivilrecht
Seite 18 Wirtschaftsrecht BDI REIHE

Eigentlich müsste die EU-Verbandsklagerichtlinie schon seit Ende 2022 in nationales Recht umgesetzt sein; am 29. März 2023 wurde nun der Regierungsentwurf hierfür veröffentlicht. Dessen Inhalte standen im Mittelpunkt einer rechtspolitischen Diskussion am 18. April, die live übertragen wurde und hier abrufbar ist.

Die EU-Richtlinie von 2020, die unter anderem auch Möglichkeiten für zivilrechtliche Verbandsklagen auf Abhilfe ("Sammelklagen") beinhaltet, lässt den EU-Mitgliedsstaaten großen Spielraum bei der Umsetzung. Wie eine aus Sicht der deutschen Unternehmen ausgewogene Ausgestaltung der neuen Klagemöglichkeit unter angemessener Berücksichtigung der Interessen von Verbrauchern und Unternehmen aussehen könnte, hatte bereits 2021 ein vom BDI und 13 anderen Wirtschaftsverbänden in Auftrag gegebenes Umsetzungskonzept gezeigt.

Inwieweit der nun vorliegende Entwurf eines „Verbandsklagenrichtlinienumsetzungsgesetzes" (VRUG) diesen Vorstellungen entspricht, war Thema der Veranstaltung "EUVerbandsklagerichtlinie – Umsetzung in deutsches Recht: Was ist für ein faires Verfahren wichtig?".

Nach einer kurzen Vorstellung des Gesetzentwurfs und einer politischen Einordnung aus Sicht der Wirtschaft diskutierten die Berichterstatterinnen und Berichterstatter der Bundestagsfraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und CDU/CSU, worauf es aus ihrer Sicht bei einem Interessensausgleich ankommt.

Die Verbände plädieren für einen frühen Zeitpunkt, bis wann das Opt-In – die aktive Anmeldung von Verbrauchern zu Verbandsklagen – erfolgen muss. Für das bei der Verbandsklage auf Beklagtenseite stehende Unternehmen ist es von hoher Relevanz, die Tragweite des Verfahrens frühzeitig erkennen zu können und damit eine Entscheidungsgrundlage für eine vergleichsweise Lösung sowie Rückstellungsbildung zu haben. Eine Schadensschätzung ist ohne abschließende Kenntnis der angemeldeten Verbraucheransprüche kaum möglich. Aus Sicht der Verbände kommt ein Opt-In daher nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung in Betracht und nicht, wie im Regierungsentwurf vorgesehen, nach Ablauf einer willkürlich gewählten Frist von zwei Monate nach dem Beginn der mündlichen Verhandlung.

Die Absenkungen im Regierungsentwurf hinsichtlich der Klagebefugnis sowie bei der Streitwertdeckelhöhe – 420.000 Euro statt zuvor 500.000 Euro – und darüber hinaus die Frage nach der Zulässigkeit einer Prozessfinanzierung durch Dritte wurden ebenfalls kritisch diskutiert. Die Ermöglichung der Gewinnabschöpfung nach § 10 UWG bei bereits grober Fahrlässigkeit war ebenfalls strittig, sie ist von der EU-Richtlinie nicht vorgesehen. Angesichts der bereits abgelaufenen Umsetzungsfrist der Richtlinie im Dez. 2022 und dem deshalb gegen Deutschland eingeleiteten EU-Vertragsverletzungsverfahren sollte das Gesetzgebungsverfahren nicht durch die Debatte zu weiteren, von der Richtlinie nicht vorgegebene Aspekten verzögert werden.

Aufgrund des Zeitdrucks für die Umsetzung wird das Gesetzesvorhaben im Bundestag auch als besonders eilbedürftig (Art. 76 Abs. 2 GG) behandelt. Deshalb fand noch vor der Behandlung des Entwurfs im Bundesrat am 10. Mai eine Sachverständigenanhörung im Rechtsausschuss des Bundestages statt. Hierzu war u. a. Prof. Dr. Bruns, der im Sommer 2021 das Umsetzungskonzept erarbeitet hatte, geladen. In der Anhörung waren vor allem der Zeitpunkt für das Opt-In sowie die Anforderungen an die Klagebefugnis Gegenstand. Bis wann das OptIn erfolgen soll, wurde verschiedentlich gesehen. Während z. B. Bruns sich für den Beginn der mündlichen Verhandlung aussprachen, vertraten andere Sachverständige, dass der Zeitpunkt weiter nach hinten verschoben werden soll, ggf. sogar bis nach Urteilsverkündung. Die im Regierungsentwurf vorgesehen Absenkung bei der Klagebefugnis – Angleichung an § 4 Abs. 2 UKlaG – sowie die Zulässigkeit der Drittfinanzierung von Verbandsklagen wurden ebenfalls unterschiedlich bewertet.

Am 12. Mai 2023 beschloss dann auch der Bundesrat im ersten Durchgang seine Stellungnahme zum Gesetzesentwurf. Er spricht sich u. a. dafür aus, dass ein Opt-In bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung möglich sein soll und bittet, eine Ausweitung der Verjährungshemmung auf Ansprüche nicht angemeldeter Verbraucher zu prüfen. .

Wie wird die deutsche Sammelklage ausgestaltet? – Debatte von Wirtschaft und Politik in Berlin vom 18. April sowie Stand der Beratungen im Bundestag und Bundesrat
Ansprechpartner/innen
Seite 19 Wirtschaftsrecht BDI REIHE

EU-Data Act: Neue

Datennutzungsregulierung

Der weitreichende und horizontal angelegte Regulierungsansatz der EU-Kommission ist kritisch zu sehen.

Datenschutz
Seite 20 Wirtschaftsrecht BDI REIHE

Der EU-Data Act verändert die rechtlichen Spielregeln im Bereich der Nutzung und des Austauschs von Daten im B2C-, B2B- und B2G-Verhältnis fundamental. In den laufenden TrilogVerhandlungen braucht es zentrale Anpassungen, damit der EU-Data Act nicht zu einem Boomerang für die Datenwirtschaft in Europa wird.

Bereits zu Beginn der laufenden Legislaturperiode (Februar 2020) hat sich die Europäische Kommission mit der Europäischen Datenstrategie zum Ziel gesetzt, einen echten Binnenmarkt für Daten zu etablieren. Die Umsetzung der ambitionierten Strategie wird unter Hochdruck vorangetrieben. Mit dem Legislativvorschlag für einen „EU-Data Act“ hat die EU-Kommission am 23. Februar 2022 das zentrale Legislativvorhaben auf den Weg gebracht, mit dem die rechtlichen Rahmenbedingungen der Datenökonomie gesetzt werden. Ziel ist es dabei, die faire Verteilung der Datenallokation zwischen den verschiedenen Akteuren der Datenwirtschaft zu gewährleisten und den Zugang zu Daten und deren Nutzung zu fördern. Als horizontaler Vorschlag sieht der EUData Act grundlegende Regeln für alle Sektoren vor. Sämtliche Industrieunternehmen, die in irgendeiner Weise Daten erheben, verarbeiten oder austauschen, sind potenziell vom Data Act-E betroffen.

Einzelheiten

Inhaltlich sieht der EU-Data Act eine ganze Reihe von Regelungsfeldern vor: Neben dem Recht des „Nutzers“ auf Zugang und Übertragung der von ihm generierten Daten aus IoT-Produkten (Kapitel II/III) und einer vertragsrechtlichen Missbrauchskontrolle „unfairer“ AGB-Vertragsklauseln in standardisierten Datenlizenzverträgen (Kapitel IV), sieht der Verordnungsvorschlag zugleich bestimmte Datenteilungspflichten von Unternehmen gegenüber öffentlichen Stellen (Kapitel V), Bestimmungen für einen erleichterten Wechsel von Datenverarbeitungsdiensten (insb. Cloud- und Edge-Anbieter), Vorkehrung für den internationalen Datenverkehr von nicht-personenbezogenen Daten und schließlich technische Interoperabilitätsanforderungen vor.

Das Dossier ist im Eiltempo durch die Co-Legislativorgane vorangetrieben worden. Das Europäische Parlament hat sich mit vier beteiligten Ausschüssen (ITRE, JURI, IMCO, LIBE) am 14. März 2023 auf ein Verhandlungsmandat geeinigt. Die derzeitige schwedische Ratspräsidentschaft hat am 23. März 2023 ein AStVMandat beschlossen, so dass die sog. Trilog-Verhandlungen bereits am 29. März 2023 beginnen konnten. Ziel der Verhandler ist es, noch innerhalb der schwedischen Ratspräsidentschaft bis zum 30. Juni 2023 einen Verhandlungsabschluss zu erzielen.

BDI-Einschätzung

Der weitreichende und horizontal angelegte Regulierungsansatz der EU-Kommission ist kritisch zu sehen. Dieser „OneSize-fits-all“-Ansatz für sämtliche (nicht-) personenbezogene IoT-Produktdaten führt im Zusammenspiel mit den wenig trennscharfen Definitionen, dem fehlenden Schutz von Intellectual Property und Geschäftsgeheimnissen und der fehlenden mit dem bestehenden Rechtsrahmen (u. a. zur Datenschutzgrundverordnung), zu einer enormen Rechtsunsicherheit in der gesamten Industrie und könnte sich ohne die notwendigen Anpassungen als Boomerang für die EUDatenwirtschaft erweisen.

Deshalb ist es unerlässlich, die notwendigen inhaltlichen Diskussionen über eine rechtssichere und innovationsfreundliche Ausgestaltung des EU-Data Act nicht überstürzt zu führen, nicht zuletzt aufgrund der grundlegenden und tiefgreifenden Auswirkungen des EU-Data Acts auf die europäische Industrie. .

Ansprechpartner
Seite 21 Wirtschaftsrecht BDI REIHE

InnoNation FestivalReady to challenge the future?!

Über den Tag hinweg wurden die Themenbereiche Innovation, Schlüsseltechnologien, Nachhaltigkeit, Moderner Staat und Daten diskutiert.

Gewerblicher Rechtsschutz
Seite 22 Wirtschaftsrecht BDI REIHE

Auf dem ersten Panel zum „Ist-Zustand“ war der sog. Innovationsindikator ein Wegweiser für die Frage: Wo steht Deutschland im internationalen Wettbewerb? Antwort: Ziemlich statisch in der Mitte. In der anschließenden Diskussion wurde klar, dass die Akteure des Innovationssystems nur Hand in Hand Dynamik und Schwung in die dringend benötigte Reform des Innovationssystems bringen können.

Über den Tag hinweg wurden die Themenbereiche Innovation, Schlüsseltechnologien, Nachhaltigkeit, Moderner Staat und Daten diskutiert.

Der „Deep Dive“ zum Thema Forschungsdaten stellte sich in Kleingruppenarbeit der Frage: Wie schaffen wir Vertrauen beim Thema Datenteilung? Klar wurde, dass es beim Datenteilen um die richtige Balance aus Freiwilligkeit und Verpflichtung mit einem differenzierten Blick auf unterschiedliche Daten gehen muss.

Beim „Need for Speed– Deep Dive“ waren sich die Akteure einig: Es muss einen Mentalitätswechsel geben - weg von Misstrauen und Angst vor Fördermittelmissbrauch hin zu einem Arbeiten auf Augenhöhe mit verbindlichen und schnellen Zeitvorgaben, harmonisierten Templates und Transparenz im Antragsprozess.

Beim gemeinsamen „Jonglieren“ warfen sich Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Gesellschaft im wahrsten Sinne des Wortes die Bälle zu. Auf dem folgenden Panel zum Thema „IP4Innovation“ diskutierten die Panelisten über die rückläufigen Anmeldezahlen für Patente, „digitale“ Patente und innovative Gründungskultur. Dr. Alissa Zeller (BASF SE), Vorsitzende des

BDI-Ausschusses für Gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht betonte: „Der Schutz von Patenten ist essenziell zur Förderung von technologischen Innovationen und der Sicherung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen.“

Den Abschluss bildete eine Diskussionsrunde mit Bundesforschungsministerin Bettina StarkWatzinger rund um die Frage: „Wie werden wir zur InnoNation?“ Es ist zu schaffen, wenn in Deutschland und Europa, in Politik und „Innovationscommunity“ dafür zwei Dinge gelebt werden: 1. Reform und Rahmenbedingung für Innovation ganzheitlich und langfristig stärken, und 2. „Schnellbootmissionen“ losschicken. Als bestes Beispiel hierfür wurde das innovative Zusammenarbeiten in der European Space Agency (ESA) genannt.

Es gibt sie also: Die dynamische und willige Innovationscommunity, die endlich etwas ändern will. .

„In Bewegung kommen“ - Schwierige Fragen zum Innovationsstandort Deutschland adressieren: Beides ist auf dem ersten InnoNation Festival in der „Alten Münze“ in Berlin gelungen. In 18 „Deep Dives“ und auf drei Panels diskutierten 660 Teilnehmende aus Politik, Wissenschaft, Gesellschaft und Wirtschaft.
Ansprechpartnerin
Seite 23 Wirtschaftsrecht BDI REIHE

IMPRESSUM

Herausgeber Bildnachweis

Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. (BDI)

Breite Straße 29

10178 Berlin

T: +49 30 2028-0 www.bdi.eu

Redaktion

Dr. Kerstin Lappe, Rechtsanwältin (Syndikusrechtsanwältin)

Niels Lau (V.i.S.d.P.), Abteilungsleiter Abteilung Recht, Wettbewerb und Verbraucherpolitik

Konzeption

Sarah Schwake, Referentin Abteilung Marketing, Online und Veranstaltungen

Layout & Design

Lana Grochowina, Interface Designerin

Verlag

Industrie-Förderung GmbH, Berlin

S. 3: reichstag-4148 / flickr.com

S. 4: Prof. Dr. Günter Krings / Tobias Koch

S. 10: 161998251 / adobestock.com

S. 12: Robotoc Arm / envato.com

S. 14: Law Firm / envato.com

S. 16: New Office / envato.com

S. 18: EU Flags European Commision / envato.com

S. 20: Software Algorithm / envato.com

S. 22: BDI / Jana Legler

Stand

Juni 2023

Seite 24 Wirtschaftsrecht BDI REIHE

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