Behörden Spiegel April 2022

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70 Jahre DWD

Behörden Spiegel /April 2022

III

Digital nach innen und außen

Globale Informationen 2.0

Arbeitsweisen im DWD haben sich grundlegend verändert

Von Drehscheiben und Segeldrohnen

(BS/Norbert Wetter) Im Außenverhältnis ist der Deutsche Wetterdienst (DWD) schon sehr lange digitalisiert. Nun setzt er auch im Innenverhältnis immer stärker auf digitale Zusammenarbeit und leitet gleichzeitig einen Kulturwandel ein.

(BS/Kai-Thorsten Wirt) Der Deutsche Wetterdienst (DWD) ist eine der wichtigsten Drehscheiben im internationalen Datenaustausch der Weltorganisation für Meteorologie (WMO). Die WMO plant, in den nächsten Jahren Technik und Verfahren für den internationalen Datenaustausch der Wetterdienste grundlegend zu erneuern. Ziel ist es, den steigenden Anforderungen an Echtzeitdaten, Datenqualität sowie den weiterwachsenden Datenmengen gerecht zu werden.

Der DWD setzt zur Leistungserbringung seit Jahrzehnten auf digitale Technik und einen hohen Automatisierungsgrad. Der erste Supercomputer wurde bereits 1966 eingesetzt, das meteorologische Messnetz ist fast vollständig automatisiert und Warnungen kommen auch per App beim Kunden an. Intern konnte mit dem hohen Digitalisierungsgrad des Außenverhältnisses nicht Schritt gehalten werden. Die Prozesse brauchten ihre Zeit, hellbraune Umlaufmappen transportierten den Inhalt und gehörten lange zu den typischen Accessoires der Beschäftigten. Bereits vor der Corona-Pandemie hat der DWD sich daher das strategische Ziel gesetzt, sich aktiv gestaltend zu einer digitalen und agilen Verwaltung weiterzuentwickeln. Die Pandemie hat diese Entwicklungen stark beschleunigt.

DWD als Pilotbehörde für die E-Akte Neben mobilem Arbeiten im Homeoffice gehören Videokonferenzsysteme und Kollaborationstools für alle Beschäftigten zum Alltag. Der DWD gehört zu den Pilotbehörden, die die elektronische Akte (E-Akte) erproben. Bis 2023 soll den Beschäftigten ein zukunftsfähiges Dokumentenmanagementsystem zur Verfügung stehen. Alle angestrebten Neuerungen sind zentrale Mosaiksteine für die künftige Entwicklung des DWD. Sie sorgen dafür, dass Kommunikation und Information digital erfolgen können. Damit öffnen sich weitere

Norbert Wetter ist Vizepräsident des Deutschen Wetterdienstes (DWD) und Mitglied des Vorstandes sowie Leiter des Geschäftsbereichs Personal und Betriebswirtschaft. Foto: BS/DWD

Handlungsspielräume für flexible Arbeitszeiten und Arbeitsorte. Bei allem Ideenreichtum und Engagement steht der DWD nicht alleine auf dem Platz, sondern benötigt die Unterstützung wichtiger Mitspieler aus der Bundesverwaltung, insbesondere des ITZBund.

Keine triviale Aufgabe, die zu bewältigen ist Dieser Transformationsprozess, bei dem man auch die sozialen Aspekte der Zusammenarbeit nicht aus den Augen verlieren darf, ist keine triviale Aufgabe. Er erfordert die Abkehr vom Denken in starren Organisationsstrukturen und braucht ein geändertes Verständnis von Prozess- und Arbeitsabläufen. Der DWD wird daher nicht nur in neue Technik investieren, sondern auch in neue Arbeitsräume, die agiles Arbeiten und neue Formen der Zusammenarbeit ermöglichen. Der DWD experimentiert mit Desksharing-Modellen und neuen Raumkonzepten, wie zum Beispiel mit einem externen Zukunfts- und Innovationsraum. Der DWD wird

seine Behördenhierarchie mutig um tertiäre Ansätze des Zusammenarbeitens ergänzen. Dazu werden Netzwerke ausgebaut und es wird verstärkt in crossfunktionalen Teams gearbeitet. Außerdem werden Softwareentwicklung und IT-Betrieb zur Stärkung der Innovationskraft zusammengebracht (DevOps).

Starke kulturelle Veränderung beabsichtigt Mit dieser Agilität verbindet der DWD auch den Willen zu einer starken kulturellen Veränderung – insbesondere auch in seiner Führungs- und Fehlerkultur. Das strategische Ziel einer agilen und digitalen Verwaltung ist ohne eine veränderte Unternehmenskultur nicht denkbar. Das neue Leitbild kann helfen, Beschäftigte und Führungskräfte auch mental in die Zukunft zu führen. Damit hat der DWD einen Rahmen geschaffen, wie seine Arbeitsplätze der Zukunft aussehen sollen und wie man künftig vertrauensbasiert zusammenarbeiten will. Der DWD befindet sich in einer Versuchsphase für die Arbeitswelt der Zukunft. Nun gilt es nicht nur für den DWD, sondern auch für andere Behörden, die richtige Mischung der Transformation zu finden.

Gefährdung der Drohnen Wetterinformationen zum sicheren Flug (BS/df) Wenn ein Lithium-Ionen-Akku brennt, dann ist er kaum noch zu löschen. Weder Löschschaum noch Wasser hemmen den Brand, er könnte höchstens mit einer feuchten Decke erstickt werden. Zum Auslösen des lange anhaltenden Brands reicht es, wenn ein Objekt den Akku durchdringt. So problematisch dies alles bereits bei Elektrofahrzeugen ist, ergeben sich durch die mittlerweile überall erhältlichen Kleindrohnen mit ihrem Lithium-Ionen-Inhalt ganz neue Gefahren. Es wäre das Worst-Case-Szenario, dass eine Kleindrohne in einen Wald stürzt, dabei ein Ast den Akku durchschlägt und dieser bis zu einer Stunde lang einen ausdauernden, sehr heißen Brandherd auf dem trockenen Waldboden oder im Geäst eines abgestorbenen Baumes bildet. Nichts könnte den unausweichlich darauffolgen den Waldbrand verhindern. Zwei zusätzliche Probleme entstehen durch die starke Verbreitung der Kleindrohnen: ihre Flugeigenschaften und ihre Piloten. Zu den Flugeigenschaften dieser Copter-Drohnen gehört, dass sie nur durch Energie in der Luft gehalten werden und dass sie keinerlei eigenen Auftrieb besitzen. Wenn ihnen die Energie ausgeht, stürzen sie ab. Der Energieverbrauch hängt wiederum von der Umgebung ab und kann sehr stark variieren. Nicht nur Kälte setzt den Drohnen zu, besonders der Wind fordert immer wieder Opfer. Schließlich herrschen bereits in zehn Metern Höhe ganz andere Windverhältnisse als am Boden. Wenn der Pilot ein erfahrener Modellflieger ist, dann weiß er das. Für die meisten Hobby-Drohnenflieger sind diese Gegebenheiten allerdings Neuland.

Temperaturdifferenzen gefährlich Die meisten Drohnen verfügen über automatische Stabilisierungen. Wenn also böiger Wind herrscht, dann verbraucht das System für einen stabilen Flug deutlich mehr

Energie – fast unbemerkt. Hierdurch kann es zu Abstürzen kommen, wenn der Mensch am Boden die Verhältnisse um das Flugobjekt he­rum falsch einschätzt. Gleiches gilt für die Luftströmungen um Gebäude. Neben den Luftströmungen gefährden auch Temperaturunterschiede die Kleindrohnen, besonders mögliche Vereisungen. Feuchter Tau in Bodennähe lagert sich auf den Systemen ab und verwandelt sich in steigender Höhe bei fallender Temperatur zu Eis, was wiederum zusätzliches Gewicht bedeutet. Da dieses für den Nutzer am Boden unbemerkt geschieht, ist auch hier wieder fliegerisches Können gefragt.

Datenunterstützung der Piloten Der Deutsche Wetterdienst (DWD) bietet extra für Piloten und mittlerweile auch für Drohnenführer eigene Wetterdaten, in denen die wichtigsten Parameter leicht erfassbar dargestellt werden. Dieses “Flugwetter” war ursprünglich nur für Flugzeugpiloten konzipiert. Mit der immer stärkeren Verbreitung von Drohnen kam aber auch dieser Nutzerkreis vermehrt in den Fokus. Der erfahrene Pilot ist zwar sicherlich in der Lage, anhand des Betrachtens von Umgebung und Himmel eine durchaus präzise Wettereinschätzung vor Ort vorzunehmen. Gerade dem Anfänger und Hobbynutzer helfen allerdings die vom DWD zur Verfügung gestellten Daten, um mögliche Auswirkungen

auf den Flug zu ermitteln. Ebenfalls im Flugwetter enthalten sind zudem spezielle Warnungen, wie etwa im Fall eines Sonnensturms. Ein solches Ereignis kann der Mensch mit seinen Sinnen schließlich nicht erfassen, die Auswirkungen auf die Technik sind allerdings enorm. So zerstörte jüngst ein Sonnensturm 40 Starlink-Satelliten. Und der letzte große Sonnensturm im Jahr 2003 ging als Halloween-Sturm in die Annalen der Fluglotsen ein.

Verschiedene Flugwetter­ informationen Der DWD gibt auf die Bedürfnisse der Nutzer abgestimmte Produkte heraus. So werden folgende Flugwetterprodukte kostenlos angeboten: • Flugwetterübersichten Deutschland (in Textform), • GAFOR-Vorhersagen (in Tabellenform), • GAFOR-gebietsbezogene Modellvorhersagen inklusive astronomischer Daten, • Drei-Tages-Prognosen für Sichtflug und Luftsport, • Dämmerungszeiten ausgewählter deutscher Flughäfen, • QNH-Karten ausgewählter Flughäfen in Deutschland und Umgebung, • Spezial-Produkte für unbemannte Luftfahrzeuge, Drohnen und Flugmodelle. Hinzu kommt das kostenpflichtige Selfbriefingsystem unter www. flugwetter.de .

Im Rahmen eines Pilotprojektes beteiligt sich der DWD aktiv an der Entwicklung des gesamten neuen WMO-Systems. In diesem Pilot stellt die US-amerikanische National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) seit Oktober 2021 Messdaten von Segeldrohnen bereit, die erstmalig Wetterdaten an schwer erreichbaren Orten, wie beispielsweise in Hurrikans, aufzeichnen. Der DWD stellt über ein Portal mit entsprechender Suchfunktion die einheitliche Zugriffsmöglichkeit zu den Drohnendaten bereit. Das System ist so flexibel, dass es sich leicht um weitere Datenquellen erweitern lässt.

DWD mit globalem Datenaustauschknoten Zentrale Aufgabe der WMO ist es, die weltweite Zusammenarbeit unter den Wetterdiensten zu koordinieren und einheitliche Regelungen und Standards auszuarbeiten, sodass ein Datenaustausch international überhaupt möglich ist. Rückgrat für das weltweite Datennetzwerk ist bis heute das 1972 in Betrieb gegangene Global Telecommunications System (GTS). Eine Weiterentwicklung des GTS ist seit 2009 das WMO-Informationssystem (WIS). Mithilfe des WIS-Systems verfolgt die WMO vor allem das Ziel, den Zugang zu Wetterdaten zu vereinfachen. Kernstücke sind dabei eine Erweiterung des GTS um einen Metadatenkatalog und die Möglichkeit, Produkte und Daten

Kai-Thorsten Wirt ist Sachgebietsleiter für nationalen und internationalen meteorologischen Datenaustausch und Betriebsdurchführung im Deutschen Meteorologischen Rechenzentrum (DMRZ) des Deutschen Wetterdienstes (DWD) in Offenbach.

Foto: BS/DWD

über das Internet zu beziehen. Der DWD betreibt seit 2009 einen globalen Datenaustauschknoten (Global Information System Center, GISC;, weitere Informationen: https://gisc. dwd.de) im WIS. Er zählt 29 Länder zu seinem Zuständigkeitsbereich und ist in diesem Datennetzwerk einer der 15 Hauptknotenpunkte für die internationale Datenverteilung. Mithilfe seiner IT kann der DWD ein breites Spektrum an Leistungen in einer hohen Ausgabequalität anbieten. Dies hat den Vorteil, dass auch Länder mit weniger Ressourcen gleichwertig an den DWD und das

WIS-Netzwerk angebunden sein können. Zusätzlich bietet das WIS die Möglichkeit, Daten und Produkte zu abonnieren. Für einen durch die WMO definierten Grunddatensatz, vor allem weltweite Mess- und Beobachtungsdaten, steht dieser Datenzugang auch der Öffentlichkeit uneingeschränkt zur Verfügung. Er bildet die Grundlage für alle Wettervorhersagen und ist unersetzlich für die Forschung, beispielsweise zum Klimawandel. Aber auch kommerzielle Nutzer verwenden diese Daten, zum Beispiel bei der Planung von Windenergieanlagen.

Offene Standards sollen verwendet werden Die Weiterentwicklung des WISSystems hin zum WIS 2.0 bietet dem DWD die Möglichkeit, das System selbst, die zugrundeliegende IT-Struktur sowie die Datenflüsse vollständig neu zu denken und zu implementieren. Ein wichtiger Aspekt wird sein, dass aktuelle Industrie- und vor allem offene ITStandards zum Einsatz kommen werden. Dies gibt dem DWD die Möglichkeit, eine so wichtige Aufgabe wie die Sicherstellung der globalen Datenverteilung mit den aktuellen technischen Standards im Markt zu kombinieren. Der Zugriff auf die Daten über das neue Web-Portal wird anwenderfreundlich sein und weiterhin den reibungslosen und sicheren Datentransfer ermöglichen.


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